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Paranoid sein ist alles

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John Grishams Schelmenroman "Das Komplott"

Eigentlich geht es ganz zivilisiert zu im Camp Frostburg, Maryland, es gibt "Therapeuten, Sozialarbeiter, Krankenschwestern, Sekretärinnen, Assistenten aller Art und Dutzende von Verwaltungsbeamten, die in Verlegenheit kämen, wenn sie wahrheitsgemäß erklären müssten, was sie acht Stunden am Tag tun ... Auf dem Mitarbeiterparkplatz am Haupteingang stehen jede Menge gepflegte Autos und Pick-ups."

Camp Frostburg ist eine Strafanstalt mit minimaler Sicherheitsstufe, das heißt keine Mauern, keine Wachtürme, kein Stacheldraht, keine Ganggewalt im Innern. Vom Leben in einem solchen Camp berichtet ein Insider in diesem Buch, ein Insasse, Malcolm Bannister: "Was Gefängnisse angeht, ist ein Camp so etwas wie ein Urlaubshotel ... In den Vereinigten Staaten geben wir pro Jahr vierzigtausend Dollar für die Inhaftierung eines Häftlings und achttausend Dollar für die Ausbildung eines Kindes an der Grundschule aus." Malcolm Bannister wird seinen eigenen Sohn wohl nie wieder sehen, wenige Monate nach seiner Verurteilung hat seine Frau die Scheidung eingereicht, inzwischen ist sie wieder verheiratet.



John Grisham ist in seinem neuer Roman "Das Komplott" mehr an Abläufen interessiert, als an dramatischen Spannungen

Malcolm Bannister ist der einzige Schwarze im Camp. Wegen seiner Hautfarbe hat er deshalb nie die ganz große Karriere geschafft als Anwalt. Dann ist er ungeschickt in eine dumme Geschichte geraten, die, ohne sein Zutun, mit einer Geldwäsche endete - und zu zehn Jahren verurteilt worden. Fünf Jahre hat er abgesessen. Noch einmal fünf will er nicht im Camp bleiben. Die miserabilistischen Tupfer in Bannisters Erzählung täuschen niemand, dieser Mann ist entschlossen und resolut. Er sieht seine Chance, er hat einen Plan.

Ein Richter ist ermordet worden mit seiner Geliebten, in seiner Hütte auf dem Land, und keiner weiß von wem und warum. Nur Bannister - er hat in den Anstalten, wo er einsaß, seine Mithäftlinge in Rechtsfragen beraten und dabei eine Menge merkwürdiger Informationen gesammelt. Er macht einen Deal mit den Behörden, Erlassung der Reststrafe, 150000 Dollar Belohnung, Zeugenschutzprogramm, Gesichtsoperation, neue Identität. Aus Malcolm Bannister wird, in atemberaubendem Tempo und mit verblüffender Gradlinigkeit, Max Baldwin.

Das Tempo, das die Geschichte entwickelt, macht irgendwann misstrauisch, ihr Schwung treibt weit über das gesteckte Ziel hinaus. Es gibt Andeutungen, dass es mit der wiedergewonnenen Freiheit nicht getan ist für Malcolm Bannister. Er will Entschädigung für die Demütigung, die die Gesellschaft ihm bescherte, er will Rache. Er treibt ein böses Spiel, auch die Leser müssen sich in Acht nehmen. Es passieren einige sehr ungewöhnliche Sachen. Das Zeugenschutzprogramm, auf das das FBI so stolz ist, erweist sich ausgerechnet in diesem Fall als porös. Max Baldwin gründet eine Filmproduktion und startet ein Projekt über dubiose Polizeipraktiken. Die Dialektik von Wahrheit und Lüge zeitigt groteske Wendungen, und ein von ihr Verblendeter landet in einem Gefängnis, das in so ziemlich allem das Gegenstück zu Frostburg ist - als einziger Weißer in einer Fünfzehn-Mann-Zelle in einem schmutzigen Gefängnis in Jamaika.

John Grisham ist in seinen Romanen an Abläufen mehr interessiert als an dramatischen Spannungen. "Das Komplott" ist ein klassischer Schelmenroman, über die Eigengesetzlichkeit, mit der das System sich am Ende selbst austrickst, wenn man ihm mal die richtigen Anstöße gegeben hat. In diesem Wirbel ist auch der Urheber, der Akteur, der Held nicht mehr sicher: "Paranoid sein ist alles. Ich lebe, als würde ich ständig beobachtet und belauscht, und versinke von Tag zu Tag tiefer in meiner eigenen Welt der Täuschung."

John Grisham: Das Komplott. Roman. Aus dem Amerikanischen von Bea Reiter und Imke Walsh-Araya. Heyne Verlag, München 2013. 447 Seiten, 22,99 Euro.

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