Die Zustimmung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zum Asylkompromiss mit der Bundesregierung hat die Grünen in eine schwere Krise gestürzt. Parteichef Cem Özdemir nahm Kretschmann am Sonntag in Schutz, auch der Landesverband Baden-Württemberg stellte sich, allerdings nach einer kontrovers geführten Debatte, hinter den Regierungschef. Zugleich riss die Kritik an Kretschmann und seiner Entscheidung nicht ab. Auch die Führung der Bundespartei ist tief gespalten.
Winfried Kretschmann sieht sich in seiner Partei scharfer Kritik ausgesetzt.
„Niemand hat es sich leicht gemacht, gerade auch Winfried Kretschmann nicht“, sagte Özdemir zu Süddeutsche.de. Dies werde von vielen Grünen anerkannt. „Manche hingegen überziehen mit ihrer Kritik und Wortwahl und betreiben damit letztlich das Spiel des politischen Gegners“, kritisierte der Parteichef. Özdemir dürfte damit vor allem seine frühere Co-Vorsitzende und jetzige stellvertretende Bundestagspräsidentin, Claudia Roth, gemeint haben. Roth hatte mit Blick auf die Entscheidung vom Freitag im Bundesrat von einem „rabenschwarzen Tag“ für die Flüchtlinge und für die Grünen gesprochen. „Ich glaube, die Entscheidung war nicht verantwortungsvoll, nicht in der Sache und nicht gegenüber der Partei“, sagte Roth dem Spiegel. Auch Özdemirs jetzige Co-Vorsitzende, Simone Peter, hatte den Bundesratsbeschluss „eine falsche Entscheidung“ genannt.
Kretschmann hatte zugestimmt, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina in die Reihe sogenannter sicherer Herkunftsstaaten aufzunehmen. Damit ist bei Asylbewerbern aus diesen Staaten ein beschleunigtes Prüfverfahren und eine schnellere Abschiebung möglich. Dies betrifft vor allem Roma. Obgleich kein Zweifel daran besteht, dass sie in ihren Heimatländern diskriminiert werden, erhalten sie in der Regel in Deutschland keinen Status als politisch Verfolgte.
Özdemir verwies darauf, dass der Kompromiss auch Verbesserungen für die Flüchtlinge enthalte. Darunter seien der erleichterte Zugang zum Arbeitsmarkt und die Abschaffung der Residenzpflicht. „Dafür haben Grüne und Flüchtlingsinitiativen viele Jahre, übrigens auch während der sieben Jahre rot-grüner Bundesregierung, vergeblich gekämpft“, so der Parteichef. Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Robert Habeck nahm Kretschmann in Schutz: „ Obwohl ich inhaltlich anderer Auffassung bin als Kretschmann, ist mir das empörte Fingerzeigen echt zu selbstgerecht“, sagte er Zeit Online. Kretschmann sei „ein Politiker, der von hohen Moralvorstellungen geradezu durchdrungen ist. Auch wenn ich in der Sache zu einer anderen Einschätzung komme als er, weiß ich doch, dass er mit sich gerungen hat und seine Entscheidung aus dem Geist von Verantwortung getroffen hat“.
Noch am Freitagnachmittag hatte Winfried Kretschmann sein Vorgehen bei einer Sitzung des baden-württembergischen Landesvorstands in Stuttgart erläutert. Es sei für ihn keine einfache Entscheidung gewesen, sagte er Teilnehmern der Sitzung zufolge, aber die Tür sei eben nun einen Spalt breit offen gestanden, um Asylrechtsänderungen zu erreichen, für die die Grünen lange Zeit gekämpft hätten. Er konnte eine Mehrheit, aber nicht alle überzeugen. Nach einer längeren Debatte verabschiedete der Landesverband eine Resolution, um die unterschiedlichen Standpunkte auf einen Nenner zu bringen: einerseits Ablehnung des Prinzips der „sicheren Herkunftsstaaten“, anderseits Anerkennung für Kretschmanns Verhandlungsergebnis.
In den sozialen Netzwerken musste sich Kretschmann am Wochenende auch aus Baden-Württemberg heftige Kritik gefallen lassen, selbst die beiden Landesvorsitzenden Oliver Hildenbrand und Thekla Walker vertreten unterschiedliche Meinungen. „Ich kann nachvollziehen, wie man zu der Entscheidung kommt, aber ich kann die Entscheidung nicht gutheißen“, sagte Hildenbrand am Sonntag zur SZ. Thekla Walker wiederum sagte: „Ich verstehe, dass das eine sehr schwierige Abwägung war. Aber im Lichte der Verbesserungen, die für die Flüchtlinge erreicht wurden, halte ich Kretschmanns Entscheidung für richtig.“ Beim Landesparteitag am 8. und 9. November in Tuttlingen soll es eine ausführliche Debatte über die Flüchtlingspolitik geben, um die Wogen zu glätten. „Dass in der Partei leidenschaftlich diskutiert wird, verwundert niemanden“, sagt Hildenbrand. „Das Thema Asyl bewegt und trifft das grüne Herz.“ Auf die Frage, ob dem Landesverband nun eine Austrittswelle drohe, erwiderte er: „Ich hoffe nicht.“
Grüne Realpolitiker werfen indes die Frage auf, ob Winfried Kretschmann eine kompromisslose Haltung im Land überhaupt hätte vermitteln können. Wie viele andere Bundesländer auch hat Baden-Württemberg große Probleme, Unterkünfte zu finden für die stetig steigende Zahl von Flüchtlingen. Die Verhandlungen mit Landkreisen und Kommunen könnten nun wieder frei von ideologischem Ballast geführt werden, heißt es. Auch der Koalitionspartner SPD hatte deshalb auf eine Einigung gedrängt. Und die CDU hatte Kretschmann mehrfach vorgeworfen, er knicke vor den Bundes-Grünen ein. Das überraschendste Lob für Kretschmann kommt nun ausgerechnet von Baden-Württembergs CDU-Landesvorsitzendem Thomas Strobl, der sich um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2016 bewirbt: Kretschmann habe „verantwortungsvoll gehandelt“. Der parteiübergreifende Kompromiss mache ihn „froh und dankbar“. Die Grünen werden das als vergiftetes Lob verstehen.
Winfried Kretschmann sieht sich in seiner Partei scharfer Kritik ausgesetzt.
„Niemand hat es sich leicht gemacht, gerade auch Winfried Kretschmann nicht“, sagte Özdemir zu Süddeutsche.de. Dies werde von vielen Grünen anerkannt. „Manche hingegen überziehen mit ihrer Kritik und Wortwahl und betreiben damit letztlich das Spiel des politischen Gegners“, kritisierte der Parteichef. Özdemir dürfte damit vor allem seine frühere Co-Vorsitzende und jetzige stellvertretende Bundestagspräsidentin, Claudia Roth, gemeint haben. Roth hatte mit Blick auf die Entscheidung vom Freitag im Bundesrat von einem „rabenschwarzen Tag“ für die Flüchtlinge und für die Grünen gesprochen. „Ich glaube, die Entscheidung war nicht verantwortungsvoll, nicht in der Sache und nicht gegenüber der Partei“, sagte Roth dem Spiegel. Auch Özdemirs jetzige Co-Vorsitzende, Simone Peter, hatte den Bundesratsbeschluss „eine falsche Entscheidung“ genannt.
Kretschmann hatte zugestimmt, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina in die Reihe sogenannter sicherer Herkunftsstaaten aufzunehmen. Damit ist bei Asylbewerbern aus diesen Staaten ein beschleunigtes Prüfverfahren und eine schnellere Abschiebung möglich. Dies betrifft vor allem Roma. Obgleich kein Zweifel daran besteht, dass sie in ihren Heimatländern diskriminiert werden, erhalten sie in der Regel in Deutschland keinen Status als politisch Verfolgte.
Özdemir verwies darauf, dass der Kompromiss auch Verbesserungen für die Flüchtlinge enthalte. Darunter seien der erleichterte Zugang zum Arbeitsmarkt und die Abschaffung der Residenzpflicht. „Dafür haben Grüne und Flüchtlingsinitiativen viele Jahre, übrigens auch während der sieben Jahre rot-grüner Bundesregierung, vergeblich gekämpft“, so der Parteichef. Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Robert Habeck nahm Kretschmann in Schutz: „ Obwohl ich inhaltlich anderer Auffassung bin als Kretschmann, ist mir das empörte Fingerzeigen echt zu selbstgerecht“, sagte er Zeit Online. Kretschmann sei „ein Politiker, der von hohen Moralvorstellungen geradezu durchdrungen ist. Auch wenn ich in der Sache zu einer anderen Einschätzung komme als er, weiß ich doch, dass er mit sich gerungen hat und seine Entscheidung aus dem Geist von Verantwortung getroffen hat“.
Noch am Freitagnachmittag hatte Winfried Kretschmann sein Vorgehen bei einer Sitzung des baden-württembergischen Landesvorstands in Stuttgart erläutert. Es sei für ihn keine einfache Entscheidung gewesen, sagte er Teilnehmern der Sitzung zufolge, aber die Tür sei eben nun einen Spalt breit offen gestanden, um Asylrechtsänderungen zu erreichen, für die die Grünen lange Zeit gekämpft hätten. Er konnte eine Mehrheit, aber nicht alle überzeugen. Nach einer längeren Debatte verabschiedete der Landesverband eine Resolution, um die unterschiedlichen Standpunkte auf einen Nenner zu bringen: einerseits Ablehnung des Prinzips der „sicheren Herkunftsstaaten“, anderseits Anerkennung für Kretschmanns Verhandlungsergebnis.
In den sozialen Netzwerken musste sich Kretschmann am Wochenende auch aus Baden-Württemberg heftige Kritik gefallen lassen, selbst die beiden Landesvorsitzenden Oliver Hildenbrand und Thekla Walker vertreten unterschiedliche Meinungen. „Ich kann nachvollziehen, wie man zu der Entscheidung kommt, aber ich kann die Entscheidung nicht gutheißen“, sagte Hildenbrand am Sonntag zur SZ. Thekla Walker wiederum sagte: „Ich verstehe, dass das eine sehr schwierige Abwägung war. Aber im Lichte der Verbesserungen, die für die Flüchtlinge erreicht wurden, halte ich Kretschmanns Entscheidung für richtig.“ Beim Landesparteitag am 8. und 9. November in Tuttlingen soll es eine ausführliche Debatte über die Flüchtlingspolitik geben, um die Wogen zu glätten. „Dass in der Partei leidenschaftlich diskutiert wird, verwundert niemanden“, sagt Hildenbrand. „Das Thema Asyl bewegt und trifft das grüne Herz.“ Auf die Frage, ob dem Landesverband nun eine Austrittswelle drohe, erwiderte er: „Ich hoffe nicht.“
Grüne Realpolitiker werfen indes die Frage auf, ob Winfried Kretschmann eine kompromisslose Haltung im Land überhaupt hätte vermitteln können. Wie viele andere Bundesländer auch hat Baden-Württemberg große Probleme, Unterkünfte zu finden für die stetig steigende Zahl von Flüchtlingen. Die Verhandlungen mit Landkreisen und Kommunen könnten nun wieder frei von ideologischem Ballast geführt werden, heißt es. Auch der Koalitionspartner SPD hatte deshalb auf eine Einigung gedrängt. Und die CDU hatte Kretschmann mehrfach vorgeworfen, er knicke vor den Bundes-Grünen ein. Das überraschendste Lob für Kretschmann kommt nun ausgerechnet von Baden-Württembergs CDU-Landesvorsitzendem Thomas Strobl, der sich um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2016 bewirbt: Kretschmann habe „verantwortungsvoll gehandelt“. Der parteiübergreifende Kompromiss mache ihn „froh und dankbar“. Die Grünen werden das als vergiftetes Lob verstehen.