Für jetzt.de ist Charlotte eine Woche lang mit deutschen Studenten in Kiew unterwegs. Sie will sehen, was von den Protesten geblieben ist, wissen, wie der Staat vorhat, sich neu zu organisieren, und von den Menschen selbst erfahren, wie es ihnen geht. Die Antworten, die sie findet, schreibt sie täglich für euch auf. Die bisherigen Folgen könnt ihr hier nachlesen.
Fazit
Der ICE rattert über die norddeutsche Tiefebene, der dauerdröge Bahn-Mitarbeiter murmelt, ob noch jemand „'n Käffchen“ möchte. Ich möchte tatsächlich etwas von der Plörre, denn die Nacht war kurz und vor mir liegt eine ziemliche Mammutaufgabe: 560 Fotos, 20 Seminare, ein kleinteilig vollgeschriebenes Notizbuch – kurz: Fünf Tage Kiew ordnen, sowohl in meinem Kopf, als auch für diesen Text. Die ganze Woche haben wir, 25 Stipendiaten der Studienstiftung des deutschen Volkes und ich, diskutiert. Haben mit jungen Ukrainern, Diplomaten, Stiftungsmitarbeitern, Journalisten, religiösen Vertretern, Wirtschaftsberatern und Ehrenamtlichen darüber gesprochen, was aus diesem bezaubernd-verwirrenden Land werden soll und könnte. Und jetzt also ein Fazit ziehen – heijeijei. Glücklicherweise gibt es bei jetzt.de die wöchentliche „Verstanden“-Liste, in die man auch „Nicht verstanden“ aufnehmen darf. Versuche ich es also damit:
Die Exkursions-Teilnehmer mit ukrainischen Studenten vor einem Gebäude der Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew
Verstanden:
Ukrainisches Frühstück
Nicht verstanden:
Wenn ich mir beide Listen so angucke, muss ich sagen: Ich habe zumindest mehr verstanden, als in meinem Kopf Verwirrung gestiftet durch diese Reise. Dazu haben natürlich auch das tolle Programm und die Organisation der Exkursion beigetragen, die die vier Münchner Studenten Marie-Louise Arlt, Justus Löbler, Michael Kastner und Friedrich Asschenfeldt beigesteuert haben. Von den Vieren studiert übrigens niemand Osteuropa-Wissenschaften oder Slavistik, das hat mir erneut gezeigt, wie wichtig studentisches Engagement abseits des eigenen Fachs ist.
Die Organisatoren der Kiew-Exkursion (v.l.) Michael, Justus, Marie-Louise und Friedrich werden, zurecht, für ihren Einsatz beschenkt Alle vier haben die Exkursion in ihrer Freizeit geplant
Bevor ich nach Kiew fuhr, fielen mir zur Ukraine hauptsächlich folgende Schlagworte ein: Tschernobyl, Klitschko, Maidan, Krim. Heute würde ich sagen: Hoffnungsvoll, nicht unterzukriegen und leider immer irgendwo dazwischen. Ich hoffe, letztes führt nicht dazu, dass die ersten beiden Punkte irgendwann zusammenbrechen.
Kiew wird blau gelb: An de Straßen sammeln Menschen Geld für Farbe, um anschließend Geländer, Blumentöpfe und Zäune in den Farben der ukrainischen Nationalflagge zu streichen
Fazit
Der ICE rattert über die norddeutsche Tiefebene, der dauerdröge Bahn-Mitarbeiter murmelt, ob noch jemand „'n Käffchen“ möchte. Ich möchte tatsächlich etwas von der Plörre, denn die Nacht war kurz und vor mir liegt eine ziemliche Mammutaufgabe: 560 Fotos, 20 Seminare, ein kleinteilig vollgeschriebenes Notizbuch – kurz: Fünf Tage Kiew ordnen, sowohl in meinem Kopf, als auch für diesen Text. Die ganze Woche haben wir, 25 Stipendiaten der Studienstiftung des deutschen Volkes und ich, diskutiert. Haben mit jungen Ukrainern, Diplomaten, Stiftungsmitarbeitern, Journalisten, religiösen Vertretern, Wirtschaftsberatern und Ehrenamtlichen darüber gesprochen, was aus diesem bezaubernd-verwirrenden Land werden soll und könnte. Und jetzt also ein Fazit ziehen – heijeijei. Glücklicherweise gibt es bei jetzt.de die wöchentliche „Verstanden“-Liste, in die man auch „Nicht verstanden“ aufnehmen darf. Versuche ich es also damit:
Die Exkursions-Teilnehmer mit ukrainischen Studenten vor einem Gebäude der Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew
Verstanden:
- In der Ukraine herrscht Krieg
- Viele haben Angst in diesen Krieg eingezogen zu werden. Die jungen Männer sagen allerdings auch alle: Wenn ihre Heimatstadt von Russland angegriffen wird, werden sie sie freiwillig verteidigen
- Ukrainer frühstücken reichhaltig. Dazu gehören auch Würstchen und Nudeln
- In der Ukraine ist seit dem Euromaidan Aufbruchsstimmung. Es bilden sich junge Parteien, NGOs und unabhängige Fernsehsender. Leider macht das desolate, da korrupte, poltische System der Ukraine viele Hoffnungen kaputt
- Um Korruption zu bekämpfen braucht man idealisistische, gut ausgebildete Leute und einen mit Steuergeldern ausreichend ausgestatteten Staat. Ersteres hat die Ukraine, zweiteres nicht
- In dem Hotel, aus dem auf die Demonstranten auf dem Maidan geschossen wurden, saß auch die ARD
- In Kiew sind die meisten Menschen europäisch-orientiert. Auf die Frage, ob sie je mal in Russland waren, haben die meisten jungen Menschen mir mit „Nein“ geantwortet
- Mit der Annektierung der Krim hat nach Aussage all unserer Gesprächspartner niemand gerechnet. Ein bisschen so, als würde auf einmal ein anderes Land bei uns Schleswig-Holstein annektieren
- In der Ukraine Russisch zu sprechen ist nicht gleichzusetzen mit dem Wunsch, zu Russland zu gehören
- Die Menschen auf der Krim haben mittlerweile fast alle einen russischen Pass und empfangen ausschließlich russisches Fernsehen
- Ukrainische Heizungen haben keine Knöpfe zum Regulieren - es wird zentral geheizt
- Keiner unserer Gesprächspartner rechnete ernsthaft damit, dass die EU, UN oder die NATO der Ukraine im Falle eines russischen Einmarschs militärisch helfen wird
- Deutsche Studenten interessieren sich für die Vorgänge auf der Ukraine: Auf unsere Exkursion gab es 140 Bewerbungen auf 25 Plätze. Aufgrund möglicher Gefahren hat keiner abgesagt
- Wenn Putin und Poroschenko miteinander sprechen, führen beide einen Monolog
- Die Residenz des früheren ukrainischen Präsidenten Janukowitsch ist heute eine Touristenattraktion
Ukrainisches Frühstück
Nicht verstanden:
- In der Ukraine gibt es trotz Tschernobyl keine ernstzunehmende grüne Partei
- Warum heißt es, Putin und Poroschenko würden miteinander sprechen, wenn beide dabei Monologe führen?
- Von 450 Abgeordneten im ukrainischen Parlament sind laut der NGO Tschesno nur vier nicht korrupt oder anderweitig kritisch vorbelastet. Trotzdem werden sie gewählt
- Was Putin wirklich an der Ostukrainischen Grenze im Schilde führt
- Wer die Borschtsch-Suppe jetzt wirklich erfunden hat (Ukraine vs. Polen vs. Ungarn)?
- Zwei Prozent aller Ukrainer zwischen 20 und 40 Jahren sind HIV-positiv oder haben AIDS. Deutsche Hilfsprogramme wurden unter FDP-Entwicklungsminster Niebel allerdings eingestellt
- Für ukrainische Frauen ziemt es sich nicht, Schnaps zu trinken.
- Putin behauptet, viele Ukrainer würden sich Unabhängigkeit wünschen. Bei regionalen Wahlen in der Ostukraine werden prorussische Parteien allerdings nur von einem Drittel gewählt
- Die Ukraine gehört weder zur EU, noch zu Russland. Heißt das automatisch, dass niemand für sie zuständig ist?
Wenn ich mir beide Listen so angucke, muss ich sagen: Ich habe zumindest mehr verstanden, als in meinem Kopf Verwirrung gestiftet durch diese Reise. Dazu haben natürlich auch das tolle Programm und die Organisation der Exkursion beigetragen, die die vier Münchner Studenten Marie-Louise Arlt, Justus Löbler, Michael Kastner und Friedrich Asschenfeldt beigesteuert haben. Von den Vieren studiert übrigens niemand Osteuropa-Wissenschaften oder Slavistik, das hat mir erneut gezeigt, wie wichtig studentisches Engagement abseits des eigenen Fachs ist.
Die Organisatoren der Kiew-Exkursion (v.l.) Michael, Justus, Marie-Louise und Friedrich werden, zurecht, für ihren Einsatz beschenkt Alle vier haben die Exkursion in ihrer Freizeit geplant
Bevor ich nach Kiew fuhr, fielen mir zur Ukraine hauptsächlich folgende Schlagworte ein: Tschernobyl, Klitschko, Maidan, Krim. Heute würde ich sagen: Hoffnungsvoll, nicht unterzukriegen und leider immer irgendwo dazwischen. Ich hoffe, letztes führt nicht dazu, dass die ersten beiden Punkte irgendwann zusammenbrechen.
Kiew wird blau gelb: An de Straßen sammeln Menschen Geld für Farbe, um anschließend Geländer, Blumentöpfe und Zäune in den Farben der ukrainischen Nationalflagge zu streichen