Der Verein Mehr Demokratie e.V. setzt sich für mehr Plebiszite in der Bundesrepublik ein. Was auf den ersten Blick wie ein hehres Ziel aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Anbiederung an den Mehrheitsgeist.
Zum Hintergrund: Demokratie hat nur wenig mit Mehrheiten zu tun. Demokratie hat auch nicht die Aufgabe, die Interessen der Schwachen vor den Starken durchzusetzen. Die Demokratie muss nach moderner Auffassung die Interessen der Mehrheiten durchsetzen unter Berücksichtigung der Interessen der Minderheiten. Der Schutz der Minderheiten ist ausdrücklich das Ziel der Demokratie.
Welcher Unsinn uns erwartet, zeigt das relativ junge Instrument der Petitionen. Während Petitionen früher ein Instrument waren, um Interessen von Menschen auf die politische Tagesordnung zu bringen, sind sie mittlerweile ein Spielzeug gelangweilter Großstädter. Sie sind ein Werkzeug der Hetze gegen Einzelpersonen, wie die Petition gegen Markus Lanz zeigt. Wenn man gerade sonst nichts zu tun hat, schreibt man in der Mittagspause eine Petition gegen oder für Irgendwas.
Der Widerspruch wird am Beispiel Stuttgart 21 deutlich. Während Rentner und Studenten ein wenig Kiever Atmosphäre schufen, kam bei einer Abstimmung heraus, dass eine Mehrheit der Stuttgarter für und nicht gegen den neuen Bahnhof war. Wenn es nach Mehr Demokratie ginge, hätte man den Protestierenden recht gegeben.
Und schauen wir uns an, wogegen sich Bürgerbegehren mehrheitlich richten: Gegen Flüchtlingsheime, gegen Erneuerbare Energien, gegen Nationalparks, gegen Straßen-Neubau und so weiter. Nun kann man häufig mit guten Gründen solche Maßnahmen ablehnen: Aber häufig wollen die gleichen Leute mehr Erneuerbare, ein besseres Handynetz, mehr DSL oder mit ihrem Auto besser durchkommen. Die Rumänin soll ihr Klo putzen und die Kenianerin ihre Oma pflegen. Das da irgendwo ein Widerspruch ist, merken sie offensichtlich nicht.
Was mich endgültig gegen Mehr Demokratie eingenommen hat war deren Reaktion auf das Schweizer Votum gegen mehr Zuwanderung.
Die Reaktion des Vereins zeigt, dass man sich nicht zu schade ist, als Steigbügelhalter für Nazis, Rechtspopulisten und Quacksalber zu dienen. Mehr Demokratie verwechselt Demokratie mit plumpen Populismus, wer am lautesten schreit und am meisten Anhänger um sich scharen kann, wer oftmals am meisten Geld hat, der bekommt auch recht. Dass dabei die Inklusion von Behinderten, die Frauengleichberechtigung oder die Rechte der Zuwanderer auf der Strecke bleiben, wen kümmerts? Mehr Demokratie auf jeden Fall nicht.