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"Ich will Menschen töten"

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"I seriously want to kill people." Wer so etwas sagt, sollte sich nicht wundern, wenn kurz darauf die Polizei klingelt. Erst recht nicht, wenn man es in aller Öffentlichkeit auf Twitter verkündet.

Der niederländische Web-Entwickler Jeffry van der Goot hat sich trotzdem gewundert, als plötzlich Beamte vor seiner Amsterdamer Wohnung standen. Dabei schien die Sache eindeutig: Der Account @jeffrybooks war auf seine Mailadresse registriert und hatte kurz zuvor die Todesdrohung in die Welt gesetzt. Auch hatte kein böser Hacker den Account übernommen, um in van der Goots Namen einen Mord anzukündigen.




Tiefenentspannte Polizisten


Obwohl niemand anderes als van der Goot selbst verantwortlich war, blieben die Polizisten freundlich. Das Einzige, was sie verlangten: Er solle doch bitteschön den Account löschen (die Seite ist mittlerweile entfernt und nur noch über den Google Cache erreichbar); wenig später zogen sie von dannen und ließen einen nachdenklichen Jeffry van der Goot zurück.

[plugin imagelink link="http://fusion.net/story/48656/who-do-we-blame-when-robots-threaten-to-kill-people/" imagesrc="https://fusiondotnet.files.wordpress.com/2015/02/screen-shot-2015-02-12-at-5-06-03-pm.jpg?quality=80&strip=all"]So sah van der Goots Twitter-Bot aus, als er noch nicht gelöscht war.

Sind die Niederländer also nicht nur ein Stückchen relaxter, was den Umgang mit Gras angeht, sondern sehen auch Morddrohungen eher tiefenentspannt? Wohl kaum. Die Polizisten haben van der Goot nur deshalb nicht mit aufs Revier genommen, weil nicht er selbst, sondern eine Maschine den Tweet abgeschickt hatte: Hinter @jeffrybooks steckt kein Mensch, sondern ein Bot.



Der echte van der Goot wundert sich auf Twitter über den Polizeibesuch.

Das Programm scannte die Tweets von van der Goots eigenem Twitter-Account, setzte die Wörter mithilfe eines Algorithmus zu semantisch korrekten Sätzen zusammen und twitterte selbst drauflos. Immer mehr Menschen legen sich mittlerweile solche Zweitaccounts zu und beobachten, wie die Bots ein Eigenleben entwickeln. Die Tweets dieser Twitter-Tamagotchis sind mal philosophisch, mal poetisch, mal sinnlos – und normalerweise komplett harmlos.

Wer haftet für Algorithmen?


Wenn aber aus arglosen Algorithmen plötzlich mordlustige Maschinen werden, stellt sich die Frage: Wer ist dafür verantwortlich? Im Fall von van der Goot gibt es drei Optionen: Er selbst, weil er sich den Bot zugelegt hat und seine eigenen Tweets die Grundlage dafür waren. Der Pariser Student Clément Hertling, weil er die Software programmiert hat, auf der van der Goots Bot basiert. Oder der wildgewordene Algorithmus, weil er Absender der Todesdrohung war.

Klar scheint nur, dass Hertling nichts dafür kann und auch juristisch nicht für seine Entwicklung haftet. Beim amerikanischen Internetportal Fusion vergleicht ein Jura-Professor den Algorithmus mit einem Kampfhund: Wenn eine Bulldogge einen Menschen angreift, sei nicht der Züchter, sondern der Halter dafür verantwortlich. Überträgt man diesen Vergleich auf @jeffrybooks, müsste also sein "Halter" van der Goot dafür bestraft werden. Der kam aber mit einer Ermahnung davon, und ausbaden musste es letztendlich der wehrlose Bot: Für seine Todesdrohung bekam er die Todesstrafe, der Account wurde gelöscht.



Unaufgeregter haben Polizisten nach einer Morddrohung wohl selten reagiert.

Was nach einer lustigen, aber bedeutungslosen Anekdote klingt, könnte schon bald relevant werden. Fast zwei Drittel des weltweiten Datenaufkommens im Internet stammen mittlerweile von Bots. Ende letzten Jahres programmierte die Schweizer Mediengruppe Bitnik den "Random Darknet Shopper" – einen Bot, der nach dem Zufallsprinzip im Darknet auf Shoppingtour ging und dabei unter anderem auch Ecstasy-Pillen bestellte. Die Polizei beschlagnahmte die Drogen, ließ die Künstler aber laufen. Und Anfang Februar wurde eine auf dem Boden schlafende Südkoreanerin von ihrem Saugroboter "attackiert", der sich in ihren Haaren verfangen hatte. Schließlich musste die Feuerwehr kommen und den Roboter von ihrem Kopf entfernen.

[plugin imagelink link="http://www.geek.com/news/fire-department-called-after-robot-vacuum-attacks-sleeping-owner-1615192/" imagesrc="http://www.geek.com/wp-content/uploads/2015/02/robot_vacuum_attacks-590x330.jpg"]Alarm, die Saugroboter kommen!

In Zeiten von selbstfahrenden Autos (Wer ist schuld, wenn das Google Car einen Unfall baut?), saugenden Robotern (Hätte der Hersteller Schmerzensgeld zahlen müssen, wenn die Frau schwerer verletzt worden wäre?) und twitternden Bots dürften die ersten Juristen mit Schwerpunkt Maschinenrecht nicht lange auf sich warten lassen. Wer Lust hat, diese Entwicklung zu beschleunigen: In der deutschen Wired gibt es eine recht kurzweilige und leicht verständliche Anleitung, wie man sich selbst einen solchen Bot zulegt.

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