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Das lässt sich alles technisch lösen

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Überlebensgroß blickte Edward Snowden von der riesigen Videowand herunter. „Es sind die Macher, die Denker, die unsere Probleme lösen können“, schwor er die vollgepackte Halle auf der South by Southwest (SXSW) in Austin, Texas ein. „Die Menschen hier im Saal sind unsere Feuerwehrleute, die dazu beitragen können, unsere Probleme zu lösen.“




Beim SXSW-Festival in Austin treffen sich Leute mit Zukunftsvisionen

Es ist ein Coup für das Digitalfestival SXSW Interactive, dass Snowden per Videoschaltung in seine alte Heimat zurückgekehrt ist. Der Großteil Amerikas will dem Mann, dessen NSA-Enthüllungen der Internet-Geschichte eine entscheidende Wende gegeben haben, weiterhin keine Gnade gewähren. Doch in Austin trifft sich eben nicht Amerika, sondern der Teil, der das Land auf dem digitalen Pfad in die Zukunft führen möchte. Am Ende erhielt Snowden Standing Ovations.

Die SXSW ist eine progressive Institution. Zehntausende schwirren dieser Tage durch die Universitätsstadt, die so anders als der Rest von Texas ist. Doch während der Film- und der Musikteil des Festivals vor allem bestehende kulturelle Trends abbilden, hat der Digital-Arm den Ruf, die Zukunft in die Gegenwart zu holen. Der erste größere Auftritt Mark Zuckerbergs, der Durchbruch von Twitter – die Spur der amerikanischen Internetbranche führt nicht nur durch das Silicon Valley.

2014, so will es zumindest die New York Times wissen, bleiben die meisten wichtigen Menschen aus Kalifornien zwar lieber zu Hause, anstatt nach Austin zu fahren. Der Euphorie tat das allerdings keinen Abbruch. Besucher aus dem Rest der USA und ein großes internationales Publikum füllen die Lücke. Neben Entwicklern, Aktivisten und Start-up-Gründern haben längst auch Unternehmen anderer Branchen verstanden, dass die Digitalisierung der Welt auch sie betrifft – und ihnen womöglich ein Geschäftsmodell bietet.

„Lasst uns den Kapitalismus feiern“, rief am Freitag ein ironisch grinsender Google-Chefdiplomat Eric Schmidt aus, auf die 19-Milliarden-Dollar-Übernahme von Whatsapp durch Facebook angesprochen. „19 Milliarden für 50 Mitarbeiter? Gut für sie!“ Während die Geheimdienste Daten saugen, spült die Erwartung großer Geschäfte – unter anderem durch die Sammlung und Vermarktung von Kundendaten – ständig neues Kapital in die Internetbranche und treibt Bewertungen ungebremst in die Höhe.

Was in Deutschland als Widerspruch wahrgenommen wird, löst sich auf der SXSW in der Logik des digitalen Fortschritts auf: „Verschlüsselung funktioniert“, sagt Edward Snowden, und fordert die Technologiebranche auf, die Systeme so zu vereinfachen, dass sie massentauglich werden. Der optimistische Glaube an die technische Lösbarkeit der Überwachungsprobleme durchzog die Stimmung in Austin, auch wenn die Unzufriedenheit über die bisherige politische Reaktion auf die NSA-Affäre greifbar war.

Die digitale Privatsphäre, das zeigen auch die eher spärlich frequentierten Fachdebatten, spielt insgesamt eine Nebenrolle – es sei denn, sie ist mit einem Geschäftsmodell verbunden. Während Europa über Datenschutzrichtlinien diskutiert, baut das Silicon Valley mobile soziale Netzwerke wie Whisper und Secret, die das Bedürfnis nach Privatheit erfüllen sollen. „Die Nutzer wollen etwas veröffentlichen, ohne soziales Kapital dahinter zu investieren“, erklärte der 32-jährige Secret-Gründer David Byttow das Konzept. Noch aber sind dies eher soziale Experimente als Trends oder Antworten auf die Vermarktbarkeit der digitalen Identität.

Größere Bedeutung haben die Vorhersagen von Koryphäen wie Joi Ito, dem Chef des Medialabs am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. Chromosome seien die Speicher- und Programmiermedien der Zukunft; statt einer Produktion mit 3-D-Druckern könne man in einigen Jahren einfach Objekte wachsen lassen. „Was in den Achtzigern das Internet war, ist heute Biotechnologie“, prognostizierte er. „Wir werden uns alle sehr bald damit beschäftigen müssen.“

Bereits begonnen hat die Ausstattung aller möglichen Dinge mit Sensoren, die wiederum mit dem Internet verbunden sind. Schon heute gibt es Elektronik zum Anziehen, mit der sich sportliche Aktivitäten, vitale Werte oder das Schlafverhalten auswerten lassen. Der Industriedesigner Tim Brown denkt jedoch weiter und skizzierte eine Welt, in der Implantate in unserer Haut unseren Gesundheitszustand, aber auch Gefühle und Regungen digitalisieren und analysieren können. Die ethische Fragen dahinter sind gewaltig: Nach welchen Algorithmen erfolgt die Auswertung, welchem Zweck soll sie dienen? Helfen psychologische Analysen über Sensoren der menschlichen Reflexionsfähigkeit – oder ist es eine schlechte Idee, das Unterbewusstsein technisch zu umgehen?

Noch befinden sich solche komplexen Systeme in der frühen Entwicklungsphase. Dass Google am Rande der Konferenz ankündigte, sein Android-Betriebssystem auch für Anzieh-Elektronik zur Verfügung zu stellen, zeigt allerdings, dass die Internet-Großkonzerne das Thema erkannt haben. Ist das Biotech-Google der Zukunft also vielleicht Google selber? Der Internet-Historiker Tim Wu klagte auf der SXSW über eine Marktkonzentration, die Innovationen auf Jahre in die Hände der Marktführer geben könnte. „Kein Start-up will mehr selber groß werden, alle wollen nur noch an die Großen verkaufen.“ Nicht jeder in Austin dürfte dieser These zustimmen. Doch deutlich wurde, dass die Entwicklung der Technologiebranche in eine Phase übergeht, in der ihre Wirkmächtigkeit weit über die digitalen Kommunikationskanäle hinausreicht.

Prognosen zufolge wird die fortgesetzte Computerisierung und die steigende Lernfähigkeit von Robotern und Technologiesystemen nicht nur weitere Jobs verschwinden lassen, sondern zu einer gesteigerten Ungleichheit in den westlichen Industrienationen führen. Selbstfahrende Fahrzeuge ersetzen Taxi- und Busfahrer, intelligente Roboter Industriearbeiter und Servicekräfte. Die Debatte über die Folgen zog sich auch durch die SXSW. „Die Frage ist: Was werden Roboter einmal NICHT besser als Menschen können?“, fragte Carl Bass, Chef der Softwarefirma Autodesk. Im Jahr 2050, so eine Vorhersage, werde es mehr intelligente Maschinen als Menschen auf dem Planeten geben.

Diese nächste Revolution könnte theoretisch dazu führen, dass die Menschen sich auf das konzentrieren, was wichtig ist. Denn viele der wegfallenden Arbeitsplätze, so merkte Bass an, seien ohnehin wenig befriedigende Tätigkeiten. Oder dazu, dass nur noch ein Bruchteil der Bevölkerung nennenswert an Arbeitsmarkt und Wohlstandswachstum teilhat.

Die Antworten der klugen Tech-Köpfe auf solche Szenarien sind bislang noch dürftig. „Bildung und Unternehmergeist“ nannte Google-Mann Eric Schmidt als Mittel, um am Fortschritt teilhaben zu können. Die Vordenker-Konferenz SXSW nahm die Ratlosigkeit des mehrfachen Milliardärs achselzuckend hin.

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