Bei seiner Rückkehr nach Berlin hat Bernd Lucke die ganz großen Wörter im Gepäck. Er spricht vom „Staatsversagen im Osten“, von „einer dramatischen Sicherheitslage“, und er meint nicht die Ukraine, sondern die ostdeutschen Länder. Aus Brüssel war zu hören, dass der Neu-Abgeordnete Lucke und seine Weggefährten der Partei Alternative für Deutschland (AfD) dort keinen wirklich guten Start hatten. Vorige Woche ist er nach Berlin gekommen, an seiner Seite die Landesvorsitzenden jener drei ostdeutschen Länder, in denen im Spätsommer gewählt wird. Es könnte nun um Brandenburg gehen, um Sachsen und Thüringen. Aber die Botschaften schweben darüber.
Will in die Landesparlamente: Die AfD muss dort beweisen, ob sie länger als kurz aufglühen kann
Die sächsische AfD-Spitzenkandidatin Frauke Petry widmet sich der Familie. Sie spricht über den Geburtenrückgang in Deutschland und erklärt die „Drei-Kinder-Familie“ zum Ziel, als Wertekonsens in der Gesellschaft. Ihr Kollege aus Thüringen, Björn Höcke, macht den Kampf gegen Political Correctness zu seinem Thema, sie liege wie Mehltau über dem Land.
Alexander Gauland, AfD-Vorsitzender in Brandenburg, greift den wichtigsten Satz des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff auf und widerspricht: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. In seinem Statement spricht er sich auch entschieden gegen die Anonymisierung der Kriminalitätsstatistiken aus. Die Landesregierung sollte, so fordert die AfD, künftig kennzeichnen, welchen statistischen Anteil Ausländer an der Kriminalität in Deutschland hätten.
In den drei Ost-Ländern nimmt der Wahlkampf trotz Urlaubszeit langsam Fahrt auf. Die AfD hat gute Chancen, in alle drei Landtage einzuziehen. Eng sieht es Umfragen zufolge in Thüringen aus. In Sachsen war sie bei der Bundestags- und der Europawahl schon besonders stark, sie könnte die FDP verdrängen, die derzeit noch an der Regierung beteiligt ist.
In Brandenburg war die AfD bei den Kommunalwahlen im Mai vor allem an der Grenze zu Polen stark. Sie erklärt das mit der seit der Grenzöffnung gestiegenen Kriminalität. Gauland verlangt deshalb, dass über eine Aussetzung des Schengen-Abkommens nachgedacht wird, „um die Kontrollen nach Polen wieder einführen zu können“. Es ist einer der seltenen Momente, in denen er sich dem Land zuwendet. Der konservative Publizist, der Jahrzehnte in der CDU und einst Chef der hessischen Staatskanzlei war, lebt zwar seit Jahren in Potsdam, er war lange Herausgeber der lokalen Märkischen Allgemeinen Zeitung. Doch mit Ausflügen in die Tiefen der Landespolitik ist er nicht aufgefallen. Gauland beschäftigt sich leidenschaftlich mit historischen Zusammenhängen.
Der 73-Jährige blüht auf, wenn er über die Rolle Russlands in Europa reden darf, dann blickt er auf die Jahrhunderte, bevor er aktuell Sanktionen ablehnt. In der Landespolitik wirkt er so fremd, dass man sich schnell fragt, warum der Pensionär sich den Wahlkampf zumutet. Er tut es, weil die Partei Erfolge bei Landtagswahlen braucht, um im Bund wachsen zu können. Die AfD soll etabliert werden. Gäbe es das große Projekt nicht, hätte Gauland nie über ein Mandat in Potsdam nachgedacht.
Die Landesverbände einer Partei sind keine handgeklöppelten Einzelstücke, sie haben denselben Markenkern. Bei der AfD freilich steht die Landespolitik bisher schon sehr weit hinter ihren großen Themen zurück. Wie wenig regionales Profil mitunter gefordert ist, das konnte man vergangene Woche an einer Zahl ablesen, die am Rande einer Pressekonferenz in Dresden erwähnt wurde. Vor der Landtagswahl am 31. August schrieb der sächsische Landesverband der AfD, der von Petry geführt wird, Kollegen in den anderen Bundesländer an und bat um Sachspenden für den Wahlkampf.
Geliefert wurden: 80000 Altplakate; immerhin die Hälfte davon wird in Sachsen ein zweites Mal für die AfD um Stimmen werben. An ein paar Stellen mussten auf den Plakaten alte Daten oder falsche Orte überklebt werden, andere gingen ohne Beanstandung durch. Was erzählt es über die Politik, wenn mit demselben Plakat erst in Koblenz für die Bundes-AfD geworben wird und dann in Kamenz für den Landesverband in Sachsen?
Die sächsische AfD stellte auch ihre Wahlkampfspots vor; in einem davon fordert ein Senior im Sessel die Abschaffung des Rundfunkbeitrags. Da kann man noch ein bisschen mehr durcheinanderkommen mit den Zoomstufen der Politik, und wenn man Frauke Petry dann fragt, warum ihre Partei die Rundfunkgebühr als geeignetes Thema für die Landtagswahl begreife, dann sagt sie: „Weil Bildung und Medien auch einen landespolitischen Anteil haben.“ Mit dem Argument freilich könnte man in fast allem einen „landespolitischen Anteil“ erkennen.
Bei der Europawahl erreichte die AfD in keinem Bundesland einen höheren Stimmanteil als in Sachsen: 10,1 Prozent. In den Umfragen für die Landtagswahl lag sie zuletzt bei sieben Prozent, Petry glaubt, dass das auch an AfD-Positionen zu Bildung und Innerer Sicherheit liege. Neben diesen irgendwie-auch-Landesthemen sind es aber die AfD-Klassiker, die den Einzug bringen sollen: Euro und Familie. Das lässt sich anhand der Import-Plakate sehen, oder noch an ganz anderen Einfuhren. AfD-Mitglieder aus anderen Bundesländern werden in Sachsen Wahlkampf machen. Die Gäste würden die personelle Besetzung sicherstellen, sagt Petry, „gerade in der Ferienzeit und in strukturschwachen Regionen erreichen wir sonst die Bürger nur schwer.“ Wichtig sei, „dass man uns sieht“, und natürlich erwarte man von den Gästen nicht, „dass sie das Parteiprogramm referieren können“. Zudem werde stets mindestens ein AfD-Sachse mit dabei sein, und der kenne das Programm ja.
Der gedankliche Weg ist ein weiter, wenn man über die Kritik an der Euro-Rettung den Einstieg in die Politik gefunden hat und sich nun in einem Wahlkampf wiederfindet, in dem es auch mal um das Hochwasserrückhaltebecken Stöhna geht. Frauke Petry sagt, die AfD müsse trotzdem in den Landesparlamenten vertreten sein, „weil man sonst keine deutsche oder europäische Politik machen kann. Die Partei ist zwar von oben nach unten aufgebaut worden, aber dauerhaft soll sie ja von unten nach oben funktionieren.“
Natürlich, sagt auch Björn Höcke, komme die AfD „von den großen Themen her“, Euro, Familie und so fort. Aber Deutschland sei ein föderales Land, „und was auf den unteren Ebenen geleistet werden kann, soll auch dort geleistet werden.“ Höcke ist im Rheinland aufgewachsen, bei Koblenz, er ist inzwischen irgendwie auch Thüringer geworden, und auf seiner Playlist für den Wahlkampf stehen auch ein paar Nummern aus der neuen Heimat. Die AfD will den Einwohnerschwund ansprechen und das umstrittene Erziehungsgeld ausbauen. Die Mehrzahl der Titel aber sind dann doch klassische AfD-Themen, von denen manche in einer Art Franchise-Methode in gleich mehreren Bundesländern gesetzt werden. So will die AfD in Thüringen genauso den Landtag verkleinern, wie der Landesverband in Sachsen es per Volksantrag versuchen möchte.
In Brandenburg und Sachsen wird schon über mögliche Koalitionen mit der CDU spekuliert. Spitzenkandidat Michael Schierack hat eine Zusammenarbeit in Brandenburg nicht kategorisch ausgeschlossen, das muss er auch nicht – eine gemeinsame Mehrheit ist wegen der schwachbrüstigen CDU unwahrscheinlich. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagt, er kenne weder Programm noch Personal der AfD, und wen man nicht kenne, mit dem könne man nicht zusammenarbeiten. Das klingt deutlich, aber es könnte am Wahltag auch bedeuten: Späteres Kennenlernen nicht ausgeschlossen.
Will in die Landesparlamente: Die AfD muss dort beweisen, ob sie länger als kurz aufglühen kann
Die sächsische AfD-Spitzenkandidatin Frauke Petry widmet sich der Familie. Sie spricht über den Geburtenrückgang in Deutschland und erklärt die „Drei-Kinder-Familie“ zum Ziel, als Wertekonsens in der Gesellschaft. Ihr Kollege aus Thüringen, Björn Höcke, macht den Kampf gegen Political Correctness zu seinem Thema, sie liege wie Mehltau über dem Land.
Alexander Gauland, AfD-Vorsitzender in Brandenburg, greift den wichtigsten Satz des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff auf und widerspricht: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. In seinem Statement spricht er sich auch entschieden gegen die Anonymisierung der Kriminalitätsstatistiken aus. Die Landesregierung sollte, so fordert die AfD, künftig kennzeichnen, welchen statistischen Anteil Ausländer an der Kriminalität in Deutschland hätten.
In den drei Ost-Ländern nimmt der Wahlkampf trotz Urlaubszeit langsam Fahrt auf. Die AfD hat gute Chancen, in alle drei Landtage einzuziehen. Eng sieht es Umfragen zufolge in Thüringen aus. In Sachsen war sie bei der Bundestags- und der Europawahl schon besonders stark, sie könnte die FDP verdrängen, die derzeit noch an der Regierung beteiligt ist.
In Brandenburg war die AfD bei den Kommunalwahlen im Mai vor allem an der Grenze zu Polen stark. Sie erklärt das mit der seit der Grenzöffnung gestiegenen Kriminalität. Gauland verlangt deshalb, dass über eine Aussetzung des Schengen-Abkommens nachgedacht wird, „um die Kontrollen nach Polen wieder einführen zu können“. Es ist einer der seltenen Momente, in denen er sich dem Land zuwendet. Der konservative Publizist, der Jahrzehnte in der CDU und einst Chef der hessischen Staatskanzlei war, lebt zwar seit Jahren in Potsdam, er war lange Herausgeber der lokalen Märkischen Allgemeinen Zeitung. Doch mit Ausflügen in die Tiefen der Landespolitik ist er nicht aufgefallen. Gauland beschäftigt sich leidenschaftlich mit historischen Zusammenhängen.
Der 73-Jährige blüht auf, wenn er über die Rolle Russlands in Europa reden darf, dann blickt er auf die Jahrhunderte, bevor er aktuell Sanktionen ablehnt. In der Landespolitik wirkt er so fremd, dass man sich schnell fragt, warum der Pensionär sich den Wahlkampf zumutet. Er tut es, weil die Partei Erfolge bei Landtagswahlen braucht, um im Bund wachsen zu können. Die AfD soll etabliert werden. Gäbe es das große Projekt nicht, hätte Gauland nie über ein Mandat in Potsdam nachgedacht.
Die Landesverbände einer Partei sind keine handgeklöppelten Einzelstücke, sie haben denselben Markenkern. Bei der AfD freilich steht die Landespolitik bisher schon sehr weit hinter ihren großen Themen zurück. Wie wenig regionales Profil mitunter gefordert ist, das konnte man vergangene Woche an einer Zahl ablesen, die am Rande einer Pressekonferenz in Dresden erwähnt wurde. Vor der Landtagswahl am 31. August schrieb der sächsische Landesverband der AfD, der von Petry geführt wird, Kollegen in den anderen Bundesländer an und bat um Sachspenden für den Wahlkampf.
Geliefert wurden: 80000 Altplakate; immerhin die Hälfte davon wird in Sachsen ein zweites Mal für die AfD um Stimmen werben. An ein paar Stellen mussten auf den Plakaten alte Daten oder falsche Orte überklebt werden, andere gingen ohne Beanstandung durch. Was erzählt es über die Politik, wenn mit demselben Plakat erst in Koblenz für die Bundes-AfD geworben wird und dann in Kamenz für den Landesverband in Sachsen?
Die sächsische AfD stellte auch ihre Wahlkampfspots vor; in einem davon fordert ein Senior im Sessel die Abschaffung des Rundfunkbeitrags. Da kann man noch ein bisschen mehr durcheinanderkommen mit den Zoomstufen der Politik, und wenn man Frauke Petry dann fragt, warum ihre Partei die Rundfunkgebühr als geeignetes Thema für die Landtagswahl begreife, dann sagt sie: „Weil Bildung und Medien auch einen landespolitischen Anteil haben.“ Mit dem Argument freilich könnte man in fast allem einen „landespolitischen Anteil“ erkennen.
Bei der Europawahl erreichte die AfD in keinem Bundesland einen höheren Stimmanteil als in Sachsen: 10,1 Prozent. In den Umfragen für die Landtagswahl lag sie zuletzt bei sieben Prozent, Petry glaubt, dass das auch an AfD-Positionen zu Bildung und Innerer Sicherheit liege. Neben diesen irgendwie-auch-Landesthemen sind es aber die AfD-Klassiker, die den Einzug bringen sollen: Euro und Familie. Das lässt sich anhand der Import-Plakate sehen, oder noch an ganz anderen Einfuhren. AfD-Mitglieder aus anderen Bundesländern werden in Sachsen Wahlkampf machen. Die Gäste würden die personelle Besetzung sicherstellen, sagt Petry, „gerade in der Ferienzeit und in strukturschwachen Regionen erreichen wir sonst die Bürger nur schwer.“ Wichtig sei, „dass man uns sieht“, und natürlich erwarte man von den Gästen nicht, „dass sie das Parteiprogramm referieren können“. Zudem werde stets mindestens ein AfD-Sachse mit dabei sein, und der kenne das Programm ja.
Der gedankliche Weg ist ein weiter, wenn man über die Kritik an der Euro-Rettung den Einstieg in die Politik gefunden hat und sich nun in einem Wahlkampf wiederfindet, in dem es auch mal um das Hochwasserrückhaltebecken Stöhna geht. Frauke Petry sagt, die AfD müsse trotzdem in den Landesparlamenten vertreten sein, „weil man sonst keine deutsche oder europäische Politik machen kann. Die Partei ist zwar von oben nach unten aufgebaut worden, aber dauerhaft soll sie ja von unten nach oben funktionieren.“
Natürlich, sagt auch Björn Höcke, komme die AfD „von den großen Themen her“, Euro, Familie und so fort. Aber Deutschland sei ein föderales Land, „und was auf den unteren Ebenen geleistet werden kann, soll auch dort geleistet werden.“ Höcke ist im Rheinland aufgewachsen, bei Koblenz, er ist inzwischen irgendwie auch Thüringer geworden, und auf seiner Playlist für den Wahlkampf stehen auch ein paar Nummern aus der neuen Heimat. Die AfD will den Einwohnerschwund ansprechen und das umstrittene Erziehungsgeld ausbauen. Die Mehrzahl der Titel aber sind dann doch klassische AfD-Themen, von denen manche in einer Art Franchise-Methode in gleich mehreren Bundesländern gesetzt werden. So will die AfD in Thüringen genauso den Landtag verkleinern, wie der Landesverband in Sachsen es per Volksantrag versuchen möchte.
In Brandenburg und Sachsen wird schon über mögliche Koalitionen mit der CDU spekuliert. Spitzenkandidat Michael Schierack hat eine Zusammenarbeit in Brandenburg nicht kategorisch ausgeschlossen, das muss er auch nicht – eine gemeinsame Mehrheit ist wegen der schwachbrüstigen CDU unwahrscheinlich. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagt, er kenne weder Programm noch Personal der AfD, und wen man nicht kenne, mit dem könne man nicht zusammenarbeiten. Das klingt deutlich, aber es könnte am Wahltag auch bedeuten: Späteres Kennenlernen nicht ausgeschlossen.