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Schrei nach Freiheit

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Mit zahlreichen Gedenkfeiern und Kulturveranstaltungen haben die Bewohner Lettlands, Estlands und Litauens am Wochenende an den sogenannten Baltischen Weg erinnert, der dort vor 25 Jahren das Signal zur friedlichen Revolution gab. Circa zwei Millionen Beteiligte hatten am 23. August 1989 eine Menschenkette von rund 600 Kilometern Länge quer durch die drei Länder gebildet und damit für Freiheit und Unabhängigkeit von der damals noch existierenden Sowjetunion demonstriert. In den Ansprachen zur Erinnerung an das Ereignis wurden vielfach Parallelen zur heutigen Entwicklung in der Ukraine gezogen; das dortige Vorgehen Russlands wurde wiederholt verurteilt.



Litauens Premierminister Algirdas Butkevicius mit seinen Kollegen Laimdota Straujuma aus Litauen und Taavi Roivas aus Estland (von links nach rechts)

Zentraler Gedenkort war die lettische Hauptstadt Riga, wo sich die Ministerpräsidenten der drei Länder versammelten und mehrere Konzerte und Ausstellungen besuchten. In der neuen lettischen Nationalbibliothek nahmen sie an der Eröffnung eines Projekts teil, das die Erinnerungen Tausender Menschen an die historische Menschenkette sammelt. „Der baltische Weg war unser Weg zur Freiheit“, sagte die lettische Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma. „Lettland, Litauen und Estland fassten damals einander an den Händen, um der Welt zu zeigen, dass sie freie und unabhängige Staaten sein wollen.“ Der estnische Premier Taavi Rõivas bezeichnete das Ereignis als „Schrei dreier verlassener Völker nach Freiheit“. Sein litauischer Amtskollege Algirdas Butkevičius sprach von einem „einzigartigen Symbol der Einheit“, das die drei Völker damals gesetzt hätten.

Wie vor 25 Jahren standen auch die aktuellen Gedenkveranstaltungen im Zeichen der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und des besonderen Verlaufs, den er im Baltikum genommen hatte. Der Fokus lag auf dem 23. August 1939, als in Moskau von den Außenministern Nazi-Deutschlands und der Sowjetunion der sogenannte Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnet worden war. Er sah in einem geheimen Zusatzprotokoll die Zuordnung der zwischen beiden Mächten gelegenen Länder zur jeweiligen Interessenssphäre Hitlers oder Stalins vor. Die Folge war, dass Stalin nicht nur stillhielt, als Hitler am 1. September 1939 mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen den Zweiten Weltkrieg eröffnete. Am 17. September 1939 marschierte vielmehr auch die Rote Armee in Polen ein und besetzte den Ostteil des Landes, zu dem damals weite Gebiete der heutigen Ukraine und Weißrusslands gehörten. Gezielt brachten sowohl die Deutschen als auch die Sowjets Zehntausende Angehörige der polnischen Elite um.

Für die drei baltischen Länder, die erst nach dem Ersten Weltkrieg ihre Unabhängigkeit vom russischen Zarenreich erlangt hatten, war der Hitler-Stalin-Pakt die Vor-stufe zur Besatzung durch Stalins Truppen und zur Eingliederung in die Sowjetunion 1940. Als Hitler 1941 seinen Partner Stalin verriet und den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion begann, geriet das Baltikum unter deutsche Herrschaft.
Vielfach wurde die Wehrmacht aufgrund der Schrecken von Stalins Deportationen und seines Terror-Regimes als Befreier begrüßt, was sich als tragischer Irrtum erwies. Hunderttausende Letten, Esten und Litauer kamen durch die Deutschen um, darunter fast alle Juden.

1944 kehrten die Sowjets zurück, die drei Länder wurden nun endgültig Teil der Sowjetunion bis zu deren Kollaps im Gefolge der Umwälzungen von 1989, die im Baltikum als „Singende Revolution“ erinnert werden. Bei ihren Demonstrationen hatten die Menschen, einer alten Tradition folgend, immer wieder massenhaft einheimische Volkslieder gesungen.

Zu den Jahrestagen fanden auch mehrere wissenschaftliche Kongresse statt, bei denen der Umgang mit der komplizierten Geschichte im Fokus stand. Experten aus Polen und den baltischen Ländern beklagten dabei, in den westlichen EU-Ländern werde den Spezifika ihrer Region zu wenig Beachtung geschenkt. Und in Russland habe eine kritische Aufarbeitung der Stalin-Zeit und eine Entbolschewisierung bis heute nicht stattgefunden. Dies sei ein wichtiger Grund für die unterschiedliche Sicht auf das aktuelle Geschehen in der Ukraine.

„Wir, die baltischen Länder, verstehen vielleicht am besten von allen, was in der Ukraine passiert“, sagte die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė. Es gehe um die Frage, „ob die Ukraine frei ist und frei bleiben darf oder ob der Aggressor immer noch versucht, brutal zu diktieren“.


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