Die Schönheit, aber auch die ganze Verwundbarkeit dieses Films – vielleicht offenbart sie sich ja bereits in dieser Kranichszene. Ein kurzer, eigentlich ganz unschuldiger Moment zu Beginn. Alle Gräuel und alles Leid liegen noch in der Zukunft.
Da geht also der Kupferschmied Nazaret in seiner Heimatstadt Mardin, im östlichen Anatolien, mit seinen beiden Töchtern durch eine Gasse. Er läuft in der Mitte, hat die Arme um sie gelegt. Ein Moment des Friedens. Dann zeigt er zum Himmel, wo gerade ein Kranich vorbeizieht. „Wer einen Kranich sieht, begibt sich auf eine lange Reise“, sagt Nazaret, und seine Töchter nicken aufgeregt.
Auf den ersten Blick wirkt das alles etwas sehr idealisiert: Bildhübsche Zwillinge mit dunklen Zöpfen, züchtigen Schürzen und einer hoffnungsvollen Zukunft, wie die Schulbücher in ihren Armen zeigen sollen. Nazaret wiederum ist das Idealbild eines liebenden Vaters, voller Geschichten und Träume, im Herzen vielleicht selbst noch ein Kind.
Aber kann man „The Cut“ daraus schon einen Vorwurf machen? Sehr bald wird dieser Mann seine Frau verlieren, auf die denkbar grausamste Weise, seine Töchter werden ihm entrissen werden, er wird durch die halbe Welt irren, um nach ihnen zu suchen. Die Szene wirkt wie eine vorweggenommene, schon halb vergoldete Erinnerung. In ein paar Tagen wird sie das Einzige sein, was er noch hat.
Fatih Akin: neues Epos über den Völkermord an den Armeniern
Und dann ist da natürlich diese Direktheit. Nazaret wird ja wirklich auf eine sehr lange Reise gehen, und seine Töchter, getrennt von ihm, auch. Er wird beinahe ermordet werden, mehrfach, er wird durch Wüsten taumeln, tausendfachen Tod und unendliches Elend sehen, er wird ruhelos durch die Straßen von Aleppo wandern, über die Boulevards von Havanna und die Highways von Minneapolis. Und zwischendurch wird es sich anfühlen, als käme er wohl nie an ein Ziel.
Aber darf das große Thema gleich zu Beginn so umstandslos symbolisch benannt werden? Die cleveren Filmautoren der Gegenwart würden das wohl als Schwachpunkt betrachten – und unbedingt vermeiden. Fatih Akin und Mardik Martin, sein armenischer Co-Autor, der in seiner Karriere schon alle Höhen und Tiefen Hollywoods gesehen hat, wissen das natürlich. Aber sie entscheiden sich hier ganz bewusst für eine Naivität, wie sie die alten Filme Hollywoods manchmal haben. John Ford zum Beispiel, in der unvergleichlichen Größe seines irischen Herzens, hatte mit solcher Direktheit nie ein Problem.
Und doch, in die Welt von John Ford kann keiner zurück. Heute wirkt das so, als böte der Film, um größtmögliche Zustimmung heischend, um die Blicke der Zuschauer gewissermaßen zu entwaffnen, erst einmal seine entblößte Kehle dar, wie ein unterwürfiges Tier.
Und auf einmal begreift man, wie viel sich Fatih Akin hier wirklich aufgeladen hat. Es geht ja um nicht weniger als um die versuchte Auslöschung eines Volkes, den Genozid an den Armeniern in den Jahren 1915 und 1916, begangen von den Türken, aber gewissermaßen unter den Augen des verbündeten Deutschen Kaiserreichs. Und es geht um einen Regisseur, der seine Wurzeln im Volk der Täter hat, aber die Perspektive der Opfer einnimmt.
Nicht nur ist dieser Film, mit Drehorten von Jordanien über Malta und Kuba bis Kanada, der bei Weitem aufwendigste und breitwandigste in Fatih Akins bisher so glücklicher, von weltweiter Aufmerksamkeit befeuerter Karriere. Er will auch ein Statement des persönlichen Muts sein: Da traut sich einer, nicht nur eine Menge Geld, sondern auch ein ganz heikles Thema anzupacken. Und riskiert den Hass zumindest von Teilen seines Publikums – erste Drohungen türkischer Nationalisten gab es bereits vor der Premiere.
Aber auch dieser Plan ist natürlich nicht nur mutig und unschuldig. Er ist genauso eine kalkulierte Fortführung des Fatih-Akin-Mythos: Da ist er also wieder, der Mann mit dem großen Herzen, das die ganze Welt umschließt – „Corazón International“ hieß lange seine Produktionsfirma; da schlägt er also wieder zu, der unfehlbare Instinktmensch, der, wenn es sein muss, auch „Gegen die Wand“ fährt – so der Titel seines immer noch berühmtesten Films. Nur: Bisher musste dann immer die Wand schauen, wo sie dann bleibt. Nicht er.
Die Erwartungen, die auf diesem Film lasten, sind also zuallererst seine eigenen. Da reichte ihm dann auch die eher lauwarme Reaktion von den Machern des Cannes-Festival schon mal nicht. Akin zog den Film lieber wieder zurück, zugunsten einer großen Wettbewerbspremiere im September in Venedig. Die bösen Kritiken, die er dort zum Teil bekommen hat (siehe auch SZ vom 01.09.), sieht er nun selbst als totale Niederlage.
Zur Abwechselung sollte man hier also sagen, dass dem Film auch viel gelingt. Was eindrückliche Szenen und unvergessliche Momente betrifft, sind Fatih Akins Instinkte völlig intakt. Die Größe und Weite in seinen Bildern, für die er um die halbe Welt gereist ist, ist absolut spürbar, da war jeder Aufwand, jede logistische Zitterpartie gerechtfertigt. Und dass sich diese Welt dem gebrochenen Blick eines Mannes zeigt, der ihre Schönheit gar nicht mehr wahrnehmen kann, macht sie sogar eher noch faszinierender. Es ist auch berührend, wie sehr Tahar Rahim, Akins französischer Hauptdarsteller für die Rolle des Nazaret, sich rückhaltlos in die Hände seines Regisseurs begibt. Als die Massaker an den Armeniern beginnen, wird Nazaret in die Kehle gestochen – sein Peiniger bringt es nicht über sich, ihn zu töten. Aber Nazaret verliert seine Stimme.
Und so muss Tahar Rahim alles mit seinen Gesten und mit seinen unglaublichen dunklen Augen machen. Entsetzen, Trauer, Abstumpfung, Hass, aber auch Hoffnung und Vergebung leuchten darin, und einmal, als er Charlie Chaplins „The Kid“ an eine Lehmmauer projiziert sieht, darf er sich im Lachen sogar selbst vergessen.
Rahim spielt genau die Unschuld, die Kindlichkeit, die absolute Durchlässigkeit der Emotionen, die Fatih Akin von ihm verlangt. Würde er die Entscheidungen seines Regisseurs auch nur für eine Sekunde in Zweifel ziehen, müsste seine ganze Performance zusammenbrechen. Aber er tut es nicht. Allein dieses Vertrauen hat etwas Bewegendes. Darin lieg hier sein persönlicher Triumph.
All das ist mehr als genug, um „The Cut“ viele Zuschauer zu wünschen. Und doch kann man die Frage natürlich nicht ausblenden, was er mit dem gewaltigen politischen Thema macht, das anzupacken hier ja versprochen wurde. Zunächst einmal kann man nicht behaupten, dass der Film angesichts der realen Grausamkeiten des Völkermords etwas auslassen würde – beinahe wie in einem historischen Katalog werden alle Aspekte gezeigt: Todesmärsche, Vergewaltigungen, Massenexekutionen, tausendfacher Hungertod, Zwangskonvertierung der armenischen Christen zum Islam, der Verkauf ihrer Kinder an Beduinen, das Schicksal der Frauen in den Bordellen, all das kommt vor. Selbst deutsche Stimmen sind kurz zu hören, Kolonialoffiziere mit Tropenhelmen, stellvertretend für die Mitschuld des Kaiserreichs. Und zweifellos hat Akin enormen Aufwand betrieben, um das alles möglichst historisch genau zu rekonstruieren.
Wie sehr es hier allerdings auf die Feinheiten ankommt, zeigte sich exemplarisch in Venedig, als der Korrespondent der türkischen Tageszeitung Hürriyet Fatih Akins Vater vor den Schreibblock bekam. Enver Akin bekannte nicht nur freimütig, ein Anhänger und früher sogar Aktivist der rechtsextremen MHP, der „Partei der Nationalistischen Bewegung“ zu sein – also exakt aus dem Lager, das den Völkermord leugnet. Er erklärte auch, er finde den Film gut – weil nur Verbrechen von irregulären Horden gezeigt würden, keineswegs ein „systematisches Massaker“.
„The Cut“ erlaubt es den Verdrängern der Geschichte also, weiter zu verdrängen. Das muss man in aller Klarheit festhalten. Besonders deutlich wird das in einer späteren Szene, als auch irische Gleisbauarbeiten in den USA plötzlich als irreguläre Horde gezeigt werden, als Vergewaltiger und Mörder. Männer, die sich wie Tiere aufführen, gibt es einfach überall, heißt das dann wohl – was in diesem Kontext wirklich jede politische Aussage entwertet.
Ist das nur wieder Naivität? Oder verfolgt Fatih Akin tatsächlich die Strategie, schlichtweg alle Herzen für die Identifikation zu gewinnen – vom armenischen Opfer bis zu den türkischen Nationalisten? Sein unbeirrbar instinktsicheres Kino, das traumwandlerisch auf allen Fallstricken zu balancieren schien, kommt hier jedenfalls an ein Ende.
Nach „The Cut“ wird Akin sich völlig neu erfinden müssen – klarer werden, härter, bewusster, weniger von dem Bedürfnis getrieben, von allen geliebt zu werden. Und doch: Es sind ja gerade solche Niederlagen, aus denen große Filmemacher am Ende erst hervorgehen.
The Cut, D/F/PL 2014 – Regie: Fatih Akin. Buch: Akin, Mardik Martin. Kamera: Rainer Klausmann. Mit Tahar Rahim, Simon Abkarian, Makram Khoury, Hindi Zahra. Verleih: Pandora, 139 Minuten.
Da geht also der Kupferschmied Nazaret in seiner Heimatstadt Mardin, im östlichen Anatolien, mit seinen beiden Töchtern durch eine Gasse. Er läuft in der Mitte, hat die Arme um sie gelegt. Ein Moment des Friedens. Dann zeigt er zum Himmel, wo gerade ein Kranich vorbeizieht. „Wer einen Kranich sieht, begibt sich auf eine lange Reise“, sagt Nazaret, und seine Töchter nicken aufgeregt.
Auf den ersten Blick wirkt das alles etwas sehr idealisiert: Bildhübsche Zwillinge mit dunklen Zöpfen, züchtigen Schürzen und einer hoffnungsvollen Zukunft, wie die Schulbücher in ihren Armen zeigen sollen. Nazaret wiederum ist das Idealbild eines liebenden Vaters, voller Geschichten und Träume, im Herzen vielleicht selbst noch ein Kind.
Aber kann man „The Cut“ daraus schon einen Vorwurf machen? Sehr bald wird dieser Mann seine Frau verlieren, auf die denkbar grausamste Weise, seine Töchter werden ihm entrissen werden, er wird durch die halbe Welt irren, um nach ihnen zu suchen. Die Szene wirkt wie eine vorweggenommene, schon halb vergoldete Erinnerung. In ein paar Tagen wird sie das Einzige sein, was er noch hat.
Fatih Akin: neues Epos über den Völkermord an den Armeniern
Und dann ist da natürlich diese Direktheit. Nazaret wird ja wirklich auf eine sehr lange Reise gehen, und seine Töchter, getrennt von ihm, auch. Er wird beinahe ermordet werden, mehrfach, er wird durch Wüsten taumeln, tausendfachen Tod und unendliches Elend sehen, er wird ruhelos durch die Straßen von Aleppo wandern, über die Boulevards von Havanna und die Highways von Minneapolis. Und zwischendurch wird es sich anfühlen, als käme er wohl nie an ein Ziel.
Aber darf das große Thema gleich zu Beginn so umstandslos symbolisch benannt werden? Die cleveren Filmautoren der Gegenwart würden das wohl als Schwachpunkt betrachten – und unbedingt vermeiden. Fatih Akin und Mardik Martin, sein armenischer Co-Autor, der in seiner Karriere schon alle Höhen und Tiefen Hollywoods gesehen hat, wissen das natürlich. Aber sie entscheiden sich hier ganz bewusst für eine Naivität, wie sie die alten Filme Hollywoods manchmal haben. John Ford zum Beispiel, in der unvergleichlichen Größe seines irischen Herzens, hatte mit solcher Direktheit nie ein Problem.
Und doch, in die Welt von John Ford kann keiner zurück. Heute wirkt das so, als böte der Film, um größtmögliche Zustimmung heischend, um die Blicke der Zuschauer gewissermaßen zu entwaffnen, erst einmal seine entblößte Kehle dar, wie ein unterwürfiges Tier.
Und auf einmal begreift man, wie viel sich Fatih Akin hier wirklich aufgeladen hat. Es geht ja um nicht weniger als um die versuchte Auslöschung eines Volkes, den Genozid an den Armeniern in den Jahren 1915 und 1916, begangen von den Türken, aber gewissermaßen unter den Augen des verbündeten Deutschen Kaiserreichs. Und es geht um einen Regisseur, der seine Wurzeln im Volk der Täter hat, aber die Perspektive der Opfer einnimmt.
Nicht nur ist dieser Film, mit Drehorten von Jordanien über Malta und Kuba bis Kanada, der bei Weitem aufwendigste und breitwandigste in Fatih Akins bisher so glücklicher, von weltweiter Aufmerksamkeit befeuerter Karriere. Er will auch ein Statement des persönlichen Muts sein: Da traut sich einer, nicht nur eine Menge Geld, sondern auch ein ganz heikles Thema anzupacken. Und riskiert den Hass zumindest von Teilen seines Publikums – erste Drohungen türkischer Nationalisten gab es bereits vor der Premiere.
Aber auch dieser Plan ist natürlich nicht nur mutig und unschuldig. Er ist genauso eine kalkulierte Fortführung des Fatih-Akin-Mythos: Da ist er also wieder, der Mann mit dem großen Herzen, das die ganze Welt umschließt – „Corazón International“ hieß lange seine Produktionsfirma; da schlägt er also wieder zu, der unfehlbare Instinktmensch, der, wenn es sein muss, auch „Gegen die Wand“ fährt – so der Titel seines immer noch berühmtesten Films. Nur: Bisher musste dann immer die Wand schauen, wo sie dann bleibt. Nicht er.
Die Erwartungen, die auf diesem Film lasten, sind also zuallererst seine eigenen. Da reichte ihm dann auch die eher lauwarme Reaktion von den Machern des Cannes-Festival schon mal nicht. Akin zog den Film lieber wieder zurück, zugunsten einer großen Wettbewerbspremiere im September in Venedig. Die bösen Kritiken, die er dort zum Teil bekommen hat (siehe auch SZ vom 01.09.), sieht er nun selbst als totale Niederlage.
Zur Abwechselung sollte man hier also sagen, dass dem Film auch viel gelingt. Was eindrückliche Szenen und unvergessliche Momente betrifft, sind Fatih Akins Instinkte völlig intakt. Die Größe und Weite in seinen Bildern, für die er um die halbe Welt gereist ist, ist absolut spürbar, da war jeder Aufwand, jede logistische Zitterpartie gerechtfertigt. Und dass sich diese Welt dem gebrochenen Blick eines Mannes zeigt, der ihre Schönheit gar nicht mehr wahrnehmen kann, macht sie sogar eher noch faszinierender. Es ist auch berührend, wie sehr Tahar Rahim, Akins französischer Hauptdarsteller für die Rolle des Nazaret, sich rückhaltlos in die Hände seines Regisseurs begibt. Als die Massaker an den Armeniern beginnen, wird Nazaret in die Kehle gestochen – sein Peiniger bringt es nicht über sich, ihn zu töten. Aber Nazaret verliert seine Stimme.
Und so muss Tahar Rahim alles mit seinen Gesten und mit seinen unglaublichen dunklen Augen machen. Entsetzen, Trauer, Abstumpfung, Hass, aber auch Hoffnung und Vergebung leuchten darin, und einmal, als er Charlie Chaplins „The Kid“ an eine Lehmmauer projiziert sieht, darf er sich im Lachen sogar selbst vergessen.
Rahim spielt genau die Unschuld, die Kindlichkeit, die absolute Durchlässigkeit der Emotionen, die Fatih Akin von ihm verlangt. Würde er die Entscheidungen seines Regisseurs auch nur für eine Sekunde in Zweifel ziehen, müsste seine ganze Performance zusammenbrechen. Aber er tut es nicht. Allein dieses Vertrauen hat etwas Bewegendes. Darin lieg hier sein persönlicher Triumph.
All das ist mehr als genug, um „The Cut“ viele Zuschauer zu wünschen. Und doch kann man die Frage natürlich nicht ausblenden, was er mit dem gewaltigen politischen Thema macht, das anzupacken hier ja versprochen wurde. Zunächst einmal kann man nicht behaupten, dass der Film angesichts der realen Grausamkeiten des Völkermords etwas auslassen würde – beinahe wie in einem historischen Katalog werden alle Aspekte gezeigt: Todesmärsche, Vergewaltigungen, Massenexekutionen, tausendfacher Hungertod, Zwangskonvertierung der armenischen Christen zum Islam, der Verkauf ihrer Kinder an Beduinen, das Schicksal der Frauen in den Bordellen, all das kommt vor. Selbst deutsche Stimmen sind kurz zu hören, Kolonialoffiziere mit Tropenhelmen, stellvertretend für die Mitschuld des Kaiserreichs. Und zweifellos hat Akin enormen Aufwand betrieben, um das alles möglichst historisch genau zu rekonstruieren.
Wie sehr es hier allerdings auf die Feinheiten ankommt, zeigte sich exemplarisch in Venedig, als der Korrespondent der türkischen Tageszeitung Hürriyet Fatih Akins Vater vor den Schreibblock bekam. Enver Akin bekannte nicht nur freimütig, ein Anhänger und früher sogar Aktivist der rechtsextremen MHP, der „Partei der Nationalistischen Bewegung“ zu sein – also exakt aus dem Lager, das den Völkermord leugnet. Er erklärte auch, er finde den Film gut – weil nur Verbrechen von irregulären Horden gezeigt würden, keineswegs ein „systematisches Massaker“.
„The Cut“ erlaubt es den Verdrängern der Geschichte also, weiter zu verdrängen. Das muss man in aller Klarheit festhalten. Besonders deutlich wird das in einer späteren Szene, als auch irische Gleisbauarbeiten in den USA plötzlich als irreguläre Horde gezeigt werden, als Vergewaltiger und Mörder. Männer, die sich wie Tiere aufführen, gibt es einfach überall, heißt das dann wohl – was in diesem Kontext wirklich jede politische Aussage entwertet.
Ist das nur wieder Naivität? Oder verfolgt Fatih Akin tatsächlich die Strategie, schlichtweg alle Herzen für die Identifikation zu gewinnen – vom armenischen Opfer bis zu den türkischen Nationalisten? Sein unbeirrbar instinktsicheres Kino, das traumwandlerisch auf allen Fallstricken zu balancieren schien, kommt hier jedenfalls an ein Ende.
Nach „The Cut“ wird Akin sich völlig neu erfinden müssen – klarer werden, härter, bewusster, weniger von dem Bedürfnis getrieben, von allen geliebt zu werden. Und doch: Es sind ja gerade solche Niederlagen, aus denen große Filmemacher am Ende erst hervorgehen.
The Cut, D/F/PL 2014 – Regie: Fatih Akin. Buch: Akin, Mardik Martin. Kamera: Rainer Klausmann. Mit Tahar Rahim, Simon Abkarian, Makram Khoury, Hindi Zahra. Verleih: Pandora, 139 Minuten.