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Endsieb

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Zu den Grundgesetzen des deutschen Fernsehens gehört eigentlich die Regel, dass RTL an jedem Donnerstagabend mindestens einen Totalschaden zu vermelden hat. Lange Zeit konnte man jede Woche die Uhren danach stellen: Um 20Uhr beginnt die Tagesschau im Ersten, 15 Minuten später bei RTL Alarm für Cobra11 – und oft schon um 20.17 Uhr scherbelt es das dann das erste Mal. Berstende Wassertonnen, schlitternde Gebrauchtwagen, querliegende Laster. Man versteht diese Unfälle nie, aber darum geht es auch nicht.



Was wäre wenn? Jan Böhmermann sucht auf RTL eine Antowort.

Eine Weile schon mogelt sich RTL aber mit Wiederholungen durch den Donnerstag, von dieser Woche an bestreitet es den Abend mit einem komplett neuen Programmschema. Die heute Jungen sollen nun mit Casting (Rising Star, 20.15 Uhr), Dating (Adam sucht Eva, 22.25 Uhr) und Comedy erreicht werden. Des lustigen Schluss dieses Dreiklangs sollen vier Nachwuchskräfte intonieren, deren Namen die umsorgte Zielgruppe zumindest schon einmal gehört haben dürfte: Palina Rojinski, Katrin Bauerfeind, und zwei Jans, nachnämlich Köppen und Böhmermann. Sie suchen in vier Folgen immer wieder andere Antworten auf jene Frage, die dem Format auch seinen Namen gibt: Was wäre wenn?

Die Idee ist in ihrem Wesen nicht ganz frisch, auch ihre Ziehväter kann die Sendung kaum verbergen. Was wäre wenn? orientiert sich sichtbar an den Filmbeiträgen Martin Sonneborns für die heute-show und auch an klassischem Mutprobenfernsehen, wie es vor allem Joko und Klaas in den vergangenen Jahren so hingebungsvoll gepflegt haben. Das sieht dann so aus: Katrin Bauerfeind fragt sich, was wäre, wenn sie am Drive-in bei McDonald’s einfach mal Quatschbestellungen aufgeben würde. Sie ordert also „Branchensaft“, einen „Hamburger jovial TS“, dazu „Mauspressing“ – sie bekommt kaum Nachfragen, immer gefüllte Tüten. Jan Köppen fragt sich, was wäre, wenn er als Ahnungsloser durch eine Kunstausstellung führen würde. Er steht also vor einem Bild und behauptet, „ganz viel Vaginales“ darin zu erkennen. Palina Rojinski fragt sich, wie schnell Handwerker im richtigen Leben auf bekannte Reizwörter aus Gossenpornos anspringen. Sie steht also in einer Küche und sagt „mein Rohr tropft wie verrückt“ – im Nebenraum kommentiert Conny Dachs, der vermutlich bekannteste Rohrverleger des deutschen Lustfilms. Und Jan Böhmermann fragt sich, was wäre, wenn er mit eher „traditioneller Gesichtsbehaarung“ durch die Straßen zöge. Er landet schließlich in einem Küchenfachgeschäft, er erkundigt sich nach einem „Endsieb“ und löchert die Verkäuferin auch mit Fragen zu dessen Qualität: „Sieb kaputt oder Sieb heil?“

Unfair wäre es nun, wenn man diese Ideen allein auf ihren Plagiatsgehalt prüfen wollte, einige Parallelen sind dennoch zu nennen. Bauerfeinds wortverdrehte Burgerbestellung erinnert an „Kentucky schreit ficken“ aus RTLs Samstag Nacht, Köppens Ausflug ins Museum scheint sehr deutlich von Hape Kerkelings „Hurz“ inspiriert worden zu sein, Böhmermanns Feldversuch mit falschem Bärtlein hat man gar mehrmals gesehen. Rojinskis Handwerkerei geht wiederum deswegen nicht ganz auf, weil die zitierten Originale ja gerade wegen ihrer Ernsthaftigkeit so lustig sind, dass man sie praktisch nicht wertsteigernd parodieren kann.
Richtig ist, dass Was wäre wenn? durchaus gute Momente hat. Es funktionieren die sabotierten Interviews mit Rechtsaußen-Politikern, in denen Jan Böhmermann wahlweise Nazi-Bingo oder Nazi-Activity spielt. Bei letzterem etwa gelingt es ihm, getragen von respektabler Schamlosigkeit, einen Vertreter der Republikaner an der sehr langen Nase herumzuführen. „Von Schröder erfundene Sozialreform, das letzte Wort war richtig“, täuscht Böhmermann Erinnerungslücken vor. „Hartz-IV-Schmarotzer!“, freut sich der Mann von den Republikanern. Es glückt ebenso der Versuch, ein weiteres Mal in den McDrive zu fahren und am Schalter für die Bestellannahme den McDonald’s-Mitarbeiter mit einem von Burger King in gleicher Funktion telefonisch zu verbinden. Wäre das Leben nicht echt und gäbe es eine Matrix, sie wäre an dieser Stelle in einer Weise explodiert, wie man sich das selbst im Produktionsbüro von Cobra 11 nicht vorstellen kann.
Oft gerät der Fernsehspieleabend der Vier aber an Grenzen, das liegt nicht nur an den leider sehr merklich aus dem Skript gelernten Moderationen. In Summe bleiben Einspieler und Studioszenen leider eine Lenor-Version von lustig, sie sind zu weichgespült. Wie zuletzt bei dem von ihm mitentwickelten WDR-Format Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von..., scheint Jan Böhmermann auch hier eine Konzessionsentscheidung getroffen zu haben: Der Nachteil, nicht frei und radikal walten zu können wie sonst, steht auf der einen Seite dieser Rechnung, die hohe Aufmerksamkeit, die RTL verspricht, auf der anderen.

Ob dieses Versprechen des alten Fernsehens überhaupt noch gilt, stellen Rojinski und Böhmermann übrigens selbst in Frage. Weil die Leute nicht mehr zum Fernsehen kämen, müsse das Fernsehen zu ihnen kommen, sagt Böhmermann vor einem Beitrag. Dann klingelt er auch schon an der Tür eines Ahnungslosen und will diesen glauben machen, er hätte sich für ein Format angemeldet: „Hallo Herr Sager, RTL-Frauentausch, es ist so weit.“ Dem nächsten wird eine Ausreiseabsicht mit Hilfe der Sendung Auf und davon unterstellt. Es müsse jetzt schnell gehen, und, „Du brauchst ja auch gar nicht so viel für den Iran“.

„Was wäre wenn?“, RTL, 23.20 Uhr

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