Wenn ich meinen Freundeskreis mal so betrachte, ist das schon ein ziemlich ärmliches Bild- ddie Meisten sind kinderlos und werden es vermutlich auch nach eigenen Aussagen bleiben. Nicht, dass ich keins möchte- ich möchte unbedingt ein Kind. Nichtsdestotrotz habe ich noch keins. Und das hat auch seinen Grund.
Mein Freund und ich wären vielleicht sogar recht gute Eltern. Aber nur, wenn wir verzichten würden. Unabhängig davon, dass wir in einem Land leben, dass auf Kinder nicht gewartet hat, haben wir uns einen guten Lebensstandard aufgebaut, den wir mit einem Kind nicht halten könnten, ist ein Kind doch sowas wie eine Luxusanschaffung heutzutage. Um meinem Lebensstandard zu halten, müsste ich nicht nur mein Gehalt weiter bekommen, durch die ganzen Anschaffungen, die damit verbunden sind, bräuchte ich noch mindestens 500 EUR mehr im Monat. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich würde meinem Kind zuliebe auf so einiges verzichten, wenn ich es müsste. Aber muss man das denn?
Ich will ein Kind, ihm beim Aufwachsen zusehen und mich darum kümmern. Ich will eine Mama sein. Aber nicht ausschließlich. Ich will feiern gehen, mein Kind als mein engstes vertrautes Wesen neben meinem Mann bei mir haben und es überall mit hinnehmen können. Ich will mein Leben für dieses Kind geben ohne ein Leben dabei zu verlieren. Ich will nicht mich aufgeben und mir die Haare und Fingernägel kurz schneiden, weil es "praktischer" ist, nicht mehr raus gehen weil ich ein Kind habe und mit anderen frustrierten Müttern dämliche Erziehungsgespräche führen und inflationär die Worte "unverantwortlich" und "Das Kind muss sich selbst entfalten und sich selbst entscheiden" verwenden und, verflucht nochmal, keine Schwangerschafts- oder Erziehungsratgeber lesen, sondern mich nur auf meinen von der Natur mitgegebenen Instinkt verlassen. Ich habe keine Lust, jedes Wochenende mit anderen Muttis im Kreis zu sitzen und mich über die Männer zu echauffieren, Partys abzusagen, weil ich meinem Kind stundenlang beim Schlafen zuschauen muss. Wo ist denn die gute alte Gelassenheit der Mamas hin? Ich erinnere mich noch sehr gut an meine eigene Kindheit. Damals war es noch völlig normal, dass man sein Kind -egal wie alt- mit zu Festivitäten nahm. Da wurde der Kinderwagen an den Rand gestellt und jeder der anderen Anwesenden hat mal nachgeschaut. Jeder hat mitgemacht und Bescheid gesagt, wenn der Wurm etwas zu beklagen hatte. Meistens hat der Wurm aber nur geschlafen und hat herzlich wenig Interesse an dem Geschehen umher gehabt. Die anderen Anwesenden haben genau gewusst, wie man mit diesem Kind umgeht und notfalls auch mal selbst ein Schlaflied angestimmt. Die Mutter selbst hat meist davon gar nichts mitbekommen und konnte sich dem Gespräch am Tisch widmen. Heute ist das Kind widerwillig bei der Oma geparkt die die Anweisung bekommen hat beim kleinsten Pups des Kindes, die Mutter anzurufen und Alarm zu schlagen.
Als ich älter war, wurde ich fast jedes Wochenende mitgenommen, egal wohin. Am tollsten waren die Umzüge bei Bekannten meiner Eltern. Da war immer was los. Ich habe dann mit den zahlreichen anderen Kindern der Freunde meiner Eltern gespielt. Teilweise sind wir den ganzen Nachmittag auf dem Spielplatz gewesen und haben uns nicht bei unseren Eltern blicken lassen. Später haben die Erwachsenen dann zum Abschluss gegrillt und wir Kinder saßen dann mittendrin und haben einfach Spaß am Leben gehabt. Die anderen Erwachsenen haben sich genauso gut um uns gekümmert. Selbst die Kinderlosen, sofern es denn überhaupt welche gab, haben uns als selbstverständlich akzeptiert und mit uns faxen gemacht. Da hat sich niemand dazu genötigt gefühlt, dem Anderen Ratschläge zu erteilen und niemand hat das Bedürfnis verspürt, die Fähigkeiten seines Kindes mit dem des befreundeten Paares zu vergleichen. Es war vielmehr so, dass man den Kindern angesehen hat, dass es ihnen gut geht. Heute steht Klein-Finn alle fünf Minuten neben Mama und fragt nach irgendwas, weil er nicht gelernt hat, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Ich habe früher gelernt, dass ich erst sprechen soll, wenn die Eltern ausgeredet haben. Heute quatscht Klein-Finn dazwischen und Mama beendet jedes Gespräch und hat sofort alle Aufmerksamkeit für ihren verzogenen Jungen über.
Wenn ich mal den Bogen überspannt habe, hat meine Mutter damals sehr gut gewusst, mich zu bändigen. Ich habe bereits an ihrem Blick und ihrem Ton gewusst, dass ich jetzt besser mit dem aufhöre, was ich da gerade mache. Meistens hat sie dann ihren Unterkiefer hervor geschoben, sodass man ihre unteren Zähne sehen konnte und ganz laut „Frollein!“ gesagt. Wenn ich dann Widerworte gab oder allen Ernstes weiter machte (was ich immer mal wieder machte), gab es Konsequenzen. Ab nach Hause. Ab ins Bett. Feierabend. Oder meine Mutter hat mich den gesamten Rest des Tages ignoriert, was eine richtige Tortur für mich war. Heute zählt Mama lieblos bis drei, um sich dann danach unverrichteter Dinge wieder genervt dem anderen Geschehen zuzuwenden. Klein-Finn oder Lukas oder Lisa oder wie auch immer dieses schnöselige, verzogene Kind heißt, macht genau dort weiter, wo es aufgehört hat und schmeißt Regale um, macht das Eigentum anderer kaputt oder schreit wild umher, weil es nicht wie gewohnt Mamas ungeteilte Aufmerksamkeit bekommt. Mama hingegen zählt zum hundertsten mal bis drei und Finn weiß genau, dass danach eh nichts passiert. Wie auch immer, Finn findet es lustig. Ich kann mich an zwei Situationen erinnern, dass ich tatsächlich einen ordentlichen Klaps auf den Hintern bekam. Ich weiß zwar nicht mehr, was da war, aber ich bin mir sicher, dass ich es da wirklich auf die Spitze getrieben haben muss. Die Vorzeigemütter unter euch werden wahrscheinlich jetzt beherzt aufschreien und „unverantwortlich“ und „keine Gewalt“ schreien. Völlig richtig. Ein Kind oder überhaupt einen Mitmenschen zu schlagen oder zu misshandeln ist sicher etwas ganz Schlimmes und tatsächlich unverantwortlich. Ich glaube aber, dass es einen Unterschied zwischen Schlagen und „jemanden wieder in die Spur bringen“ gibt. Auch wenn meine Mutter mich mal angeschrien hat oder mir einen sanftem Klaps auf den Hintern verpasste, wusste ich, dass sie mir nicht ernsthaft schaden wollte. Ich hatte in solchen Momenten –mit Sicherheit- einen riesigen Respekt, weil ich sehen und fühlen konnte, wie sehr ich sie wohl verärgert haben musste. Aber Angst? – Nein. Ich bin mir sicher, dass sie (fast) alles für mich getan hätte und, dass sie mich wie auch heute wahnsinnig geliebt hat. In manchen Situationen ertappe ich mich selbst dabei, wie ich gerade meinen Unterkiefer nach vorn schiebe während ich mit meinem Freund streite. Ich bin mindestens zur Hälfte ein Abbild meiner Mutter und meines Vaters. Kein Klaps auf den Hintern und keine klare Ansage –mag sie noch so laut gewesen sein- hat mich jemals daran zweifeln lassen, dass ich geliebt werde. Ich widerspreche jedem noch so hochstudierten Sozialpädagogen oder Sonst wem, der behauptet, eine erhobene Stimme oder ein Klaps in den Nacken würde irreparable Folgen für das Kind haben, für immer und ewig. Ich habe meine Schule recht gut beendet, danach studiert und mit 21 mein Diplom abgeschlossen. Jetzt bin ich mit 25 Beamtin auf Lebenszeit, habe mir eine gute Lebensgrundlage geschaffen und denke selber über Kinder nach. Das Einzige, was mich immer wieder davon abhält ist die Gewissheit, dass mein Kind wohl niemals so eine unbeschwerte, schöne Kindheit wie ich haben wird. Es gibt doch kaum noch Kinder. Und die, die es gibt, werden von ihren Eltern verwöhnt, verhätschelt und zu uneigenständigen Narzissten erzogen. Manchmal auch, weil sie keine andere Wahl haben. Eine Party unter Freunden mit den Kindern? – Mit wem soll denn mein Kind spielen? Ein Umzug bei Freunden und das Kind mitbringen? – Ja ok, aber nur, wenn das Kind nicht mit seinen dreckigen Händen meine weißen Kissen anfässt. In Zeiten der Ungebundenheit, in der man nicht mal gerne einen Handyvertrag abschließen mag, sind Kinder ein Symbol für Bindung wider Willen, Stress und Anstrengung. Die meisten wollen keine Kinder mehr, weil sie befürchten, dann nicht mehr das machen zu können, was sie sollen. Dabei ist das doch alles eine Sache des Willens, mag es noch so abgedroschen klingen. Ich habe von meiner Freundin gehört, dass ein Kind heutzutage schon seinen Namen schreiben können muss, um überhaupt erstmal in die erste Klasse zu kommen. Wie bitte?- Ich dachte dazu geht man die Schule? In den Kindergärten gibt es teilweise Mittagspausen für die Erzieher, sodass zwischen zwölf und zwei die Mütter eben zusehen müssen wie sie ihre Kinder unterbringen. – Wie bitte? Vermieter lehnen das nette, junge Paar ab, weil sie ein kleines Kind haben. – Häh? Eine arbeitslose Frau bekommt keinen Hortplatz für das Kind, eine Arbeit bekommt sie aber erst, wenn sie einen Hortplatz hat? – Was zum Teufel?
Ist es denn wirklich unmöglich eine Mutter UND ein eigenständiger Mensch zu sein? Solang es noch Menschen gibt, die den Kindergarten wegen Lärmbelästigung verklagen, Sozialpädagogen Kinder wie Erwachsene behandeln wollen und Mütter sich untereinander sich bei jeder nicht üblichen Erziehungsmethode als „Rabenmutter“ bezeichnen, ist diese Frage wohl zu bejahen. Wer setzt schon gern ein Kind in die Welt, wenn er weiß, dass das Kind mehr leisten, schneller erwachsen, mehr leiden und weniger Kind sein muss als man es selbst?