Es geht. Es kann funktionieren. Und es ist dabei so herrlich banal und wenig euphorisch, dass man fast meinen könnte, es lohnt sich nicht, aber natürlich tut es das, denn schließlich kriegt man Sex. Es geht. Eine Affäre mit einem Mann, den man attraktiv findet und dabei nicht den Hauch eines Gefühls verspürt, kein zaghaftes Herzklopfen, keine aufkeimendenen Schmetterlinge, kein Verlangen, ihn mit Aufmerksamkeit und Zuneigung zu überschütten und seine Lebensgeschichte zu erfahren.
Es geht. Und es ist so einfach und bedeutungslos. Perfekt für die dunkle Jahreszeit und das verkümmerte Herz, Garant für kurzweiligen Spaß ohne den Lebenskater am Morgen. Weil es uns beiden so egal ist. Weil wir uns beide so egal sind.
Ich schreibe ihm, nicht wortgewandt oder kreativ, nicht einmal besonders freundlich. Er antwortet, ebenso kurz angebunden. Man vereinbart ein Treffen, beinahe schon einen Termin, so kurzfristig und unbedeutend, dass er nicht einmal eine Kalendernotiz wert ist. Dieser Mann, von dem ich weiß, dass er bald nicht nur in meinem Bett sein wird, sieht gut aus, anfangs fand ich ihn himmelschreiend schön, mittlerweile hat er sich fast abgenutzt, aber er bleibt attraktiv, nur ohne diese Begeisterung. Wir treffen uns. Am liebsten in einem dunklen Club und mit viel Alkohol, denn zu sagen habe ich ihm nichts, rein gar nichts, die Unterhaltung erlahmt schnell. Also lieber hämmernde Bässe und körperbetontes Tanzen. Wir beschließen zu gehen. Die Nacht und der Alkohol tragen uns beschwingt nach Hause, unterwegs küssen wir uns, drücken uns an Hauswände, berühren uns hektisch und voller Wollust, können es kaum erwarten, uns zu Hause endlich die Kleider vom Leib zu reißen. Denn etwas anderes können wir nicht und wollen wir nicht.
Der Sex ist gut. In keinster Weise romantisch, bei grellem Licht und ohne Musik, humorlos und direkt, aber gut, schnell, hart. Er weiß mittlerweile, welche Knöpfe er bei mir drücken muss und ich gebe mich hin.
Danach schlafen wir sofort ein, jeder in seine Decke gewickelt, vom anderen abgewandt, keine Berührungen, und erwachen am nächsten Morgen ohne das Gefühl, etwas peinliches oder falsches gemacht zu haben, sondern gänzlich unbeeindruckt. Ich kann es kaum erwarten, dass er geht, was sollten wir auch tun? Er rafft eilig seine Sachen zusammen, gibt mir einen Kuss und geht mit der unausgesprochenen Vereinbarung, dass das nicht das letzte Mal war. Und warum sollte es auch? Es ist gut, es kann genau das, was es soll, es ist nicht mehr und nicht weniger als Sex, es tritt unverkleidet und ehrlich auf. Man fühlt sich danach nicht besser oder schlechter als zuvor, nichts hat sich geändert.
Angefangen hat es anders. Nachdem wir vor zwei Jahren einen betrunkenen One-Night-Stand hatten, an den ich mich nur noch schemenhaft erinnern kann, sind wir uns letztes Jahr zufällig wieder begegnet. Ein Wunder, dass ich ihn erkannt habe. Wir verabredeten uns. Bis zuletzt wusste ich nicht, ob dies nun der Versuch sein sollte, daraus mehr zu machen, oder ob wir am Ende im Bett landen würden. Letzteres geschah und am Anfang verfiel ich in meine übliche postkoitale Verliebtheit, wollte seine Aufmerksamkeit und Anerkennung, Exklusivität. Doch schnell zeigte sich, dass aus uns nie etwas Echtes werden könnte, zu egozentrisch war er mir, zu uninteressant. Die Zeit hat das Gefühl zerstreut und zurückgeblieben ist eine Affäre, so einfach, so gut, so banal, nichts weltbewegendes oder horizonterweiterndes, nur Sex. Nicht mehr und nicht weniger.