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Klinken putzen

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Die meisten Menschen ahnen es nur. Daniel Fritz hat die passenden Zahlen dazu parat: 27 Prozent aller Europäer waschen sich, wenn sie auf der Toilette waren, nicht die Hände. „Und das“, sagt der junge Unternehmer, „ist noch eine der vorsichtigsten Schätzungen.“ Deswegen steht sie auch in seinem Businessplan. Wenn sich nicht einmal jeder Dritte die Hände wäscht, dann müssen all die Türklinken in Krankenhäusern und Kneipen, in Büros oder der Bahn, in Seniorenheimen und Sonnenstudios ziemliche Keimschleudern sein. Und dann könnten all diese Orte genau das gut brauchen, woran Daniel Fritz, 25, mit seinem Freund Maximilian Sarnow, 22, seit zweieinhalb Jahren tüftelt: einen Türgriff, der mit jedem Menschen, der beim Rein- oder Rausgehen die Klinke drückt, desinfiziert wird.



Zu wenig Menschen waschen sich nach dem Toilettengang die Hände, deswegen hat Daniel Fritz eine selbstdesinfizierende Türklinke entwickelt.

Wie sehr sich die Leute mitunter vor einem Türgriff ekeln, das haben die beiden einst an der Berufsoberschule in Rosenheim beobachtet. „Da konnte man die sportlichsten Verrenkungen sehen“, erinnert sich Fritz. „Keiner wollte die Klinken anfassen.“ Aus dieser Alltagsbeobachtung ist die erste Idee entstanden. Zuspruch und auch den einen oder anderen Preis haben sie auf Gründerwettbewerben gewonnen. Und schließlich haben sie gut 75000 Euro an privaten Ersparnissen in das Unternehmen gesteckt, das sie vor eineinhalb Jahren gegründet haben, um aus der Idee ein Produkt zu machen.

Bakteria Ex nennen sie dieses Ding, das sich mit wenigen Handgriffen an so gut wie jeder Tür nachrüsten lässt. Wird die Klinke gedrückt, so setzen sich Zahnräder in Bewegung, die das Griffstück einmal um die eigene Achse drehen und dabei an einem mit Desinfektionsmittel beträufelten Filzlappen entlangführen. 120 Euro soll das System im Schnitt einmal kosten. Und für klamme Kommunen haben die beiden auch noch Clean Walk im Angebot. Das ist ein kleines Bauteil, unter den man den Fuß haken – und so die Tür aufziehen kann, ohne die Klinke anfassen zu müssen.

Dummerweise ist den beiden gerade der Hersteller abgesprungen, der eigentlich den Prototypen fertigen sollte. Nun suchen sie nach einem neuen Entwickler. Und sie müssen all jene vertrösten, bei denen sie in den vergangenen Monaten angeklopft haben: Restaurants und Fitnessstudios waren dabei, auch ein paar Ärzte. Fast alle, erzählt Daniel Fritz, haben ihm gesagt: „Warum ist da eigentlich vorher keiner draufgekommen?“ Vermutlich, sagt der Gründer, habe ihnen da auch die Panik vor Ebola in die Karten gespielt, die zumindest die Medien ergriffen hat.

Doch die beiden sprechen nicht nur mit möglichen Kunden, sondern auch mit möglichen Investoren. Warum sie ihre Idee, die sie sicherheitshalber schon mal mit einem Patent schützen, nicht gleich den Herstellern von Türen anbieten? „Wenn man es als Start-up selbst schon mal auf dem Markt geschafft hat, dann hat man eine viel bessere Verhandlungsposition“, sagt Fritz. Um bei einer späteren Partnerschaft mehr Geld und auch mehr Mitsprache einzufordern. Klar, auch das große Geld lockt ihn. Aber, so sagt er, da ist auch dieser Wunsch, sich selbst zu verwirklichen. „Und es kann doch nichts Schöneres geben, als das mit einem eigenen Produkt zu tun.“

Und so ist aus dem, was für beide anfangs nur eine Nebensache war, inzwischen eine ziemlich große Sache geworden. „18- oder 19-Stunden-Tage, das ist keine Seltenheit“, sagt Daniel Fritz, der auch noch die Immobilienfirma seines Großvaters weiterführt. Sein Mitgründer Maximilian Sarnow steckt nebenbei noch in einem Unternehmen, das die Zutaten für Frozen Joghurt vertreibt. Warum sie sich das antun? „Wer nichts im Leben wagt, der wird es auch nicht weit bringen“, sagt Fritz.

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