Bei Tengelmann empfehlen Mitarbeiter neuerdings ihre Lieblingsprodukte. Nirgends ist besser zu beobachten, wie sich der Trend der Personalisierung gerade in sein unsinniges Gegenteil verkehrt
Früher wurden Prominente als Werbefiguren herangezogen, wenn es darum ging, dass jemand mit seinem Namen für etwas stehen sollte. Heute stehen Müllmanner mit ihren Gesichtern für ihre Viertel, Ärzte beteuern auf großen Plakaten mit ernster Miene, dass sie wirklich sie selbst sind und ihren Beruf lieben und in Magazinen werden Texte immer öfter mit Autorenfoto und Autorenzeile gedruckt, in denen der Schreiber eine vertrauliche Hintergrundanekdote zum Besten gibt. Bei Shell gibt es auf einmal wieder Tankwarte und auf der Plakatwerbung der Rheinbahn in Düsseldorf werden Bus- und Bahnfahrer mitsamt ihres Hobbys vorgestellt. In einer Welt, die in ihrer ständigen Verfügbarkeit von allem und jedem nicht unübersichtlicher und unpersönlicher sein könnte, sind „Authentizität" und die Technik der persönlichen Empfehlung anscheinend die einzige Möglichkeit, überhaupt noch jemanden zu erreichen. Und tatsächlich kann auch niemand bestreiten, dass es ein schönes Gefühl ist, an die Hand genommen zu werden und gesagt zu bekommen: "Nimm das, geh dahin, vertraue mir, es ist gut für dich."
Bei Tengelmann zeigt sich das Ansinnen, mehr Menschlichkeit in die Welt des Konsums zu tragen, derzeit von seiner vielleicht absurdesten Seite. Die neue Marketingidee der Kette lautet: Mitarbeiter empfehlen ihre Lieblingsprodukte. Das Ganze läuft unter dem Slogan: Tengelmann – immer eine gute Idee! Wer durch die Regale wandelt, entdeckt unter manchen Produkten kleine Zettelchen, auf denen mit Kugelschreiber Sachen geschrieben stehen wie: „Das darf beim Grillen nicht fehlen! Steak Sauce. Eine Idee von: C. Tanner." Oder: „Nesquik Cacao-Snack. Sehr weich und lecker! Eine Idee von: Yaslak."
Die Wirkkraft der Kampagne entspricht in etwa der Präzision ihrer kulinarischen Beschreibung: Egal bis verstörend. Wer ist dieser C. Tanner? Wer ist Yaslak? Ein Junge, ein Mädchen, ein Nachname, ein Vorname? Das Mädchen im zu großen Kittel, das gerade die Schattenmorellen zurecht rückt? Der Typ an der Kasse, der gleich einschläft? Will den Cacao-Snack sonst keiner haben?
Das Prinzip, nach dem die Produkte ausgewählt werden, leuchtet nicht so richtig ein. Zumal die Empfehlungen nicht gerade nach ehrlicher Begeisterung klingen. Im Gegenteil: Verdächtig nach Pflichtübung und einem Zettel, der im Pausenraum des Supermarktes aushängt, auf dem die Mitarbeiter aus einer Reihe an „Sie könnten z.B dies schreiben"-Formulierungsvorschlägen auswählen sollen. Es schreibt ja keiner: „Coca Cola, der geilste Scheiß unter diesem Himmel, ohne kann ich nicht leben!!!!!!!". Stattdessen werden vornehmlich Produkte beworben, die einem im Supermarkt noch NIE aufgefallen sind oder bei denen man sich sowieso schon gefragt hat, wer die eigentlich kauft. Dass direkt neben den kleinen Zettelchen, die da im Kühlregalwind flattern, andere Zettel vom gleichen Format sind, auf denen aber steht: „Ich muss raus!", und die auf reduzierte Produkte hinweisen, macht die Sache nicht gerade Vertrauen erweckender.
Wenn ein Buchhändler auf seine Lieblingsbücher handgeschriebene Kärtchen legt, auf denen steht, warum er das Buch lesenswert findet, vermittelt das ein stimmiges Gefühl. Ein Buchverkäufer liebt Bücher, eine eingesessene Buchhandlung ist ein sehr emotionaler Ort. Empfehlungen von Leuten, die etwas ernsthaft lieben, sind nicht nur eine wirkliche Bereicherung, ihnen haftet auch immer ein wenig von einem Geheimtipp an, und Geheimtipps verteilt man eigentlich nur an Menschen, die man mag. Wenn man eine Empfehlung bekommt oder in irgendeiner Form die persönliche Zugewandtheit einer Person spürt, fühlt man sich auch immer ein bisschen geliebt. Empfehlungen erzählen im besten Fall Geschichten und bewirken das Gegenteil des Gefühls, dass einem hier jemand etwas verkaufen will.
Der städtische Supermarkt war bisher mit seinen allwöchentlich wechselnden Angeboten, dem gekennzeichneten Restpostenkorb, Pappaufstellern für neue Produkte oder der gelegentlichen Anwesenheit einer Kostprobenvertreterdame einer der ehrlichsten und effektivsten Orte des Konsums. Hier strömen die Menschen in morgendlicher oder feierabendlicher Eile rein und raus und sind auf nicht viel mehr als auf sich und ihren Einkaufszettel bedacht. Ein deutscher Stadtsupermarkt ist kein Ort des Treibenlassens, sondern der einer handfesten Erledigung. Es riecht nach einer Mischung aus Plastik, Kühlregal und abgestandenem Leergut und wenn man alles hat, ist man auch ganz froh, wieder raus zu sein. Beratungen, die über ein „Wo steht denn bei euch die Trockenhefe?" hinausgehen, sind hier nicht nötig. Jeder, der hier reingeht, weiß ungefähr, was er braucht.
So abwegig es in Zeiten der flächendeckenden Vertraulichkeit scheint, aber: Es reicht, dass die Produkte einfach nur in ihren Regalen stehen und darauf warten, abgeholt zu werden. Es gilt die alte Regel, dass Läden und Produkte aus sich selbst heraus überzeugen müssen. Es gibt einfach keinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass mir irgendein Mitarbeiter, von dem ich noch nicht mal weiß, wie er aussieht, für was er sich sonst noch so interessiert und ob er jetzt eher so der kulinarische Steak-für-den-Toaster-Typ oder vielleicht doch der Büffelmozarella-Gourmet ist, mir mit einer austauschbaren Blabla-Floskel sein „Lieblingsprodukt" erfolgreich ans Herz legt. Die Wirkung ist die eines Tourimeilen-Kellners, der einen mit dreist-vertrauter Ich-hab-da-schon-mal-was-für-Sie-vorbereitet-Manier in sein Restaurant ziehen will: Im Zweifel eher abschreckend.
Früher wurden Prominente als Werbefiguren herangezogen, wenn es darum ging, dass jemand mit seinem Namen für etwas stehen sollte. Heute stehen Müllmanner mit ihren Gesichtern für ihre Viertel, Ärzte beteuern auf großen Plakaten mit ernster Miene, dass sie wirklich sie selbst sind und ihren Beruf lieben und in Magazinen werden Texte immer öfter mit Autorenfoto und Autorenzeile gedruckt, in denen der Schreiber eine vertrauliche Hintergrundanekdote zum Besten gibt. Bei Shell gibt es auf einmal wieder Tankwarte und auf der Plakatwerbung der Rheinbahn in Düsseldorf werden Bus- und Bahnfahrer mitsamt ihres Hobbys vorgestellt. In einer Welt, die in ihrer ständigen Verfügbarkeit von allem und jedem nicht unübersichtlicher und unpersönlicher sein könnte, sind „Authentizität" und die Technik der persönlichen Empfehlung anscheinend die einzige Möglichkeit, überhaupt noch jemanden zu erreichen. Und tatsächlich kann auch niemand bestreiten, dass es ein schönes Gefühl ist, an die Hand genommen zu werden und gesagt zu bekommen: "Nimm das, geh dahin, vertraue mir, es ist gut für dich."
Bei Tengelmann zeigt sich das Ansinnen, mehr Menschlichkeit in die Welt des Konsums zu tragen, derzeit von seiner vielleicht absurdesten Seite. Die neue Marketingidee der Kette lautet: Mitarbeiter empfehlen ihre Lieblingsprodukte. Das Ganze läuft unter dem Slogan: Tengelmann – immer eine gute Idee! Wer durch die Regale wandelt, entdeckt unter manchen Produkten kleine Zettelchen, auf denen mit Kugelschreiber Sachen geschrieben stehen wie: „Das darf beim Grillen nicht fehlen! Steak Sauce. Eine Idee von: C. Tanner." Oder: „Nesquik Cacao-Snack. Sehr weich und lecker! Eine Idee von: Yaslak."
Die Wirkkraft der Kampagne entspricht in etwa der Präzision ihrer kulinarischen Beschreibung: Egal bis verstörend. Wer ist dieser C. Tanner? Wer ist Yaslak? Ein Junge, ein Mädchen, ein Nachname, ein Vorname? Das Mädchen im zu großen Kittel, das gerade die Schattenmorellen zurecht rückt? Der Typ an der Kasse, der gleich einschläft? Will den Cacao-Snack sonst keiner haben?
Das Prinzip, nach dem die Produkte ausgewählt werden, leuchtet nicht so richtig ein. Zumal die Empfehlungen nicht gerade nach ehrlicher Begeisterung klingen. Im Gegenteil: Verdächtig nach Pflichtübung und einem Zettel, der im Pausenraum des Supermarktes aushängt, auf dem die Mitarbeiter aus einer Reihe an „Sie könnten z.B dies schreiben"-Formulierungsvorschlägen auswählen sollen. Es schreibt ja keiner: „Coca Cola, der geilste Scheiß unter diesem Himmel, ohne kann ich nicht leben!!!!!!!". Stattdessen werden vornehmlich Produkte beworben, die einem im Supermarkt noch NIE aufgefallen sind oder bei denen man sich sowieso schon gefragt hat, wer die eigentlich kauft. Dass direkt neben den kleinen Zettelchen, die da im Kühlregalwind flattern, andere Zettel vom gleichen Format sind, auf denen aber steht: „Ich muss raus!", und die auf reduzierte Produkte hinweisen, macht die Sache nicht gerade Vertrauen erweckender.
Wenn ein Buchhändler auf seine Lieblingsbücher handgeschriebene Kärtchen legt, auf denen steht, warum er das Buch lesenswert findet, vermittelt das ein stimmiges Gefühl. Ein Buchverkäufer liebt Bücher, eine eingesessene Buchhandlung ist ein sehr emotionaler Ort. Empfehlungen von Leuten, die etwas ernsthaft lieben, sind nicht nur eine wirkliche Bereicherung, ihnen haftet auch immer ein wenig von einem Geheimtipp an, und Geheimtipps verteilt man eigentlich nur an Menschen, die man mag. Wenn man eine Empfehlung bekommt oder in irgendeiner Form die persönliche Zugewandtheit einer Person spürt, fühlt man sich auch immer ein bisschen geliebt. Empfehlungen erzählen im besten Fall Geschichten und bewirken das Gegenteil des Gefühls, dass einem hier jemand etwas verkaufen will.
Der städtische Supermarkt war bisher mit seinen allwöchentlich wechselnden Angeboten, dem gekennzeichneten Restpostenkorb, Pappaufstellern für neue Produkte oder der gelegentlichen Anwesenheit einer Kostprobenvertreterdame einer der ehrlichsten und effektivsten Orte des Konsums. Hier strömen die Menschen in morgendlicher oder feierabendlicher Eile rein und raus und sind auf nicht viel mehr als auf sich und ihren Einkaufszettel bedacht. Ein deutscher Stadtsupermarkt ist kein Ort des Treibenlassens, sondern der einer handfesten Erledigung. Es riecht nach einer Mischung aus Plastik, Kühlregal und abgestandenem Leergut und wenn man alles hat, ist man auch ganz froh, wieder raus zu sein. Beratungen, die über ein „Wo steht denn bei euch die Trockenhefe?" hinausgehen, sind hier nicht nötig. Jeder, der hier reingeht, weiß ungefähr, was er braucht.
So abwegig es in Zeiten der flächendeckenden Vertraulichkeit scheint, aber: Es reicht, dass die Produkte einfach nur in ihren Regalen stehen und darauf warten, abgeholt zu werden. Es gilt die alte Regel, dass Läden und Produkte aus sich selbst heraus überzeugen müssen. Es gibt einfach keinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass mir irgendein Mitarbeiter, von dem ich noch nicht mal weiß, wie er aussieht, für was er sich sonst noch so interessiert und ob er jetzt eher so der kulinarische Steak-für-den-Toaster-Typ oder vielleicht doch der Büffelmozarella-Gourmet ist, mir mit einer austauschbaren Blabla-Floskel sein „Lieblingsprodukt" erfolgreich ans Herz legt. Die Wirkung ist die eines Tourimeilen-Kellners, der einen mit dreist-vertrauter Ich-hab-da-schon-mal-was-für-Sie-vorbereitet-Manier in sein Restaurant ziehen will: Im Zweifel eher abschreckend.