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Lies an einem anderen Tag

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Jetzt also auch James Bond. Man sollte es für die Kernkompetenz eines Geheimagenten halten, wenigstens ein Drehbuch mit dem Vermerk „Top Secret“ zu bewachen – aber in Zeiten der Globalisierung werden auch die Abenteuer von 007 nicht mehr allein in London ersonnen. Die Sony-MGM Studios in den USA haben als Auftraggeber ein Wort mitzureden, und dort ist die Sache jetzt aufgeflogen: Im Zuge des spektakuläre Datenklaus bei Sony, der seit Wochen immer weitere Kreise zieht, ist jetzt auch das vollständige Script von „Spectre“ online aufgetaucht – jenes neuen Bond-Films, den Regisseur Sam Mendes, Star Daniel Craig und Superschurke Christoph Waltz seit voiger Woche in den Londoner Pinewood Studios drehen.



Daniel Craig und Christoph Waltz beim Pressetermin zu Beginn der Dreharbeiten des neuen Bond-Films "Spectre". Der Film soll im Oktober 2015 erscheinen, das gesamte Skript wurde aber bereits von Hackern im Internet veröffentlicht.

Echten James-Bond-Fans, die sich über jeden Twist und Turn freuen und sich beim großen pyrotechnischen Finalfeuerwerk gern überraschen lassen, mit welch spektakulären Mitteln wieder einmal die Welt gerettet wird, kann man an dieser Stelle nur eines raten: Hört sofort auf zu lesen – und vermeidet im nächsten Jahr jede Schlagzeile und jeden Blogeintrag, der das Stichwort James Bond enthält. Was eine weise Haltung ist, die mit erhöhtem Filmgenuss einhergeht. Sie wird selbstverständlich auch von den Bond-Produzenten propagiert: In einem zugleich drohenden und flehenden Statement drohen sie jedem, der das Script im Netz zugänglich macht oder weiterverbreitet, mit fürchterlichen juristischen Konsequenzen.

Andererseits ist da diese fatale Neugier, die einen anderen Teil der Fans doch immer weitertreibt. Ihre grenzenlose Gier nach News hat schon in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass die Herstellung populärer Blockbuster immer mehr zur Hochsicherheitsoperation wird: mit Drehbüchern, die selbst Superstars nur noch allein in einer Zelle lesen und keineswegs mit nach Hause nehmen dürfen, und mit Außensets, die allenfalls noch per Überflug mit einer Spionagedrohne ausgespäht werden können. Wer miterlebt hat, wie beim Dreh von „Skyfall“, dem bisher letzten Bond, die halbe Istanbuler Innenstadt mit Sichtschutz-Planen verhängt wurde, vor denen dann im Abstand von weniger als zwei Metern auch noch hünenhafte und grimmige Sicherheitsleute postiert waren – der weiß, dass um jeden Überraschungsmoment auf der Leinwand inzwischen mit härtesten Mitteln gekämpft wird.

Umso schmerzvoller muss es für die Bond-Schöpfer sein, dass ihre neuesten Ideen jetzt online diskutiert werden. Und, zusätzliche Schmach: Gemeinsam mit dem Script wurden auch interne E-Mails des Studios publik, in denen die Sony-Bosse Alarm schlagen: Der erste Teil des Scripts (Bond zerstört versehentlich und unautorisiert die Hälfte von Mexiko City, wird wieder einmal kaltgestellt, verführt die Frau eines Mannes, den er zuvor umgebracht hat, und so fort...) sei ja noch ganz nett, heißt es in den Memos. Die zweite Hälfte (in der dann Christoph Waltz auftaucht, als Bösewicht natürlich, was sonst) falle aber leider ab, sei fast unverständlich und laufe gerade nicht auf einen Knaller hinaus. Fazit: Da bleibe noch verdammt viel Arbeit zu tun, während aber gleichzeitig die Dreharbeiten schon laufen.

Selbst Gags auf den geleakten Scriptseiten, die in riesenhaften Sicherheitslettern mit dem Namen von Jonathan Glickman gestempelt sind, dem Chef der Filmdivision von MGM, werden im Netz bereits analysiert und sogar als ziemlich lahm verhöhnt. Wie kann das sein, denkt man sich, wenn doch das wirklich clevere „Skyfall“-Team wieder für das Drehbuch verantwortlich ist? Die einzige Bond-würdige Antwort lautet: Es kann gar nicht sein. In bester Geheimdienst-Logik läuft alles auf eine alternative Erklärung hinaus: Die Amis gelten als zu unsicher, sie haben aus London nur wertlose Dummy-Drehbücher bekommen. Die wahren Geheimnisse lagern anderswo – und sie werden uns noch total überraschen.


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