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Zum Lachen ins Internet

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Nein, es gab keine Lachgasattacke auf Frauen in der Türkei, obwohl es derzeit auf den ersten Blick so scheint: Ob auf Instagram oder Twitter, überall tauchen seit Dienstag massenweise Fotos von lachenden Mädchen und Frauen auf, in unterschiedlichsten Situationen und Kontexten. Im Auto, im Park. Mit Kleinkind, mit Oma. Mit Kopftuch, mit langem wallenden Haar. Alle Mädchen zeigen auffällig viel Gebiss beim Lachen; man sieht sofort, dass es hier um lautes, ausgelassenes Lachen geht, nicht um leises verschämtes. Und das hat seinen Grund.

Am Montag hatte der türkische Vize-Premierminister und Regierungssprecher Bülent Arinç eine Rede gehalten. Es ging um die Jugend, es ging um Moral, und darum, dass man Ersteren Letzteres beibringen müsse. Die Rede des konservativen AKP-Politikers war ein Rundumschlag: Sittsamkeit, Keuschheit, Treue. Das böse Fernsehen. Der Koran, der in jede Tasche passe und wiederentdeckt werden müsse. Und an die Frauen hatte Arinç dann auch noch einen Hinweis: Sie sollen „nicht vor jedermann laut lachen.“ 

Genau das aber tun sie jetzt. Unter dem Hashtag #direnkahkaha posten türkische Internetnutzerinnen und Unterstützerinnen und Unterstützer Bilder von sich und anderen lachenden Frauen, es gab auch Aufrufe zu einer gemeinsamen Lach-Demonstration. Der Hashtag bedeutet übersetzt so viel wie „Lachen und Widerstand“.








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Andere bereicherten den Hashtag durch Bilder von Premierminister Erdogans Frau und Bülent Arinç, der selbst in Gelächter ausbricht wie sonst nur Fans von Mario Barth. 







  
Und, auch das musste natürlich irgendwann kommen: das Bild einer protestierenden, lachenden Mädchenkatze:





Der Hashtag #direnkahkaha sagt einiges über die Protestkultur junger Türken. Sie wollen sich von konservativen Politikern keine Verhaltensregeln diktieren lassen. Das zeigen sie auf der Straße - und gehen zum Lachen ins Internet. In der Türkei ist Twitter extrem beliebt, jeder dritte Internetnutzer dort ist auf Twitter. Proteste gegen Erdogan und seine Regierung brechen oft hier durch, weil die viele Zeitungen und TV-Sender mehr verlautbaren als kritisch berichten. Der Premier selbst hat soziale Medien im Zuge der Gezi-Proteste 2013 schon als Bedrohung bezeichnet. Zwischenzeitlich war der Dienst in der Türkei sogar abgeschaltet. Selten aber war Protest so fröhlich, und selten hatten Selfies von in die Kamera grinsenden Mädchen so viel Bedeutung.

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