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Ein kleiner Abschiedsbrief

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Irgendwie geht es doch immer um irgendeinen Mann. So auch heute. Gerade eben. Genau jetzt. Vier Minuten und 26 Sekunden, nachdem du die Tür hinter dir zugezogen hast. Und jetzt sitze ich hier und kann noch nicht erahnen, was dein Abschied in mir auslösen wird, weiß noch nicht, ob es mich traurig macht, ob ich weinen werde, ob ich enttäuscht oder erleichtert sein soll.


Diese Sache, die wir hatten, die wir teilten, war schön. Meistens. Wir waren kein Paar und wollten nie eins werden, und doch es war es mehr als rein körperliches Verlangen. Bei dir, in deinen Armen, mit dem Kopf auf deiner nackten Brust, hab ich mich wohl gefühlt, ich konnte zur Ruhe kommen, schweigen, die Augen schließen und deine Körperwärme spüren. Du hast mich manchmal auf die Stirn geküsst und morgens mein Gesicht gestreichelt. Wir haben uns Dinge erzählt, die nicht belanglos waren, du hast mit deiner schönen, tiefen Stimme von deiner Oma gesprochen und der Reise zu deinem Ich. Ich habe dir von meiner Mama erzählt, ein klein wenig. Manchmal, ich muss es gestehen, jetzt wo ich es kann, habe ich dich nicht ernst genommen, habe dich innerlich verlacht und den Kopf geschüttelt über deine Weltsicht. Aber ich habe nichts gesagt, habe geschwiegen, um deine Hand nicht loslassen zu müssen. Wir haben so viel Zeit miteinander verbracht in diesen vier Wochen im letzten Winter. Als draußen das Leben trüb und kalt weiterging, lebten wir in Zeitlupe unsere perfekte Simulation des Echten. Es war schön, weil es so einfach war, die Kopie einer Beziehung in schwarz-weiß.


Und dann bist du gegangen und wir sind beide zu unserem wirklichen Leben zurückgekehrt, haben fast nahtlos dort angeknüpft, wo wir aufgehört hatten. Die kalte Jahreszeit hat sich für lange Zeit über meine Augen gelegt und mich blind gemacht für alles, ich sehnte mich nur noch zurück nach unserem großen Bühnenauftritt: mein Kopf auf deiner Brust, deine Hand an meinem Rücken, Stille. Wir haben den Kontakt gehalten, uns nicht ganz losgelassen, waren gegenseitig am Haken und wollten nicht aufgeben, haben uns festgeklammert mit Mund und Hand und Fuß und Herz. Es war mein Lichtblick, Sinnbild des Frühlings, dass du zurück kommst.


Fünf Monate sind vergangen und du bist zurückgekehrt. Und eine Nacht lang habe ich mich im Rausch der Erinnerung vergessen, habe wieder deinen Duft eingesogen und deine Schultern umklammert, hoffnungsvoll, dass es nie aufhört, dass uns nie etwas im Weg steht, keine Verpflichtungen und keine Gefühle. Doch du hast aufgehört, dich bei mir zu melden, hast mich so wütend gemacht mit deiner Ignoranz, mit der Respektlosigkeit. Ich hing fest am Haken und traute mich nicht, endgültig loszulassen. Nicht so, nicht auf diese Weise, nicht durch Schweigen und Stille und Ende.


Und dann hast du geklingelt, vor 17 Minuten und 53 Sekunden. Hast mit schnellen Schritten meine Wohnung betreten, dieses Mal ohne Begrüßungskuss, hast dir eine Zigarette angezündet und dich auf mein Bett gesetzt. Hast dich entschuldigt, dafür, dass du nicht angerufen hast, dass du nicht hier warst und dass du wieder fahren musst. Und dann, endlich, hast du es gesagt: „Ich möchte es auch nicht mehr weiterführen.“ Ich war dir so dankbar in diesem Moment, nichts habe ich mehr gebraucht als den finalen Todesstoß, um mich aus dem Zwielicht zu lösen, um mich aus dem Nebel zu befreien und endlich nicht mehr wütend zu sein, wenn du nicht anrufst, aufgeregt, wenn du kommst, fröhlich, wenn du da bist und traurig, wenn du wieder gehst. Und ich habe deinen Respekt gebraucht, die Augenhöhe, den Mut, unsere Zeit richtig zu beenden, befriedet und ohne Ungewissheit. Du hast ihn mir schlussendlich doch noch bewiesen, du hast es richtig gemacht, wenn auch spät, du hast mich los-, aber nicht fallengelassen.


Ich sitze hier und zittere ein wenig. Denn es macht mich traurig, dass ich mich nicht länger selber hinters Licht führen, mir eine Beziehung vorgaukeln kann. Dass ich jetzt wieder alleine bin und von vorne anfange, auf der Suche nach etwas Echtem oder zumindest nach seinem Doppelgänger. Denn mehr warst du nie, nur eine Spiegelung. Und ich habe dich zu mächtig werden lassen, habe versucht, dich vor den Gezeiten zu schützen, damit du nicht verblasst. Nun hat es ein Ende.


 


Ein Herz, ganz transparent auf Röntgenfilm in Weiß auf Schwarz,
kaum mehr nur als ein Schatten. Schau hindurch und schau, ob's reicht.
Am Horizont ein Glück so schön, dass man's beweint. Ich weiß von hier an auch nicht weiter, und wie es scheint,
ist es für Dich nicht anders, höchstens anders gemeint.
Bitte denk an mich im Guten, darum bang ich, mehr verlang ich nicht für jetzt.

Wohin jetzt mit der ganzen Ausgeschlafenheit?
Der Tag hat längst nicht mehr das Ziel, den Abend zu erreichen.
Der Tag wartet einfach, bis er stirbt, wird transparent, und ohne Mühe
folgt ein neuer, ihm zu gleichen.“ (Dota)


 


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