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Albtraumfabrik

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Ein Tee für den Regisseur aus dessen Lieblingsladen: 3,2 Kilometer Fußmarsch. Eine Kerze mit einem besonderen Duft für den Hauptdarsteller: eine Tagesaufgabe. Ein Praktikum bei einer Hollywood-Produktion: unbezahlbar. Vor allem aber: unbezahlt. Das sind die Regeln für junge und bisweilen auch nicht mehr so junge Kurzzeitpraktika in der Filmindustrie von Hollywood. Sie erledigen Aufgaben, auf die festangestellte Mitarbeiter keine Lust haben, in den Stellenanzeigen wird häufig vermerkt, dass es vor allem darum geht, Kopien zu erstellen, Besorgungen zu erledigen, Anrufe entgegenzunehmen. Als Gegenleistung erhalten sie keinen Gehaltsscheck, dafür aber einen exklusiven Einblick in die Produktion sowie die Gelegenheit, Menschen kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen, sich womöglich für einen bezahlten Job beim nächsten Projekt zu empfehlen. Es gibt nicht wenige Beispiele mittlerweile mächtiger Menschen in Hollywood, die einst als Botenjunge, Kabelträger oder Chauffeur angefangen haben.



Eric Glatt wollte als Praktikant bei den Dreharbeiten zum Film Black Swan mit Natalie Portman (links) und Vincent Cassel dem Regisseur über die Schulter schauen. Stattdessen war er nur Laufbursche. 

Eine Win-win-Situation also, wie es scheint. Die Produktionsfirma bekommt kostenlos höchst motivierte Arbeitskräfte, dafür dürfen die einen Fuß in die ansonsten verschlossene Tür stellen und durch diesen Spalt auch hindurchsehen. In Hollywood war es bislang üblich, Praktikanten nicht zu bezahlen – die Unternehmen konnten sich das auch deshalb leisten, weil es deutlich mehr Bewerber als offene Stellen gab. Laut einer Studie der University of California, Los Angeles, sind 90 Prozent aller Praktika bei Produktionsfirmen unbezahlt. Mittlerweile sieht es jedoch so aus, als wäre dieses Arrangement eher eine Win-Situation für die Unternehmen und eine Lose-Situation für die Praktikanten. Viele fühlen sich ausgenutzt, betrogen, missbraucht – und gehen nun juristisch gegen die Unterhaltungsindustrie vor. In den vergangenen Monaten gab es Klagen gegen Musikunternehmen, Zeitungsverlage und Produktionsfirmen.

Für Aufsehen sorgt vor allem der Fall von Eric Glatt, der im Jahr 2010 als Praktikant bei der Produktion „Black Swan“ mit Natalie Portman gearbeitet und die Produktionsfirma Fox Searchlight Pictures später wegen Verstößen gegen den Fair Labor Standards Act (FLSA) verklagt hat. Mittlerweile wurde gar eine Sammelklage zugelassen, bei der es nicht mehr nur um Bezahlung und Schadensersatz geht, sondern auch darum, wie die Unterhaltungsindustrie und auch andere Branchen mit Praktikanten umzugehen haben.

Doch von vorne: Glatt, 44, hatte damals seinen gut bezahlten Job bei einer Versicherungsfirma aufgegeben, er wollte jedoch unbedingt kreativ tätig sein, bestenfalls in der Filmindustrie. Er bezahlte 5500 US-Dollar für einen Kurs im Filmeschneiden und bekam anschließend ein Praktikum für den Film „Black Swan“. Er hatte sich erhofft, den Cuttern bei der Arbeit zusehen zu dürfen und bestenfalls ein paar Tipps von Regisseur Darren Aronofsky zu bekommen. Doch es kam anders: Er hatte zwar mit Aronofsky zu tun, doch ging es nicht um das Timing beim Schneiden eines Films, sondern eher um allergiefreie Kissen, wohlriechende Kerzen und erlesenen Tee – das alles musste Glatt innerhalb der neun Monate immer wieder besorgen. „Das Einzige, was ich gelernt habe: Ein Praktikant hat keine Fragen zu stellen“, sagt Glatt.

Er fühlte sich ausgenutzt und reichte im Jahr 2011 Klage ein. Der FLSA besagt, dass ein Praktikum vor allem dem Praktikanten nutzen soll und nicht dem Unternehmen. „Ich bin kein weinerliches Kind, das nicht arbeiten möchte“, sagt Glatt, der mittlerweile an der Georgetown University Jura studiert. „Die Arbeitgeber glauben, sie können etwas für umsonst haben, nur weil sie als Gegenleistung anbieten, dass es cool sein könnte, sich in der Nähe von jemandem wie Aronofsky aufzuhalten.“ Bezirksrichter William Pauley urteilte im vergangenen Jahr, dass Glatt und seine Kollegen wenigsten den Mindestlohn hätten erhalten müssen – und gestattete gar eine Sammelklage. In der Urteilsbegründung heißt es: „Searchlight hat von der unbezahlten Arbeit profitiert, für die sie ansonsten bezahlte Angestellte gebraucht hätten.“

Das Unternehmen hat dagegen nun Berufung eingelegt, in einem Schreiben der Anwälte heißt es: „Dadurch würden die zahlreichen unbezahlten Praktika eingestellt, die für die Teilnehmer von großer Bedeutung sind und ihnen Erfahrungen und Möglichkeiten zukommen lassen, die sie sonst nicht bekommen würden.“ Zahlreiche ehemalige Praktikanten wie etwa Alex Footman haben sich mittlerweile der Klage angeschlossen, doch es gibt nicht nur Befürworter. Footman sagt, er habe viele Briefe und E-Mails erhalten, in denen ihm vorgeworfen wird, dass er die Filmindustrie für alle anderen ruinieren würde.

Das Urteil, das erst im kommenden Jahr erwartet wird, dürfte weitreichende Konsequenzen haben – nicht nur für die Unterhaltungsindustrie. Es geht ganz grundsätzlich um die Frage: Wer profitiert von so einem Praktikum? „Die Gesetzgebung ist eindeutig“, sagt Ross Perlin, Autor des Buches „Intern Nation“: „Wenn ein Praktikum bei einer Firma mit Gewinnabsicht unbezahlt ist, dann muss sich dieses Unternehmen um ein pädagogisches Umfeld kümmern.“ Er schätzt, dass es in den Vereinigten Staaten etwa 500000 Praktika gibt, die gegen diese Regel verstoßen – und dass dadurch die Unternehmen etwa zwei Milliarden US-Dollar pro Jahr sparen. Falls Glatt und seine Mitstreiter recht bekommen, dürften sich auch Praktikanten in anderen Branchen gegen die fehlende Honorierung ihrer Arbeit wehren.

Immerhin haben die vielen Klagen der vergangenen Jahre – Hospitanten hatten (meist erfolglos) Musikunternehmen wie Atlantic Records, Produktionsfirmen wie NBC Universal und Zeitungsverlage wie Hearst verklagt – dafür gesorgt, dass vor allem die großen Firmen in der Unterhaltungsindustrie mit der Tradition gebrochen haben: Fox Entertainment Group, Universal Pictures, Warner Bros., Paramount Pictures, Walt Disney Studios und Sony Pictures Entertainment bieten bezahlte Praktika an. Das ist nur rechtens, zeigt aber auch: Wer ein Praktikum bei einer Filmfirma absolviert, der soll nicht unbedingt etwas lernen, Kontakte knüpfen oder gar einen Fuß in die Tür bekommen. Er soll vor allem unliebsame Aufgaben erledigen. Nun eben zum Mindestlohn.

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