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Maas will Frauen besser schützen

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An einem Sommerabend wünscht sich ein Ehemann von seiner Frau Analverkehr. Die lehnt das entschieden ab. Sie hat sich bereits zum Schlafen auf die Wohnzimmer-Couch gelegt. Der Mann geht ins Badezimmer, holt Fettcreme, kommt ins Wohnzimmer zurück und fragt seine Frau erneut. Die lehnt wieder ab und fügt hinzu, wenn er sich gegen ihren Willen durchsetze, sei das eine Vergewaltigung. Der Mann zieht ihr daraufhin einfach die Schlafanzughose herunter und dringt in sie ein. Er drückt sie dabei so an die Wand, dass sie sich nicht befreien kann. Die Frau weint und windet sich vor Schmerz, bis es endlich vorbei ist. Sie wehrt sich aber nicht. Die Frau hat Angst, ansonsten geschlagen zu werden. Ihr Mann war schon öfter gewalttätig. Außerdem schlafen die beiden Kinder im Nachbarzimmer.

Bei dem Fall handelt es sich eindeutig um eine Vergewaltigung – sollte man meinen. Der Bundesgerichtshof hat im März 2012 trotzdem eine Verurteilung des Mannes wegen des sexuellen Übergriffs aufgehoben. Seiner Ansicht nach hatten die Richter des Landgerichts nicht ausreichend geprüft, ob die Frau tatsächlich „der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert“ war. Genau dies schreibt Paragraf 177 des Strafgesetzbuchs nämlich vor, um den Ehemann verurteilen zu können. Das Landgericht hätte deshalb prüfen müssen, ob die Frau eine Chance zur Flucht hatte, entschied der BGH. Oder ob sie durch Schreie Hilfe etwa durch Nachbarn herbeiholen hätte können.



Jusizminister Heiko Maas mahnt zu Vorsicht bei der Starfrechtsreform: falsche Beschuldigungen dürften nicht erleichtert werden. 

Wegen solcher Entscheidungen kritisieren Frauenverbände schon seit Jahren den Paragrafen. Union und SPD hatten diese Bedenken in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. „Inakzeptable Schutzlücken“ und „Wertungswidersprüche“ im Sexualstrafrecht sollten beseitigt werden, heißt es in dem Vertrag. Wie dies genau geschehen solle, legten die Koalitionäre aber nicht fest. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat deshalb die Länder gebeten, aus der Praxis über die Probleme mit dem Vergewaltigungsparagrafen zu berichten. Diese Berichte liegen inzwischen vor. Und für Maas ist das Ergebnis eindeutig: Der Paragraf muss geändert werden.

Der Tatbestand der Vergewaltigung sei im Gesetz „so eng beschrieben, dass es Fälle gibt, in denen unser Recht Schutzlücken offenbart“, sagte Maas am Donnerstag. Es dürfe aber keine Vergewaltigung straflos bleiben. Das Sexualstrafrecht müsse deshalb „den realen Situationen, in denen die meisten Übergriffe stattfinden, gerechter werden“.

Nach Paragraf 177 kann bisher bestraft werden, „wer eine andere Person mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist“, zu sexuellen Handlungen nötigt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist eine sexuelle Handlung – auch wenn sie gegen den Willen des Opfers geschieht – nicht als Vergewaltigung strafbar. Nach Ansicht des Justizministers gibt es wegen dieser Vorgaben drei Fallgruppen, bei denen Frauen durch Paragraf 177 nicht ausreichend geschützt sind:
- wenn der Täter dem Opfer droht, aber nicht mit „gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben“, sondern zum Beispiel mit beruflichen Nachteilen,

- wenn der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, oder

- wenn sich das Opfer trotz Möglichkeit nicht wehrt, etwa weil es Angst vor künftigen Schlägen hat - wie in dem BGH-Fall.

Nach Ansicht des Bundesjustizministeriums zeigen diese Fälle, dass „das geltende Recht nicht immer eine klare Antwort auf die Frage gibt, wie viel Widerstand eine Frau leisten muss, damit es sich um Vergewaltigung handelt“. Wie hoch die Hürden des Paragrafen 177 seien, zeige schon die Statistik: Nicht einmal zehn Prozent der Anzeigen führten am Ende zu einer Verurteilung des Mannes.
Die Konferenz der Landesjustizminister begrüßte am Donnerstag einstimmig, dass sich Maas jetzt um den Paragrafen kümmern will. Einige Länder hatten schon länger eine Reform gefordert. Das Strafrecht fällt aber in die Zuständigkeit des Bundes.

Der ominöse BGH-Beschluss vom 20.März 2012, den die Befürworter zum Beleg einer Schutzlücke heranziehen, führt mitten in einen äußerst komplexen juristischen Streit. Auch innerhalb des BGH ist es auf Kritik gestoßen, dass der 4.BGH-Strafsenat damals nicht zu einer Verurteilung des gewalttätigen Ehemanns wegen Vergewaltigung kam. Thomas Fischer, Vorsitzender des 2. Strafsenats und Kommentator des Strafgesetzbuchs, schrieb kürzlich in einem Aufsatz in der Zeit, die Kollegen hätten den Fall schlicht falsch entschieden. Der Täter, so steht es in der Entscheidung, habe die weinende und sich vor Schmerzen windende Frau an eine Wand gedrückt. Dies aber sei – weil die Frau durch Gewalt genötigt worden sei – ein klarer Fall von Vergewaltigung. Eine Fehlentscheidung also.

In dem Beschluss spiegelt sich freilich eine Entwicklung wider, die Fischer selbst vorangetrieben hatte. Sie geht zurück auf die letzte große Reform des Vergewaltigungsparagrafen im Jahr 1997 – eine Reform, mit der übrigens schon damals eine Schutzlücke geschlossen werden sollte. Danach sollte eine Vergewaltigung nicht nur strafbar sein, wenn sie unter Einsatz von Gewalt oder mithilfe einer Drohung begangen wurde, sondern auch dann, wenn der Täter die schutzlose Lage des Opfers ausgenutzt hat. Auf den ersten Blick war das ein nachvollziehbarer Schritt zum Schutz von Frauen in jenen Situationen, die sich jenseits von Gewalt oder Drohung abspielen. Problematisch daran ist folgendes: Wenn ein Täter Gewalt ausübt oder sein Opfer mit Drohungen gefügig macht, dann ist klar greifbar, was ihm vorzuwerfen ist. Er hat den Willen der Frau gebrochen, um sie sexuell gefügig zu machen – er hat sie zum Sex gezwungen. Im bloßen „Ausnutzen“ einer schutzlosen Lage ist ein solcher Zwang dagegen jedenfalls nicht immer zu finden, gibt Fischer – polemisch zugespitzt – zu bedenken: „Was muss er tun, um sie durch Ausnutzen dazu zu zwingen? Vielleicht durch Sprechen oder Zeichengeben?“

Das ist der Hintergrund, vor dem sich der BGH unter maßgeblicher Beteiligung von Thomas Fischer in den vergangenen Jahren bemüht hat, diesen Teil des Vergewaltigungsparagrafen einschränkend zu interpretieren und damit die Schwelle zur Strafbarkeit nicht zu niedrig anzusetzen. Klafft hier deshalb eine Schutzlücke? Schwer zu sagen: Einerseits hatte der BGH selbst in seinem kritisierten Beschluss darauf hingewiesen, dass der permanent gewalttätige Mann womöglich ein „Klima der Angst“ geschaffen habe – was für eine Verurteilung wegen Vergewaltigung reichen würde. Auch Fischer sagt: Wer das Messer zwar nicht in die Hand nimmt, es aber absichtsvoll neben das Bett legt, der droht mit Gewalt. Andererseits blieb der BGH-Fall ohne Folgen: Das Verfahren wurde, weil der Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt war, an das Landgericht Essen zurückverwiesen – das den Fall in diesem Punkt überraschend einstellte. Der Mann wurde lediglich wegen anderer Gewalttaten verurteilt.

Für eine Reform hat sich daher eine andere starke Stimme unter den deutschen Strafrechtlern eingesetzt: die Berliner Professorin Tatjana Hörnle, die sonst eher nicht dazu neigt, nach härteren Strafen zu rufen. Sie betrachtet den Vergewaltigungsparagrafen vor der Folie der Istanbul-Konvention, auf die man sich im Jahr 2011 geeinigt hatte. Danach sind alle nicht einverständlichen sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen: Nein muss also immer Nein bedeuten. Dem deutschen Strafrecht fehlt aus ihrer Sicht diese Entschiedenheit, vor allem deshalb, weil das Gesetz gleichsam eine optimale Reaktion des Opfers unterstelle – die couragierte Gegenwehr, den geistesgegenwärtigen Ruf nach Hilfe. Wer dagegen zwar Nein sage, sich aber – eingeschüchtert, überrumpelt oder unter Stress – zu passiv verhalte, der sei nach deutschem Recht nicht vergewaltigt worden, schrieb sie kürzlich im „Verfassungsblog“.

Also doch eine Schutzlücke? Die Kritiker einer Reform verweisen zum einen darauf, dass es ja nicht nur den Vergewaltigungsparagrafen gibt. Sexuelle Übergriffe können auch als Nötigung in einem besonders schweren Fall bestraft werden – darauf stehen immerhin bis zu fünf Jahre Haft. Hinzu kommt: Der Grundsatz „Nein heißt Nein“ führt in der Gerichtspraxis in erhebliche Beweisschwierigkeiten – üblicherweise steht in solchen Prozessen Aussage gegen Aussage. Justizminister Maas machte jedenfalls klar, dass bei der Reform darauf geachtet werden müsse, „dass wir nicht falsche Beschuldigungen erleichtern“. Denn auch ein zu Unrecht eingeleitetes Ermittlungsverfahren könne „Existenzen zerstören“.

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