Ich bin Buchantiquar und betreibe seit vielen Jahren ein Ladengeschäft im Zentrum von Ravensburg. Mein Antiquariat gehört zu den immer weniger werdenden, die jungen Menschen die Möglichkeit eines antiquarischen Praktikums anbietet. Immer wieder erhalte ich deshalb Bewerbungen von jungen Studenten oder auch Absolventen, sogar aus dem Ausland, die sich dann auch online bewerben.
Allerdings ist im Längsschnitt der letzten zehn Jahre nun eine deutliche Veränderung der Bewerbungsdynamik zu verzeichnen: Immer mehr Bewerberinnen und Bewerber bewerben sich de facto nur noch "virtuell", d.h. sie senden zwar eine Bewerbung, diese ist aber dann nicht nur in der Regel eine unter vielen, sondern auch eine, die auch dann sogar am Vortag des Beginns noch zur Absage führen kann, also wenn die Absicht der Bewerberin durchaus ernst gemeint war.
Folgende email einer Bewerberin erreichte mich einen Tag vor dem vereinbarten Praktikumsbeginn:
"Es ist mir sehr unangenehm, aber ich habe mir das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen lassen und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich das Praktikum leider absagen muss. Dies ist eine ganz und gar pragmatische Entscheidung, die mir nicht leicht gefallen ist: Wäre ich in einer anderen Situation und Lebenslage, etwa am Anfang meines Studiums, ich hätte nicht lange nachgedacht und das Praktikum gemacht, denn das Interesse dafür ist selbstverständlich da. So aber muss ich einfach Prioritäten setzten. Ich kann mir keine unbezahlten Tätigkeiten mehr erlauben, auch wenn ich bei Ihnen mit Sicherheit sehr viel gelernt und arbeitszeitliche Privilegien genossen hätte und muss alle meine Anstrengungen daran setzten und meine Zeit darin investieren, bald tatsächlich irgendwo in Lohn und Brot zu stehen."
Nun ist das Bearbeiten selbst einer Praktikums-Bewerbung für einen Arbeitgeber durchaus zeitintensiv, sodaß es schon ärgerlich ist, wenn von den eingehenden Bewerbungen jede zweite nur optional ist und darüberhinaus stets vom Absprung in letzter Minute (!) bedroht ist. Hier hat sich im Zuge einer beschleunigten Arbeitsmarktdynamik ganz offensichtlich eine neue "Generation Unverbindlichkeit" herausgebildet mit einer aus meiner Sicht dramatisch nachlassenden Verbindlichkeit - letztlich icht nur Dritten, sondern auch sich SELBST gegebüber.
Meine Bereitschaft, weiterhin ein Buchhandelspraktikum anzubieten, ist deshalb nach einigen sich solcherart wiederholenden Fällen jedenfalls deutlich gesunken.
Das wollte ich für die jungen Leute hier bei jetzt.de einmal zum Nachdenken geben.
www.antiquariat-mehlsack.de
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"Generation Unverbindlich"
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