Am Samstag hat es in Frankfurt am Main Geld geregnet. Insgesamt fielen 6000 Euro aus Säcken, die an Trauben von Luftballons über der Stadt schwebten. Auf Bildern sieht man, wie Passanten die Hände zum Himmel recken, um einige der fliegenden Fünf- und Zehn-Euro-Scheine zu erhaschen. Hinter der eigenartigen Aktion stecken die niederländische Künstlerin Daniela Tiben, 45, und Joachim Ackva. Der 49-Jährige, nach eigenen Angaben seit zwei Jahrzehnten selbständiger Finanzplaner und Vermögensberater, will zeigen, „wie schön es ist zu teilen“. Der „Geldregen“ in Frankfurt war nicht der erste. Am 9. August gab es bereits einen Testlauf in Berlin. Weitere Säcke mit Geld in weiteren Städten sollen folgen. Tiben und Ackva, das kann man so sagen, haben Großes vor.
Die russische Gaststudentin an der ESB in Oestrich-Winkel, Kate (20), freut sich am 23.08.2014 auf dem Römerberg in Frankfurt am Main über 20 Euro.
SZ: Warum verschenken Sie Geld, Herr Ackva?
Joachim Ackva: Weil alle fünf Sekunden ein Kind stirbt. Unnötig.
Wenn Sie das ändern wollen, können Sie an Ärzte ohne Grenzen spenden.
Mach’ ich. Ärzte ohne Grenzen sind prima. Aber uns fehlt etwas zum globalen Kooperieren. Wenn wir uns die Anstrengungen der vergangenen Jahrzehnte anschauen, etwas gegen Dinge wie Armut, Umweltzerstörung oder Krieg zu tun, dann müssen wir sagen: Es hat nicht viel gebracht, oder? Das funktioniert so nicht.
Und es funktioniert, indem Sie über einer deutschen Großstadt Geld abwerfen?
Das ist ein Symbol. Und dieses Symbol hat zwei Aspekte. Erstens: Es macht großen Spaß zu teilen. Zweitens: Es gibt so viel Geld auf dem Planeten wie nie zuvor. Wenn wir Bürger diese Finanzkraft zusammenlegen, dann können wir zusammen superwirksam sein.
Glauben Sie wirklich, dass die Leute, die in Frankfurt das Geld eingesteckt haben, danach über den Welthunger nachgedacht haben? Die haben sich eine Wurst gekauft oder sind zu H&M gegangen.
Völlig richtig. Auch völlig in Ordnung.
Sie sind kein Antikapitalist?
Ach, auf keinen Fall. Geld ist ein neutrales Tauschmedium. Die Frage ist, was wir damit anstellen. Wissen Sie, was wir bei unserer Aktion auch gesehen haben? Die Leute wurden locker. Durch das Teilen entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Wir haben Menschen gesehen, die Geld weitergegeben haben an Leute, die nichts gefangen haben. Andere sind zu uns gekommen, haben sich bedankt und gesagt: „Sie wollen jetzt wohl, dass wir darüber nachdenken, was wir mit unserem Geld anstellen, oder?“ Wieder andere sind direkt zu McDonald’s, um sich einen Burger zu kaufen. Na und? Jeder Mensch ist anders. Wir wollen nur zeigen, dass genug Geld da ist – und da wäre, um andere Dinge damit anzustellen.
Wem gehört das Geld, das Sie abwerfen?
Die bisherigen Abwürfe stammen aus meinem Privatvermögen.
Steht noch jemand hinter Ihnen? Eine religiöse Gruppe, ein Satire-Magazin, ein Konzern, irgendwer, der im Hintergrund die Fäden zieht?
(Lacht) Da zieht niemand Fäden. Wir sind unabhängig, und das werden wir bleiben.
Sie sagen „wir“. Wie groß ist Ihre Bewegung?
Die ist klein. Aber das macht nichts. Wir wollen ein Symbol setzen und nicht wie das Kaninchen vor der Schlange vor den Horrornachrichten in der Zeitung sitzen.
Aber außer Ihnen haben nur wenige Menschen Geld zu verschenken. Auch in einem relativ reichen Land wie Deutschland machen sich die meisten Leute mehr Sorgen um steigende Mieten und Armut im Alter als um den Welthunger.
Lassen Sie es mich so sagen: Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt etwa 50 Prozent des Vermögens. Wenn dieses eine Prozent zwei Tausendstel seines Vermögens auf ein Konto überweisen würde, dann hätten wir etwa 270 Milliarden US-Dollar. Das entspräche dem Hundertfachen des regulären UN-Jahresbudgets. Unsere Zielgruppe sind die Wohlhabenden, die eben nicht auf die Miete schauen müssen. Die wollen wir ermutigen, etwas Geld auf ein zentrales Konto zu überweisen: das Weltkonto. Wissen Sie, es gibt unzählige wunderbare philanthropische Projekte auf der Welt, die nebeneinanderher existieren. Wenn es zusätzlich gelingt, eine globale Kooperation zu schaffen, können wir die Welt zu einem Fest machen. Momentan agieren wir zerstreut. Als würde man eine Handvoll Sand auf eine Dartscheibe werfen: ineffizient.
Und das wäre Ihr „Weltkonto“ nicht?
Im Gegenteil.
Das Schaubild auf Ihrer Website sieht ganz schön kompliziert aus. Die 193 Regierungen, die in der UN-Generalversammlung repräsentiert sind, sollen zusammen mit 193 per Los bestimmten Bürgern und 193 vom Nobelkomitee ernannten Experten über das Konto und die Investition des Guthabens bestimmen.
Unser Modell unterscheidet sich nicht groß von den bekannten repräsentativen Systemen. Gewählte Vertreter erarbeiten Vorlagen und entscheiden per Mehrheit. Das kann man auch international so machen.
Mit Bürgern, die das Los bestimmt?
Aber sicher. Demokratie gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Die Wahl per Los ist eine der ältesten Formen, die gab es schon im antiken Griechenland.
Bei Platon wird aus der Demokratie am Ende eine Tyrannenherrschaft. Was wird aus Ihnen, wenn es Ihr Weltkonto gibt? Weltkontochef?
Die Frage ist lieb. Aber ich persönlich spiele überhaupt keine Rolle. Wenn wir eine Diskussion auslösen können, dann haben wir viel erreicht.
Für wie viele Geldregen reicht Ihr Privatvermögen eigentlich noch aus?
Das ist eine gute Frage.
Kommen Sie doch mal nach München.
Wir sehen uns in München, versprochen.
An der Hultschiner Straße steht ein Verlagshochhaus. Da können Sie Ihre Säcke jederzeit abwerfen.
Wir sind für Vorschläge immer dankbar.
Die russische Gaststudentin an der ESB in Oestrich-Winkel, Kate (20), freut sich am 23.08.2014 auf dem Römerberg in Frankfurt am Main über 20 Euro.
SZ: Warum verschenken Sie Geld, Herr Ackva?
Joachim Ackva: Weil alle fünf Sekunden ein Kind stirbt. Unnötig.
Wenn Sie das ändern wollen, können Sie an Ärzte ohne Grenzen spenden.
Mach’ ich. Ärzte ohne Grenzen sind prima. Aber uns fehlt etwas zum globalen Kooperieren. Wenn wir uns die Anstrengungen der vergangenen Jahrzehnte anschauen, etwas gegen Dinge wie Armut, Umweltzerstörung oder Krieg zu tun, dann müssen wir sagen: Es hat nicht viel gebracht, oder? Das funktioniert so nicht.
Und es funktioniert, indem Sie über einer deutschen Großstadt Geld abwerfen?
Das ist ein Symbol. Und dieses Symbol hat zwei Aspekte. Erstens: Es macht großen Spaß zu teilen. Zweitens: Es gibt so viel Geld auf dem Planeten wie nie zuvor. Wenn wir Bürger diese Finanzkraft zusammenlegen, dann können wir zusammen superwirksam sein.
Glauben Sie wirklich, dass die Leute, die in Frankfurt das Geld eingesteckt haben, danach über den Welthunger nachgedacht haben? Die haben sich eine Wurst gekauft oder sind zu H&M gegangen.
Völlig richtig. Auch völlig in Ordnung.
Sie sind kein Antikapitalist?
Ach, auf keinen Fall. Geld ist ein neutrales Tauschmedium. Die Frage ist, was wir damit anstellen. Wissen Sie, was wir bei unserer Aktion auch gesehen haben? Die Leute wurden locker. Durch das Teilen entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Wir haben Menschen gesehen, die Geld weitergegeben haben an Leute, die nichts gefangen haben. Andere sind zu uns gekommen, haben sich bedankt und gesagt: „Sie wollen jetzt wohl, dass wir darüber nachdenken, was wir mit unserem Geld anstellen, oder?“ Wieder andere sind direkt zu McDonald’s, um sich einen Burger zu kaufen. Na und? Jeder Mensch ist anders. Wir wollen nur zeigen, dass genug Geld da ist – und da wäre, um andere Dinge damit anzustellen.
Wem gehört das Geld, das Sie abwerfen?
Die bisherigen Abwürfe stammen aus meinem Privatvermögen.
Steht noch jemand hinter Ihnen? Eine religiöse Gruppe, ein Satire-Magazin, ein Konzern, irgendwer, der im Hintergrund die Fäden zieht?
(Lacht) Da zieht niemand Fäden. Wir sind unabhängig, und das werden wir bleiben.
Sie sagen „wir“. Wie groß ist Ihre Bewegung?
Die ist klein. Aber das macht nichts. Wir wollen ein Symbol setzen und nicht wie das Kaninchen vor der Schlange vor den Horrornachrichten in der Zeitung sitzen.
Aber außer Ihnen haben nur wenige Menschen Geld zu verschenken. Auch in einem relativ reichen Land wie Deutschland machen sich die meisten Leute mehr Sorgen um steigende Mieten und Armut im Alter als um den Welthunger.
Lassen Sie es mich so sagen: Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt etwa 50 Prozent des Vermögens. Wenn dieses eine Prozent zwei Tausendstel seines Vermögens auf ein Konto überweisen würde, dann hätten wir etwa 270 Milliarden US-Dollar. Das entspräche dem Hundertfachen des regulären UN-Jahresbudgets. Unsere Zielgruppe sind die Wohlhabenden, die eben nicht auf die Miete schauen müssen. Die wollen wir ermutigen, etwas Geld auf ein zentrales Konto zu überweisen: das Weltkonto. Wissen Sie, es gibt unzählige wunderbare philanthropische Projekte auf der Welt, die nebeneinanderher existieren. Wenn es zusätzlich gelingt, eine globale Kooperation zu schaffen, können wir die Welt zu einem Fest machen. Momentan agieren wir zerstreut. Als würde man eine Handvoll Sand auf eine Dartscheibe werfen: ineffizient.
Und das wäre Ihr „Weltkonto“ nicht?
Im Gegenteil.
Das Schaubild auf Ihrer Website sieht ganz schön kompliziert aus. Die 193 Regierungen, die in der UN-Generalversammlung repräsentiert sind, sollen zusammen mit 193 per Los bestimmten Bürgern und 193 vom Nobelkomitee ernannten Experten über das Konto und die Investition des Guthabens bestimmen.
Unser Modell unterscheidet sich nicht groß von den bekannten repräsentativen Systemen. Gewählte Vertreter erarbeiten Vorlagen und entscheiden per Mehrheit. Das kann man auch international so machen.
Mit Bürgern, die das Los bestimmt?
Aber sicher. Demokratie gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Die Wahl per Los ist eine der ältesten Formen, die gab es schon im antiken Griechenland.
Bei Platon wird aus der Demokratie am Ende eine Tyrannenherrschaft. Was wird aus Ihnen, wenn es Ihr Weltkonto gibt? Weltkontochef?
Die Frage ist lieb. Aber ich persönlich spiele überhaupt keine Rolle. Wenn wir eine Diskussion auslösen können, dann haben wir viel erreicht.
Für wie viele Geldregen reicht Ihr Privatvermögen eigentlich noch aus?
Das ist eine gute Frage.
Kommen Sie doch mal nach München.
Wir sehen uns in München, versprochen.
An der Hultschiner Straße steht ein Verlagshochhaus. Da können Sie Ihre Säcke jederzeit abwerfen.
Wir sind für Vorschläge immer dankbar.