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Mann mit Botschaft

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Nun würde bei der gar nicht genug zu prei-senden Komödiantin Anke Engelke nie-mand vermuten, dass sie auch noch ein politischer Mensch ist, aber sie ist es offenbar und kann sich außerdem mit Julian Assange mühelos in bestem Englisch unterhalten. Der Wikileaks-Gründer sitzt, damit das bitte nicht völlig vergessen wird, seit zwei Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London, weil er bekannt gemacht hat, wie amerikanische Soldaten Krieg gegen die Zivilbevölkerung führen. Deshalb gilt er in den USA als Hochverräter, den manche am liebsten neben Edward Snowden baumeln sähen.



Kommuniziert nur noch über Videobotschaft: Julian Assange.

Durch seine Flucht in die Botschaft konnte Assange, dem auch Vergewaltigung vorgeworfen wird, seine Auslieferung nach Schweden, aber vor allem in die USA hintertreiben, aber im Gefängnis lebt er doch. Mit der Außenwelt verkehrt der berufsmäßige Hacker, der sich rühmt, bereits mit sechzehn den E-Mail-Verkehr von US-Generälen im Pentagon gelesen zu haben, vornehmlich über das Internet. Es ist deshalb keine ganz kleine Sensation, wenn der fast schon mythische Nerd als Fernsehgast erscheint.

Die Sendung heißt Anke hat Zeit und beginnt mit der namensgebenden Frau Engelke in einem rausgesucht schlimmen Pullover, in dem sie sich auf ein weiches Kissen stützt und blockwartstreng von ihrem Fenster aus die Straße kontrolliert. Das ist aber nur das Intro, denn Frau En-gelke leitet damit eine Talkshow ein, in der es wie in vielen Fünf-nach-Acht- oder Zwölf-Uhr-Mittags-Talkshows zuginge, wäre nicht Julian Assange zugeschaltet.

Anke Engelke fragt ihn vorsichtig, was passieren würde, wenn er die Botschaft verließe. Assange ist keineswegs der humorfreie Autist, wenn er erkennt, dass er damit einem britischen Polizisten den ultimativen Karrieresprung bescheren würde. Von seiner Berufung will er aber nicht ablassen. Ihn habe nie interessiert, was an öffentlichen Verlautbarungen aus Institutionen kam, sondern viel mehr, wie es im Innern dieser Institutionen zugeht. Das eine erschöpfe sich in der Frage nach dem Befinden, während er sein Tun unbedingt als heilsam betrachtet, da er sich als jemand sieht, der einem Kranken den Puls fühlt.

Wie es sich gehört, beschwört Assange die Gefahr, die von Google, Facebook und der NSA ausgeht, aber er kann auch die tröstliche Mitteilung machen, dass das Streben der drei „Titanen“ nach Weltherrschaft gleichzeitig Leute wie ihn und Snowden hervorbringe, die sich diesem Dominanzstreben mit allen Mitteln widersetzen. Der Preis dafür ist, dass der Mann, der fast sein ganzes Leben vor dem Bildschirm verbracht hat, mittlerweile in einer allzu realen Dauerhaft sitzt.

Anke hat Zeit, WDR, 22.30 Uhr.

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