Guten Morgen liebes jetzt.de,
kaum habe ich die allerersten Texte geschrieben, melden sich auch schon zornige Leser und schicken mir Beschwerden. Wut und Enttäuschung überhäufen mich. Bis zum Hals in Beschwerden, lehne ich mich an die Wand und schüttle mehrmals den Kopf - zitternd, wie ich bin, schaffe ich es nur, diejenige von Jana D.* wirklich zu lesen, einem Gefühlsmenschen im höchsten Grad, wie es scheint, und doch kühl und rational, wenn es darum geht, beruflich voranzukommen, und sei es durch eine positive Darstellung in einem meiner Texte. Wieder schüttle ich den Kopf. Nichts ist mir mehr verhasst als auch nur die kleinste Lobhudelei oder Anbiederung auf irgendeine Art an irgendjemand oder irgendwas. Selbst Antisemiten und Katholiken gilt mein Hass in weit geringerem Maß als schlimmen Anbiederungstölpeln wie Helmut Schmidt oder Florian Heinstoff, mit denen man leider allerorten zu tun hat. Was erwartet diese Jana D. von mir? Tatsächlich zeigt jene Unstimmigkeit exemplarisch eine meiner markantesten Charaktereigenschaften, nämlich meine innere Außenseiterschaft.
Trotz dieser Außenseiterschaft aber will ich schreiben, was ich denke, nicht was die Leute denken, auch wenn das natürlich selten das Gleiche ist, wie unmittelbar klar wird. Kaum bin ich im Begriff, diesen angefangenen Gedanken zu Ende zu denken, kommen mir aber auch schon Zweifel. Ich stehe ja erst gänzlich am Beginn meiner steilen literarischen Weltkarriere und bis zur völligen finanziellen Unabhängigkeit und einem Rolls-Royce, die ich beide mit meinem Schreiben letzten Endes anstrebe, ist es bei Licht betrachtet, wie es heißt, noch ein himmelweiter Weg, denke ich, besonders das Wort himmelweit gefällt mir dabei. Auf ein paar wohlwollende Kritiker, und seien es Amateure, die zufällig auf meinen Text stoßen und ihn kommentieren, ist in dieser Situation jedenfalls unter keinen Umständen zu verzichten, wie mir schnell klar wird, und zwar wie mit einem Keulenschlag. Mein Schicksal hängt im höchsten Maß von wohlwollenden Kommentaren ab. Kaum bin ich im Begriff, auch diesen Gedanken zu Ende zu denken, werfe ich meine moralischen Empfindungen, die ich anfangs noch hatte, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, über Bord, wie es heißt, und beschließe noch im selben Moment, einen aufs Äußerste anbiedernden Text zu schreiben, und zwar auf die schmalzigste mögliche Art.
Dazu lasse ich mir zuerst eine Überschrift einfallen, welche die Leute in den Kreisen, für die mein Text gedacht ist, emotional aufs Raffinierteste in ihren Bann ziehen soll, obwohl der Inhalt des Textes natürlich ein gänzlich anderer ist, als man mit der Überschrift assoziieren würde und mit ihr also bis auf wenige Ausnahmen nicht das Geringste zu tun hat. Was soll’s, denke ich, so läuft das Geschäft, du weißt ja, dass du es nicht ändern kannst. Jeder ist sich selbst der Nächste und du wirst zur monströsen Hure werden müssen, willst du nicht untergehen. Noch im selben Augenblick trifft es mich wieder wie ein Keulenschlag. Meine Stimmung verfinstert sich in Blitzesschnelle angesichts dieser bitteren Wahrheit, die ich gerade festgestellt zu haben glaube und um auf andere Gedanken zu kommen, gehe ich letzten Endes schnurstracks, wie es heißt, in den Park.
Kaum habe ich meinen Spaziergang im Park begonnen, muss ich mich auch schon wieder setzen. Die Verzweiflung ist zu tief. Unter keinen Umständen fühle ich mich noch spazierfähig. Voller Tränen suche ich eine Bank. Als ich endlich eine Bank finde, setze ich mich an den Rand der Bank. Das ist der Platz, auf den du gehörst, denke ich. Kaum habe ich mich gesetzt, döse ich auch schon ein, was mein seit Jahren vortrefflich bewährtes Prinzip der Weltflucht darstellt. Erst döse ich, dann träume ich und trotz meiner Traurigkeit träume ich von W. und wie gut, dass es W. gibt, träume ich, auf der Parkbank sitzend. Trotz ihres kühlen Verstands kann sie in widrigen Zeiten wie diesen Wärme spenden wie ein wollener Pelz und trotz ihrer zweifellos eindrucksvollen Erscheinung, die wunderbar grazil und doch kraftvoll wie eine Walküre aufscheint mit einem athletischen Hüftschwung vor meinem inneren Auge in meinen Träumen auf der Parkbank sitzend, zeigt sie Treue und Gutherzigkeit wie ein kleiner Mops. Mit heldenhaften Fähigkeiten gesegnet und doch bescheiden, das ist W., der einzige Mensch, der mich versteht, der einzige Mensch auf meinem Niveau, wie ich mir zu träumen erlaube, auf der Parkbank sitzend. Dann mache ich mich an die Arbeit.
* Name geändert. Von der Redaktion.