Die eigene Wohnung verleihen, auf Hochzeiten Musik machen, Abschlussarbeiten korrigieren: Wenn einen Familie oder Freunde um etwas bitten, sagt man auch dann Ja, wenn man eigentlich Nein sagen will. Die Redaktion gesteht.
Jein... zum Musik machen
Das Problem ist, dass es ja auch wirklich Spaß macht. Manchmal jedenfalls. Der entscheidende Punkt ist aber, dass es mehr Spaß macht, wenn dabei auch etwas Sinnvolles herauskommt: Ein Album vielleicht sogar. Oder wenigstens eine echte Band, die echte Songs schreibt und damit tourt. Oder geil jamt. Oder zumindest richtig säuft. Aber das wird nicht passieren.
Wenn ihr das am Freitagabend lest, stehe ich nämlich gerade in einem sehr kleinen Vorort von München auf einer sehr kleinen Bühne und spiele über die sehr kleine Gesangsanlage, die der Bruder der Braut für 80 Euro ausgeliehen hat, Lieder für Menschen, die ich kaum kenne. Hochzeitseinlage. „White Wedding" von Billy Idol. „TNT" von AC/DC (umgetextet). „Wickie" (noch umgetexteter). Mit Menschen, die das letzte Mal vor zehn Jahren ein Instrument in der Hand hatten.Lustigerweise ist es derselbe Festsaal, in dem ich im vergangenen Sommer schon mal eine Gesangsanlage herumgehievt, aufgebaut und am nächsten Tag wieder abgeholt habe. Weil ich mich „damit" ja auskenne. Damals war ich mit dem Paar wenigstens befreundet. Diesmal bin ich nicht einmal eingeladen. Ich habe die Braut in meinem Leben viermal gesehen. Und ihren Verlobten zweimal. Aber ich habe eine ziemlich lange Zeit beruflich Musik gemacht. Das wirst du nicht mehr los. „Das macht doch auch Spaß!"
Versteht mich nicht falsch. Ich liebe den Typen, für den ich das tue. Ich bin der Patenonkel seiner Tochter, er der Bruder der Braut. Er will eine Musikeinlage bringen. Ich bin Musiker. Ich mochte auch die Eltern der Freundin, auf deren Weihnachtsfeier ich „Feliz navidad" gespielt habe. Und die Tante, auf deren Sechziger „Oh Susanna" gesungen werden sollte. Und die Freundin des Freundes, die so gerne „To Be With You" mag. Freilich sagt man da nicht „Nein!". Aber insgeheim, in einem Universum, in dem mein innerer Larry David König ist, würde ich es gerne tun: „Nein", würde ich sagen. Vielleicht würde ich es auch keifen. „Verdammt, hätte ich endlich mal wieder Zeit, Musik zu machen, ich verbrächte sie mit allem, außer ‚Wickie'!" Oder Weihnachtsliedern. Oder Mr. Big-Songs. Aber das geht ja nicht.
So bleibt mir nur die Blutrache: Der Brautsbruder ist Werber. Der Bräutigam Filmproduzent. Irgendwann, in vielen, vielen Hochzeiten, Geburtstagen und Weihnachten, werde ich mein Album fertig haben. Und dann werde ich einen Werber brauchen für die Promo. Und einen Filmproduzenten, der das Video dreht. Und dann, dann ist Zahltag! Oder ich erinnere mich daran, dass man keine Fragen stellen sollte, die nicht mit „Nein" beantwortet werden können.
jakob-biazza
Jein... zum Wohnung vergeben
Ich finde das, was ich jetzt schreibe, schrecklich unsympathisch und eigentlich ist es deshalb auch mein dunkles Geheimnis. Aber gut, raus damit: Ich hasse es, meine Wohnung für Besuch herzugeben. Leider gehört es sich nicht, so zu empfinden. Es scheint nämlich eine Art Naturgesetz der Solidarität zu sein, dass die eigene Wohnung bei akutem Bedarf zum Allgemeingut von Freunden und Familie wird. Und was sollte ich auch dagegen sagen? Ich wohne in anderen Städten ja selbst oft bei Freunden oder Familie und finde mich dabei jedes Mal kurzweilig, bescheiden und unkompliziert. Ist doch wirklich irgendwie selbstverständlich, dass man mal jemanden bei sich aufnimmt.
Leider stelle ich immer deutlicher fest: Das ist es überhaupt nicht. Jedenfalls für mich nicht. Meine Wohnung ist mein Schneckenhaus. Und zwar nicht nur in emotionaler Hinsicht, sondern auch, was ihre Größenmaße angeht: Sie ist aufgerundet gerade einmal gut 20 Quadratmeter groß. Allein fühle ich mich darin schon manchmal wie in „Schatz, du hast die Kinder geschrumpft“. Wenn mich da drinnen jemand für länger als einen Abend besuchen will, kriege ich Beklemmungen. Klar, wenn mich jemand ganz gezielt und lang geplant besuchen kommt, dann geht das schon, dann kann ich mich darauf einstellen und für die Zeit zu meinem Freund ziehen. Aber wenn jetzt jemand auf Wohnungssuche ist, wenn Familienmitglieder mal ganz spontan vorbeikommen wollen, wenn irgendjemand Unterschlupf in München braucht, Zwischenlandung, Messejob, was weiß ich, dann wird mir unwohl und weinerlich zumute. Weil ich aber auf gar keinen Fall die sein will, die jemanden hängen lässt, lasse ich es jedes Mal geschehen und tue so, als ob es mir überhaupt nichts ausmacht.
Ich schäme mich, weil mein Problem dekadent ist. Wie oben angedeutet, kann ich ja sogar zu meinem Freund flüchten, wenn jemand in meiner Wohnung Unterschlupf sucht. Eigentlich ist das kein Problem. Ich mag es eben nur nicht "müssen". Und deshalb frage ich mich, wann das eigentlich aufhört mit diesem Naturgesetz, dass man immer jeden besuchen dürfen muss. Wann es selbstverständlicher wird, sich ein Hostel oder ein Hotel zu nehmen. Oder bleibt das jetzt so, weil wir alle so dynamisch, flexibel, sharing-kultur-mäßig drauf sind und sein müssen? Ich fürchte, so oder so: Es ist alles mein Problem, weil ich halt einfach gottverdammt „Nein“ sagen muss und dazu stehen, dass ich eben doch nicht so selbstlos bin, wie ich gern wäre.
mercedes-lauenstein
Jein... zum Auto verleihen
Ich fahre einen Renault Kangoo (Ja, das ist das Auto, das früher mal in einem Werbespot von einem Nashorn von hinten genommen wurde). Er ist nicht schön, aber sehr praktisch. Ich kann mich an keine Situation erinnern, in der ich irgendetwas nicht in dieses Auto hinein bekommen hätte. Fahrräder, Surfbretter, Equipment für eine Party, eine Waschmaschine, der Inhalt eines ganzen WG-Zimmers – was auch immer man transportieren will, passt rein.
Deshalb rufen mich relativ oft Leute an, deren Auto bei Nashörnern keine sexuelle Erregung auslösen würde, das aber auch nicht viel mehr Platz bietet als ein durchschnittlicher Rollkoffer. „Du hast doch dieses praktische Auto“, sagen sie dann und fragen, ob sie sich das nicht mal ausleihen könnten für ihr Umzugswochenende.
Ich habe generell kein Problem damit, mein Auto zu verleihen, und ich gebe es eigentlich immer gerne her. Auch, wenn das für mich Komplikationen bedeutet. Weil ich dann zum Beispiel für ein Wochenende kein Auto habe und mich ärgere, dass ich nicht spontan in die Berge fahren kann oder mich in eine überhitzte und überfüllte S-Bahn Richtung See quetschen muss. Weil ich einen Abend zu Hause bleibe, damit ich den Schlüssel übergeben kann. Oder weil ich morgens eine Viertelstunde gehetzt durch mein Viertel irre und mein Auto suche, das der Ausleiher zwei Blocks weiter geparkt hat, ohne mir den Standort mitzuteilen.
Das ist alles nicht so schlimm. Aber ich kann nicht leugnen, dass ich mir manchmal wünsche, ich würde in solchen Situationen öfter Nein sagen. Vor allem zu Leuten, die ein WG-Zimmer umziehen wollen, das ich seit Jahren nicht betreten habe.
christian-helten
Jein... zum Designen
Wer Freunden beim Umzug hilft, schleppt ein paar Stunden Kisten von A nach B. Das ist eine ehrliche, harte Arbeit, die dementsprechend mit dankendem Schulterklopfen sowie reichlich Bier und Pizza honoriert wird. Die Gestaltung von Flyern, Einladungskarten und Logos gilt in weiten Teilen meines Bekanntenkreises hingegen als Kleinigkeit, die ich als Grafikdesignerin doch bestimmt mal gerade nebenher erledigen kann. Keine Pizza, kein Bier.
„Ich hab da morgen so ne Präsentation für die Uni, sieht aber irgendwie echt noch lahm aus. Kannst du vielleicht kurz drüber schauen und am Layout noch bisschen was machen?“ Wenn ich so einen Satz von Freunden höre, grantelt in mir sofort der Grafiker los. „Weiß der eigentlich, wie viel Arbeit das ist? Das muss ich alles komplett neu anlegen damit das wenigstens bisschen nach was aussieht! Das dauert Stunden!“ denke ich mir dann. „Klar, kann ich gerne machen“ ist dann allerdings meist alles, was ich dazu sage. Dann ärgere ich mich über mich selbst, weil ich nicht ehrlich sein kann. Und über meinen Bekannten, weil er mir so etwas zumutet. Und dann wieder über mich, weil ich mich egoistisch finde.
Dabei helfe ich grundsätzlich gern beim Gestalten. Mich nervt allerdings das ewige Kleinreden des Gefallens. Für viele meiner Freunde ist Grafikdesign weniger ein Beruf, als vielmehr eine Art Hobby, dem man in seiner Freizeit eh permanent nachgeht. In ihrer Vorstellung muss man für einen gelungen Flyer/Webauftritt/Buchumschlag nur ein wenig am Computer rumklicken und fertig ist das Ganze. Fakt ist aber, dass sich von „kurz irgendwo drüberschauen“ rein gar nichts layoutet. Grafiker haben keinen Zauberstab, mit dem sie schnell auf eine Seite tippen und schwups, hüpfen Bilder und Text an die richtige Stelle und alles sieht super aus. Hinter guter Gestaltung steckt meist sehr viel Arbeit. Auch wenn es nicht immer unbedingt danach aussieht und man keine geschleppten Kisten am Schluss vorweisen kann.
paulina-hoffmann
Jein... zum Korrigieren
Ich sehe, bis auf manchmal meine eigenen, so gut wie jeden Rechtschreib-, Grammatik- oder Satzzeichenfehler. In Büchern, Magazinen, auf Plakaten und Aufstellern vor Cafés. Das ist im Privaten oft lustig, manchmal ärgerlich und im Journalistenberuf sehr praktisch. Und es wird von meinem Umfeld schamlos ausgenutzt.
Wie viele Referate, Haus- und Abschlussarbeiten ich in meinem Leben korrekturgelesen habe, kann ich schon gar nicht mehr zählen. Die von der Schwester und dem Freund rechne ich gar nicht dazu, da waren noch die von Cousinen und Cousins, von Bekannten (die ich ewig nicht gesehen habe und die online gesehen haben, dass ich Journalistin geworden bin). Sogar die ehemaligen Kommilitonen meines Freundes haben mich gefragt, ob ich nicht vielleicht, weil ich doch schreibe und so. Und ich hab: ja gesagt. Weil mir das Neinsagen grundsätzlich schwerfällt und weil ich mich dann doch immer ein bisschen geschmeichelt fühle, wenn mich jemand fragt. Natürlich mit dem Zusatz "Für dich ist das doch kein Problem, oder?" Nein, ist es nicht, aber Arbeit. Und Zeit, die ich statt draußen wieder am Schreibtisch verbringe.
Dabei weiß ich es eigentlich besser. Die Bitte, mich korrekturlesen zu lassen, bringt mich nämlich in eine unmögliche Situation. Ich könnte ja flüchtig korrigieren und nicht besonders aufpassen, aber dann hätte ich ein schlechtes Gewissen. Ich scheue mich davor, jede stilistische Kleinigkeit anzustreichen, aber es nicht zu tun, lässt mich nachts nicht schlafen. Ich habe also nur Ärger. Noch ärgerlicher ist eigentlich nur, dass ich jetzt schon weiß, dass ich beim nächsten Mal auch wieder ja sagen werde.
martina-holzapfl
Jein... zum Musik machen
Das Problem ist, dass es ja auch wirklich Spaß macht. Manchmal jedenfalls. Der entscheidende Punkt ist aber, dass es mehr Spaß macht, wenn dabei auch etwas Sinnvolles herauskommt: Ein Album vielleicht sogar. Oder wenigstens eine echte Band, die echte Songs schreibt und damit tourt. Oder geil jamt. Oder zumindest richtig säuft. Aber das wird nicht passieren.
Wenn ihr das am Freitagabend lest, stehe ich nämlich gerade in einem sehr kleinen Vorort von München auf einer sehr kleinen Bühne und spiele über die sehr kleine Gesangsanlage, die der Bruder der Braut für 80 Euro ausgeliehen hat, Lieder für Menschen, die ich kaum kenne. Hochzeitseinlage. „White Wedding" von Billy Idol. „TNT" von AC/DC (umgetextet). „Wickie" (noch umgetexteter). Mit Menschen, die das letzte Mal vor zehn Jahren ein Instrument in der Hand hatten.Lustigerweise ist es derselbe Festsaal, in dem ich im vergangenen Sommer schon mal eine Gesangsanlage herumgehievt, aufgebaut und am nächsten Tag wieder abgeholt habe. Weil ich mich „damit" ja auskenne. Damals war ich mit dem Paar wenigstens befreundet. Diesmal bin ich nicht einmal eingeladen. Ich habe die Braut in meinem Leben viermal gesehen. Und ihren Verlobten zweimal. Aber ich habe eine ziemlich lange Zeit beruflich Musik gemacht. Das wirst du nicht mehr los. „Das macht doch auch Spaß!"
Versteht mich nicht falsch. Ich liebe den Typen, für den ich das tue. Ich bin der Patenonkel seiner Tochter, er der Bruder der Braut. Er will eine Musikeinlage bringen. Ich bin Musiker. Ich mochte auch die Eltern der Freundin, auf deren Weihnachtsfeier ich „Feliz navidad" gespielt habe. Und die Tante, auf deren Sechziger „Oh Susanna" gesungen werden sollte. Und die Freundin des Freundes, die so gerne „To Be With You" mag. Freilich sagt man da nicht „Nein!". Aber insgeheim, in einem Universum, in dem mein innerer Larry David König ist, würde ich es gerne tun: „Nein", würde ich sagen. Vielleicht würde ich es auch keifen. „Verdammt, hätte ich endlich mal wieder Zeit, Musik zu machen, ich verbrächte sie mit allem, außer ‚Wickie'!" Oder Weihnachtsliedern. Oder Mr. Big-Songs. Aber das geht ja nicht.
So bleibt mir nur die Blutrache: Der Brautsbruder ist Werber. Der Bräutigam Filmproduzent. Irgendwann, in vielen, vielen Hochzeiten, Geburtstagen und Weihnachten, werde ich mein Album fertig haben. Und dann werde ich einen Werber brauchen für die Promo. Und einen Filmproduzenten, der das Video dreht. Und dann, dann ist Zahltag! Oder ich erinnere mich daran, dass man keine Fragen stellen sollte, die nicht mit „Nein" beantwortet werden können.
jakob-biazza
Jein... zum Wohnung vergeben
Ich finde das, was ich jetzt schreibe, schrecklich unsympathisch und eigentlich ist es deshalb auch mein dunkles Geheimnis. Aber gut, raus damit: Ich hasse es, meine Wohnung für Besuch herzugeben. Leider gehört es sich nicht, so zu empfinden. Es scheint nämlich eine Art Naturgesetz der Solidarität zu sein, dass die eigene Wohnung bei akutem Bedarf zum Allgemeingut von Freunden und Familie wird. Und was sollte ich auch dagegen sagen? Ich wohne in anderen Städten ja selbst oft bei Freunden oder Familie und finde mich dabei jedes Mal kurzweilig, bescheiden und unkompliziert. Ist doch wirklich irgendwie selbstverständlich, dass man mal jemanden bei sich aufnimmt.
Leider stelle ich immer deutlicher fest: Das ist es überhaupt nicht. Jedenfalls für mich nicht. Meine Wohnung ist mein Schneckenhaus. Und zwar nicht nur in emotionaler Hinsicht, sondern auch, was ihre Größenmaße angeht: Sie ist aufgerundet gerade einmal gut 20 Quadratmeter groß. Allein fühle ich mich darin schon manchmal wie in „Schatz, du hast die Kinder geschrumpft“. Wenn mich da drinnen jemand für länger als einen Abend besuchen will, kriege ich Beklemmungen. Klar, wenn mich jemand ganz gezielt und lang geplant besuchen kommt, dann geht das schon, dann kann ich mich darauf einstellen und für die Zeit zu meinem Freund ziehen. Aber wenn jetzt jemand auf Wohnungssuche ist, wenn Familienmitglieder mal ganz spontan vorbeikommen wollen, wenn irgendjemand Unterschlupf in München braucht, Zwischenlandung, Messejob, was weiß ich, dann wird mir unwohl und weinerlich zumute. Weil ich aber auf gar keinen Fall die sein will, die jemanden hängen lässt, lasse ich es jedes Mal geschehen und tue so, als ob es mir überhaupt nichts ausmacht.
Ich schäme mich, weil mein Problem dekadent ist. Wie oben angedeutet, kann ich ja sogar zu meinem Freund flüchten, wenn jemand in meiner Wohnung Unterschlupf sucht. Eigentlich ist das kein Problem. Ich mag es eben nur nicht "müssen". Und deshalb frage ich mich, wann das eigentlich aufhört mit diesem Naturgesetz, dass man immer jeden besuchen dürfen muss. Wann es selbstverständlicher wird, sich ein Hostel oder ein Hotel zu nehmen. Oder bleibt das jetzt so, weil wir alle so dynamisch, flexibel, sharing-kultur-mäßig drauf sind und sein müssen? Ich fürchte, so oder so: Es ist alles mein Problem, weil ich halt einfach gottverdammt „Nein“ sagen muss und dazu stehen, dass ich eben doch nicht so selbstlos bin, wie ich gern wäre.
mercedes-lauenstein
Jein... zum Auto verleihen
Ich fahre einen Renault Kangoo (Ja, das ist das Auto, das früher mal in einem Werbespot von einem Nashorn von hinten genommen wurde). Er ist nicht schön, aber sehr praktisch. Ich kann mich an keine Situation erinnern, in der ich irgendetwas nicht in dieses Auto hinein bekommen hätte. Fahrräder, Surfbretter, Equipment für eine Party, eine Waschmaschine, der Inhalt eines ganzen WG-Zimmers – was auch immer man transportieren will, passt rein.
Deshalb rufen mich relativ oft Leute an, deren Auto bei Nashörnern keine sexuelle Erregung auslösen würde, das aber auch nicht viel mehr Platz bietet als ein durchschnittlicher Rollkoffer. „Du hast doch dieses praktische Auto“, sagen sie dann und fragen, ob sie sich das nicht mal ausleihen könnten für ihr Umzugswochenende.
Ich habe generell kein Problem damit, mein Auto zu verleihen, und ich gebe es eigentlich immer gerne her. Auch, wenn das für mich Komplikationen bedeutet. Weil ich dann zum Beispiel für ein Wochenende kein Auto habe und mich ärgere, dass ich nicht spontan in die Berge fahren kann oder mich in eine überhitzte und überfüllte S-Bahn Richtung See quetschen muss. Weil ich einen Abend zu Hause bleibe, damit ich den Schlüssel übergeben kann. Oder weil ich morgens eine Viertelstunde gehetzt durch mein Viertel irre und mein Auto suche, das der Ausleiher zwei Blocks weiter geparkt hat, ohne mir den Standort mitzuteilen.
Das ist alles nicht so schlimm. Aber ich kann nicht leugnen, dass ich mir manchmal wünsche, ich würde in solchen Situationen öfter Nein sagen. Vor allem zu Leuten, die ein WG-Zimmer umziehen wollen, das ich seit Jahren nicht betreten habe.
christian-helten
Jein... zum Designen
Wer Freunden beim Umzug hilft, schleppt ein paar Stunden Kisten von A nach B. Das ist eine ehrliche, harte Arbeit, die dementsprechend mit dankendem Schulterklopfen sowie reichlich Bier und Pizza honoriert wird. Die Gestaltung von Flyern, Einladungskarten und Logos gilt in weiten Teilen meines Bekanntenkreises hingegen als Kleinigkeit, die ich als Grafikdesignerin doch bestimmt mal gerade nebenher erledigen kann. Keine Pizza, kein Bier.
„Ich hab da morgen so ne Präsentation für die Uni, sieht aber irgendwie echt noch lahm aus. Kannst du vielleicht kurz drüber schauen und am Layout noch bisschen was machen?“ Wenn ich so einen Satz von Freunden höre, grantelt in mir sofort der Grafiker los. „Weiß der eigentlich, wie viel Arbeit das ist? Das muss ich alles komplett neu anlegen damit das wenigstens bisschen nach was aussieht! Das dauert Stunden!“ denke ich mir dann. „Klar, kann ich gerne machen“ ist dann allerdings meist alles, was ich dazu sage. Dann ärgere ich mich über mich selbst, weil ich nicht ehrlich sein kann. Und über meinen Bekannten, weil er mir so etwas zumutet. Und dann wieder über mich, weil ich mich egoistisch finde.
Dabei helfe ich grundsätzlich gern beim Gestalten. Mich nervt allerdings das ewige Kleinreden des Gefallens. Für viele meiner Freunde ist Grafikdesign weniger ein Beruf, als vielmehr eine Art Hobby, dem man in seiner Freizeit eh permanent nachgeht. In ihrer Vorstellung muss man für einen gelungen Flyer/Webauftritt/Buchumschlag nur ein wenig am Computer rumklicken und fertig ist das Ganze. Fakt ist aber, dass sich von „kurz irgendwo drüberschauen“ rein gar nichts layoutet. Grafiker haben keinen Zauberstab, mit dem sie schnell auf eine Seite tippen und schwups, hüpfen Bilder und Text an die richtige Stelle und alles sieht super aus. Hinter guter Gestaltung steckt meist sehr viel Arbeit. Auch wenn es nicht immer unbedingt danach aussieht und man keine geschleppten Kisten am Schluss vorweisen kann.
paulina-hoffmann
Jein... zum Korrigieren
Ich sehe, bis auf manchmal meine eigenen, so gut wie jeden Rechtschreib-, Grammatik- oder Satzzeichenfehler. In Büchern, Magazinen, auf Plakaten und Aufstellern vor Cafés. Das ist im Privaten oft lustig, manchmal ärgerlich und im Journalistenberuf sehr praktisch. Und es wird von meinem Umfeld schamlos ausgenutzt.
Wie viele Referate, Haus- und Abschlussarbeiten ich in meinem Leben korrekturgelesen habe, kann ich schon gar nicht mehr zählen. Die von der Schwester und dem Freund rechne ich gar nicht dazu, da waren noch die von Cousinen und Cousins, von Bekannten (die ich ewig nicht gesehen habe und die online gesehen haben, dass ich Journalistin geworden bin). Sogar die ehemaligen Kommilitonen meines Freundes haben mich gefragt, ob ich nicht vielleicht, weil ich doch schreibe und so. Und ich hab: ja gesagt. Weil mir das Neinsagen grundsätzlich schwerfällt und weil ich mich dann doch immer ein bisschen geschmeichelt fühle, wenn mich jemand fragt. Natürlich mit dem Zusatz "Für dich ist das doch kein Problem, oder?" Nein, ist es nicht, aber Arbeit. Und Zeit, die ich statt draußen wieder am Schreibtisch verbringe.
Dabei weiß ich es eigentlich besser. Die Bitte, mich korrekturlesen zu lassen, bringt mich nämlich in eine unmögliche Situation. Ich könnte ja flüchtig korrigieren und nicht besonders aufpassen, aber dann hätte ich ein schlechtes Gewissen. Ich scheue mich davor, jede stilistische Kleinigkeit anzustreichen, aber es nicht zu tun, lässt mich nachts nicht schlafen. Ich habe also nur Ärger. Noch ärgerlicher ist eigentlich nur, dass ich jetzt schon weiß, dass ich beim nächsten Mal auch wieder ja sagen werde.
martina-holzapfl