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Für Überraschungen gut

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Tel Aviv – Der Likud-Politiker Reuven Rivlin ist zum neuen Präsidenten Israels gewählt worden. Für den 74-Jährigen erfüllt sich damit im zweiten Anlauf ein Lebenstraum – vor sieben Jahren war er noch Schimon Peres unterlegen, dessen Amtszeit Ende Juli ausläuft. Die Mitglieder der Knesset, des israelischen Parlaments, gaben Rivlin nun im zweiten Wahlgang mit 63 zu 53 Stimmen den Vorzug vor dem Mitbewerber Meir Schitrit von der Hatnua-Partei, die ebenfalls zur Regierungskoalition zählt. Rivlin ist der zehnte Präsident in Israels 66-jähriger Geschichte. Er bedankte sich bei allen „wahren Freunden“ für die Wahl und erklärte: „Ich gehöre jetzt allen. Ich gehöre dem Volk.“



Reuven Rivlin ist zum zehnten Präsidenten Israels gewählt worden.

Der künftige Staatschef ist gelernter Jurist und ein altgedienter Politiker, der zum rechten Flügel des Likud gezählt wird. Neue Initiativen für einen Frieden mit den Palästinensern, wie sie zum Markenzeichen des weltweit verehrten Peres geworden waren, sind von ihm kaum zu erwarten. Schließlich hat er sich oft genug als Gegner einer Zwei-Staaten-Lösung profiliert und die Überzeugung vertreten, dass „ganz Israel uns gehört“. Beim Rückzug aus dem Gazastreifen 2005 hatte er heftig gegen die Pläne des damaligen Premiers Ariel Scharon gewettert, und über die besonders radikalen Siedler von Hebron hielt er immer wieder seine schützende Hand.

Dennoch hat sich Reuven, genannt „Ruby“ Rivlin auch große Anerkennung über die Parteigrenzen hinweg erworben, die ihm nun bei der Wahl zugute kam. Persönlich gilt er als humorvoll, emotional und ehrlich – er ist der Typ des manchmal strengen, aber letztlich gütigen Großvaters. Im Amt des Parlamentspräsidenten, das er von 2003 bis 2006 und noch einmal von 2009 bis 2013 bekleidete, zeigte sich Rivlin als aufrechter Verteidiger der Demokratie gegenüber manch krudem Gesetzesvorstoß auch aus dem eigenen Lager. Zudem streckte er die Hand auch zu den arabischen Abgeordneten aus.

Allerdings geriet er dabei immer wieder in Konflikt mit Premierminister Benjamin Netanjahu, und kundigen Beobachtern zufolge auch mit dessen Ehefrau Sara, was in Israels Politik durchaus als schwere Hypothek zu gelten hat. Am Ende hatte der Regierungschef sich nur widerwillig hinter die lange angekündigte Kandidatur seines Parteifreundes gestellt. Zuvor hatte er lange Zeit vergeblich versucht, einen anderen Bewerber zu finden und damit geliebäugelt, die Wahl zu verschieben oder gar einen Vorstoß zur Abschaffung des weitgehend zeremoniellen Präsidentenamts zu wagen. Das gestörte persönliche Verhältnis zwischen Staatschef und Premier dürfte einen Schatten auf die künftige Zusammenarbeit werfen.

Rivlin inszeniert sich gern als stolzer Spross Jerusalems, inklusive seiner Begeisterung für den heimischen Fußballclub Beitar. Er entstammt einer alteingesessenen Familie, deren Vorväter vor etwa 200 Jahren aus Litauen eingewandert waren. Diesen frühen Zug ins Gelobte Land nennt er „Zionismus in der reinsten Form“. Einer aus dem Clan hat sich einmal die Mühe gemacht, einen Stammbaum der weitverzweigten Familie anzulegen; er kam auf 57000 Rivlins weltweit. In Israel sind Träger des Namens in allen öffentlichen Bereichen von der Politik über die Kultur bis in die Wissenschaft vertreten. „Wir sind keine Familie mehr, wir sind ein Stamm“, sagt Reuven Rivlin dazu. Er selbst hat mit seiner Frau vier Kinder.

Sein Wahlerfolg ist ein Favoriten-Sieg, den der zur politischen Mitte zählende Meir Schitrit nicht gefährden konnte. Die drei anderen Bewerber waren im ersten Wahlgang ausgeschieden. Die frühere Parlamentspräsidentin Dalia Itzik, die sich Hoffnungen darauf gemacht hatte, als erste Frau ins Präsidentenamt gewählt zu werden, erhielt nur 28 Stimmen. Dalia Dorner, ehemalige Richterin am obersten Gerichtshof, bekam 13 Stimmen. Der Chemie-Nobelpreisträger Daniel Schechtman musste sich mit einer einzigen Stimme bescheiden.

Politische Kommentatoren hatten zuvor geurteilt, das Beste an dieser Wahl sei, dass sie nun vorbei ist. In den vergangenen Wochen war es zu manchem Tiefpunkt in der politischen Kultur gekommen. Ein Bewerber schied wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung aus, einer wegen Korruptionsermittlungen. Knesset-Sprecher Juli Edelstein verkündete noch am Wahltag, dass Lehren zu ziehen seien aus diesem schmutzigen Präsidentschaftsrennen. „Es gibt Dinge zu verbessern und wir können das tun“, sagte er.

Rivlin will nach der offiziellen Amtsübernahme Ende Juli die Präsidenten-Residenz zu einem „Haus der Partnerschaft, des Dialogs und des gegenseitigen Verständnisses“ machen. Sein Impetus wird nach innen gerichtet sein, in die israelische Gesellschaft. Auch hier gibt es manche Risse zu kitten, wie in diesem Wahlkampf deutlich zu sehen war.

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