Herr Bundeskanzler Schmidt, wir begrüßen Sie zu diesem Gespräch.
Schmidt: Wie bitte?
(lauter) Herr Bundeskanzler Schmidt, …
Schmidt: Schmidt reicht, danke.
Herr Schmidt, …
Schmidt: Die Frage ist so nicht richtig ges-tellt.
Sie war auch noch nicht fertig. Herr Schmidt, …
Schmidt (will etwas sagen, aber wird selbst unterbrochen)
Nein, jetzt rede ich. Sie sind hier, um von uns befragt zu werden, und zwar, wo sich ihr Leben nun rundet, zum ersten Mal seit ihrer Bonner Zeit, ohne die Themen vorher abgesprochen zu haben. Wir dürfen fragen, was wir wollen. Das ist der Deal.
Schmidt: Das war ein Fehler meiner Sekretärin, der da gemacht wurde. Aber nun bin ich ja einmal hier.
Das freut uns. Herr Schmidt, lassen Sie uns über ihre Zeit in der Hitlerjugend sprechen.
Schmidt: Ich war niemals in der Hitlerjugend.
Unsere Recherchen haben aber ergeben …
Schmidt: Ich war in der Marine-Hitlerjugend. Das ist etwas Anderes.
So? Worin genau besteht denn der Unterschied?
Schmidt: Die Marine-Hitlerjugend hat mit Wasser zu tun. Die normale Hitlerjugend hat es nicht.
Ja, wir sehen das ein, Wasser, löschen, Kriegsbrände. Das sind natürlich durchaus pazifistische Assoziationen, die man da hat - ziemlich reif für das Alter.
Schmidt: Das will ich meinen, ja.
Sie sind also aus Pazifismus in die Hitlerjugend …
Schmidt (unterbricht): In die Marine-Hitlerjugend!
Sie sind also aus Pazifismus in der Marine-Hitlerjugend gelandet?
Schmidt: Kann man zumindest so sagen.
Überspringen wir einmal ihre Zeit als Oberleutnant und Batteriechef in der Wehrmacht. Oder möchten Sie sich dazu äußern?
Schmidt: In der Zeit haben sich meine Führungsqualitäten gezeigt und voll entwickelt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Verstehen wir. Ein schmerzvolles Kapitel.
Schmidt: Auch das.
Aber den Tod ihres eigenen Kindes öffentlich zu thematisieren, war Ihnen nicht zu schmerzvoll.
Schmidt: Nicht ich, das waren die Reporter, die das thematisieren wollten, so wie Sie. Ich habe das nur abgenickt.
Sie haben ja auch sonst einiges abgenickt. Die Stationierung von Pershing-Raketen auf deutschem Boden, Neuverschuldung in bis dahin nicht gekanntem Maß, …
Schmidt: Das war in den 70ern so in Mode und man würde es heute vielleicht anders machen. Aber Schlaghosen trägt man ja heute auch nicht mehr, vers-tehen Sie?
Heute hat man nicht mehr die Wahl, Herr Schmidt - außer bei Schlaghosen. Die Zinsen, verstehen Sie? Aber sprechen wir über etwas, das Sie nicht abgenickt haben: Mehr Sicherheit für Peter Lorenz zum Beispiel. Forderte der CDU-Bürgermeisterkandidat ja 1975. Er behauptete, „gefährlich“ zu leben.
Schmidt: Wissen Sie, ich habe schon bei der S-turmflut 1962 …
Ja, ja. Und Peter Lorenz, Gefahrenpit?
Schmidt: Sicherlich spielen Sie auf Personenschützer an, die ich selbst sehr zu schätzen weiß. Nur waren mir die Annehmlichkeiten dieser praktischen Helfer zu Lorenz‘ Zeiten nicht bewusst wie heute. Das Alter, vers-tehen Sie?
Sie haben ihm geantwortet, ich zitiere: „Der Peter Lorenz, der das verantwortet, diesen Unfug, der muss sich offenbar nachts in seiner Wohnung ängstigen.“ Kurze Zeit später ist er entführt worden.
Da hatte ich Angst um meinen Ruf. Wir konnten den Lorenz aber ja im Gefangenenaustausch für einige Leute aus der Baader-Meinhof-Bande wieder freibekommen.
Z. B. Verena Becker und andere, die später in Mordanschläge verwickelt waren. Während des Deutschen Herbstes ‘77 sperrten Sie sich dann gegen erneute Gefangenenaustausche und RAF-Leute haben den entführten Hanns-Martin Schleyer erschossen.
Schmidt: Wir haben aus der Sache mit Lorenz viel gelernt. Irgendwann musste ja einmal Schluss sein mit diesen Gefangenenaustauschen.
Bild: Zwez / MSC
Herr Schmidt, hätte man nicht schon die Lorenz-Entführung verhindern können, um nie in diese Schlamassel hineinzugeraten?
Schmidt: Hätte, hätte, Mentholzigarette. Das ist Spekulation und wenn dann Schluss gewesen wäre mit sowas, hätte ich niemals die Landshut retten können. Das ist keine Spekulation.
Das ist wahr.
Schmidt (erstaunt): Sie geben mir also Recht.
Wir geben Ihnen Recht.
Schmidt: Gerade waren Sie noch die einzigen Yournalisten der letzten 20 Jahre, die mir nicht s-tändig Recht gegeben haben, und nun fangen Sie damit an!
Da haben Sie Recht.
Schmidt: Das kann ich auch woanders haben!
Sie können ja gehen.
Schmidt: Sehr lustig! (zu seinen Sicherheitsleuten) Rollt mich hier raus.
Herr Schmidt, wir danken Ihnen für das Gespräch!