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Der Blattmacher-Wettbewerb 2013/2014

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„Döner und Pizza“, da ist sich Moritz aus der Bachgeflüster-Redaktion ganz sicher, „das hatten wir im letzen Jahr von unserem Preisgeld gekauft.“ Gelächter im HVB-Forum der Hypo-Vereinsbank in München. Dann fällt dem Schüler des Förderzentrums für körperliche und motorische Entwicklung in Schonungen ein, dass das nicht alles war: „Stimmt, eine Kamera, Diktiergeräte und Stative gab es auch.“ Hätte er fast vergessen. Fastfood und Fotoausrüstung sollte für die Schüler auch in diesem Jahr drin sein: Bachgeflüster hat beim Blattmacher-Schülerzeitungswettbewerb den mit 500 Euro dotierten ersten Preis in der Kategorie Förderschulen gewonnen.  

Damit Lea und Angelina sich trotz Aufregung später an alles erinnern, schreiben die Drittklässlerinnen der Grundschule an der Gänselieselstraße in München während der Siegerehrung einen halben Block voll: Die Namen der 18 Schülerzeitungsredaktionen, an die Urkunden und Geldpreise von 200, 300 und 500 Euro vergeben wurden, sowie das Wichtigste aus den Reden der Moderatoren und Laudatoren. Später wollen sie einmal Journalistinnen werden, sagen die Mädchen, noch lieber als Lehrerinnen. Ihre Gänselieselpost hat es ebenfalls auf den ersten Platz geschafft. „Ich habe heute den ganzen Tag ein Grinsen im Gesicht“, sagt Lea.    

https://www.youtube.com/watch?v=5e0GxvcCisg&feature=youtu.be

115 Schulen aus ganz Bayern haben im Schuljahr 2013/2014 am neunten Blattmacher-Wettbewerb teilgenommen, den die Süddeutsche Zeitung, das Bayerische Kultusministerium und die Hypo-Vereinsbank gemeinsam ausrichten. „In einer Zeit, in der es immer mehr Nachrichten gibt, kommt es auf gute junge Nachwuchsjournalisten an, die auswählen und einordnen“, sagte Marion Nagl, Sprecherin der Hypo-Vereinsbank. „Ich bin begeistert von der Qualität der eingereichten Schülerzeitungen.“ Die zeichnet sich vor allem durch Vielfalt aus. Interviews, Rezepte, Lieder und sogar Bastelbögen bietet beispielsweise Der kleine Hai von der Grundschule Haimhausen. Ein Heft über Heimat und Fremde entwarf die Redaktion von Zoom der FOS/BOS in Freising.  

„Wir werden uns ein Beispiel an euch nehmen“, sagte Sebastian Beck, Chef der Bayernredaktion der Süddeutschen Zeitung, der gemeinsam mit Leserredakteur Tom Soyer die Verleihung moderierte, über den eleganten Umgang von Zoom mit einem schwierigen Bundestagsabgeordneten. Nachdem dieser ein Interview wochenlang nicht autorisieren wollte, druckten die Berufsschüler einen bissigen Kommentar. „Hier sitzen die Abonnenten und auch die Kollegen von morgen“, sagte Beck. 

https://www.youtube.com/watch?v=xwacqbhjC_c&feature=youtu.be

Was man so alles anstellen kann, falls es in der Schule zu langweilig sein sollte, zeigten Lukas Brandl und Kolja Huneck, die das GOP Varieté-Theater München eingeladen hatte. Hinter einer Schulbank sitzend zauberten die Abiturienten Bälle aus Schulbüchern, verdoppelten diese wie von Zauberhand, vermehrten Stifte, ließen sie wieder verschwinden, und nutzen die Schulbank für ein bisschen Akrobatik. In seiner Solonummer verwandelte Lukas Brandl Spielkarten in Bälle und Tintenkiller in Konfetti. Im vergangenen Jahr hatten die beiden am Nachwuchs-Varietéfestival im GOP teilgenommen, jetzt wollen die Waldorfschüler ihr Hobby ausbauen oder in ihr künftiges Studium integrieren.   

[plugin bildergalerielight Bild6="Die zaubernden Abiturienten Lukas Brandl und Kolja Huneck auf der Bühne beim Blattmacher-Wettbewerb. Noch wirken die beiden Jungs an der Schulbank unverdächtig." Bild7="Doch dann beginnen sie ihre Handstandakrobatik" Bild8="Für langweilige Schulstunden: Abiturienten Lukas Brandl und Kolja zaubern auf der Bühne der Blattmacher-Preisverleihung" Bild9="Zauberhafte Vorstellung: Lukas Brandl lässt bei zwischen den Preisverleihungen Spielkarten in die Luft gehen..." Bild10="...und Bälle verschwinden." Bild11="Zwischen Sport und Akrobatik: die Seilsprung-Künstlerin Adrienn Banhegyi auf der Blattmacher-Bühne" Bild12="BDie Preisträger des Blattmacher-Wettbewerbs 2013/2014 stolz mit ihren Schülerzeitungen"]

Die Schülerzeitungsredaktion von Peer des Egbert Gymnasiums Schwarzach nutzte ihre neueste Ausgabe für ein Plädoyer: „Wir schaffen das – Traut uns was zu“. „Tiefgang, sehr authentisch, die Texte sind sehr gut geschrieben“, urteilte die Jury und verlieh den ersten Platz. Ebenso wie die ersten Sieger aus Mittelschule, Realschule und FOS/BOS werden die Gymnasiasten nun in den „Club der Besten“ aufgenommen und wechseln für ein Jahr die Seiten: Sie arbeiten in der Blattmacher-Jury mit, dürfen sich ein Sieger-Signet auf die Magazine drucken und lernen in Journalismusseminaren die Finessen des Handwerks. Oberstudienrätin Claudia Gaull, die den Schülerzeitungswettbewerb seit seinen Anfängen betreut, lobte, dass die Zeitungen immer professioneller würden. „Viele sind inzwischen crossmedial – und im bundesweiten Wettbewerb gehören die bayerischen Schülerzeitungen zu den besten.“ Wäre sie Mitglied einer Schülerzeitungsredaktion, sagte Ministerialdirigentin Elfriede Ohrnberger aus dem Kultusministerium, dann würde sie gerne einmal ein Gespräch dazu führen, wie ein Lehrplan gemacht wird. Das klingt spröde, wird aber für 2400 bayerische Grundschulen vom kommenden Schuljahr an ein Thema sein. Denn dann kommt „Lehrplan Plus“, eine neue Leitlinie für den Unterricht, die zuerst für die ersten und zweiten Klassen eingeführt wird.  

https://www.youtube.com/watch?v=ImrFKq2pMDw&feature=youtu.be

Zum Schluss zeigte die Ungarin Adrienn Banhegyi dann viereinhalb Minuten lang die virtuose Version dessen, was so mancher Schüler aus dem Sportunterricht in leidvoller Erinnerung behält: Springseil. Sie hält zwei Weltrekorde, gewann mehrere Jump-Rope-Weltmeisterschaften und trat beim GOP auf. „Weil jeder schon mal Seilspringen gemacht hat, fanden wir, das passt gut hierher“, sagte Roman Staudt, Sprecher des GOP. In Lea und Angelina von der Gänselieselpost hat er sofort Fans gefunden. „Das war toll, wie schnell die springen konnte“, sagt Lea. An der Grundschule ist das Seil im Sportunterricht kein Thema. Die Freundinnen wollen das jetzt privat lernen. Als Ausgleich zur Schreibarbeit.

Text: Sarah Kanning

Auf der nächsten Seite erzählen die Schülerzeitungsmacher, was sie in ihren Redaktionen gelernt haben.

[seitenumbruch]

Von der kaputten Heftbeilage bis zur gerissenen Deadline begegnen Bayerns Blattmacher ganz ähnlichen Herausforderungen wie eine profes­sionelle Magazin-Redaktion. Uns erzählen sie, was sie beim Zeitungsmachen gelernt haben.

Johanna Pickert, 11 Jahre, Redaktion "Augustinchen"



Wir haben neulich eine Psychologin interviewt und daraus eine Reportage geschrieben. Dazu haben wir unsere Aufnahme angehört und parallel formuliert. Das hat mir sehr für den Unterricht geholfen, denn ich muss gerade ziemlich viele Aufsätze schreiben. Außerdem habe ich gelernt, dass man kompromissbereit sein muss: Beispielsweise haben wir etwas gestritten, wer die Hauptrolle in unserer Fotostory spielen darf, uns dann aber doch noch einigen können.

Paul Gometz, 18 Jahre, Redaktion "Peer
"



Ich habe besonders gelernt mit Deadlines umzugehen – und dafür auch unter Hochdruck zu arbeiten. Wenn eine Abgabefrist kurz bevor steht, dann legen wir als Redaktion auch mal eine Nachtschicht ein, um alle Artikel für die Ausgabe gemeinsam fertig zu bekommen. Wenn Leute es trotzdem nicht schaffen ihre Texte fertig zu machen, rufe ich die auch mal persönlich an und frage, was los ist. So habe ich ein wahres Organisationstalent entwickelt.

Dishen Seleman, 15 Jahre, Redaktion "Schillyschote"



Das Schreiben hat mir geholfen mein Deutsch zu verbessern. Meine Muttersprache ist Kurdisch und ich habe für unsere Zeitung einen Text über die Religion der Jesiden geschrieben. Das hat viele interessiert, auch weil ich selbst der Religion angehöre. Beim Formulieren hat mir die Redaktion etwas geholfen. Im Moment beschäftige ich mich mit der Frage, warum Ausländer nach Deutschland kommen. Vielleicht frage ich sie auch, wie sie ihr Deutsch verbessern.

Brandon Crescente, 13
Jahre, Redaktion "Bachgeflüster"



Ich habe gelernt wie viel Arbeit es ist, eine CD oder DVD zusätzlich zur Schülerzeitung zu produzieren: Unser Heft hat immer eine CD als Beilage, darauf sind Witze, Interviews und andere Audiodateien. Manchmal gibt es sogar eine DVD mit Liedern und Videos aus der Schule. Das Erstellen der Videos, das Zusammenstellen der DVD, das Brennen und das Prüfen, ob die DVD wirklich funktioniert, waren viel mehr Arbeit, als ich vorher gedacht hatte.

Benedikt Thießen, 9
Jahre, Redaktion "Gänselieselpost"



Ich weiß inzwischen, dass ich schnell und gut sein muss, wenn ich will, dass mein Text in der Zeitung erscheint. Wir sind 20 Kinder in der Redaktion, haben aber nur zehn Computer. Erst war ich froh, dass ich zum Schreiben überhaupt einen Platz am Computer bekommen habe. Als mein Artikel fertig war, konnte er aber leider nicht mehr abgedruckt werden, weil alle Seiten in unserer Zeitung schon voll waren. Nächstes Mal muss ich einfach schneller sein.

(Protokolle: Theo Müller; Fotos: Matthias Rüby)

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