Was war nur los am 23. April 2014? Im Kalenderblatt von Wikipedia, in dem so gut wie alle weltbewegenden Ereignisse eines Jahres nach Tagen geordnet sind, bleibt der Eintrag für jenen Mittwoch leer – was an sich schon außergewöhnlich genug ist. Rund herum wimmelt es von Scharmützeln in der Ostukraine, IS-Selbstmordattentaten, Staatskrisen und Naturkatastrophen. Und doch war es angeblich der 23. April, an dem sich die Menschen in diesem Jahr am schlechtesten gefühlt haben. Zumindest wenn man dem „Daily Misery Index“ Glauben schenkt.
In der sogenannten Tabelle gewichtete die Washington Post, wie oft bei Google nach Begriffen wie Depression, Angst, Stress oder Schmerz gesucht wurde.
In der sogenannten Tabelle gewichtete die Washington Post, wie oft bei Google nach Begriffen wie Depression, Angst, Stress oder Schmerz gesucht wurde. Häufigere Suchen lassen den Index ansteigen und während er sich im Jahresverlauf stabil bei plus, minus 70 Punkten bewegt, schnellt er am 23. April auf über 90.
Vor einiger Zeit haben zwei Forscher in Science die Aussagekraft eben solcher Studien und der zugrunde liegenden Daten in Frage gestellt. Diese seien oft nicht repräsentativ, verzerrt und wegen diverser Einschränkungen der Social-Media-Plattformen ungenau. Fehlt einer ganzen Wissenschaftlergeneration die nötige Grundskepsis? Soziale Medien versprechen eindeutig quantifizierbare Produktivitätssignale. Mausklicks, Tweets und Status-Updates scheinen so viel leichter zu interpretieren als verschwurbelte Antworten auf umständlich entworfene Fragebögen. Außerdem sind die Stichproben natürlich um ein Vielfaches größer, als alle Fokusgruppen, die man auf konventionellem Weg zusammentrommeln könnte. Sollte das nicht ausreichen, um eine repräsentative Auswahl zu erhalten?
Ihre Kollegen, bemängeln die Autoren in Science, vergessen angesichts des Datenschatzes jedoch, dass auch auf den einzelnen Social-Media-Plattformen durchaus diverse Zielgruppen unterwegs sind. So wird Instagram überdurchschnittlich oft von Städtern rund um die 20 benutzt. Das Wohlfühl-Bild-Portal Pinterest bevölkern dafür in der Mehrheit Frauen über 30 mit einem hohen Haushaltseinkommen. Nicht zu vergessen, die Abermillionen von Spam- und PR-Accounts, die ihre ganz eigene, undurchschaubare Agenda verfolgen.
Trotz allem erhält man auf Googles Akademiker-Portal Google Scholar für das Wort Twitter mit 4,9 Millionen Treffern beinahe doppelt so viele Ergebnisse wie für das Wort Soziologie. Was haben Wissenschaftler durch die sozialen Medien nicht alles herausfinden und beweisen können? Allein in den letzten Wochen findet man Dutzende Twitter-Studien. Sie entzifferten den Tag-Nacht-Rhythmus des angeblich niemals schlafenden New York, rechneten die spanischen Arbeitsmarktzahlen anhand der Binnen-Twitter-Aktivität hoch oder analysierten die Beziehungskrisen von 40.000 Paaren durch deren Kommunikation auf der Kurznachrichtenplattform.
An diesen Veröffentlichungen hängen nicht nur Diplom- und Doktorarbeiten. Sie machen die Welt auch ein bisschen leichter erklärbar. Soll uns das in Zukunft nun fehlen? Vielleicht sollte man zumindest noch für einige Tage an die Aussagekraft von Social-Media-Daten und den Misery Index glauben. Denn genau wie der 23. April eine Spitze nach oben darstellt, projizieren die Datenanalysten auch ein einziges Datum im Jahr, an dem die Kummer-Kurve auf unter 60 fallen wird. Es ist natürlich der Weihnachtstag.
In der sogenannten Tabelle gewichtete die Washington Post, wie oft bei Google nach Begriffen wie Depression, Angst, Stress oder Schmerz gesucht wurde.
In der sogenannten Tabelle gewichtete die Washington Post, wie oft bei Google nach Begriffen wie Depression, Angst, Stress oder Schmerz gesucht wurde. Häufigere Suchen lassen den Index ansteigen und während er sich im Jahresverlauf stabil bei plus, minus 70 Punkten bewegt, schnellt er am 23. April auf über 90.
Vor einiger Zeit haben zwei Forscher in Science die Aussagekraft eben solcher Studien und der zugrunde liegenden Daten in Frage gestellt. Diese seien oft nicht repräsentativ, verzerrt und wegen diverser Einschränkungen der Social-Media-Plattformen ungenau. Fehlt einer ganzen Wissenschaftlergeneration die nötige Grundskepsis? Soziale Medien versprechen eindeutig quantifizierbare Produktivitätssignale. Mausklicks, Tweets und Status-Updates scheinen so viel leichter zu interpretieren als verschwurbelte Antworten auf umständlich entworfene Fragebögen. Außerdem sind die Stichproben natürlich um ein Vielfaches größer, als alle Fokusgruppen, die man auf konventionellem Weg zusammentrommeln könnte. Sollte das nicht ausreichen, um eine repräsentative Auswahl zu erhalten?
Ihre Kollegen, bemängeln die Autoren in Science, vergessen angesichts des Datenschatzes jedoch, dass auch auf den einzelnen Social-Media-Plattformen durchaus diverse Zielgruppen unterwegs sind. So wird Instagram überdurchschnittlich oft von Städtern rund um die 20 benutzt. Das Wohlfühl-Bild-Portal Pinterest bevölkern dafür in der Mehrheit Frauen über 30 mit einem hohen Haushaltseinkommen. Nicht zu vergessen, die Abermillionen von Spam- und PR-Accounts, die ihre ganz eigene, undurchschaubare Agenda verfolgen.
Trotz allem erhält man auf Googles Akademiker-Portal Google Scholar für das Wort Twitter mit 4,9 Millionen Treffern beinahe doppelt so viele Ergebnisse wie für das Wort Soziologie. Was haben Wissenschaftler durch die sozialen Medien nicht alles herausfinden und beweisen können? Allein in den letzten Wochen findet man Dutzende Twitter-Studien. Sie entzifferten den Tag-Nacht-Rhythmus des angeblich niemals schlafenden New York, rechneten die spanischen Arbeitsmarktzahlen anhand der Binnen-Twitter-Aktivität hoch oder analysierten die Beziehungskrisen von 40.000 Paaren durch deren Kommunikation auf der Kurznachrichtenplattform.
An diesen Veröffentlichungen hängen nicht nur Diplom- und Doktorarbeiten. Sie machen die Welt auch ein bisschen leichter erklärbar. Soll uns das in Zukunft nun fehlen? Vielleicht sollte man zumindest noch für einige Tage an die Aussagekraft von Social-Media-Daten und den Misery Index glauben. Denn genau wie der 23. April eine Spitze nach oben darstellt, projizieren die Datenanalysten auch ein einziges Datum im Jahr, an dem die Kummer-Kurve auf unter 60 fallen wird. Es ist natürlich der Weihnachtstag.