Quantcast
Channel: Alle Meldungen - jetzt.de
Viewing all articles
Browse latest Browse all 6207

Frankreichs Krieg der Krippen

$
0
0
Grauer Laminatboden, senfgelbe Wände, vielleicht ein staubiger Gummibaum. Behörden fallen ihrem Ruf nach eher selten durch Schmuck auf. In Frankreich aber hat weihnachtliche Dekoration zu einer nationalen Debatte geführt: Ein Verwaltungsgericht in Nantes untersagte dem Département Vendée, die Eingangshalle seiner Behörde mit einer Krippe zu schmücken. Maria, Josef, Jesuskind, so entschied das Gericht, widersprechen dem Gebot zur religiösen Neutralität.



Die Krippen haben in Frankreich eine Tradition, die älter ist als der Laizismus.

Dass die aus Heu, Zweigen und Figuren gestaltete biblischen Krippenszene weg soll, ärgert viele Franzosen. Nicht nur die Gegner von sterilem Behörden-Schick, vor allem die dem Brauchtum Verbundenen im ganzen Land. Die Tageszeitung Le Parisien warnte vor einem „Krieg der Krippen“. Die Debatte schwelt bereits länger. Schon vor zwei Jahren hatte die „Nationalen Vereinigung der Freidenker“, eine Organisation, die religiösen Dogmatismus bekämpfen will, Klage eingereicht: Krippen seien Symbole des Katholizismus und gehörten nicht in öffentliche Gebäude. Die Vereinigung beruft sich auf den Laizismus, die vor knapp 110 Jahren beschlossene Trennung von Staat und Kirche. Demnach sind „die Errichtung oder Anbringung religiöser Embleme auf öffentlichen Monumenten oder öffentlichen Plätzen“ verboten.

Dieser Vorschrift zum Trotz stellten Beamte im Advent in vielen französischen Rathäusern und Gemeindestuben Krippen auf. Denn die Krippe hat im Land eine Tradition, die älter ist als der Laizismus: Vor allem im Süden werden die „Santons“, die kleinen Heiligenfiguren, seit mehr als 200 Jahren produziert. Gestört hat das lange Zeit kaum jemanden – wenn dann in Einzelfällen. 2010 etwa maßregelte das Verwaltungsgericht von Amiens einen Bürgermeister wegen Verletzung laizistischer Prinzipien. Drei Jahre später einen Ratsherrn im Département Aveyron. In Avignon, wo ein Szenario mit 600 Figuren seit 1999 die Säulenhalle des historischen Rathauses geschmückt hatte, beschloss man Anfang des Jahres, die Touristenattraktion in eine Kirche zu verlegen.

Seit dem Urteil von Nantes sollen Lokalpolitiker der rechtsextremen Front National (FN) die Debatte anheizen. In einigen FN-geführten Gebietskörperschaften sind laut Medienberichten neue Krippen aufgestellt worden. Manche der Bürgermeister scheinen die Gelegenheit zu nutzen, als Verfechter abendländisch verankerter Traditionen aufzutreten. Im südfranzösischen Béziers etwa ließ der FN-nahe Robert Ménard eine Krippe im Rathaus platzieren. In der folgenden Abmahnung des zuständigen Präfekten hieß es: „Das entspricht nicht dem Prinzip des Laizismus und ist auch keine lokale Tradition, in Wahrheit handelt es sich um eine Erfindung der neuen Stadtverwaltung.“ Ménard verteidigte sich umgehend: „Wir leben in einem Land jüdisch-christlicher Kultur, ob das einer Handvoll Fundamentalisten gefällt oder nicht.“ Dieses Jahr, sagte er, würde die Heilige Jungfrau nicht vor die Tür gesetzt wie vor 2000 Jahren, sie bleibe „bei uns im warmen Rathaus“.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 6207