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26. februar 2014

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junge frau, grell-rosa outfit, zur wand gedreht, spricht ins headset ihres smartphones. “aber wir dürfen nicht über facebook schreiben.” als ob sie einer freundin, die heute wegen irgendwas im gemeinschaftskundeunterricht gefehlt hat, die hausaufgaben durchgibt, analyse eines modernen online-mediums unter berücksichtigung dieser und jener gesichtspunkte, und facebook ist nach ansicht des süßen aber unflirtbaren lehrers zu offensichtlich, würde jeder machen, zu leicht, zu wenig sport. schön, denke ich mir, medienkompetenz der jugend stärken, moderner unterricht anhand realer und lebensweltlicher phänomene, pädagogik heute kann so super spaß machen. klar, dass ich weitergehe, ich will hinten einsteigen und das rosa mädchen steht am anfang des bahnsteigs. “nicht über facebook, weil dirk hat meine zugangsdaten.” ach, schon wieder ein lebendes beispiel von verb-zweit-stellung nach nebensatzkonjugation weil, alte deutschlehrerkrankheit, dass einem so ein zeug auffällt und – moment mal: wer ist dirk und wieso hat er die zugangsdaten? ich ahne, es geht um mehr als hausaufgaben, und sie spricht wohl auch nicht mit einer schulfreundin. jetzt will ich doch nicht mehr hinten einsteigen. jedoch: es natürlich wirken zu lassen, wenn ich abrupt stehenbleibe, ein bisschen zurücklaufe und mich auf der schmalen, recht leeren ubahnplattform direkt neben sie positioniere, um routiniertes warten vorzutäuschen, hab ich offenbar nicht so wirklich drauf. denn jetzt schaut sie mich finster an, geht zielstrebig weit weg von mir auf diesem bahnhof, ins headset flüsternd, und ich werde mit diesen zwei häppchen ihrer lovestory hier am einsamen, falschen ende der ubahnstation, an dem ich eigentlich gar nichts zu suchen habe, verhungern müssen.

Das Gespenst in der Hafenbar

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