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„Auch wir haben mit Paket-Drohnen gespielt“

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Düsseldorf – Nur 30 Minuten vom Anklicken des „Kaufen“-Knopfes im Internet bis zur Lieferung an der Haustür. Das wäre absoluter Rekord. Länger soll es nach dem Willen von Amazon-Gründer Jeff Bezos bald nicht mehr dauern, bis seine Kunden die gerade erst im Internet bestellte Ware in den Händen halten. Wie das gehen soll, führte Bezos Ende vergangenen Jahres in den USA vor: Drohnen, die fliegenden Riesenspinnen ähneln, sollen die Pakete künftig beim Kunden zu Hause abliefern. In vier bis fünf Jahren könne es in den USA schon soweit sein, meint Bezos.



Drohnen können nicht nur zur Verteidigung, sondern auch in der Landwirtschaft und für die Zulieferung von Paketen eingesetzt werden.

Die Ankündigung wirbelte die Paket-Branche weltweit durcheinander. Fast jedes Unternehmen hatte plötzlich schon mit Paket-Drohnen experimentiert, auch die Deutsche Post DHL. Gleich am Tag nach Bezos’ Botschaft musste Kurt Kuehn, Vize- und Finanzchef des US-Paketdienstes UPS mit 55 Milliarden Dollar Umsatz und fast 400000 Beschäftigten, in der morgendlichen TV-Börsensendung „squawk box“ Rede und Antwort stehen. Dabei machte er eine neue Erfahrung: „Über Drohnen zu sprechen, ist eine hervorragende Möglichkeit, Publicity zu bekommen.“

Ganz so euphorisch wie der Amazon-Gründer ist Kuehn aber nicht: „Auch wir haben mit Paket-Drohnen gespielt“, sagt er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, „es ist aber schwer vorstellbar, wie sie flächendeckend so eingesetzt werden können, dass keine Gefahr von ihnen ausgeht.“ Lediglich in besonderen Fällen, bei speziellen Kundenwünschen und in entlegenen Regionen, könnte die Lieferung per Drohne in Zukunft eine Rolle spielen.

Doch Drohnen sind nicht alles, womit Amazon-Chef Bezos die Logistiker zurzeit unter Druck setzt. Seit einigen Monaten macht der Onlinehändler den Paketdiensten Konkurrenz und liefert in den USA auch selbst Pakete aus. Amazon will die Kunden noch am selben Tag bedienen und damit schneller sein als UPS, Fedex und andere. „Die Märkte werden sich durch Amazon stark verändern“, ist Kuehn überzeugt. Doch sein Unternehmen sei davon weniger betroffen als andere, glaubt er. „Ist Amazon ein Konkurrent für UPS? Nein, solange wir die Bedürfnisse unserer Kunden besser erfüllen, nicht.“ Pakete noch am selben Tag auszuliefern, wie Amazon es tut, hat aus Kuehns Sicht zurzeit für den Marktführer UPS keinen Sinn: „Die meisten Kunden bestellen im Internet nach drei Uhr nachmittags, daher konzentrieren wir uns auf das Geschäft mit Lieferungen am Folgetag.“ Auch glaubt er nicht, dass Amazon komplette eigene Logistik-Netzwerke aufbauen will. Amazon sei nur mit dem Service der Zustelldienste in Einzelfällen nicht zufrieden. „Daher testen sie zurzeit ein wenig das Geschäft mit Lieferungen am selben Tag.“

Tatsächlich hält sich die Bedrohung durch Amazon angesichts des rasant zunehmenden Online-Handels laut Branchenstudien in Grenzen – noch. Aktuell wächst das Geschäft mit Waren im Internet nach einer Analyse von Credit Suisse viermal schneller als die Weltwirtschaft. Von einem Verdrängungswettbewerb kann daher noch keine Rede sein. Zumindest nicht in den nächsten fünf Jahren.

In Europa und insbesondere in Deutschland kämpft UPS vor allem mit einem Konkurrenten – der Deutschen Post DHL. Gegenüber dem ehemaligen Staatsunternehmen kann sich Kuehn, der 1977 als einfacher Fahrer bei UPS anfing, einen Seitenhieb nicht verkneifen: „Wir vergleichen uns nicht ständig mit der Deutschen Post, einem Konzern, der ein staatlich subventioniertes Monopol hat.“ Den Rivalen hatte UPS in einem EU-Verfahren vor einiger Zeit bereits auf Rückzahlung illegaler Beihilfen im Briefgeschäft verklagt.

Nun setzt UPS erneut zum Angriff auf die Deutsche Post an. In den vergangenen Monaten hat Kuehn, der unter anderem die Eliteuniversität Yale besuchte, eine neue Strategie entwickelt: „In den nächsten drei bis fünf Jahren wollen wir in Europa eine Milliarde Dollar investieren.“ Ein Großteil davon fließe nach Deutschland, „einen unserer stärksten Wachstumsmärkte weltweit“, wie Kuehn betont. Geplant sei, die Logistik-Kapazitäten auszubauen, also etwa in neue Verteilzentren zu investieren. Am Flughafen Köln/Bonn unterhält UPS sein wichtigstes Drehkreuz für Lieferungen in Europa. Schon 2013 hatte UPS dort 200 Millionen Dollar in den Ausbau und in eine neue Frachthalle investiert.

Teil der neuen Konzernstrategie, die im November vorgestellt werden soll, sind aber auch Übernahmen. „Wir halten vor allem Ausschau nach Zukäufen im Bereich Healthcare“, wird Kuehn konkret. Der Transport von Medikamenten sei eine besondere logistische Herausforderung, da sie empfindlich gegen Temperaturschwankungen seien. Auch die Pflege älterer Menschen zu Hause führe dazu, dass mehr Medizin hin- und hertransportiert werden müsse.

In Europa hatte UPS bei der Expansion zuletzt einen schweren Rückschlag erlitten. Die Amerikaner hatten 5,2 Milliarden Euro für die Übernahme des niederländischen Konkurrenten TNT Express geboten. Damit wären die Amerikaner in Europa zur Nummer eins aufgestiegen. Nach monatelanger Hängepartie untersagten jedoch die EU-Wettbewerbshüter den Deal. „Weil wir uns sehr intensiv mit der Übernahme beschäftigt haben, sind wir in Europa vorübergehend strategisch ins Hintertreffen geraten“, räumt Kuehn nun ein. Jetzt verfolge UPS daher den Plan B: Wachstum durch kleinere Übernahmen und aus eigener Kraft.
Den Privatkunden in Deutschland will das US-Unternehmen schon bald ein ganz neues Angebot machen. Ein Angebot, das in den USA unter dem Namen „UPS My Choice“ zwei Jahre nach Einführung bereits neun Millionen Menschen nutzen. „Die Kunden können dabei den Weg ihres Pakets nicht nur im Internet verfolgen, sondern selbst eingreifen und den Zustellort oder die Zustellzeit ändern.“ Also etwa bestimmen, dass das Päckchen ins Büro geliefert wird statt nach Hause. Dazu müssen sich die UPS-Kunden lediglich vorher im Internet registrieren lassen.

Als Alternative würde sich ein Paketkasten anbieten. Eine solche Box, die sich Kunden in den Vorgarten stellen können, hat die Deutsche Post seit Kurzem im Angebot. Die Idee: Leute, die im Internet bestellen, müssen nicht zu Hause bleiben oder Nachbarn verständigen, wenn der Paketbote kommt. Wie beim Briefkasten entnehmen sie abends ihr Päckchen einfach der Box. Doch die Deutsche Post will bisher nur ihren eigenen Boten Zugang zum Kasten verschaffen – aus Datenschutzgründen, wie die Bonner argumentieren.

Kuehn ist über diesen Alleingang verärgert: „Die Paketboxen in Deutschland sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Post ihre Monopolstellung und ihre dominante Marktposition ausnutzt.“ Besser für alle, vor allem für die Kunden, wäre aus seiner Sicht eine Box, zu der alle Paketdienste Zugang haben. Er hegt sogar Zweifel, ob das Vorgehen der Post überhaupt rechtens ist: „Ob die Paketbox mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar ist, darüber müssen andere entscheiden.“ Sollten die Bonner nicht einlenken, werde UPS voraussichtlich zusammen mit Wettbewerbern eine alternative Paketbox anbieten, die dann allen offenstehen soll – auch der Deutschen Post.

Die Vorbereitungen der Konkurrenten laufen schon auf Hochtouren. Wie aus Branchenkreisen verlautete, arbeiten Wettbewerber wie GLS, DPD, Hermes und UPS in Deutschland schon konkret an einem gemeinsamen Paketkasten. Damit wollen sie wiederum auch dem Onlinehändler Amazon zuvorkommen.

Nicht, dass Jeff Bezos eines Tages noch selbst auf die Idee kommt, den Kunden einen Amazon-Paketkasten anzubieten.

Kurt Kuehn fing 1977 beim Paketdienst UPS als einfacher Fahrer an und arbeitete sich bis zum Finanzchef hoch. 1999 begleitete er den Börsengang, der als größter des 20. Jahrhunderts gilt.

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