In der App "Whisper" posten Nutzer anonym Geheimnisse, seltsame Vorlieben und Peinlichkeiten, die sie sonst niemandem verraten würden. Die App ist ein Renner, weil sie dort ansetzt, wo Facebook und Co nerven: bei dem Druck, das eigene Leben möglichst perfekt darzustellen
Es gibt Dinge, die man keinem erzählen möchte, nicht dem besten Freund, nicht den Eltern, nicht dem Partner. Das können Dinge sein, die man getan oder auch nur gedacht hat, Dinge, die einem peinlich sind oder die man nicht zugeben möchte, weil man dann aussähe wie ein Idiot oder ein unsympathisches, geschmackloses, pietätloses Arschloch. Dinge allerdings, die trotzdem schlicht und einfach wahr sind. Und die man insgeheim doch mal gerne jemandem ins Ohr flüstern würde.
Zwei App-Entwickler aus Kalifornien haben darin eine Marktlücke vermutet. Und lagen goldrichtig. Vor etwa einem Jahr haben Michael Heyward und Brad Brooks ihre App „Whisper“ herausgebracht, eine Art digitalen Beichtstuhl. Momentan reißen sich im Silicon Valley die Investoren darum, bei ihnen einsteigen zu dürfen. Vor wenigen Tagen schrieben Technikblogger, das Unternehmen sei jetzt 100 Millionen Dollar Wert. Ziemlich viel Geld für ein paar Geheimnisse.
„Whisper“ bietet seinen Nutzern die Möglichkeit, anonym ihr Innerstes nach außen zu kehren und das zu offenbaren, was sie sich sonst nicht öffentlich sagen oder schreiben trauen. Man muss sich nicht anmelden, kein Konto anlegen, keine Klarnamen verraten oder sonst etwas preisgeben. Die Hürden sind möglichst gering gehalten, die Nutzer sollen sich total anonym und sicher fühlen, damit sie ihre Geheimnisse veröffentlichen. Hier kannst du alles rauslassen, lautet die Botschaft.
Die Geständnisse sind 200 Zeichen lang, man kann sie über ein passendes Bild legen und veröffentlichen. Im Whisper-Stream trudeln sie sekundenweise ein, thematisch ist fast alles dabei: Ein Nutzer schreibt, dass er den Attentäter des Bombenanschlags in Boston attraktiv findet. Ein Vater erzählt, dass er seinen Kindern heimlich Punk vorspiele, wenn seine Frau nicht zu Hause ist. Ein Kindergärtner gibt zu, dass er bei der Arbeit manchmal furze und einem seiner Kindergartenkinder die Schuld für den sich verbreitenden Geruch gebe.
Neben solchen eher kleinen Peinlichkeiten finden sich auch viele Einträge, in denen Nutzer Dinge loswerden wollen, die sie ernsthaft emotional belasten: ihre Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen oder mit dem eigenen Leben. Etwas, das das Gewissen belastet, das gerade einfach mal raus muss, das man sich aber niemandem zu erzählen traut. Ein US-Veteran zum Beispiel schreibt, er habe im Einsatz zwei Menschen getötet und müsse seiner Familie und seinen Freunden vorgaukeln, dass es ihm leid tue, obwohl er es gerecht fand und jederzeit wieder tun würde.
Die App setzt an einem Punkt an, der an sozialen Netzwerken wie Facebook schon oft kritisiert wurde: an dem Druck, den sie ausüben. An dem scheinbaren Zwang, das eigene Leben möglichst perfekt darzustellen, nur kluge, witzige und sympathische Statusmeldungen abzusetzen und möglichst schöne, originelle Fotos von tollen Orten und Ereignissen mit den Freunden zu teilen. Weil man anderen gefallen will oder Angst hat, dass der Chef mitliest, lässt man die peinlichen und unangenehmen Dinge unter den Tisch fallen. Was man auf Facebook sieht, ist nicht das reale Leben der Freunde, sondern eine mit dem sozialen Umfeld am besten kompatible Version dieses Lebens. Auf Whisper hingegen sollen auch die unschönen Wahrheiten ausgesprochen werden.
Wenn es um solche Geheimnisse geht, stellt sich natürlich auch die Frage, ob alles so geheim und anonym bleibt, wie die Macher der App versprechen. Sie bezeichnen die App zwar als anonymes Netzwerk, in der „Privacy Policy“ steht aber ausdrücklich, dass Whisper keine Vertraulichkeit garantiert.
Bisweilen wirkt die App auch wie eine riesige digitale Selbsthilfegruppe. Die Nutzer können die Geständnisse mit Herzen versehen und darauf antworten, es gibt Rankings der beliebtesten Beiträge. Hier kommt neben reinem Voyeurismus auch der „Geht mir genauso“-Effekt ins Spiel. Zu wissen, dass man mit einer seltsamen Angewohnheit nicht alleine ist, macht die Angewohnheit gleich weniger seltsam. Wer auf „Whisper“ etwas Peinliches ausplaudert, kann darauf hoffen, Gleichgesinnte zu finden, Leute, die Ähnliches bedrückt, die beschwichtigen und sagen: „Nicht so schlimm, du bist nicht der einzige.“
Die Antworten- und Herzen-Funktion hat natürlich den Nebeneffekt, dass der von Facebook bekannte Druck auch hier zum Tragen kommt – nur eben in der gegenteiligen Ausprägung. Auch bei „Whisper“ greift die Selbstdarstellungssucht, es geht letztlich auch um Zustimmung. Nur bekommt man eben Herzen für Fehler oder lausbubenhafte Geständnisse anstatt für lustige Youtube-Videos oder Katzenfotos.
Es gibt Dinge, die man keinem erzählen möchte, nicht dem besten Freund, nicht den Eltern, nicht dem Partner. Das können Dinge sein, die man getan oder auch nur gedacht hat, Dinge, die einem peinlich sind oder die man nicht zugeben möchte, weil man dann aussähe wie ein Idiot oder ein unsympathisches, geschmackloses, pietätloses Arschloch. Dinge allerdings, die trotzdem schlicht und einfach wahr sind. Und die man insgeheim doch mal gerne jemandem ins Ohr flüstern würde.
Zwei App-Entwickler aus Kalifornien haben darin eine Marktlücke vermutet. Und lagen goldrichtig. Vor etwa einem Jahr haben Michael Heyward und Brad Brooks ihre App „Whisper“ herausgebracht, eine Art digitalen Beichtstuhl. Momentan reißen sich im Silicon Valley die Investoren darum, bei ihnen einsteigen zu dürfen. Vor wenigen Tagen schrieben Technikblogger, das Unternehmen sei jetzt 100 Millionen Dollar Wert. Ziemlich viel Geld für ein paar Geheimnisse.
„Whisper“ bietet seinen Nutzern die Möglichkeit, anonym ihr Innerstes nach außen zu kehren und das zu offenbaren, was sie sich sonst nicht öffentlich sagen oder schreiben trauen. Man muss sich nicht anmelden, kein Konto anlegen, keine Klarnamen verraten oder sonst etwas preisgeben. Die Hürden sind möglichst gering gehalten, die Nutzer sollen sich total anonym und sicher fühlen, damit sie ihre Geheimnisse veröffentlichen. Hier kannst du alles rauslassen, lautet die Botschaft.
Die Geständnisse sind 200 Zeichen lang, man kann sie über ein passendes Bild legen und veröffentlichen. Im Whisper-Stream trudeln sie sekundenweise ein, thematisch ist fast alles dabei: Ein Nutzer schreibt, dass er den Attentäter des Bombenanschlags in Boston attraktiv findet. Ein Vater erzählt, dass er seinen Kindern heimlich Punk vorspiele, wenn seine Frau nicht zu Hause ist. Ein Kindergärtner gibt zu, dass er bei der Arbeit manchmal furze und einem seiner Kindergartenkinder die Schuld für den sich verbreitenden Geruch gebe.
Neben solchen eher kleinen Peinlichkeiten finden sich auch viele Einträge, in denen Nutzer Dinge loswerden wollen, die sie ernsthaft emotional belasten: ihre Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen oder mit dem eigenen Leben. Etwas, das das Gewissen belastet, das gerade einfach mal raus muss, das man sich aber niemandem zu erzählen traut. Ein US-Veteran zum Beispiel schreibt, er habe im Einsatz zwei Menschen getötet und müsse seiner Familie und seinen Freunden vorgaukeln, dass es ihm leid tue, obwohl er es gerecht fand und jederzeit wieder tun würde.
Die App setzt an einem Punkt an, der an sozialen Netzwerken wie Facebook schon oft kritisiert wurde: an dem Druck, den sie ausüben. An dem scheinbaren Zwang, das eigene Leben möglichst perfekt darzustellen, nur kluge, witzige und sympathische Statusmeldungen abzusetzen und möglichst schöne, originelle Fotos von tollen Orten und Ereignissen mit den Freunden zu teilen. Weil man anderen gefallen will oder Angst hat, dass der Chef mitliest, lässt man die peinlichen und unangenehmen Dinge unter den Tisch fallen. Was man auf Facebook sieht, ist nicht das reale Leben der Freunde, sondern eine mit dem sozialen Umfeld am besten kompatible Version dieses Lebens. Auf Whisper hingegen sollen auch die unschönen Wahrheiten ausgesprochen werden.
Wenn es um solche Geheimnisse geht, stellt sich natürlich auch die Frage, ob alles so geheim und anonym bleibt, wie die Macher der App versprechen. Sie bezeichnen die App zwar als anonymes Netzwerk, in der „Privacy Policy“ steht aber ausdrücklich, dass Whisper keine Vertraulichkeit garantiert.
Bisweilen wirkt die App auch wie eine riesige digitale Selbsthilfegruppe. Die Nutzer können die Geständnisse mit Herzen versehen und darauf antworten, es gibt Rankings der beliebtesten Beiträge. Hier kommt neben reinem Voyeurismus auch der „Geht mir genauso“-Effekt ins Spiel. Zu wissen, dass man mit einer seltsamen Angewohnheit nicht alleine ist, macht die Angewohnheit gleich weniger seltsam. Wer auf „Whisper“ etwas Peinliches ausplaudert, kann darauf hoffen, Gleichgesinnte zu finden, Leute, die Ähnliches bedrückt, die beschwichtigen und sagen: „Nicht so schlimm, du bist nicht der einzige.“
Die Antworten- und Herzen-Funktion hat natürlich den Nebeneffekt, dass der von Facebook bekannte Druck auch hier zum Tragen kommt – nur eben in der gegenteiligen Ausprägung. Auch bei „Whisper“ greift die Selbstdarstellungssucht, es geht letztlich auch um Zustimmung. Nur bekommt man eben Herzen für Fehler oder lausbubenhafte Geständnisse anstatt für lustige Youtube-Videos oder Katzenfotos.