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Die Geldvernichter

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Nichts ist so uninteressant wie die Blase von gestern. „Diesmal ist alles anders“, lautete lange Zeit die Standardantwort auf die Frage, ob sich die Tech-Branche im Silicon Valley gerade wieder überhitzt. Es ist ein verführerischer Satz, den auch Betrunkene gelassen aussprechen, bevor sie zum zweiten Mal mit einem Laternenpfahl zusammenstoßen.

Doch nun, im absehbaren Investment-Rekordjahr 2014, zieht ehrliche Nachdenklichkeit ein: Das Silicon Valley diskutiert über die Schattenseite des Booms.

Auslöser sind die Worte des renommierten Investors Bill Gurley in einem Gespräch mit dem Wall Street Journal. „Ich glaube, dass das Silicon Valley als Ganzes, die Risikokapital- oder Start-up-Community, gerade viel zu viel Risiko eingeht“, erklärte er. Und um seine Warnung noch deutlicher zu machen, verglich er die Situation mit der Zeit der großen New-Economy-Blase: „Das hat es seit 1999 nicht mehr gegeben“, so Gurley.



Google gehört zu den bekanntesten Firmen aus dem Silicon Valley


Er spielt in seiner Argumentation auf die so genannte „Burn Rate“ an, also auf die monatlichen Verluste von Start-ups. „2001 oder 2009 hättest du niemals einen Job bei einer Firma angenommen, die vier Millionen Dollar im Monat verliert. Heute macht das jeder, ohne nachzudenken“, sagte Gurley, dessen Unternehmen Benchmark einst früh in Start-ups wie Ebay und Facebook einstieg.

Zahlreiche Investoren stimmten Gurley zu. „Wir haben viele Unternehmen in unserem Portfolio, die viele Millionen Dollar pro Monat verbrennen“, schrieb beispielsweise Fred Wilson von Union Square Ventures. „Gott sei Dank ist das nicht unser gesamtes Portfolio, aber es sind mehr Unternehmen als ich möchte, und womit ich mich wohlfühle.“

Bislang drehte sich die Blasen-Debatte vor allem um die hohen Bewertungen, die unprofitable Firmen in den multimillionenschweren Investitionsrunden erhalten. Nun aber rücken jene Probleme in den Fokus, die durch den Boom selbst und die speziellen Rahmenbedingungen im Silicon Valley ausgelöst wurden.
Zum Beispiel: „Die Mieten für Server sind so niedrig, dass Start-ups heute mit viel geringeren Kosten loslegen können“, schwärmte vor einiger Zeit ein Investor. Einer seiner Kollegen sah die Sache nicht ganz so optimistisch: „Die Kosten hier sind vielleicht günstiger als im Jahr 2000, aber sicherlich teurer als 2009.“

Verschiedene Faktoren bereiten den jungen Unternehmen zunehmend Probleme. Da sind zunächst die hohen Personalkosten: Entwickler verdienen in Industrienationen derzeit überall gut, aber nirgendwo ist die Nachfrage so hoch wie rund um die Bay Area. Sechsstellige Einstiegsgehälter sind üblich, rasant wachsende Start-ups wie Uber, aber auch Tech-Giganten wie Google werben um die klügsten Köpfe. Dazu kommt, dass gerade Firmen mit Expansionsdrang häufig Vertriebsspezialisten und Experten für die Geschäftsentwicklung zu brauchen glauben, um schnell einen Markt zu besetzen. Etablierte Unternehmen haben genug Einnahmen für so viel Personal, ein Start-up muss das Geld bei Investoren einsammeln. Wehe, wenn die nächste Runde kleiner ausfällt.

Nächstes Problem sind die hohen Mietkosten: Ob San Francisco oder südlich davon im Silicon Valley, der Region geht bezahlbarer Büroraum aus, gerade für Startups, die ihre erste Phase hinter sich haben. Weil der Immobilienmarkt völlig überhitzt ist, können Vermieter hohe Mieten aufrufen und auf langfristige Verträge bestehen. Einige Gründer berichten auch von einjährigen Miet-Vorauszahlungen. Das Horror-Szenario: Schlechte Finanzierungsrunde, Entlassungen und ein halb leeres Büro, das einen Großteil des Budgets auffrisst.

Hinzu kommt die heftige Konkurrenz: „Wenn Du heute eine gute Idee hast, dauert es vielleicht zwei Wochen, dann sind die Kopierer da“, berichtete vor kurzem ein Investor. Ob Ridesharing-Dienste, Parkplatz-Such-Apps oder ultraschnelle Lieferservices: Alleine auf dem Markt ist niemand. Und weil es sich dabei meist um einen „Der-Sieger-kriegt-alles“-Markt handelt, kommt es zu absurden Preiskämpfen, wie gerade im Dreikampf der Taxi-Alternativen Uber, Lyft und Sidecar zu beobachten ist. Der Kunde freut sich, die Start-ups verbrennen Geld.

Eine Besonderheit der US-Westküste verschärft die Situation: Viele Risikokapitalgeber im und rund ums Silicon Valley pflegen ein eher laxes Verhältnis zu den Ausgaben von Start-ups, wenn sie von einer Idee und einem Team überzeugt sind. Auf die Frage angesprochen, warum Investoren aus New York im Vergleich zu ihren kalifornischen Kollegen so gute Bilanzen haben, sagte ein Branchenkenner, der beide Küsten bestens kennt: „Die Firmen dort kommen aus dem Finanzbusiness und gucken auf die Zahlen. Sie werfen nicht irgendeiner Idee einfach Geld hinterher.“

Dass das Geld noch in Strömen fließt, liegt – neben definitiv vorhandenen Innovationen – auch an niedrigen Zinsen und fehlenden Alternativen für Investitionen mit ähnlichen Rendite-Chancen. Auch haben diverse Exits und Börsengänge weitere Millionen in die Kassen gespült. Und wer Teil des Ökosystems Silicon Valley ist, hortet seine Gewinne nicht, sondern investiert sie in Teilen wieder in neue Ideen.

Ein wirtschaftlicher Einbruch, steigende Zinsen, das endgültige Ende der monetären Lockerung der US-Zentralbank: Faktoren für ein Ende des Booms gibt es viele. Die Aussage „diesmal ist alles anders“ stimmt allerdings insofern, als gerade die etablierten Unternehmen überhaupt nicht mehr mit den Dotcom-Sternchen vergleichbar sind. Kevin Hartz, Gründer-CEO der Ticketplattform Eventbrite und ein früher Investor in PayPal und Pinterest, rät Jungunternehmern dennoch, sich zu wappnen: „Wenn der Kapitalismus ein Pendel ist, schlägt er derzeit ziemlich in die Richtung von ,das sind die guten alten Zeiten’ aus“, sagte er. „Aber das Pendel schwingt immer zurück und trifft Firmen hart, die mit ihrem Geld nicht gut umgegangen sind“, so Hartz. Ein Einbruch nach den Erfahrungen aus Dotcom- und Finanzkrise sei unvermeidbar. „Die Frage ist nur: Haben wir noch zehn Monate guter Zeiten vor uns oder sind es noch zehn Jahre?“

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