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Bayerns Prämie

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Notfalls, so hatte es CSU-Chef Horst Seehofer angekündigt, werde er selbst zum Kugelschreiber greifen und nach jeder Kabinettssitzung ein paar Überweisungsträger für das Betreuungsgeld ausfüllen. Das war im Sommer, als die Auszahlung kurz bevorstand. Gerade in Bayern, wo die erbittertsten Befürworter der umstrittenen 100-Euro-Prämie sitzen, sollte dies möglichst unbürokratisch geschehen. Dass nun nach einer neuen Statistik vor allem im Freistaat das Geld abgefragt wird, überrascht nicht. Es war zwar nicht Seehofers Hand, die die Überweisungen für 15588 Eltern von Kleinkindern auf den Weg brachte. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales verschickt an alle Elterngeld-Berechtigten automatisch Antragsformulare für das Betreuungsgeld – bereits ausgefüllt. Das motiviert natürlich; in den anderen Bundesländern muss sich jede Familie alleine darum kümmern.




Die erbittertsten Kämpfer für das Betreuungsgeld kamen aus dem Süden, dort wird es nun auch am häufigsten beantragt


An 64877 Kinder, beziehungsweise deren Eltern, ist in den ersten fünf Monaten bundesweit die als „Herdprämie“ geschmähte Leistung ausgezahlt worden. Das Statistische Bundesamt hat erstmals Zahlen vorgelegt, die sich auf den Zeitraum vom 1. August bis 31. Dezember 2013 beziehen. Demnach liegt Bayern bei den absoluten Zahlen an der Spitze, Baden-Württemberg folgt mit 14622 Empfängern von Betreuungsgeld, in Nordrhein-Westfalen werden 13242 Kleinkinder unterstützt, die zu Hause betreut werden. Selbst wenn man berücksichtigt, wie viele Menschen in den einzelnen Ländern leben, zeigt sich, wie unterschiedlich die Hilfe angenommen wird: in Baden-Württemberg und Bayern leben weniger Menschen als in Nordrhein-Westfalen, aber mehr Betreuungsgeld-Empfänger. Ähnlich sieht es im Vergleich zu Ostdeutschland aus, wo einschließlich Berlin nur 4653 Familien Betreuungsgeld bezogen.

Das Betreuungsgeld war nach langem politischen Hick-Hack gleichzeitig mit dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz im 1. August 2013 eingeführt worden. Eltern von ein- und zweijährigen Kindern, die keinen öffentlich geförderten Platz in einer Kindertagesstätte oder bei einer Tagesmutter in Anspruch nehmen, bekommen 100 Euro pro Monat. Vom 1. August 2014 an werden es 150 Euro sein. Mütter und Väter können das Geld maximal 22 Monate beziehen. Das Bundesamt hat am Donnerstag lediglich bewilligte und ausgezahlte Leistungen berücksichtigt.

Die Statistiker räumen ein, dass insgesamt mehr Eltern Anträge gestellt haben. Diese seien aber abgewiesen oder noch nicht auf den Weg gebracht worden. Um den 1. August 2013 herum, als die ersten Formulare abgeschickt werden konnten, hatte es viel böses Blut und Verwirrung bei Müttern und Vätern gegeben. In der höchst emotional geführten Debatte zuvor, ob es nun verantwortungsvoller sei, die Kinder zu Hause oder in der Krippe spielen zu lassen, war ein entscheidender Termin nämlich untergegangen: Der Stichtag 31. Juli 2012. Nur Kinder, die danach geboren worden waren, zählten. Eltern, die Formulare für ihre Zweijährigen ausgefüllt hatten, bekamen also Absagen. Viele Anträge waren ungültig.

Auffällig ist ein großer Unterschied zwischen Ost und West bei der Bezugsdauer: In den neuen Ländern rechnen die Statistiker damit, dass die Eltern durchschnittlich 13,1 Monate lang Betreuungsgeld erhalten. Das ist deutlich kürzer als im Westen: Hier deuten die ersten Zahlen auf bis zu 19,7 Monate hin. Insgesamt haben fast 78 Prozent der Familien den Antrag für 22 Monate gestellt. Hauptsächlich Frauen haben die Anträge in den ersten fünf Monaten ausgefüllt – es waren 95 Prozent. 79 Prozent von ihnen sind verheiratet. Es spielt keine Rolle bei Ehepaaren, wer der Antragsteller ist. Selbst bei der Geschlechterverteilung fällt der Ländervergleich unterschiedlich aus: In Bremen war fast jeder zehnte Bezieher von Betreuungsgeld ein Mann (neun Prozent). In Mecklenburg-Vorpommern waren es nur zwei Prozent.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), bis Dezember Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, hatte von dort aus vehement gegen das Betreuungsgeld gekämpft und von einer „Fernhalteprämie“ vom Arbeitsmarkt gesprochen. Nun muss sie die Leistung qua Amt verwalten. Ein Trend lasse sich aus den Zahlen nicht ablesen, gab sich eine Sprecherin am Donnerstag zurückhaltend. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wies darauf hin, dass das Betreuungsgeld vor allem dort nachgefragt werde, wo „ein öffentlich geförderter Betreuungsplatz nicht zur Verfügung stand“. Daher wäre es besser, das Geld in den Ausbau der Betreuungsinfrastruktur zu investieren, erklärte DGB-Vize Elke Hannack. Für den Zeitraum zwischen August und Dezember hatte der Bund 55 Millionen Euro eingeplant. In diesem Jahr sind 515 Millionen vorgesehen, 2015 werden es 1,1 Milliarden Euro sein.


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