Montag:
Der Tag beginnt, wie so oft, musiklos - was ich doppelt bedaure, nachdem ich für eine Geschichte über Morgenrituale mit der Bloggerin Nike gesprochen habe, für die ein Morgen ohne Musik unvorstellbar ist. Bestimmt würde Musik auch mir den Tagesbeginn erleichtern, aber ich bekomme es ja vor lauter Zerstreutheit morgens nicht einmal hin, die Radio-App auf meinem iPhone einzuschalten. Wie sollte ich da also Musik anmachen können? Erst mittags um eins, nachdem ich eine Freundin getroffen habe und einige kleine Organisationsdinge erledigt habe, finde ich zurück am Schreibtisch und mit Blick auf den Dauerregen draußen zum ersten Mal Muße für Musik. "Black Winds" von Little John passt zum Wetter und zu meinem sehr dunklen Montagsgemüt.
http://www.youtube.com/watch?v=wuiimwef-RI
Dienstag:
Ich verbringe fast den ganzen Tag damit, Dinge für ein Kunstprojekt für die Uni zu besorgen und es schließlich zusammenzubasteln. Dabei höre ich natürlich Musik und als "Who Knows" von Jimi Hendrix kommt, kriege ich sofort gute Laune und denke ein paar Mal hintereinander: Mann, das ist wirklich ein verdammt guter Song! Eines der wenigen "fröhlichen" Lieder, die ich regelmäßig und gern höre. Es entspannt mich sofort, ich fühle mich dabei ungefähr so, wie man sich ein tanzendes Kamel vorstellt. Irgendwie, "groovend", auch wenn mir bei dem Wort natürlich gleich schlecht wird.
Jimi Hendrix – Who Knows
Mittwoch:
Der Mittwoch wird mir von dunklen Mächten aus Albuquerque gestohlen. Ich müsste in die Uni gehen, dies und jenes schreiben und erledigen, gehe morgens noch topmotiviert zum Yoga und dann, naja, dann will ich eigentlich nur frühstücken und dabei eine Folge Breaking Bad, eventuell, und so weiter. Und dann ist es plötzlich 17 Uhr und ich bin wie überfahren. Gegen die Serienkopfschmerzen hilft nur noch eine Ibuprofen 600, ein extrascharfer Burrito und ein schneller Aufbruch ins Kino zu dem Film "Le Meraviglie- Die Wunder". Danach bin ich noch glotzlädierter, zwinge mich aber, sozusagen als Wiedergutmachung für den unproduktiven Tag, noch zum Putzen. Dabei laufen mehrere Lieder, aber das schönste ist definitiv "Oo" von Jason Edwards.
http://www.youtube.com/watch?v=1YcgyWSIZOo
Donnerstag:
Auf dem Weg in die Redaktion am Morgen scheint die Sonne. Ich fliege auf meinem Rad nur so durch die Straßen und die Shuffle-Funktion auf meinem iPhone spuckt ausschließlich gute Lieder aus, so dass ich kein einziges Mal ungeduldig weiterschalten muss. Am meisten freue ich mich über die Vitamin String Quartet Version von "Liztomania". Den Ursprungssong (ich glaube von Phoenix) fand ich nicht besonders, diese Version liebe ich - sie ist wie eine Filmszene, ich muss mir immer vorstellen, dass Geige und Bass (ist das überhaupt ein Bass, den ich meine?) zwei Menschen sind, die in eine heftige, emotionale Diskussion über sehr große Themen verwickelt sind und obwohl man natürlich keine Worte, sondern nur Instrumente hört, habe ich das Gefühl, genau zu wissen, warum sie streiten und wie der Streit verläuft. Und dann kriege ich immer ein bisschen eine Gänsehaut.
http://www.youtube.com/watch?v=MaxYz5r-tNg
Freitag:
Ich höre den ganzen Tag keine Musik, weder in der Redaktion (weil ich meine Kopfhörer vergessen habe und die Redaktionskopfhörer immer nur ganz kurz aufsetzen kann, weil ich von denen immer Kopfweh kriege) noch abends oder nachts, denn ich schlafe bei meinem Freund und wir gucken "Breaking Bad". Aber einen Song für heute habe ich natürlich trotzdem, nämlich den, den meine kläglich allein gelassene Wohnung heute Nacht singen würde, wenn sie ein Mensch wäre. "Home" von Austra: "...You know that it hurts me when you don't come home at night..."
http://www.youtube.com/watch?v=ZzggClKBqJI
Samstag:
Nachmittags bin ich im Biergarten auf dem Geburtstag meines Bruders, abends fahre ich mit meiner kleinen Schwester zu mir nach Hause. Sie rollt sich in meinem Bett zusammen wie ein kleines Tier und schläft sofort ein, obwohl wir eigentlich irgendwas zusammen machen wollten. Also beschäftige ich mich allein und fange an, mein komplettes Bücherregal neu zu sortieren. Dabei höre ich leise Musik und stoße auf den "Eiskalte Engel"-Soundtrack, der meiner Meinung nach, mit denen von "Lost in Translation", "Spiel mir das Lied vom Tod" und "La Grande Bellezza", zu den besten Soundtracks aller Zeiten gehört. Aber vielleicht war ich auch einfach zu der Zeit, als er rauskam, in der gefühlsdramatischsten Zeit überhaupt: der Pubertät. Bei jedem einzelnen Song kriege ich deshalb Gänsehaut, Herzziehen und vor meinem inneren Auge tanzen lauter dramatische Erinnerungsbilder aus der Zeit zwischen 2002 und 2005 vorbei. Puh! Für welchen Song entscheide ich mich jetzt? Sind doch fast alle gleich stark. Nehmen wir Aimee Man.
http://www.youtube.com/watch?v=92oLolGMEs8
Sonntag:
Erst abends höre ich Musik, und zwar, als ich anfange, meine Kosmoshörer-Woche aufzuschreiben. Jetzt gerade läuft Rachels "Water from the same source". Damit geht es mir ein bisschen wie mit Liztomania. Aber es gibt noch so viele schöne Lieder, die ich hier gern anbringen würde."Comfortably numb" von Pink Floyd zum Beispiel, das ist so ein Immer-Lied von mir, oder "Summer" von Mogwai. Aber vielleicht nutze ich auch einfach die Gelegenheit, einen sehr, sehr schönen neuen Song von einem alten Freund von mir vorzustellen, Max Krefeld, dessen Musik ich schon kenne, seit ich 14 bin. Wir waren eine Zeit lang auf derselben Schule. Ich erinnere mich an Kassetten voller irrer Computertöne und Piepsgeräusche, abgefahrene Bandproben in Kellerräumen und eine sehr rührende Abschieds-Mix-CD, als ich irgendwann von einem Tag auf den anderen wegziehen musste. Und an ein Wiedersehen nach langen Jahren in einer Sommernacht in Berlin, als er schon mit Appaloosa bei Kitsuné unter Vertrag war. Aber jetzt endlich zu dem Song, den ich hier vorstellen will: Aus einem anderen Max-Projekt namens "Achtung Liebeautomat" ist mittlerweile Candyblasta geworden. Nach einigen Veröffentlichungen bei Permanent Vacation vertreiben sie jetzt auf Bandcamp ihr neuestes Stück "The Ocean".
http://www.youtube.com/watch?v=qljv3S33vVo
PS: Dazu braucht man natürlich noch das Cover vor Augen, nach dessen Anblick man sofort ans Meer will.
Auf der nächsten Seite: der ausgefüllte Musik-Fragebogen von mercedes-lauenstein.
[seitenumbruch]
„Gute Musik“ - was ist das für dich?
Das klingt jetzt etwas vage, aber: Gute Musik ist Musik, die mich bewegt. Die mein Leben für einige Minuten anhebt und intensiviert, so dass ich mitschwinge und mich, während ich sie höre, fühle wie die Protagonistin eines Films. Von guter Musik kriege ich nicht genug, ich kann sie über Jahre hinweg immer wieder hören, sie reift wie guter Wein und bekommt jedes Jahr eine neue Reifenote dazu. Andererseits: Auch Songs, die ich vielleicht nur einen Sommer, vielleicht nur eine Woche lang gut finde, sind für die Dauer dieser Zeitspanne natürlich gute Musik.
Was war deine erste eigene Platte und wohin ging dein Musikgeschmack von da aus?
Das weiß ich ganz genau und es ist, natürlich, peinlich: "The Conquest of Paradise" von den Vangelis. Ich war acht Jahre alt und bin zu diesem Lied so lange singend und tanzend auf meinem Bett rumgehüpft, bis der Lattenrost durchgebrochen ist. Bis ich etwa zwölf war, habe ich vor allem Bravo-Hits gehört und alles, was bei "Delta-Radio" kam. Mit 13 mochte ich die Deutsch-Hip-Hop-CDs meines Bruders und all die alten Rocksachen, die er auf seinem Computer hatte. Mit 14 hörte ich die alten David Bowie, Nick Cave, Genesis und Leonard-Cohen-Platten meiner Mutter und kurz darauf, durch meinen ersten Freund, der in einer ziemlich coolen Trainingsjacken-Britpop-Clique war, wurde ich zum klassisches Indie-Girl mit Faible für "The"-Bands, isländisches und britisches Postrock-Zeug, Singer/Songwriter und Hard Rock-Kram wie Guns’n’Roses, Cream, Queen und so weiter.
Mit 17 wurde ich coolnessbedingt ein bisschen zum Elektro-, Techno-Girl, mit 20 fand ich das langweilig und seither höre ich alles, was aus all diesen Phasen an dauerguten Liedern übrig geblieben ist. Plus ein bisschen Country oder klassisches Zeug. Neuerscheinungen verfolge ich nicht. Auch, wenn man meine musikalischen Vorlieben längst nicht mehr in eine Schublade sortieren kann, haben sie eines gemeinsam: Eine gewisse Traurigkeit oder Dramatik. Ich liebe melancholische oder irgendwie melodramatische, traurige, aufreibende Musik. Ich habe schon oft gehört: "Oh nee, Mercedes, nicht so was Deprimierendes"und habe gedacht: "Oh Mann, das ist doch nicht deprimierend! Das ist doch schön!" Ich liebe dunkle, traurige, wehleidige Musik, ganz egal zu welchem Anlass.
Wie hörst du Musik: Klassisch im CD-Spieler, auf dem Handy, über Streaming-Portale?
Vor allem benutze ich iTunes, in das ich über Jahre hinweg all meine alten CDs reingeladen habe. Und neuerdings Spotify, Schande über mein Haupt, denn ich habe kein faires Gefühl dabei. Leider ist es bequem und praktisch und auch irgendwie charmant, ich teile zum Beispiel mit einer Freundin eine Playlist. Wenn ich allerdings näher drüber nachdenke, was das Portal für das Auskommen der Musiker bedeutet, schäme ich mich, werde wütend und denke: Nächsten Monat kündige ich! Ja, gleich nächsten Monat!
Und wo hörst du am liebsten Musik?
Am liebsten auf dem Fahrrad oder beim Irgendwo-Hingehen, beim Putzen oder beim Malen, Zeichnen, Rumbasteln. In Bewegung also, oder bei einer handwerklichen Tätigkeit. Nie beim Einschlafen, nie beim Lesen, nie beim Aufstehen. Selten beim Schreiben, und wenn, dann nur leise und instrumental, sonst kann ich mich nicht konzentrieren.
Hast du eine Lieblingsband oder Musiker, von denen du alles hörst?
Ich habe noch nie von einer Band oder einem Musiker wirklich alles gemocht, aber es gibt schon ungefähr zehn Bands oder Musiker, die ich schon so lange mag, dass ich sie - glaube ich - auch mein restliches Leben lang mögen werde.
Welche Musik magst du gar nicht und warum?
Reggae, ganz klar. „Davon kriegt man Rühreier im Kopf“ hat mein Vater mal gesagt und ich habe nie wieder eine treffendere Beschreibung für Reggaemusik gehört. Metal mag ich auch nicht. Mit einer Ausnahme: Black Sabbath. Die sind für mich aber sowieso eher Hard Rock. Und dieses Klack-Klack-Klack-dung-dung-dung-Club- oder Lounge-Elektro, das man mittlerweile überall zu hören kriegt, kann ich auch nicht mehr hören, ohne dass mir übel wird. Und das ist keine Übertreibung: Von Musik, die ich nicht mag oder die mich langweilt, wird mir richtig körperlich schlecht, so wie wenn man viel zu lang Kaugummi kaut, zu lang Auto, oder einen kurvigen Berg hoch fährt. Das macht irgendwas mit dem Gleichgewichtszentrum in meinem Hirn oder so, kann man sicher wissenschaftlich erklären.
Gehst du gern auf Konzerte und auf welche zuletzt?
Ich gehe viel weniger auf Konzerte als die meisten meiner Freunde, glaube ich. Weil ich einfach nicht gern in dichtgedrängten, feucht-muffigen Menschenmassen herumstehe, die ganze Zeit nach vorne gucke und mir da stundenlang jedes einzelne Lied einer Band anhöre, wenn ich meist nur ein paar davon richtig gern mag. Aber es gibt natürlich Ausnahmen, wie zum Beispiel das Black Sabbath Konzert auf dem Königsplatz in München vor ein paar Wochen. Das war eines der besten Konzerte, auf dem ich je war. Wer es sich vorzustellen versuchen möchte, lese bitte diesen wunderschönen und sehr treffenden Konzertbericht und stelle sich dazu vor, dass das Ganze nicht in Berlin, sondern an einem Freitagabend, den 13. unter Vollmond auf dem Münchner Königsplatz stattgefunden hat.
Wie entdeckst du neue Musik und welche ist deine neueste Entdeckung?
Wie oben schon gesagt: Durch Filme und Freunde. Eine der neuesten Entdeckungen ist total quatschig, aber sehr charmant: Giorgo Gaber. Eine Freundin mit italienischem Freund war kürzlich zum Weintrinken bei mir und hat mir einige Sachen vorgespielt, zum Beispiel auch so italienische Partisanenlieder.
Verrate uns einen guten Song…
…zum Aufwachen:
http://www.youtube.com/watch?v=wz8OgFZiwtM
Tanzen:
http://www.youtube.com/watch?v=QaXIOanHlGc
Traurig sein:
Alles, was ich höre, ist ideal zum Traurigsein. Aber was ich sehr lange nicht gehört habe und was ich lange Zeit unfassbar traurig fand, ist: "Little Bag of Gloom" von Monster Magnet.
http://www.youtube.com/watch?v=IqxdqQku6wE
Als nächstes Kosmoshörer wünsche ich mir:
nadja-schlueter.
Alle Kosmoshörer findet ihr wie immer gesammelt hier:
Kosmoshörer
Möchtest du auch Kosmoshörer werden und deine Musik-Gewohnheiten dokumentieren? Dann schreib eine jetzt-Botschaft an teresa-fries oder eine Mail an teresa.fries@sueddeutsche.de
Der Tag beginnt, wie so oft, musiklos - was ich doppelt bedaure, nachdem ich für eine Geschichte über Morgenrituale mit der Bloggerin Nike gesprochen habe, für die ein Morgen ohne Musik unvorstellbar ist. Bestimmt würde Musik auch mir den Tagesbeginn erleichtern, aber ich bekomme es ja vor lauter Zerstreutheit morgens nicht einmal hin, die Radio-App auf meinem iPhone einzuschalten. Wie sollte ich da also Musik anmachen können? Erst mittags um eins, nachdem ich eine Freundin getroffen habe und einige kleine Organisationsdinge erledigt habe, finde ich zurück am Schreibtisch und mit Blick auf den Dauerregen draußen zum ersten Mal Muße für Musik. "Black Winds" von Little John passt zum Wetter und zu meinem sehr dunklen Montagsgemüt.
http://www.youtube.com/watch?v=wuiimwef-RI
Dienstag:
Ich verbringe fast den ganzen Tag damit, Dinge für ein Kunstprojekt für die Uni zu besorgen und es schließlich zusammenzubasteln. Dabei höre ich natürlich Musik und als "Who Knows" von Jimi Hendrix kommt, kriege ich sofort gute Laune und denke ein paar Mal hintereinander: Mann, das ist wirklich ein verdammt guter Song! Eines der wenigen "fröhlichen" Lieder, die ich regelmäßig und gern höre. Es entspannt mich sofort, ich fühle mich dabei ungefähr so, wie man sich ein tanzendes Kamel vorstellt. Irgendwie, "groovend", auch wenn mir bei dem Wort natürlich gleich schlecht wird.
Jimi Hendrix – Who Knows
Mittwoch:
Der Mittwoch wird mir von dunklen Mächten aus Albuquerque gestohlen. Ich müsste in die Uni gehen, dies und jenes schreiben und erledigen, gehe morgens noch topmotiviert zum Yoga und dann, naja, dann will ich eigentlich nur frühstücken und dabei eine Folge Breaking Bad, eventuell, und so weiter. Und dann ist es plötzlich 17 Uhr und ich bin wie überfahren. Gegen die Serienkopfschmerzen hilft nur noch eine Ibuprofen 600, ein extrascharfer Burrito und ein schneller Aufbruch ins Kino zu dem Film "Le Meraviglie- Die Wunder". Danach bin ich noch glotzlädierter, zwinge mich aber, sozusagen als Wiedergutmachung für den unproduktiven Tag, noch zum Putzen. Dabei laufen mehrere Lieder, aber das schönste ist definitiv "Oo" von Jason Edwards.
http://www.youtube.com/watch?v=1YcgyWSIZOo
Donnerstag:
Auf dem Weg in die Redaktion am Morgen scheint die Sonne. Ich fliege auf meinem Rad nur so durch die Straßen und die Shuffle-Funktion auf meinem iPhone spuckt ausschließlich gute Lieder aus, so dass ich kein einziges Mal ungeduldig weiterschalten muss. Am meisten freue ich mich über die Vitamin String Quartet Version von "Liztomania". Den Ursprungssong (ich glaube von Phoenix) fand ich nicht besonders, diese Version liebe ich - sie ist wie eine Filmszene, ich muss mir immer vorstellen, dass Geige und Bass (ist das überhaupt ein Bass, den ich meine?) zwei Menschen sind, die in eine heftige, emotionale Diskussion über sehr große Themen verwickelt sind und obwohl man natürlich keine Worte, sondern nur Instrumente hört, habe ich das Gefühl, genau zu wissen, warum sie streiten und wie der Streit verläuft. Und dann kriege ich immer ein bisschen eine Gänsehaut.
http://www.youtube.com/watch?v=MaxYz5r-tNg
Freitag:
Ich höre den ganzen Tag keine Musik, weder in der Redaktion (weil ich meine Kopfhörer vergessen habe und die Redaktionskopfhörer immer nur ganz kurz aufsetzen kann, weil ich von denen immer Kopfweh kriege) noch abends oder nachts, denn ich schlafe bei meinem Freund und wir gucken "Breaking Bad". Aber einen Song für heute habe ich natürlich trotzdem, nämlich den, den meine kläglich allein gelassene Wohnung heute Nacht singen würde, wenn sie ein Mensch wäre. "Home" von Austra: "...You know that it hurts me when you don't come home at night..."
http://www.youtube.com/watch?v=ZzggClKBqJI
Samstag:
Nachmittags bin ich im Biergarten auf dem Geburtstag meines Bruders, abends fahre ich mit meiner kleinen Schwester zu mir nach Hause. Sie rollt sich in meinem Bett zusammen wie ein kleines Tier und schläft sofort ein, obwohl wir eigentlich irgendwas zusammen machen wollten. Also beschäftige ich mich allein und fange an, mein komplettes Bücherregal neu zu sortieren. Dabei höre ich leise Musik und stoße auf den "Eiskalte Engel"-Soundtrack, der meiner Meinung nach, mit denen von "Lost in Translation", "Spiel mir das Lied vom Tod" und "La Grande Bellezza", zu den besten Soundtracks aller Zeiten gehört. Aber vielleicht war ich auch einfach zu der Zeit, als er rauskam, in der gefühlsdramatischsten Zeit überhaupt: der Pubertät. Bei jedem einzelnen Song kriege ich deshalb Gänsehaut, Herzziehen und vor meinem inneren Auge tanzen lauter dramatische Erinnerungsbilder aus der Zeit zwischen 2002 und 2005 vorbei. Puh! Für welchen Song entscheide ich mich jetzt? Sind doch fast alle gleich stark. Nehmen wir Aimee Man.
http://www.youtube.com/watch?v=92oLolGMEs8
Sonntag:
Erst abends höre ich Musik, und zwar, als ich anfange, meine Kosmoshörer-Woche aufzuschreiben. Jetzt gerade läuft Rachels "Water from the same source". Damit geht es mir ein bisschen wie mit Liztomania. Aber es gibt noch so viele schöne Lieder, die ich hier gern anbringen würde."Comfortably numb" von Pink Floyd zum Beispiel, das ist so ein Immer-Lied von mir, oder "Summer" von Mogwai. Aber vielleicht nutze ich auch einfach die Gelegenheit, einen sehr, sehr schönen neuen Song von einem alten Freund von mir vorzustellen, Max Krefeld, dessen Musik ich schon kenne, seit ich 14 bin. Wir waren eine Zeit lang auf derselben Schule. Ich erinnere mich an Kassetten voller irrer Computertöne und Piepsgeräusche, abgefahrene Bandproben in Kellerräumen und eine sehr rührende Abschieds-Mix-CD, als ich irgendwann von einem Tag auf den anderen wegziehen musste. Und an ein Wiedersehen nach langen Jahren in einer Sommernacht in Berlin, als er schon mit Appaloosa bei Kitsuné unter Vertrag war. Aber jetzt endlich zu dem Song, den ich hier vorstellen will: Aus einem anderen Max-Projekt namens "Achtung Liebeautomat" ist mittlerweile Candyblasta geworden. Nach einigen Veröffentlichungen bei Permanent Vacation vertreiben sie jetzt auf Bandcamp ihr neuestes Stück "The Ocean".
http://www.youtube.com/watch?v=qljv3S33vVo
PS: Dazu braucht man natürlich noch das Cover vor Augen, nach dessen Anblick man sofort ans Meer will.
Auf der nächsten Seite: der ausgefüllte Musik-Fragebogen von mercedes-lauenstein.
[seitenumbruch]
„Gute Musik“ - was ist das für dich?
Das klingt jetzt etwas vage, aber: Gute Musik ist Musik, die mich bewegt. Die mein Leben für einige Minuten anhebt und intensiviert, so dass ich mitschwinge und mich, während ich sie höre, fühle wie die Protagonistin eines Films. Von guter Musik kriege ich nicht genug, ich kann sie über Jahre hinweg immer wieder hören, sie reift wie guter Wein und bekommt jedes Jahr eine neue Reifenote dazu. Andererseits: Auch Songs, die ich vielleicht nur einen Sommer, vielleicht nur eine Woche lang gut finde, sind für die Dauer dieser Zeitspanne natürlich gute Musik.
Was war deine erste eigene Platte und wohin ging dein Musikgeschmack von da aus?
Das weiß ich ganz genau und es ist, natürlich, peinlich: "The Conquest of Paradise" von den Vangelis. Ich war acht Jahre alt und bin zu diesem Lied so lange singend und tanzend auf meinem Bett rumgehüpft, bis der Lattenrost durchgebrochen ist. Bis ich etwa zwölf war, habe ich vor allem Bravo-Hits gehört und alles, was bei "Delta-Radio" kam. Mit 13 mochte ich die Deutsch-Hip-Hop-CDs meines Bruders und all die alten Rocksachen, die er auf seinem Computer hatte. Mit 14 hörte ich die alten David Bowie, Nick Cave, Genesis und Leonard-Cohen-Platten meiner Mutter und kurz darauf, durch meinen ersten Freund, der in einer ziemlich coolen Trainingsjacken-Britpop-Clique war, wurde ich zum klassisches Indie-Girl mit Faible für "The"-Bands, isländisches und britisches Postrock-Zeug, Singer/Songwriter und Hard Rock-Kram wie Guns’n’Roses, Cream, Queen und so weiter.
Mit 17 wurde ich coolnessbedingt ein bisschen zum Elektro-, Techno-Girl, mit 20 fand ich das langweilig und seither höre ich alles, was aus all diesen Phasen an dauerguten Liedern übrig geblieben ist. Plus ein bisschen Country oder klassisches Zeug. Neuerscheinungen verfolge ich nicht. Auch, wenn man meine musikalischen Vorlieben längst nicht mehr in eine Schublade sortieren kann, haben sie eines gemeinsam: Eine gewisse Traurigkeit oder Dramatik. Ich liebe melancholische oder irgendwie melodramatische, traurige, aufreibende Musik. Ich habe schon oft gehört: "Oh nee, Mercedes, nicht so was Deprimierendes"und habe gedacht: "Oh Mann, das ist doch nicht deprimierend! Das ist doch schön!" Ich liebe dunkle, traurige, wehleidige Musik, ganz egal zu welchem Anlass.
Wie hörst du Musik: Klassisch im CD-Spieler, auf dem Handy, über Streaming-Portale?
Vor allem benutze ich iTunes, in das ich über Jahre hinweg all meine alten CDs reingeladen habe. Und neuerdings Spotify, Schande über mein Haupt, denn ich habe kein faires Gefühl dabei. Leider ist es bequem und praktisch und auch irgendwie charmant, ich teile zum Beispiel mit einer Freundin eine Playlist. Wenn ich allerdings näher drüber nachdenke, was das Portal für das Auskommen der Musiker bedeutet, schäme ich mich, werde wütend und denke: Nächsten Monat kündige ich! Ja, gleich nächsten Monat!
Und wo hörst du am liebsten Musik?
Am liebsten auf dem Fahrrad oder beim Irgendwo-Hingehen, beim Putzen oder beim Malen, Zeichnen, Rumbasteln. In Bewegung also, oder bei einer handwerklichen Tätigkeit. Nie beim Einschlafen, nie beim Lesen, nie beim Aufstehen. Selten beim Schreiben, und wenn, dann nur leise und instrumental, sonst kann ich mich nicht konzentrieren.
Hast du eine Lieblingsband oder Musiker, von denen du alles hörst?
Ich habe noch nie von einer Band oder einem Musiker wirklich alles gemocht, aber es gibt schon ungefähr zehn Bands oder Musiker, die ich schon so lange mag, dass ich sie - glaube ich - auch mein restliches Leben lang mögen werde.
Welche Musik magst du gar nicht und warum?
Reggae, ganz klar. „Davon kriegt man Rühreier im Kopf“ hat mein Vater mal gesagt und ich habe nie wieder eine treffendere Beschreibung für Reggaemusik gehört. Metal mag ich auch nicht. Mit einer Ausnahme: Black Sabbath. Die sind für mich aber sowieso eher Hard Rock. Und dieses Klack-Klack-Klack-dung-dung-dung-Club- oder Lounge-Elektro, das man mittlerweile überall zu hören kriegt, kann ich auch nicht mehr hören, ohne dass mir übel wird. Und das ist keine Übertreibung: Von Musik, die ich nicht mag oder die mich langweilt, wird mir richtig körperlich schlecht, so wie wenn man viel zu lang Kaugummi kaut, zu lang Auto, oder einen kurvigen Berg hoch fährt. Das macht irgendwas mit dem Gleichgewichtszentrum in meinem Hirn oder so, kann man sicher wissenschaftlich erklären.
Gehst du gern auf Konzerte und auf welche zuletzt?
Ich gehe viel weniger auf Konzerte als die meisten meiner Freunde, glaube ich. Weil ich einfach nicht gern in dichtgedrängten, feucht-muffigen Menschenmassen herumstehe, die ganze Zeit nach vorne gucke und mir da stundenlang jedes einzelne Lied einer Band anhöre, wenn ich meist nur ein paar davon richtig gern mag. Aber es gibt natürlich Ausnahmen, wie zum Beispiel das Black Sabbath Konzert auf dem Königsplatz in München vor ein paar Wochen. Das war eines der besten Konzerte, auf dem ich je war. Wer es sich vorzustellen versuchen möchte, lese bitte diesen wunderschönen und sehr treffenden Konzertbericht und stelle sich dazu vor, dass das Ganze nicht in Berlin, sondern an einem Freitagabend, den 13. unter Vollmond auf dem Münchner Königsplatz stattgefunden hat.
Wie entdeckst du neue Musik und welche ist deine neueste Entdeckung?
Wie oben schon gesagt: Durch Filme und Freunde. Eine der neuesten Entdeckungen ist total quatschig, aber sehr charmant: Giorgo Gaber. Eine Freundin mit italienischem Freund war kürzlich zum Weintrinken bei mir und hat mir einige Sachen vorgespielt, zum Beispiel auch so italienische Partisanenlieder.
Verrate uns einen guten Song…
…zum Aufwachen:
http://www.youtube.com/watch?v=wz8OgFZiwtM
Tanzen:
http://www.youtube.com/watch?v=QaXIOanHlGc
Traurig sein:
Alles, was ich höre, ist ideal zum Traurigsein. Aber was ich sehr lange nicht gehört habe und was ich lange Zeit unfassbar traurig fand, ist: "Little Bag of Gloom" von Monster Magnet.
http://www.youtube.com/watch?v=IqxdqQku6wE
Als nächstes Kosmoshörer wünsche ich mir:
nadja-schlueter.
Alle Kosmoshörer findet ihr wie immer gesammelt hier:
Kosmoshörer
Möchtest du auch Kosmoshörer werden und deine Musik-Gewohnheiten dokumentieren? Dann schreib eine jetzt-Botschaft an teresa-fries oder eine Mail an teresa.fries@sueddeutsche.de