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Propaganda wie ein Schlag ins Gesicht

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Soziale Netzwerke können wie ein Schlag ins Gesicht sein - roh und schmerzhaft. Am Dienstagabend kam für viele Nutzer von Twitter, dem sozialen Netzwerk für Kurznachrichten in SMS-Länge, so ein Schlag in Form eines Videos. Aufgenommen von Terroristen, wurde es gezielt gestreut, um Angst zu verbreiten, Trauer und Wut. In dem Video soll der Fotojournalist James Foley zu sehen sein, der Mitte 2012 in Syrien verschwunden ist. Die Terroristen der Miliz Islamischer Staat (IS) bringen den Mann in dem Video um. Sie enthaupten ihn.



Für ihre Propaganda benutzen die Terroristen auch Twitter

Die vermeintlichen Gründe, alles, was die Terroristen sagen, und auch alles, was sie ihr Opfer sagen lassen, soll an dieser Stelle keine Rolle spielen. Es wäre automatisch Teil der IS-Propaganda. Das Video wurde auf Youtube hochgeladen, von dort haben es die Terroristen auf Twitter verlinkt. Die Nutzung von sozialen Netzwerken gehört zu ihrer Strategie.

Denn die Terroristen der IS wissen, dass sie ihre Botschaft online am schnellsten verbreiten können. Sie sehen, dass Netzwerke wie Twitter und Youtube eine gewisse Zeit brauchen, bis sie reagieren, um Nutzer zu sperren und Videos zu löschen. Weder Twitter noch Youtube wollten sich dazu äußern, wie lange es gedauert hat, die Accounts und Videos im Falle des grausamen Videos zu löschen. Youtube soll innerhalb von 30 Minuten reagiert haben, um ein Video zu löschen. Das ist zwar schnell - aber dennoch war das Video bis dahin längst schon mehrfach hochgeladen. Ein als IS-Anhänger bekannter Twitter-Nutzer, dessen Nachrichten knapp 10000 Menschen erreichen und der bekannt ist für seine IS-Anhängerschaft, konnte zwei Stunden lang Links verteilen.

Twitter kennt keine Art von Filter - und in Fällen wie diesen wird das zum Problem.
Facebook filtert seinen so genannten Newsfeed, also seine Hauptseite. Ein Algorithmus scannt die Beiträge, die jeder einzelne Nutzer sehen kann. Dieses Analysieren dauert – und verzögert somit das Anzeigen von Bildern und Videos. Diese Schranke gibt es bei Twitter nicht. Wer will, kann etwa unter dem entsprechenden Hashtag sofort alles sehen. Ein Hashtag ist wie ein twitter-interner Suchbefehl. Wer ihn eingibt, bekommt Ergebnisse geliefert – augenblicklich.

Das kann Vorteile haben: Die Proteste im US-Städtchen Ferguson etwa wären ohne Twitter womöglich rasch wieder versandet und hätten niemals weltweite Aufmerksamkeit und dieses Ausmaß der Berichterstattung erreicht. Twitter liefert die rohe Information, ungekürzt und live. Deswegen wird der Dienst genutzt – in manchen Fällen aber eben auch ausgenutzt.

Das ist der Nachteil – Exekutionen vor laufender Kamera, Menschen, die ihre Smartphones zücken, weil sie wissen, dass grausame Bilder als virale Propaganda taugen. Und eben auch Menschen, die derartige Videos und Fotos online verbreiten. In diesen Momenten ist das soziale Netzwerk ein schrecklicher Ort.
Es ist unklar, wie eine Lösung für ein solches Problem aussehen könnte. Youtube löscht zum Beispiel alle Accounts von Personen, die zu einer terroristischen Vereinigung gehören – aber erst, nachdem diese aufgefallen sind. Damit hinkt das Unternehmen der Propaganda hinterher. Verhindern, dass die Terroristen einfach rasch neue Profile anlegen und dort die Videos erneut hochladen, kann das Unternehmen nicht. In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung ist dies ein Problem, das soziale Netzwerke wohl in noch einige unangenehme Situationen bringen wird – und nicht zuletzt deren Nutzer.

Gegen die Propaganda hilft fürs Erste nur eines: die Bilder nicht zu verbreiten. Oder, wie es die Nutzerin @Libyaliberty formuliert: „Ab jetzt werde ich nie wieder ein Gewaltfoto oder -video von ISIS verbreiten, das bewusst aufgenommen und veröffentlicht wurde, um Propaganda zu verbreiten.“ Das Hashtag dazu lautet: #ISISMediablackout. Übersetzt heißt das in etwa: keine Online-Plattform für IS.

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