Dass das Mädchen mit der roten Haartolle überhaupt noch mal zurückkommen würde, hätten viele nicht geglaubt. Und Elly Jackson, wie La Roux mit bürgerlichem Namen heißt, zweifelte selbst daran. Je größer der Erfolg und je voller die Konzerte wurden, desto schlimmer wurden Jacksons Angstzustände und Panikattacken. Sie traf die hohen Töne immer schlechter, schließlich blieb die Stimme ganz weg. Die Hits, die Goldenen Schallplatten, der Grammy 2011 für das beste Dance-Album verschlimmerten die Krise, ihr Produzent Ben Langmaid stieg aus. Doch Jackson, 26, geboren im Londoner Arbeiterviertel Brixton, nahm trotzdem ein zweites Album auf. Es ist ein würdiger Nachfolger für das umjubelte Debüt von 2009.
jetzt.de: Dein neues Album heißt „Trouble in Paradise“. Fasst das deine Gefühlslage der vergangenen Jahre zusammen?
La Roux: Ja, mein Gott, was war das alles ein Elend (lacht).
Immerhin kannst du darüber lachen.
Ja, jetzt. Aber wenn du die Probleme gar nicht so schnell bewältigen kannst, wie neue Probleme auftauchen, ist das wirklich hart. Ich dachte tatsächlich, meine Karriere wäre vorbei. So vieles ging bei mir schief, und es hat Jahre gedauert, bis ich wieder in die Spur fand.
Du sollst Schwierigkeiten gehabt haben, mit dem Ruhm zurechtzukommen.
Der Erfolg und das Berühmtsein als solches waren gar nicht mal so schlimm. Umgehauen hat mich die Radikalität, mit der sich mein Leben veränderte. Ich hing in Brixton rum, arbeitete in einer Bar, war gerade mit der Schule fertig. Nebenher machten wir das „La Roux“-Album, und auf einmal saß ich quasi der ganzen Welt gegenüber. Ich hatte keinen Filter, laberte wild drauf los und musste dann ständig lesen, wie umstritten oder kontrovers meine Aussagen seien. Dabei bin ich lediglich keiner dieser zensierten und dressierten Cartoon-Popstars, die nur Blech reden. Und es bleibt dabei: Ich will lieber unangemessen sein als langweilig.
"Kinder gehen auf meine Musik ab wie auf Kindercrack." - La Roux.
Warum hast du nach deiner Krise weitergemacht?
Ich musste erst meine Stimme wiederbekommen, bevor ich merkte, dass ich die Bühne vermisst hatte. Ich wollte nicht so sang- und klanglos abtreten. Mir wurde klar, dass ich noch genug Hunger und Antrieb für die Arbeit vor den Kulissen habe. Also habe ich mich reingehängt.
„Trouble in Paradise“ klingt immer noch nach den Achtzigern und Bands wie The Human League, der Sound ist aber etwas weicher, sanfter, abgerundeter. Liegt das am Alter?
Der Klang ist etwas wärmer geworden, meine Stimme vielleicht auch. Ich kann gar nicht festmachen, woran das genau liegt. Einen übergeordneten Plan für dieses Album hatte ich nicht, ich habe einfach Songs geschrieben, lange getüftelt und am Computer herumgeschnipselt, bis ich glücklich mit dem Ergebnis war.
Vor fünf Jahren warst du neben jungen Frauen wie Ellie Goulding oder Little Boots Teil einer Mädchen-machen-tanzbaren-Electrosynthiepop-Bewegung. Und jetzt?
Habe ich null Ahnung, wo ich stehe. Wir waren ein ganzes Rudel von Mädels, die meisten sind nicht mehr dabei. Ich fürchte, meine Musik gilt jetzt als EDM, was ich im Grunde schrecklich finde. Weil EDM so sauber und kalkuliert klingt - mal abgesehen davon, dass die Amerikaner reichlich spät auf diesen Dance-Music-Zug aufgesprungen sind und dafür jetzt so tun, als hätten sie das alles erfunden. Das ist neuerdings Musik für Stadien, und logischerweise ist für Nuancen dabei kein Platz. Ich sehe dort nicht so meinen Platz, gerade meine neuen Songs sind ja doch ziemlich ausgefeilt und akzentuiert.
http://www.youtube.com/watch?v=pnCLiNDx1qU Der Song "Uptight Downtown" vom neuen Album.
Hast du in letzter Zeit auf einem EDM-Festival gespielt?
Zwei Mal. Beim ersten Mal gingen die Leute voll ab, das war echt Wahnsinn. Beim zweiten Mal guckten sich alle nur entgeistert an, weil sie mit meinem introspektiven, leicht dubbigem Zeug überhaupt nicht zurechtkamen. Ich bin wirklich gespannt, denn ich weiß nicht, wo ich musikalisch hingehöre, und ich kann nur hoffen, dass der Markt für meine Musik überhaupt noch existiert. Das ist zwar ganz befreiend, aber ich veröffentliche das Album in ein schwarzes Loch hinein. Ich denke zum Beispiel: Ich bin 26, und die Musik im Radio ist viel zu jung für mich. Oder anders: Ich bin zu alt fürs Radio.
Mit ihren 80ern-Einflüssen dürfte deine Musik doch speziell bei 30- bis 50-Jährigen gut ankommen.
Stimmt. Die sagen mir wirklich alle „Oh, deine Musik erinnert mich an früher“. Oder „Bevor ich dich entdeckte, habe ich jahrelang keinen Pop mehr gehört.“ Witzigerweise kommen meine Songs aber auch bei kleinen Kindern sehr gut an. Die Kinder meiner Freundinnen gehen dabei ab wie auf Kindercrack. Mir wäre es auch zu eng, nur die coolen 19-Jährigen anzusprechen. Queen, Prince, Eurythmics, Stevie Wonder – das sind alles großartige Popkünstler mit einer breitgefächerten Zielgruppe.
Ist Annie Lennox, die Sängerin von Eurythmics, ein Idol für dich?
Total. Als ich noch viel jünger war, gab Annie mir das Gefühl, dass es okay ist so zu sein wie ich bin. Dass man zusammen mit einem Look zwar eine bestimmte Persönlichkeit, aber keine bestimmte sexuelle Identität annehmen muss. Annie Lennox ist eine Homo-Ikone, ohne selbst homosexuell zu sein – das finde ich toll.
Du selbst wehrst Fragen zu deiner sexuellen Identität stets ab. Warum eigentlich?
Weil ich nicht an sexuelle Identitäten glaube. Kein Mensch ist nur das eine oder das andere oder irgendwas Festgelegtes dazwischen. Das ist ein dummes, altmodisches Konstrukt. Das Leben ist komplizierter als „Mädchen mag Junge“, „Mädchen mag Mädchen“ oder „Junge mag Junge“. Dass überhaupt Leute von sich zum Beispiel sagen können „Ich bin schwul“, das erstaunt mich. Ich könnte das nicht. Also: Weg mit diesen Labels!
Es geht auf dem neuen Album mehrfach um Sex. In „Cruel Sexuality“ oder in dem Song mit dem schönen Titel „Sexotheque“.
So heißt in Nachtclub in Montreal. Ich fand den Namen auf Anhieb genial. In dem Song geht es um diese perversen, widerlichen Typen, die Oralsex in ach so viele lustige Metaphern verpacken und damit auch noch Erfolg haben. Popmusik, speziell Popmusik von Männern, kann richtig ekelhaft sein. Ich fände es entsetzlich, wenn meine Kinder solche Songs, und ich nenne jetzt keine Namen, mitsingen würden. Das hat doch alles nichts mit dem Leben zu tun. Ich jedenfalls hatte noch nie einen One Night Stand und ich habe auch noch nie einem Typen in einem Nachtclub einen geblasen.
Wovon handelt „Cruel Sexuality“?
Nicht von Sex. Sondern vom Gegenteil. Manchmal will ich gar keine sexuellen Gefühle aufkommen lassen, manchmal ist mir einfach nicht nach Sex oder nach dem Gedanken an Sex. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich 14-jährige Mädchen mit so einer Oralsexnummer, wie sie permanent im Radio laufen, identifizieren können. Die finden sich eher darin wieder, wenn ich sage, ich will von diesem ganzen Sex-Kram jetzt mal eine Weile nicht belästigt werden.
[plugin imagelink link="http://ecx.images-amazon.com/images/I/61RvIlgiA2L._SL500_AA240_.jpg" imagesrc="http://ecx.images-amazon.com/images/I/61RvIlgiA2L._SL500_AA240_.jpg"]
Das Album "Trouble in Paradise" erscheint am 19.Juli.
jetzt.de: Dein neues Album heißt „Trouble in Paradise“. Fasst das deine Gefühlslage der vergangenen Jahre zusammen?
La Roux: Ja, mein Gott, was war das alles ein Elend (lacht).
Immerhin kannst du darüber lachen.
Ja, jetzt. Aber wenn du die Probleme gar nicht so schnell bewältigen kannst, wie neue Probleme auftauchen, ist das wirklich hart. Ich dachte tatsächlich, meine Karriere wäre vorbei. So vieles ging bei mir schief, und es hat Jahre gedauert, bis ich wieder in die Spur fand.
Du sollst Schwierigkeiten gehabt haben, mit dem Ruhm zurechtzukommen.
Der Erfolg und das Berühmtsein als solches waren gar nicht mal so schlimm. Umgehauen hat mich die Radikalität, mit der sich mein Leben veränderte. Ich hing in Brixton rum, arbeitete in einer Bar, war gerade mit der Schule fertig. Nebenher machten wir das „La Roux“-Album, und auf einmal saß ich quasi der ganzen Welt gegenüber. Ich hatte keinen Filter, laberte wild drauf los und musste dann ständig lesen, wie umstritten oder kontrovers meine Aussagen seien. Dabei bin ich lediglich keiner dieser zensierten und dressierten Cartoon-Popstars, die nur Blech reden. Und es bleibt dabei: Ich will lieber unangemessen sein als langweilig.
"Kinder gehen auf meine Musik ab wie auf Kindercrack." - La Roux.
Warum hast du nach deiner Krise weitergemacht?
Ich musste erst meine Stimme wiederbekommen, bevor ich merkte, dass ich die Bühne vermisst hatte. Ich wollte nicht so sang- und klanglos abtreten. Mir wurde klar, dass ich noch genug Hunger und Antrieb für die Arbeit vor den Kulissen habe. Also habe ich mich reingehängt.
„Trouble in Paradise“ klingt immer noch nach den Achtzigern und Bands wie The Human League, der Sound ist aber etwas weicher, sanfter, abgerundeter. Liegt das am Alter?
Der Klang ist etwas wärmer geworden, meine Stimme vielleicht auch. Ich kann gar nicht festmachen, woran das genau liegt. Einen übergeordneten Plan für dieses Album hatte ich nicht, ich habe einfach Songs geschrieben, lange getüftelt und am Computer herumgeschnipselt, bis ich glücklich mit dem Ergebnis war.
Vor fünf Jahren warst du neben jungen Frauen wie Ellie Goulding oder Little Boots Teil einer Mädchen-machen-tanzbaren-Electrosynthiepop-Bewegung. Und jetzt?
Habe ich null Ahnung, wo ich stehe. Wir waren ein ganzes Rudel von Mädels, die meisten sind nicht mehr dabei. Ich fürchte, meine Musik gilt jetzt als EDM, was ich im Grunde schrecklich finde. Weil EDM so sauber und kalkuliert klingt - mal abgesehen davon, dass die Amerikaner reichlich spät auf diesen Dance-Music-Zug aufgesprungen sind und dafür jetzt so tun, als hätten sie das alles erfunden. Das ist neuerdings Musik für Stadien, und logischerweise ist für Nuancen dabei kein Platz. Ich sehe dort nicht so meinen Platz, gerade meine neuen Songs sind ja doch ziemlich ausgefeilt und akzentuiert.
http://www.youtube.com/watch?v=pnCLiNDx1qU Der Song "Uptight Downtown" vom neuen Album.
Hast du in letzter Zeit auf einem EDM-Festival gespielt?
Zwei Mal. Beim ersten Mal gingen die Leute voll ab, das war echt Wahnsinn. Beim zweiten Mal guckten sich alle nur entgeistert an, weil sie mit meinem introspektiven, leicht dubbigem Zeug überhaupt nicht zurechtkamen. Ich bin wirklich gespannt, denn ich weiß nicht, wo ich musikalisch hingehöre, und ich kann nur hoffen, dass der Markt für meine Musik überhaupt noch existiert. Das ist zwar ganz befreiend, aber ich veröffentliche das Album in ein schwarzes Loch hinein. Ich denke zum Beispiel: Ich bin 26, und die Musik im Radio ist viel zu jung für mich. Oder anders: Ich bin zu alt fürs Radio.
Mit ihren 80ern-Einflüssen dürfte deine Musik doch speziell bei 30- bis 50-Jährigen gut ankommen.
Stimmt. Die sagen mir wirklich alle „Oh, deine Musik erinnert mich an früher“. Oder „Bevor ich dich entdeckte, habe ich jahrelang keinen Pop mehr gehört.“ Witzigerweise kommen meine Songs aber auch bei kleinen Kindern sehr gut an. Die Kinder meiner Freundinnen gehen dabei ab wie auf Kindercrack. Mir wäre es auch zu eng, nur die coolen 19-Jährigen anzusprechen. Queen, Prince, Eurythmics, Stevie Wonder – das sind alles großartige Popkünstler mit einer breitgefächerten Zielgruppe.
Ist Annie Lennox, die Sängerin von Eurythmics, ein Idol für dich?
Total. Als ich noch viel jünger war, gab Annie mir das Gefühl, dass es okay ist so zu sein wie ich bin. Dass man zusammen mit einem Look zwar eine bestimmte Persönlichkeit, aber keine bestimmte sexuelle Identität annehmen muss. Annie Lennox ist eine Homo-Ikone, ohne selbst homosexuell zu sein – das finde ich toll.
"Popmusik von Männern kann richtig ekelhaft sein."
Du selbst wehrst Fragen zu deiner sexuellen Identität stets ab. Warum eigentlich?
Weil ich nicht an sexuelle Identitäten glaube. Kein Mensch ist nur das eine oder das andere oder irgendwas Festgelegtes dazwischen. Das ist ein dummes, altmodisches Konstrukt. Das Leben ist komplizierter als „Mädchen mag Junge“, „Mädchen mag Mädchen“ oder „Junge mag Junge“. Dass überhaupt Leute von sich zum Beispiel sagen können „Ich bin schwul“, das erstaunt mich. Ich könnte das nicht. Also: Weg mit diesen Labels!
Es geht auf dem neuen Album mehrfach um Sex. In „Cruel Sexuality“ oder in dem Song mit dem schönen Titel „Sexotheque“.
So heißt in Nachtclub in Montreal. Ich fand den Namen auf Anhieb genial. In dem Song geht es um diese perversen, widerlichen Typen, die Oralsex in ach so viele lustige Metaphern verpacken und damit auch noch Erfolg haben. Popmusik, speziell Popmusik von Männern, kann richtig ekelhaft sein. Ich fände es entsetzlich, wenn meine Kinder solche Songs, und ich nenne jetzt keine Namen, mitsingen würden. Das hat doch alles nichts mit dem Leben zu tun. Ich jedenfalls hatte noch nie einen One Night Stand und ich habe auch noch nie einem Typen in einem Nachtclub einen geblasen.
Wovon handelt „Cruel Sexuality“?
Nicht von Sex. Sondern vom Gegenteil. Manchmal will ich gar keine sexuellen Gefühle aufkommen lassen, manchmal ist mir einfach nicht nach Sex oder nach dem Gedanken an Sex. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich 14-jährige Mädchen mit so einer Oralsexnummer, wie sie permanent im Radio laufen, identifizieren können. Die finden sich eher darin wieder, wenn ich sage, ich will von diesem ganzen Sex-Kram jetzt mal eine Weile nicht belästigt werden.
[plugin imagelink link="http://ecx.images-amazon.com/images/I/61RvIlgiA2L._SL500_AA240_.jpg" imagesrc="http://ecx.images-amazon.com/images/I/61RvIlgiA2L._SL500_AA240_.jpg"]
Das Album "Trouble in Paradise" erscheint am 19.Juli.