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Schwänzen für Lampedusa

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Wenn es nach Dirk Mescher geht, ist am Donnerstag in Hamburg etwas ziemlich Gutes passiert: 3500 Schüler sind nach Polizeiangaben an diesem Vormittag mit Transparenten, auf denen "Bleiberecht für alle" und "Refugees are welcome" stand, durch die Hamburger Innenstadt gezogen. Damit wollten sie auf die Situation der rund 300 Lampedusa-Flüchtlinge in ihrer Stadt aufmerksam machen. Diese waren zum Großteil über Italien vor dem Bürgerkrieg in Libyen geflohen und haben nun in Deutschland einen ungeklärten Aufenthaltsstatus. Die Idee eines kollektiven Bleiberechts lehnte der Hamburger Senat ab. Manche wurden daraufhin von Kirchen aufgenommen, andere leben auf der Straße und mehreren droht die Abschiebung. "Man sollte Respekt vor dem politischen Engagement der Schüler haben und damit auch dem ganzen Gerede über die Politikverdrossenheit der jungen Menschen etwas entgegen", sagt Mescher. Er ist Geschäftsführer der Hamburger Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Wenn er also sagt, dass der Streik eine gute Aktion war, spricht er für viele Lehrer. Sollte man meinen.

Stattdessen gingen bei der GEW böse Anrufe ein, nachdem diese offiziell die Demonstrationen guthieß. Denn wenn 3500 Schüler an einem Donnerstagvormittag auf die Straße gehen, heißt das gleichzeitig, dass diese Schüler nicht in der Schule sitzen. Fürs unentschuldigte Fehlen können die Lehrer ihnen wiederum einen Vermerk schreiben, der dann auch auf dem Zeugnis steht. Der GEW wurde unterstellt, zum Schulschwänzen aufzurufen. Die Hamburger Schulbehörde wies daraufhin explizit darauf hin, dass unentschuldigtes Fehlen an diesem Tag vermerkt werden müsse. Es gäbe schließlich keinen ersichtlichen Grund, warum die Demonstration vormittags stattfinden müsse.

Leonie Meliones, eine der Organisatorinnen des Schulstreiks, sieht das anders: "Wir haben einen Schulstreik organisiert, weil wir nicht untätig in der Schule sitzen wollen, während rassistische Polizeikontrollen und Abschiebungen stattfinden. Wir wollen ein klares Zeichen setzen gegen den SPD-Senat in Hamburg, dass wir mit seiner Politik nicht konform gehen. Wir interessieren uns für Politik und dafür leisten wir auch etwas und gehen auf die Straße", sagt die 23-jährige Berufsschülerin. Die Demonstration endete deshalb auch mit einer Kundgebung vor der SPD-Zentrale in Hamburg, manche forderten sogar den Rücktritt von Hamburgs Innensenator Michael Neumann.


Laut Polizei waren 3500 Demonstranten am Donnerstagvormittag in der Hamburger Innenstadt unterwegs

Warum gerade die Flüchtlinge aus Lampedusa die Hamburger Schüler zum Protest treiben, erklärt Dirk Mescher von der Gewerkschaft so: "Die jungen Menschen aus Lampedusa sind ja zum Teil inmitten der jungen Leute. Sie gehen hier zur Schule und nun droht ihnen die Abschiebung. Das bewegt die Menschen. Die Demonstration wurde von den Schülern selbst organisiert, deshalb betrachten wir das sehr wohlwollend."

Ob tatsächlich die Schüler die Idee zu der Demo hatten, beweifeln allerdings Einige. Die Hamburger Junge Union ließ in einer Pressemitteilung verlauten, es sei "skandalös, wie die Partei Die Linke Hamburg Schüler für ihre politischen Motive missbraucht und diese vorsätzlich zur Missachtung der Schulpflicht aufruft." Mitorganisatorin Leonie sieht das anders: "Ein Bündnis von ungefähr 120 Schülern und Schülerinnen hat den Streik organisiert. Unter ihnen waren einige, die in der Links-Jugend Solid aktiv sind, aber das war ein geringer Teil. Die Linke hat uns insofern unterstützt, dass sie gespendet und eine Rede gehalten hat. Organisiert hat sie den Streik nicht."

Die angedrohten schulischen Konsequenzen machen Leonie keine Angst: "Wir haben natürlich von vornherein mit Lehrern gesprochen und erklärt, warum wir das machen. Es liegt im Ermessen der Schule, zu sagen, ob das als entschuldigtes oder unentschuldigtes Fehlen eingetragen werden soll. Wir haben klar gefordert, dass Lehrer uns unterstützen. Viele haben das auch getan. Mehr Sanktionen können sie uns nicht androhen", sagt Leonie.

Dirk Mescher von der GEW bestätigt, dass die Lehrer die Schüler nicht automatisch für ihr Tun bestrafen müssen: "Die Lehrer können beispielsweise im Unterricht Asylpolitik diskutieren und den Unterricht nach draußen verlegen. Eine Demonstration ist ja geeignetes Anschauungsmaterial." Prinzipiell hätten die meisten Lehrer in der GEW die Protestpläne mit Wohlwollen aufgenommen. Das bestätigt auch Leonie: "Es waren auch Lehrer da, aber sie haben nicht offiziell gestreikt", sagt sie.

Am kommenden Montag soll es nun ein neues Treffen der Schüler geben, bei dem man über die weiteren Maßnahmen spricht: "Es ist uns wichtig der Bewegung neuen Aufschwung zu geben. Gerade vor Weihnachten", sagt Leonie. So lange es keine Lösung gibt, schlafen viele Flüchtlinge weiter auf der Straße.

Wie schmuggelst du dich rein?

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Fast ein bisschen enttäuschend, dass es nicht so ist, wie alle dachten. Inzwischen weiß man, dass Gebärdensprach-Dolmetscher Thamsanqa Jantjie keineswegs ein unbekannter Irrer, sondern ein durchaus bekannter und gefragter Dolmetscher Südafrikas ist. Er leidet offenbar an einer Form der Schizophrenie, die ihm hin und wieder bei der Arbeit in die Quere kommt und blackoutartige Ausfälle beschert. Die größten Zweifel an den Sicherheitsstandards des Secret Service sind also fürs Erste aus dem Weg geräumt. Übrig bleibt aber die Frage, wie es überhaupt sein kann, dass für solch staatstragende Veranstaltungen ein Mann beschäftigt wird, der eigentlich zu krank ist, um seinen Beruf noch verantwortungsbewusst auszuführen.

Hätte es sich bei dem Mann tatsächlich um einen fuchtelnden Irrtum gehandelt, der es unkontrolliert in Deo-Riechweite des US-Präsidenten geschafft hätte, wäre das ein interessanter Eklat gewesen. Der einem nach längerem Überlegen auch gar nicht mehr so absurd scheint. Denn ganz egal wie sicherheitsfanatisch einem die Vorkehrungen zu gewissen Events vorkommen, eine Lücke gibt es immer. Und meist ist es erstaunlich einfach, diese auch zu nutzen. Immerhin kennt fast jeder jemanden, der es schon mal durch die simpelsten Tricks in die vermeintlich unzugänglichsten Bereiche geschafft hat.



Mit Sani-Weste in den VIP-Bereich? Gute Idee!


Da ist der Typ, der sich Versicherungsangestellter ausgab und so einer Bombensprengung in München beiwohnte. Oder der Typ, der jahrelang mit einer Sanitäterweste kostenlos auf Konzerte ging. Ein Journalist, der mit der Frage "Seids scho' weida?" hinter jede Polizeiabsperrung gelassen wird, weil ihn alle für einen Kollegen in Zivil halten und keiner nachfragt. Und dann sind da natürlich all die verrückt klingenden, aber vermutlich erschreckend banal abgelaufenen Geschichten hinter Schlagzeilen wie: "Slowakischer Bauer gab sich jahrelang als Chefchirurg einer Hamburger Klinik aus – 700 Hirntumore erfolgreich operiert, ohne Studium!"

Wo hast du dich schon einmal hinter die Kulissen gemogelt, welche abgefahrenen Schmuggelgeschichten sind dir zu Ohren gekommen und wo würdest du dich gerne mal reinwanzen? 

Die großen Grünen und die kleinen Grünen

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Die Wählergemeinschaft Marl darf ihre Sonneblume im Logo behalten. Die Bundesgrünen haben keinen alleinigen Anspruch darauf.

Man hört das immer wieder, dass eine große Imbisskette einer kleinen verbietet, sich McIrgendetwas zu nennen. Oder es gibt einen Prozess, weil ein kleiner Thailänder an seinem Straßenstand den Kaffee unter einem Logo verkauft, das dem der internationalen Kaffeediktatur nicht unähnlich ist. Solche Verfahren gewinnen meist die Großen, manche würden sagen: die Bösen.

In Marl gibt es nun den interessanten Fall, dass sich zwei streiten, die sich beide zu den Guten zählen. Es geht um die Frage, wer die wahren Grünen sind in Marl. Auf der einen Seite steht die „Wählergemeinschaft DIE GRÜNEN MARL“ auf der anderen Seite der mächtige Bundesverband „Bündnis90/Die Grünen“ in Berlin. Um politische Inhalte geht es nicht unbedingt, mehr um die Verpackung. Der Bundesverband der Grünen klagt seit 2010 gegen die kleine Wählervereinigung, will ihr das grün im Namen verbieten lassen und die Sonnenblume im Logo. Es kann nur einen Grünen geben. Das Urheberrecht gelte auch für Parteien. Inhaltlich mögen die Grünen flexibler geworden sein, können sich sogar Koalitionen mit den Schwarzen vorstellen – bei der Verpackung sind sie umso härter.

Dabei war es lange friedlich in Marl, einer Stadt mit knapp 90 000 Einwohnern in Nordrhein-Westfalen. Bereits 1978 erkannten hier einige Bürger, dass es so nicht weitergehen könne mit der Umweltverschmutzung und gründeten die Wählergemeinschaft, die seit 1979 ununterbrochen im Stadtrat vertreten ist. Erst 1980 gründete sich die grüne Bundespartei und über Jahrzehnte kam man gut zurecht mit den anderen Grünen im kleinen Marl, man war im Geiste verbunden. Zu den Landtags- und Bundestagswahlen unterstützte die Wählergemeinschaft die Kandidaten der großen Grünen. Dann gab es Streit in der Wählergemeinschaft, der wohl eher ein persönlicher war denn ein politischer.

Die Abtrünnigen gründeten mithilfe der Bundespartei einen Grünen-Ortsverband und begannen im Jahr 2010 gegen die kleinen Grünen zu klagen, ihnen den Namen verbieten zu wollen. Seit vergangener Woche ist nun ein Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm rechtskräftig, nach dem es in Marl weiter zwei grüne Parteien geben darf. Die großen Grünen hätten die kleinen Grünen Jahrzehnte toleriert, urteilten die Richter, für ein Verbot sei es nun zu spät. Dem Wähler haben die Streitigkeiten nicht sehr gefallen, die Grünen sind sehr dezimiert in Marl. Auf beiden Seiten.

Bandnudeln in Weißweinsoße

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Was der „Tatort“ kann, kann das deutsche Staatstheater jetzt auch. Nein, die Rede ist nicht von peinlichen Dialogen, schlechten Plots und einem vorhersehbaren Ende. Sondern von Twitter.

Früher tummelten sich dort ausschließlich Journalisten, die nach Storys über Twitter suchten. Heute sind sie alle da: Obama nutzt den Mikroblogging-Dienst, um gute Nachrichten über die Gesundheitsreform zu verkünden. Der neue Papst, Erfinder des 140-Zeichen-Gebets, ruft täglich zur Nächstenliebe auf. Und der militärische Arm der Hamas informiert zuverlässig über jede abgefeuerte Rakete.



Es macht einfach jeder. Da will das Theater natürlich nicht hinterher hinken und twittert deswegen jetzt auch.

Weil das Theater ja ganz dicht dran sein will an der Welt und ihren Dramen, twittert es jetzt mit – freilich nur über sich selbst. Seit Montag läuft unter dem Hashtag #TTW13 die erste „Twitter-Theaterwoche Deutschlands“. Fünf große Häuser berichten je einen Tag lang über ihre Arbeit: dass es in der Kantine zu Mittag Bandnudeln mit Zucchini in Weißweinsoße gibt (Schauspielhaus Bochum). Dass die Praktikantin gerade die Zeitung liest, um einen Pressespiegel zu erstellen (Schauspiel Hannover). Und dass die Schauspieler während der Vorstellung ganz schön geschwitzt haben (Thalia Theater Hamburg) – was einen unweigerlich zu der Frage führt: Muss ich ein Groupie sein, um mich für solche Tweets zu interessieren?

Die Theatergemeinde bleibt gern unter sich. Das fällt im virtuellen Raum besonders auf, wo alles von Reaktionen lebt. Die fallen bei dieser Twitter-Woche spärlich aus: Rund zwanzig Leute kommentieren regelmäßig. Ansonsten wünschen sich die Theater gegenseitig gute Nacht und guten Morgen. Dramaturgen posten Witze, die außerhalb ihres Berufsstands niemand versteht. Und zwischendurch schreiben ein paar Social-Media-Manager, einige davon auf Jobsuche, wie wichtig das mit den sozialen Medien ist. „So ein #Tweetup kann vieles sein, aber eben auch ein kritischer #Diskurs zur #Inszenierungspraxis. :-)“

Mehr als um die Inszenierungen geht es dann darum, ob die Second Stage im Netz helfen kann, junge Leute als Zuschauer zu gewinnen. Und was das Ganze eigentlich sein soll: Werbung fürs Theater oder ein offener Dialog? Vor allem aber wird die Frage aller Fragen diskutiert: Darf man live aus dem Parkett twittern? Der Deutsche Knigge-Rat wird sich dieser Frage sicher bald annehmen. Wir wagen schon jetzt eine Prognose: Beim Social TV sitzt der Zuschauer allein zu Hause, beim Social Theatre mit anderen im Theater. Und da wirkt jeder noch so sozial gemeinte Blick aufs Smartphone schnell, na? Unsozial.

Freundlichzeit zahlt sich aus

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"Ein Kaffee: sieben Euro." Für ein bisschen Freundlichkeit sinkt der Preis schon ein wenig.

SZ: Schönen guten Morgen, Herr Pepino, dürfte ich Sie ganz kurz stören?
Fabrice Pepino: Na, aber gerne doch, wenn Sie derart höflich fragen.

Sie haben vor ein paar Tagen Ihre Preise drastisch erhöht ...
Nur für all die Gäste, die Haare auf den Zähnen haben.

... und arbeiten jetzt mit einer Art Höflichkeitsstaffelung.
Ja. Wer nur durchs Restaurant ruft „Einen Kaffee!“, der zahlt ab sofort sieben Euro. „Einen Kaffee, bitte!“ ist schon besser. 4,25Euro. Und wer dazu noch grüßt, kriegt den Espresso für die üblichen 1,40.

Wie oft haben Sie denn seither schon sieben Euro verlangt?
Kein einziges Mal. Die Leute sind seit der Überarbeitung meiner Menütafel dermaßen freundlich, dass ich aus dem Staunen nicht mehr herauskomme. Ich werde als „Seine Majestät“ begrüßt und gefragt, ob ich eventuell die Freundlichkeit besitze, einen meiner deliziösen Kaffees zu kredenzen. Die hoffen wahrscheinlich, dass es die Getränke dann ganz umsonst gibt. Aber da wird nichts draus.

Benehmen sich die Leute in Nizza denn dermaßen daneben, dass Sie zu solchen Mitteln greifen müssen?
Das Ganze war natürlich eigentlich als Witz gemeint. Aber es ist nun schon sehr merkwürdig zu sehen, wie sich durch den allgemeinen Stress auch der Umgangston geändert hat.

Ihre Aktion richtet sich also nicht gegen den Verfall der Sitten im Allgemeinen?
An den glaub’ ich ja gar nicht. Die Leute hetzen nur mit hängender Zunge durch den Alltag. Also essen sie auch ganz anders als vor 15 Jahren: „Schnell, Ober, bringen Sie alles auf einmal und die Rechnung dazu!“

Sind denn die Touristen unhöflicher oder Ihre Stammkunden aus Nizza?
Eindeutig die Stammkunden. Nicht, weil sie die primitiveren Menschen sind, sondern weil sie der Alltagsstress vor sich hertreibt. Touristen reisen in den Urlaub, um mal Pause zu machen von dieser Hetze. Also haben sie auch Zeit, „bitte“ zu sagen.

Sie haben mit der Aktion einen Nerv getroffen. Das Foto davon rast durchs Internet, sogar Politiker gratulieren Ihnen.
Auch eine ehemalige Ministerin hat geschrieben. Ist doch albern, ich will ja keine Protestbewegung ins Leben rufen. Und jetzt will ich nicht unhöflich sein, ich muss nur dringend die Tische eindecken. Es ist ein ziemlicher Stress gerade.

Der Akt der Verkunstung

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Nein, von einer „staden Zeit“ kann sicherlich nicht die Rede sein, wenn das Kafe Kult am Nachmittag des dritten Adventssonntags zum Kafe Kunst Fest einlädt. Während andernorts drei Kerzlein brennen, wird in dem klapprigen Barackenbau im Bürgerpark Oberföhring ein ganzes Feuerwerk abgebrannt – kreativer Natur versteht sich.

Bereits zum neunten Mal in Folge findet das Kafe Kunst Fest nun im etwas entlegenen Kafe Kult statt, und auch in diesem Jahr dürfte es in dem kleinen Gebäude recht voll werden. Das bringt allein schon das Angebot mit sich: Immerhin 38 Künstler werden sich am dritten Advent daran machen, jeden Quadratmeter des Kafe Kult zu „verkunsten“, wie es auf der Homepage des Fests heißt. „Verkunstet“ wird dabei auf unterschiedlichste Weise: Etwa in Form von Ausstellungen, Spontanperformances, Projektionen, Installationen oder Konzerten diverser Bands und Musikern, oder dem elektronisch angehauchten Singer-Songwriter Kurimelo, der Garage-Punkband Zentralheizung Of Death oder den Noisepunkern Mosquito Ego.

Der Akt des Verkunstens ist dabei unbedingt in einem popkulturellen Sinne zu verstehen: Als „DIY-Punk-Szene“ bezeichnet Veronica Burnuthian, eine der Organisatorinnen des Fests, jene Münchner Szene, die sich im Laufe der Jahre im Dunstkreis des Kafe Kult als Veranstaltungsort für Punk, Post-Punk, Noise-Rock oder Hardcore-Konzerte entwickelt hat, und die – inspiriert vom Geiste diese musikalischen Spielarten – eigene handwerkliche und musikalische Ansätze verfolgt.



Selbstgemachtes ist nicht nur was für Kinder. Münchens Kafe Kunst Fest zeigt wie man sich mit Selbstgemachtem auch ganz gut alleine versorgen kann.


„DIY“, das steht in diesem Falle für das „Do-It-Yourself“-Prinzip, welches sich nicht nur als Grundgedanke aller künstlerisch am Kafe Kunst Fest Beteiligten fassen lässt. Vielmehr hat man es hier mit einer Bewegung zu tun, die Anfang der 70er Jahre in den USA ihren Anfang nahm. „DIY“ meint im Pop-Kontext einen Ansatz, der insbesondere auf Unabhängigkeit ausgelegt ist. In Abgrenzung zur Massenproduktion geht es hier darum, den Output komplett selbst zu bestimmen, sprich: die Musik im Heimstudio aufzunehmen, die Plattencover selbst zu gestalten, und auch die Konzerte selbst zu organisieren.

An der Nahtstelle zwischen Kunst und Pop führt das Kafe Kunst Fest Jahr für Jahr nach diesem Prinzip junge unabhängige Musiker, Maler, Bastler, Fotografen, Designer und Performance-Künstler zusammen, um so eine Plattform für den Austausch der Kreativlinge zu schaffen, denen ohne Standgebühr die Möglichkeit geboten wird, ihre Kunst zu präsentieren. Ein wunderbarer Ansatz, der auch die Besucher des Festes miteinbezieht, die sich im Rahmen des Festes etwa im Sieb- oder Linoldruck ausprobieren dürfen. Eine Möglichkeit, in künstlerische Sphären einzutauchen, die man auch in diesem nutzen sollte.

Kafe Kunst Fest, 15. Dezember, Kafe Kult, Oberföhringer Str. 156

Staat darf Daten nur begrenzt speichern

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Die europaweit geltende Speicherpflicht für Telefon- und Internetverbindungsdaten verletzt wahrscheinlich die EU-Grundrechte-Charta. Nach Ansicht des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) verstößt die Vorratsdaten-Richtlinie aus dem Jahr 2006 gegen das Grundrecht der EU-Bürger auf Achtung ihres Privatlebens. Zwar hält Generalanwalt Pedro Cruz Villalón eine Speicherung solcher Vorratsdaten grundsätzlich für zulässig. Als unverhältnismäßig stuft er allerdings die bisher nach EU-Recht erlaubte Speicherfrist von bis zu zwei Jahren ein; allenfalls eine Frist von „weniger als einem Jahr“ sei zu rechtfertigen. Zudem müsse das EU-Recht klare Schranken für den Zugriff auf solche Daten definieren.

Der Schlussantrag des Generalanwalts ist für den Gerichtshof zwar nicht bindend, nimmt aber meist das Ergebnis vorweg. Der EuGH strebt dem Vernehmen nach ein Urteil bis April 2014 an, jedenfalls noch vor der Europawahl Ende Mai. Schon in der Verhandlung im Juli hatte sich abgezeichnet, dass der oberste EU-Gerichtshof die Richtlinie kritisch prüfen würde. Gerichtsintern wird das Verfahren als wichtige Etappe für die Entwicklung eines europäischen Grundrechtsschutzes gewertet.



Datenspeicherung auf Vorrat verstößt gegen das Grundrecht der EU-Bürger auf Privatleben. Zumindest nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs.

Nach den Worten von Cruz Villalón ist durch die Vorratsdatenspeicherung das „Recht der Unionsbürger auf das Geheimnis ihres Privatlebens“ permanent bedroht, weil damit ihre „persönlichen und beruflichen Tätigkeiten nachträglich kontrolliert werden können“. Dies erzeuge ein „diffuses Gefühl des Überwachtwerdens“. Eine Formulierung, mit der er das Bundesverfassungsgericht zitiert; sie stammt aus dem Urteil von 2010, mit dem Karlsruhe die sechsmonatige Speicherpflicht in Deutschland gekippt hatte. Auch in einem weiteren Punkt lehnt sich der spanische Jurist an das Urteil der deutschen Richter an: Wie sie sieht er zusätzliche Risiken für den Datenschutz darin, dass nicht etwa öffentliche Behörden, sondern private Telekommunikationsdienste die Daten speichern.

Fiele das Urteil im Sinne des Generalanwalts aus, dürfte dies Folgen für die Pläne der großen Koalition zur Wiedereinführung der Speicherpflicht haben. Das Bundesinnenministerium sieht dieses Vorhaben nach den Worten eines Sprechers durch den Schlussantrag bestätigt. Denn laut Koalitionsvertrag will die künftige Regierung auf EU-Ebene eine lediglich dreimonatige Mindestfrist durchsetzen; bisher schreibt die Richtlinie mindestens sechs Monate vor. Mit diesem Ziel könnte die künftige Regierung in Verhandlungen über eine neue Richtlinie gehen.

Die allerdings werden vorerst zurückgestellt. Ein Sprecher von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström kündigte an, man wolle zunächst das Urteil abwarten, zudem müssten zunächst verwandte Gesetzesinitiativen wie die EU-Datenschutzreform abgeschlossen werden. Damit ist eine Reform noch im Jahr 2014 unwahrscheinlich. Die amtierende Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte die EU-Kommission auf, die Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich zu überdenken.

Rock’n’Gold

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Zuletzt war Shaun White wieder in den Schlagzeilen. Es hatte mit Snowboarden nichts zu tun, auch nichts mit seinen Plänen für die Winterspiele in Sotschi. Es waren nicht einmal Sportmedien, die was zu berichten hatten über den zweimaligen Olympiasieger und 13-maligen X-Games-Gewinner. Shaun White hatte sich ein Haus gekauft: eine Villa in Malibu/Kalifornien mit Meerblick und Swimming-Pool. Das interessierte den Boulevard sehr, zumal die Unterkunft nicht ganz billig war: Für neun Millionen Dollar soll White sie von dem Fernseh-Produzenten Mike Fleiss erstanden haben. Außerdem ist die Nachbarschaft exklusiv, der Schauspieler Owen Wilson und der Regisseur Bryan Singer gehören dazu.



Shaun White, Snowboard-Olympiasieger und 13-maliger Gewinner bei den X-Games, nimmt an den Winterspielen in Sotschi teil.

Aus solchen gesellschaftlichen Höhen steigt Shaun White, 27, also hinunter, wenn er an diesem Wochenende den ersten von fünf Selektions-Wettkämpfen des US-Ski- und Snowboarder-Verbandes in Breckenridge/Colorado auf sich nimmt. Mehr Glamour-Faktor hat wohl niemand zu bieten im Wintersport, und auch wenn bodenständige Spiele-Versteher wenig anfangen können mit den Sphären einer solch hollywoodesken Medienfigur – die Bedeutung von Shaun White für Olympia in Sotschi ist schwer zu leugnen. Die kleine Welt des Wintersports braucht Personal, das über ihren Tellerrand hinausstrahlt. Und der US-Sender NBC, der wichtigste Fernsehrechte-Abnehmer des Internationalen Olympischen Komitees, kann sein Publikum auch nicht nur mit norwegischen Langläufern und deutschen Rodlern bespaßen. Athleten wie die US-Ski-Alpine Lindsey Vonn sind Stützen des NBC-Programms für Sotschi. Oder eben Shaun White, der längst nicht mehr nur ein beliebiger Olympiasieger und Werbemillionär ist, sondern auch ein Firmen-Besitzer, Mode-Mensch, Musiker und Computerspiel-Charakter; sogar ein Kaugummi-Geschmack ist nach ihm benannt.

Auf dem Platz muss White trotzdem funktionieren. Zumal die Mission diesmal schwieriger ist als 2006 und 2010. Zur Halfpipe ist die Disziplin Slopestyle gekommen, sozusagen eine Akrobatik-Abfahrt auf der Hindernis-Piste, und White wäre nicht White, wenn er sich nicht für einen Zweifach-Gold-Gewinn interessieren würde. Die Doppelbelastung nennt er „eine große Herausforderung“, und es kann gut sein, dass sie seine Motivation geschärft hat, nachdem er in den vergangenen Jahren immer wieder zu erkennen gegeben hat, dass ihn das Snowboarden, in dem er schon mit 13 Profi wurde, nicht ausfülle.

Viele Wettkämpfe hat Shaun White nach den Spielen von Vancouver 2010 nicht gemacht. Jedes Jahr gewann er pflichtgemäß sein Halfpipe-Gold bei den X-Games – aber sonst? Er brauchte noch einen anderen Zeitvertreib, und zwischendurch war gar nicht klar, ob er die Zerstreuung bei den richtigen Dingen suchte.
Im September 2012 randalierte er nach einer Feier in einem Hotel in Nashville. Das passte gar nicht zu Shaun White, der bei aller Rock’n’Roll-Attitüde doch immer so professionell, fast streberhaft gewirkt hatte.

Wenig später stand dann auch eine kleinlaute Entschuldigung für „mein armseliges Verhalten“ auf seiner Facebook-Seite, und White willigte ein, sich wegen seines Alkohol-Konsums in Behandlung zu begeben. Er ließ sich für wohltätige Zwecke die markanten roten Locken abschneiden. Und im Sommer tourte er mit seiner Rock-Band Bad Things als Lead-Gitarrist durch die USA. Selig berichtete er davon, dass er bei diesen Auftritten endlich mal nicht im Mittelpunkt stehe. Ein wohltuender Kontrast zum Sport: „Die Musik und in der Band zu spielen haben mir auf jeden Fall die Ablenkung gegeben, auf die ich zurückkommen kann und die mich freut.“

Aber das Sotschi-Projekt nimmt er ernst. Wieder hat ihm einer seiner Sponsoren eine Halfpipe hingestellt, diesmal im Perisher Resort/Australien, damit er dort im Herbst für Olympia trainieren konnte. Im November war er am Stubaier Gletscher/Österreich, wo die Betreiber einen Slopestyle-Kurs gebaut haben, der Eigenschaften des olympischen von Sotschi aufweist. Gerade die Slopestyle-Sache fuchst White. Im Januar stellte er bei den X-Games fest, dass er zwar wieder sein Halfpipe-Gold gewann, dass ihn aber in der neuen Olympia-Disziplin die Entwicklung überholt hatte. Platz fünf, unerhört.

Und weil die Leistungsdichte groß ist bei den Amerikanern, darf er auch die nationale Qualifikation nicht unterschätzen. „Ich werde auf jeden Fall versuchen, ein paar Dreifachsprünge im Slopestyle-Kurs zu zeigen“, sagte er zuletzt, „denn das ist mir vergangene Saison irgendwie entgangen.“

Angeschlagen war White zwischendurch auch: Eine Sprunggelenksverletzung, zugezogen beim Slopestyle-Training in Neuseeland. Er ärgerte sich. „Sprunggelenk, Mann, das brauchste.“ Aber es hätte schlimmer kommen können. Sein aussichtsreicher Landsmann Luke Mitrani ist diesen Sommer beim Halfpipe-Training auf den Kopf gefallen: Genickbruch mit glimpflichen Folgen. Ob Mitrani, 23, seine Snowboard-Karriere fortsetzen kann, ist fraglich, aber immerhin ist er nicht gelähmt. Der Kampf um die besten Plätze im Snowboarden ist nicht risikofrei, und Shaun White weiß gut, dass er froh sein muss, wenn er nicht nur siegreich daraus hervorgeht, sondern auch heil.

Jungs, was soll das mit dem Nacktflitzen?

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Okay Jungs, wir geben es zu: Ihr seid mutig und spontan, rauft und prügelt euch, ihr zündet eure eigenen Fürze an, klettert auf morsche Dächer oder über Stacheldrahtzäune. Und freut euch darüber diebisch wie kleine Kinder über den ersten Schnee.

Dabei schwingt, finden wir, immer ein gewisses Maß an ... nun, Dümmlichkeit, bei euren Aktionen mit. Und so blicken wir Mädchen zwar argwöhnisch, trotzdem aber auch immer ein wenig neidisch auf eure Männerfreundschaften. Es gibt aber eine Sache, die verstehen wir beim besten Willen nicht.

Neulich nachts zum Beispiel, auf dem Weg nach Hause. Der Herbst zeigte sein hässliches Gesicht. Es stürmte und nieselte und war überhaupt furchtbar kalt und ungemütlich. Keine Nacht, in der wir leicht bekleidet draußen sein wollen. Doch nicht diese zwei Jungs: Sie stehen auf einmal vor mir, jung, blond, zugegeben sehr muskulös und offensichtlich alkoholisiert – weil: splitternackt. So flitzen sie dann vor mir her, strahlen und kichern wie zwei Honigkuchenpferde wegen ihres gelungenen Streichs.

Egal, ob ein Sturm im Hintergrund tobt oder ein ganzes Stadion voller Fußballfans auf euer Gemächt schaut: Kaum habt ihr das erste Bier hinuntergespült, wollt ihr die Welt mit euren nackten Oberkörpern, knackigen oder wahlweise haarigen Hintern beglücken?

http://www.youtube.com/watch?v=yagwa6cZXS4

Uns Mädchen kommt es im Allgemeinen nicht in den Sinn, unsere Brüste vor versammelter Mannschaft zu präsentieren – Femen-Aktivistinnen einmal ausgenommen. Also, Jungs, klärt uns auf: Was ist so faszinierend am Flitzen? Ist das das Kind in euch, das regelmäßig nach Aufmerksamkeit schreit? Oder habt ihr einfach mehr Spaß im Leben?

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von Elias Steffensen.

[seitenumbruch]


Gestern war Freund S. zu Besuch. Grundrationaler Typ. Wohl der intelligenteste Mensch, den ich im Umfeld habe: 1,0-Abitur, Hochbegabtenförderung, Mediziner. Hat alle drei Bände von Marx’ Kapital gelesen – und verstanden. Verachtet jede Form von Verbindungswesen, Vereinsmeierei und auch sonst alle Brusttrommel-Zusammenrottungen mit kühl-analytischer Inbrunst. Will sagen: Freund S. ist jeder Art von Männlichkeitswahn hochgradig unverdächtig.  

Und trotzdem: Als die Idee auf den Tisch kam – er und ich, unter lautem „Huiiuiiuii!“ einmal um den Block, im Winter, das zickige Plitsch-Platsch-Plitsch nackter Füße auf dem Asphalt, den Stammitaliener an der Ecke mit nonchalantem Seitenblick grüßen und swoosh: wieder hinein in die gute Stube – da grinste auch er, wie ich es sonst nur von Jungs kenne, die sich gerade wieder daran erinnern, dass sie seit kurzem einen gezwirbelten Schnauzer im Gesicht tragen. Ich spreche also wohl für die Happy Many, wenn ich hier laut sage: Flitzen – sollte man durchaus mal gemacht haben! Und du hast übrigens mit quasi allen Fragen dazu Volltreffer gelandet. 

Weil, stimmt: Wir machen schon sehr gerne Dinge von himmelschreiender Dümmlichkeit. Nicht oft. Aber wenn, dann mit Seemannshecht unter jeder Niveau-Latte durch. Um ihrer selbst Willen. Ohne einen Hauch von Meta-Ebene. Flitzen (Englisch „to streak“) ist da eine wirkungsmächtige Option, deren Reiz Ray Stevens in seinem berühmtesten Song mit einem mir liebgewordenen Limerick zusammengefasst hat, der eigentlich alles sagt:  

"Oh yes, they call him the Streak
He likes to show off his physique
If there's an audience to be found
He'll be streakin' around
Invitin' public critique"

Geile Nummer übrigens. Also schnell anhören, und dann wieder konzentrieren.  

http://www.youtube.com/watch?v=XtzoUu7w-YM 

Ich habe bei der Recherche nämlich noch einen zweiten, mir bislang unbekannten Song vom wunderbaren Georg Danzer entdeckt: „Jö Schau“. Ein Nackter betritt da das in Wien recht geschätzte, also gut besuchte, Café Hawelka. Und da wurde mir alles klar! Obacht:

Der Nackte kommt also rein, große Aufregung bei den Gästen und der Danzer lässt einen Typen sagen (im breiten Wienerisch): „Wahnsinn/gebt’s ihm was zum Anzieh’n!“ Dann tritt allerdings die Freundin des Sprechenden auf. Und die wiederum meint: „Geh fesch/endlich ana ohne Wäsch’!“ Und das ist es doch! Denn natürlich wollen wir auch euch gefallen, wenn wir das tun - flitzen, oder was vergleichbar Dämliches. Und ich lehne mich sogar noch weiter aus dem Fenster: Ich glaube, das klappt! Nicht direkt, aber über Bande.

Weil, blankziehen und rumrennen (verschärfte Variante: Handstand, generalverschärfte Variante: Flick-Flack-Rückwärts), das ist bei uns ja in aller Regel vor allem: Mut zur Hässlichkeit! Außer natürlich beim Pumper-Stremmel. Der sieht immer toll aus. Für uns andere heißt es wenigstens auch: Selbstironie. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr es mögt, wenn wir über uns selbst lachen. Und auch, wenn wir herumtollen wie zu schnell gewachsene Welpen. Zumindest, wenn ihr uns schon vorher mochtet. Ein fröhlicher Freund ist euch doch auch lieber! Du hast nämlich auch damit Recht: Tendenziell haben mir solchem Kram schon irrsinnig viel Spaß im Leben. Und ihr dann doch auch!

http://www.youtube.com/watch?v=cZVUgFCgkEE

Bis zum bitterkalten Ende

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Jeden Tag harren sie auf dem Maidan aus, dem Platz der Unabhängigkeit. Derweil zeigt das Thermometer Temperaturen von minus zehn Grad an. Aufgeben will aber keiner der Unterstützer der proeuropäischen Proteste in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine. Wir haben mit drei jungen Menschen gesprochen, die ihre Eindrücke vor Ort schildern.

Olga (29), Doktorandin in München, geboren und aufgewachsen im Westen der Ukraine. Ihre Eltern leben jetzt in Kiew. 



Sie bleiben: junge Ukrainer, die auf dem Maidan für ihre Rechte kämpfen. Dafür errichten sie täglich neue Barrikaden, bringen Essen und machen den auf den Platz Kampierenden Mut.

"Ich bin am Dienstag hergekommen. Bisher war ich nur über Chats, Fernsehen und Facebook involviert. Ich wollte meine Familie und Freunde in Kiew aber unterstützen, deswegen bin ich hier. Wenn man mittendrin ist, ist es schon ein anderes Gefühl, das kann man nicht beschreiben.  

Es sind vor allem junge Leute auf dem Maidanplatz, mittlerweile aber auch viele ältere und uralte Menschen. Sie haben kaum die Kraft und sind trotzdem bereit, in der Kälte zu stehen. Und diese Kälte ist extrem. Nachts sind es Minusgrade. Es hat stark geschneit. Aber wir bleiben. Denn die ganze Welt schaut auf die Ukraine.



Olga (29) studiert eigentlich in München. Um ihre Freunde und Familie in der Heimat bei den Protesten zu unterstützen, ist sie zurück nach Kiew gereist.

Denn für uns geht es jetzt um die Zukunft des Landes. Egal, ob jemand Kinder hat oder wir mal welche haben werden, das Problem ist: Was werden wir ihnen sagen, wenn sie fragen, was wir in der Zeit getan haben, als die Ukraine zu Grunde gerichtet wurde? Haben wir das Land verteidigt oder alleine zu Hause auf dem Sofa gelegen? Das ist die Frage, die alle Menschen bewegt.  

Die Erwartungen haben sich geändert. Es geht jetzt nicht nur mehr um das Freihandelsabkommen mit der EU. Wir alle stehen für europäische Werte. Wir stehen für Demokratie, Meinungsfreiheit, für freie, faire Gerichte, für das Recht auf Demonstrationen. Wir  haben begriffen, dass die Regierung, dass Viktor Janukowitsch zurücktreten muss. Wir wollen neue Wahlen."

[seitenumbruch]
Mariana (25), Masterstudentin, lebt in Kiew. 



Mariana (25, 2. v.li.) und ihre Freunde wollen grenzenlos reisen und studieren, um eine sichere Zukunft zu haben.

"Es ist sensationell. Alle Leute helfen einander, sie bringen Tee, Sachspenden, Essen. Hier sind sowohl junge, als auch ältere Leute, egal aus welcher Region. Ich wohne bei meinen Eltern hier und versuche, täglich vor Ort zu sein. Bei uns ist es so, dass wir Frauen tagsüber da sind und Wache halten. Die Jungen und Männer, die stärker sind, bleiben dafür die ganze Nacht, damit sie den Platz schützen können.  

Ich habe mit meinen Freundinnen den Maidanplatz vom Schnee befreit, alles sauber gemacht, Barrikaden errichtet. Die Polizei ist die meiste Zeit vor Ort. Aber die schützen die 'Antimaidan'. Das sind von der Regierung bezahlte Leute, die vor allem aus dem Osten der Ukraine mit Bussen nach Kiew gefahren werden. Die Regierung organisiert mit ihnen Proteste, dann kommt die staatliche Presse vorbei, filmt und zehn Minuten später ist alles vorbei. Ich habe welche getroffen, die haben gesagt: 'Wir haben kein Bock, aber wir werden bezahlt, deswegen müssen wir das machen.'



Die Masterstudentin Mariana (25) vor dem Maidanplatz: "Ich bleibe auf jeden Fall".

Wir wollen keine Diktatur haben. Wir haben Angst, dass die Ukraine sich Russland annähert und wir keinen Zugang zu Europa mehr haben werden. Wir befürworten europäische Werte und wollen Teil der EU sein. 

Das heißt, wir wollen eine gute Ausbildung und lernen, an verschiedenen Universitäten in ganz Europa studieren, um eine Chance auf eine bessere Zukunft zu haben. Wir brauchen eine Krankenversicherung. Wir wollen nicht betteln, sondern reisen und offene Grenzen. Wir haben aber bisher keine Perspektiven. Das muss sich ändern. Deswegen bleibe ich auf jeden Fall auf dem Maidan. "

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Olga (25), CEO eines jungen, ukrainischen Start-up-Unternehmens.



Olga (25, Mitte) hilft täglich mit ihren zwei Freundinnen, den Platz vom Schnee und Müll sauber zu halten.

"Wir werden hier nicht klein beigeben. Wir haben schon so lange durchgehalten. Wenn wir jetzt aufgeben, werden tausende Menschen wahrscheinlich verhaftet und verfolgt werden. Wir haben keine andere Wahl mehr, als bis zum bitteren Ende durchzuhalten.   

Deswegen komme ich jeden Tag zum Maidanplatz. Ich stehe und helfe mit dem Essen oder Organisatorischem. Der Platz muss vom Schnee befreit, gesäubert und die Barrikaden ständig neu errichtet werden. Ich bin fasziniert und überrascht, wie viele unterschiedliche Menschen hier auf Maidan zusammenkommen. Sehr erfolgreiche, berühmte Geschäftsmänner versammeln sich auf dem Platz und stehen Hand in Hand mit einfachen Arbeitern. Sie stehen nicht nur da, um zu protestieren, sondern um zu kämpfen. Die Menschen in unserem Land vereinen sich. Wir alle stehen für dieselben Rechte ein. 

Denn es geht nicht mehr nur um die EU. Es geht um etwas Größeres. Die EU ist nur ein Symbol für ein besseres Leben. Wir wollen so ein neues, besseres Leben aufbauen. Wir wollen das Recht behalten, frei unsere Meinung äußern. Die Regierung aber hört nicht zu und will den ganzen Fortschritt der letzten Jahre zerstören. Aber die Idee der freien Meinungsäußerung hat sich schon zu tief verwurzelt seit der 'Orangen Revolution' 2004.  

Schließlich ist es das erste Mal, dass wir nicht für eine Person, einen Politiker aufgestanden sind, sondern für eine Idee. Wir glauben daran, dass eine Idee eine politische Entscheidung nach sich ziehen kann. Ein Sieg würde bedeuten, dass das Volk die Macht hat. Das heißt, jeder Einzelne kann Politik beeinflussen und das Schicksal dieses Landes und das unserer Kinder mitbestimmen. Das wäre der größte Sieg: die Änderung der Wahrnehmung, dass eine Person das Leben des Landes verändern kann. Ich glaube daran.   Und ich fühle die Macht, Dinge besser zu machen, wenn ich zum Maidan gehe."

Eine irre Reise und falsche Ehrlichkeit: das war die Woche auf jetzt.de!

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Von Leipzig in den Bürgerkrieg 
Die Lage der Menschen in Syrien verschlimmert sich, Hilfe aus dem Westen kommt nicht an. Die meisten professionellen Hilfsorganisationen sind wegen der Gefahr aus dem Bürgerkriegsland abgezogen. Ein junger Syrer aus Leipzig hat sich deshalb für einen krassen Schritt entschlossen: Er sammelte Spenden und packte Hilfsgüter in sein Auto. Und fuhr dann von Deutschland aus direkt nach Aleppo, vorbei an schwerbewaffneten Rebellengruppen und Dschihadisten. Wir haben ihn auf dieser Reise begleitet.  

Hand aufs Herz
Warum glauben eigentlich immer mehr Menschen, sie müssten extra betonen, wenn sie etwas ehrlich meinen? Das fragten wir uns, als vergangene Woche an jeder S-Bahnstation Werbeplakate auftauchten, die mit der Formulierung „Ganz ehrlich“ beginnen. Also haben wir mal nachgeschaut, welche vermeintlichen Geständnisse Prominente abliefern, wenn sie diese Phrase in Interviews verwenden. Unser Fazit: „Ganz ehrlich“ ist der Fanfarenstoß unter den Floskeln und besteht zu gleichen Teilen aus Rankumpelei, Wichtigtuerei und Arroganz.  

Gottfried und Gurlitt
 
Charlottes netzaffiner Opa erzählt uns einmal im Monat, was er als gut informierter Senior über die Welt denkt. Diesmal zeigte er Verständnis mit Kunstsammler Cornelius Gurlitt – und rechnete mit Hans-Christian Ströbele ab, dessen Alleingang beim Besuch von Edward Snowden er „eitel“ und „leichtfertig“ findet.    

„Alle ChefInnen sind Arschlöcher“
 
Für überzeugte Feministinnen stecken schon in einem Wort wie „Studenten“ ein paar Jahrhunderte Sexismus. Sie benutzen lieber die neutrale Formulierung „Studierende“ oder wenigstens die Zwittervariante „StudentInnen“. Was wiederum Augenrollen von fanatischen Freunden der deutschen Sprache auslöst. Warum zwischen diesen beiden Gruppen eine natürliche Feindschaft herrscht, hat Jakob Biazza in der neuen Folge des „Alltagsduells“ aufgespießt. 

Draußen vor der Tür 
Snowboardfilme werden meist dort gedreht, wo es den besten Schnee gibt. Also in Tirol oder gleich Kanada, Alaska, Neuseeland. Ein paar Münchner Snowboardprofis haben jetzt in einem Film Neuland erkundet: In den Bergen im bayerischen Umland. Deshalb haben wir einen von ihnen gebeten, uns zu erklären, was für ihn Heimat bedeuet.

Worüber sonst noch gesprochen wurde:
 
Zum Wochenstart vor allem über die Entscheidung von Bundespräsident Gauck, nicht zur Eröffnung der Olympischen Spiele nach Sotschi zu fahren. Nachdem dann am Dienstagabend in Südafrika Nelson Mandela betrauert wurde, drehte sich alles um zwei Dinge: Das Selfie, das Barack Obama auf jener Trauerfeier von sich geschossen hatte und den Gebärdendolmetscher, der sämtliche Reden der angereisten Staatschef in ein sinnloses Kauderwelschübersetzte.  

Gedanken zur Nachrichtenlage:
 
Nach wochenlangem Protest gegen den europafeindlichen Kurs der Regierung hat sich die Lage in der Ukraine offenbar ein wenig entspannt. Präsident Viktor Janukowitsch sagte der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, er wolle das Abkommen mit der EU nun doch unterzeichnen – und Oppositionsführer Klitschko sagte am Donnerstag bei Reinhold Beckmann, er werde sich bei Neuwahlen als Gegenkandidat aufstellen lassen.  

Video der Woche:
 
Ein neuer Ausschnitt aus South Park mit Kanye West! Der Mann, der sich in den letzten Monaten abwechselnd als „Gott“, „Jesus“ oder „größtes Genie unserer Zeit“ bezeichnet hat, entpuppte sich ja als leidenschaftlicher Kämpfer für Gerechtigkeit, wenn es darum ging, seine Verlobte Kim Kardashian, seinen Modegeschmack, seine Videoclips oder seine Eingeschnapptheit vor der Weltöffentlichkeit zu verteidigen. Die Macher von South Park lassen ihn nun ein flammendes Plädoyer gegen das infame Gerücht halten, seine Verlobte sei ein Hobbit.

Tumblr der Woche:  
Island ist nicht nur das neue Lieblingsreiseland vieler trendbewusster mitteleuropäischer Großstädter, sondern wird derzeit auch von Reportern der besten Sendung der Welt durchleuchtet. Die "Sendung mit der Maus" dreht zurzeit auf der sympathischen Björk-Insel und hier postet der Moderator quasi in Echtzeit das Making-of. Sehr unterhaltsam!

Was guckst du so, Jeannine Michaelsen?

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Jeannine, wenn du als Kind im Winter zur Auswahl hattest: Schlittschuhlaufen, Schneeballschlacht, Fernsehen – was war deine erste Wahl?
Schlittschuhlaufen!  

Und danach? Schneeballschlacht. Erst danach Fernsehen.  

Warst du kein Fernsehkind? Zumindest habe ich wenig fern gesehen. Was Fernsehen und Kindheit angeht, erinnere ich mich höchstens an den „Li-la-Launebär“.  

Wurde bei Dir zu Hause sehr darauf geachtet, was und wie viel zu guckst?
Fernsehen war bis ich 10 war eigentlich gar kein fester Bestandteil in meinem Familienleben. Klar saßen meine Eltern oft um acht vor der „Tagesschau“, und dann hat man da mal rübergelinst. Aber sonst …  

… lief nichts für dich?
Na ja, wenn meine Eltern weg waren vielleicht. Dann habe ich mich manchmal neben den Babysitter gesetzt, der aber sehr alt war und grundsätzlich nur „Musikantenstadl“ und so geguckt hat. Und das fand ich schon als Kind nicht so prall.  

Wann wurde Fernsehen spannend für dich? So mit 12.  

Was hast du dann geguckt? Furchtbar gerne habe ich zum Beispiel „Knight Rider“ gesehen.  

Wegen Michael Knight? Ja, sicher! Ich war großer Fan von David Hasselhoff und habe logischerweise keine Folge verpasst.  

Und in der späteren Jugendzeit? Was war, sagen wir, mit 17 deine Lieblingssendung?
Das war zu der Zeit, in der alle Soaps geguckt haben, nur ich nicht. Ich hab’s dann mal versucht, um mitreden zu können, und zwar mit „Verbotene Liebe“, kam da aber irgendwie nicht rein. Ich glaube, ich kam nicht darauf klar, dass da irgendwer nicht wusste, dass er mit irgendwem anders verwandt war und es deswegen Probleme gab.  

Was hast du stattdessen geguckt?
Filme. Und amerikanische Sitcoms. Bei den Sitcoms konnte man ja überall und jederzeit einsteigen, auch erst ab Folge 21. Außerdem habe ich mir immer Konzertmitschnitte angeguckt von Musikern, die ich geil fand.  

Hattest du in deiner Jugend Fernsehhelden?
Harald Schmidt und Herbert Feuerstein, die damals noch zusammen „Schmidteinander“ machten. Und die Leute von „RTL Samstagnacht“, vor allem Esther Schweins, die fand ich ganz toll. Und Olli Dietrich natürlich mit dem „Spocht“.  

Wann hattest du denn deinen ersten eigenen Fernseher?
Meine Eltern haben mich mit 15 gefragt, ob ich einen haben will. Wollte ich aber nicht. Erst nach meiner WG-Zeit, da war ich dann schon 23, habe ich in meiner ersten eigenen Wohnung auch einen eigenen Fernseher gehabt.  

Vor eben diesem sitzen wir jetzt, es ist früher Abend. Ich schalte durch, und du sagst stopp. Los geht’s: ProSieben: „Taff“. Klatschnews.
Joah, nicht so meins.  

Stattdessen „Shopping Queen“ auf Vox?
Da haste mich! Das gucken wir, allein, weil ich Guido Maria Kretschmer super finde. Der ist lustig und auch ein bisschen böse, aber nie unter der Gürtellinie.  

Wie wär’s für dich mit „Promi Shopping Queen“?
Überall, wo „Promi“ drüber steht, mache ich nicht mit. Außer beim Pokern mit Stefan Raab und beim Stockcarfahren.  

Dann weiter: Arte – eine Reisedoku über Äthiopien.
Reisedokus mag ich an sich ganz gerne.  

Schon mal ein Land nach einer Reisedoku bereist?
Nein.     

Schon mal irgendwas gemacht, das dir im Fernsehen vorgeschlagen wurde?
Musik gehört. Wie früher kriegt man mich auch heute noch mit Konzertmitschnitten, für solche Quellen bin ich immer offen.

Der 20-Uhr-Gong. „Tagesschau?“

Ja. Das ist die einzige Nachrichtensendung, die ich neben den „Tagesthemen“ gucke.  

Danach hast du die Auswahl zwischen „The Voice Of Germany“,  einer Doku über Robbie Williams und dem deutschen Spielfilm „Nackt“ mit Heike Makatsch und Benno Führmann.
Auch wenn ich sehr gerne „The Voice“ gucke, entscheide ich mich für „Nackt“.  

Gibt es etwas, was noch nicht im deutschen Fernsehen läuft, das du aber gerne sehen und wobei du auch selbst gerne mitmachen würdest?
Mir fehlt etwas, das in die Richtung der großen amerikanischen Late Night Talkshows geht. Also „Saturday Night Live“ oder „Jimmy Fallon“.  

Mit dir als Jimmy Fallon?
Ich wäre sofort dabei! Wobei Jimmy Fallon vielleicht ein bisschen hoch gegriffen ist. Aber in irgendeiner Funktion würde ich mich schon einbringen. 

Gibt ja irgendwie auch keine Frauen, die so was machen.
Nee, aber es gibt welche, die das machen könnten. Das ist tatsächlich auch noch etwas, das im deutschen Fernsehen fehlt: mehr lustige Frauen. Die kommen auch noch. Sobald die Leute keine Angst mehr vor ihnen haben.

Sebastian Kurz: 12 Dinge über den jüngsten Minister Europas

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1. Am Freitag Vormittag schrieb Sebastian Kurz auf seiner Facebook-Seite: "Es kommt Neues und Bestehendes auf uns zu, eine Chance und große Herausforderung - das ist mir bewusst." Was er mit dem merkwürdigen Satz meinte: Laut Koalitionspakt der großen Koalition in Österreich soll Sebastian Kurz Außenminister der Alpenrepublik werden.





2. Er ist 27 Jahre alt und bisher Integrationssstaatsminister Österreiches. Außerdem hat er eine weiße Tafel in seinem Büro und ein Glas Wasser auf seinem Tisch.

3. Sebastian Kurz hat ein Jurastudium begonnen, aber nicht beendet.





4. In der Sendung Willkommen Österreich tauchte er in einer Parodie mit extrem großen Ohren auf.

5. Im Wahlkampf 2010 erfand er den Slogan "Schwarz macht geil".





6. Teil dieser Aktion: ein schwarzer Hummer (Geil-o-Mobil) und einige Damen ("Geilmacherinnnen") mit denen er im Wiener Nachtclub "Moulin Rouge" den Wahlkampf eröffnete.

7. Teil dieser Kampagne war die Forderung nach einem durchgängigen Betrieb der U-Bahn in Wien (auch nachts). Auf Bildern war ein junges Paar mit dem Slogan zu sehen: "Wenn wir unseren Verkehr so planen, kommen wir nie in Fahrt."

8. Im Rahmen dieser "Verkehrs"-Aktion sah sich Sebastian Kurz zu der Information veranlasst, selber im Alter von 15 Jahren erstmals Sex gehabt zu haben.

9. Die österreichischen Medien reagierten auf Kurz Karriere nicht gerade positiv. Die negativen Berichte kommentierte er mit den Worten: „So viele Schlagzeilen hintereinander hatte nicht mal Fukushima.“

10. Kurz nutzte die Aufmerksamkeit und wurde zum jugendlichen Aushängeschild der ÖVP. Im SZ-Porträt im September heißt es: "Er ist mittlerweile einer der beliebtesten Politiker, gleich nach dem Bundespräsidenten und der Parlamentspräsidentin. „Die letzte Hoffnung des bürgerlichen Wien“ schreibt die Presse."

11. Bei der Wahl 2013 gaben ihm über 35.000 Menschen ihre so genannte Vorzugsstimme (eine Besonderheit des österreichischen Wahlrechts, die es ermöglicht einzelne Kandidaten einer Liste hervorzuheben), mehr als jedem anderen Politiker. Damit wurde er Vorzugsstimmenkaiser.

12. Im Jahr 2004 machte der designierte Außenminister Österreichs seine Matura (mit Auszeichnung) in Wien. Es ist sein höchster Bildungsabschluss, mit dem er im Rahmen der Berichterstattung über seine Karriere nun veralbert wird: Der Maturant soll Österreich auf politischer Ebene repräsentieren. Es wird ihn vermutlich kaum stören.

Mehr über Sebastian Kurz im Porträt auf Süddeutsche.de

So wird die KW 51: Warmes Blau und Weihnachtsfeiern

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Wichtigster Tag der Woche:
Der Dienstag! Genauer der Dienstagabend. Da haben wir nämlich unsere jetzt.de-Weihnachtsfeier. Am Freitag folgt Weihnachtsfeier Nummer zwei, da fahre ich abends mit der Firma, in der mein Freund arbeitet, ins Chiemgau.

Politisch interessiert mich...

... was da eigentlich in Nordkorea los ist. Einmal mehr kann ich nicht glauben, was da passiert. 2013. Ohne dass da jemand was dagegen tut.
Die Worte "Große" und "Koalition" dagegen kann ich nicht mehr hören. "GroKo" - übrigens Wort des Jahres - auch nicht.



Kinogang?
Oui! Beim Filmfestival in Cannes wurden für diesen Film sowohl der Regisseur Abdellatif Kechiche als auch die beiden Schauspielerinnen Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux mit der "Goldenen Palme" ausgezeichnet. Ab Donnerstag kann man "Blau ist eine warme Farbe" endlich in den deutschen Kinos sehen. Der Dreistundenfilm, in dem die 15-jährige Adèle (Exarchopoulos) merkt, dass sie auf Frauen, genauer die blauhaarige Emma (Seydoux) steht, ist genau das Richtige, um abends dem Weihnachtsmarkt- und Einkaufswahnsinn aus dem Weg zu gehen. Am liebsten auf Französisch! Mal sehen, wie viel vom Leistungskurs und kurzen Aufenthalten noch hängengeblieben ist.  

http://www.youtube.com/watch?v=QkmX_11BJqA 

Soundtrack?
Gerade ist das neue Album der Münchner Band The Marble Man, erschienen, und es heißt wie das schönste Münchner Stadtviertel: "Haidhausen". Ich bin sehr gespannt, was Frontmann und jetzt.de-Mitarbeiter Josef Wirnshofer und seine Kollegen da fabriziert haben. Der Album-Opener ist schon mal sehr toll!     

http://soundcloud.com/the-marble-man/dystopia-of-a-circus-boy  

Und ich hoffe, dass mir meine liebe Kollegin und Tischnachbarin Charlotte ihr Lorde-Album ausleiht. Das ist zwar schon im Oktober erschienen, aber das macht ja nichts.  

Wochenlektüre:
Gerade ist einfach zu viel los und ich schlafe jeden Abend ein, bevor ich auch nur eine Seite aufschlagen kann. Ich will endlich "Die sanfte Entführung des Potsdamer Strumpfträgers"von Poetry Slammer Christian Ritter anfangen. Klingt sehr lustig und verschroben. Und die neue "Muh" ist am Freitag rausgekommen. Pflichtlektüre!  

Werde ich auf jeden Fall tun:

Endlich mal zum Street-Food-Thursday in der Markthalle neun in Berlin gehen. Endlich bin ich mal an einem Donnerstag in der Stadt und schaffe es dahinzugehen. Und zwar rein beruflich. Na ja, nicht ganz rein. Aber auch. Ich freu mich jedenfalls!  

Keine Chance diese Woche...

... hat Geschenkestress. Meine Liste ist endlich komplett und das Besorgen (weil ich dafür nicht in die Innenstadt muss) gar nicht so schlimm.

Titelthesen

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Der Schachtel-Titel



So ist er konstruiert:
Lang. Ziemlich lang. Es kann sich zum Beispiel ein schwungvoller Relativsatz darin befinden, wahrscheinlich sind auch Orts- und/oder Personennamen (Vor- und Zuname) oder Genitive.
 
So könnte er lauten:
„Die wundersame Geschichte der Faye Archer“ / „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ / „Die Abenteuer des Joel Spazierer“ / „Die Ordnung der Sterne über Como“ / „Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau“
   
So sieht das Cover aus:
Schön. Meist ist es kein Fotocover, sondern eines mit Illustration, farblich gut abgestimmt, wenig knallig, dafür ein bisschen verspielt und verträumt. Oder es ist rein typografisch, aber auch eher so, als habe jemand den Schriftzug mit viel Liebe und vor allem mit der Hand hingepinselt.
 
Das erwartet dich:
Da dieser Titel einem aktuellen Titeltrend folgt, handelt es sich wahrscheinlich um einen zeitgenössischen Roman. Innen drin ist er vermutlich ähnlich verspielt wie sein Coverdesign und ziemlich erzählfreudig. Die Protagonisten sind entweder liebenswerte, etwas verschrobene Typen oder gerissene Schelme und Lügner, die du dabei begleitest, wie sie das Leben in dieser komischen Welt meistern, und die du irgendwie immer gern hast, egal was sie tun.
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du gerne das Draußen-stürmt’s-und-ich-sitz-am-Kamin-Gefühl magst oder dich unwohl fühlst, wenn du im Buchladen zu nah an den Regalen mit den Genre-Romanen vorbeigehst.
 
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Der Zahlen-Titel



So ist er konstruiert:
Aus Ziffern. Manchmal auch in Verbindung mit Buchstaben oder einem Wort.

So könnte er lauten:
„1913“ / „1984“ / „1Q84“ / „2666“ / „Catch 22“ / „Fahrenheit 451“ / „1979“
 
So sieht das Cover aus:
Recht abstrakt. Oder so, dass die Zahl sehr gut in Szene gesetzt und damit gleichzeitig Covermotiv ist.
 
Das erwartet dich:
Entweder handelt es sich um eine Art Chronik (dann sieht das Cover aber anders aus, sachlich und mit Fotos drauf). Oder es ist ein Roman, der sich künstlerisch mit dem titelgebenden Jahr auseinandersetzt. Oder du hast einen dystopischen Roman geschenkt bekommen, vielleicht sogar einen mit Science-Fiction-Elementen, auf jeden Fall ist alles ein bisschen kryptisch und verstörend.
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du Chroniken magst (falls es eine ist). Ansonsten: Wenn du dich gerne davon beeindrucken lässt, wie finster die Fantasien eines Autors sein können, dich gerne ein bisschen fürchtest und es magst, wenn sich den Leben im Vergleich zu den Sachen, die du liest, eigentlich ganz in Ordnung anfühlt.

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Der Wenige-Worte-Titel



So ist er konstruiert:
Schlicht, aber dafür mit Wumms. Denn er will eine Faust aufs Auge, ein Tritt in den Magen, ein Schuss ins Herz sein. Er besteht aus einem Wort oder aus einem Wort mit Artikel oder – Sonderform – aus einem Wort mit Artikel und Adjektiv.
 
So könnte er lauten:
„Vogelweide“ / „Sand“ / „Das Ungeheuer“ / „Inferno“ / „Der Alchimist“ / „Das größere Wunder“
 
So sieht das Cover aus:
Schwer zu sagen – er könnte auf beinahe jedem nur denkbaren Cover stehen. Warum, erfährst du eins weiter unten.
 
Das erwartet dich:
Der Wenige-Worte-Titel ist ein Klassiker und wird quer durch die Literaturlandschaft und -geschichte gebraucht. Wenn du ein Buch mit einem Wenige-Worte-Titel auspackst, musst du darum auf alles gefasst sein: Hier kann dich ein Klassiker („Die Verwandlung“), ein zeitgenössischer Publikums- und Kritikerliebling („Tschick“), ein Thriller („Inferno“), ein Historischer Roman („Die Päpstin“) oder – im schlimmsten Fall – Günter Grass („Der Butt“) erwarten.
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du dem Schenkenden und seinem Geschmack vertraust.
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Der Lavendel-Titel



So ist er konstruiert:
Hier kommt es weniger auf die grammatikalische Struktur oder die Länge an als vielmehr auf die Wortwahl. In diesem Titel kommen Begriffe wie „Liebe“, „Herz“, „Du“, „dich“, „wir“, „Gefühl“, „Seele“, „Träume“, „Glück“, „Wunder“ vor (oder ähnliche aus der Begriffsfamilie „Kitsch”). Oder Schönes aus der Natur (zum Beispiel „Lavendel”) in einer unmissverständlich anrührend gemeinten Kombination.
 
So könnte er lauten:
„Deine Seele in mir“ / „P.S. Ich liebe dich“ / „Ich hab dich im Gefühl“ / „SMS für dich“ / „Das Lavendelzimmer“ / „Weil du bei mir bist“ / „Herz an Herz“ / „Eine Spur von Lavendel“
 
So sieht das Cover aus:
Starke, leuchtende Farben (besonders beliebt: Himmelblau oder strahlendes Violett) und verspielte Buchstaben. Dazu kommen Motive, die Liebe, Leichtigkeit und eine Art „zarte Weiblichkeit“ symbolisieren sollen (Silhouette eines Frauenkörpers, Schmetterlinge, Luftballons, Pusteblumen, Wolken).
 
Das erwartet dich:
Knallharte Weichheit. Das Buch ist vermutlich ein Liebes- oder ein sogenannter „Frauenroman“ und erzählt dir eine Geschichte voller Liebe und voller Glück (wegen Liebe) und Schmerzen (wegen Liebe). Selbst, wenn du dir vorher vornimmst, es schlecht zu finden (und selbst, wenn es das tatsächlich ist), beherrscht es die Kunst des weichen Erzählens so unglaublich gut, dass du am Ende trotzdem heulst und unter Tränen „aber das ist doch totaler Blödsinn!“ rufst. Kurz gesagt erwartet dich: Eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen brennender Fremdscham und ebenso brennender Rührung.
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du die ironische Lektüre beherrschst oder mit nichts auf der Welt besser runterkommst, als mit ganz, ganz viel Romantik. Oder: wenn du gern an Lavendel schnupperst und deine Lieblingsblumen Rosen sind, „weil sie wunderschön sind, aber auch Dornen haben!“

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Der Witze-Titel



So ist er konstruiert:
Hin zur Pointe, die dem Menschen die Scheine in der Tasche lockert, weil er denkt: „Haha, da hab ich immerhin schon mal gelacht, und am Spaß sollte ich echt nicht sparen, hab ja schon genug Ärger im Büro!“ Die Pointe erreicht der Titel mit absurden Zusammenhängen, sogenannten „flotten Sprüchen“ oder – der Klassiker – mit einem Wortspiel.
 
So könnte er lauten:
„Wir braten sie gern“ / „Ich bin da, aber die Haustür nicht“ / „Mutter bei die Fische“ / „Brot kann schimmeln, was kannst du?“ / „Die inneren Werte von Tanjas BH“
 
So sieht das Cover aus:
Man sieht eine comicähnliche Illustration oder eine Collage, manchmal ist auch der Autor mit drauf. Die Buchstaben des Titels sind wahrscheinlich bunt oder schief. Oder beides.
 
Das erwartet dich:
Na klar, ein witziges Buch. Das kann ein witziger Roman sein oder eine witzige Zusammenstellung witziger Anekdoten „aus dem Leben eines [hier beliebige Berufsbezeichnung einsetzen]“, eine witzige Auflistung witziger Rechtschreib- und Grammatikfehler, witziger SMS oder witziger Todesanzeigen, eine witzige Sammlung witziger Kurzgeschichten oder, falls so was überhaupt noch verlegt wird, ein Witzebuch (in dem Witze stehen).
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du gerne lachst, aber auch relativ fremdschamresistent bist und es außerdem nicht arg schlimm findest, wenn man dich mit einem Eimer voller Pointen überschüttet, von denen nicht alle zünden.

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Der Ich-Titel



So ist er konstruiert:
Um das Wörtchen „ich“ herum. Meist ist es eingebettet in einen einfachen Satz, etwa „Ich bin...“ oder „Ich war...“, aber auch mal in ein Wortspiel oder eine zeitliche Wendung („Als ich...“), die andeutet, dass es hier um ein Leben geht, in dem eine Wendung stattgefunden hat. Untertitel sind in dieser Buchkategorie übrigens äußerst beliebt – und oft kommt darin entweder „ich“ oder „mein/e“ vor.
 
So könnte er lauten:
„So wie ich will – Mein Leben zwischen Moschee und Minirock“ / „Ich bin Zlatan Ibrahimovic – Meine Geschichte“ / „Fräulein Jacobs funktioniert nicht – Als ich aufhörte gut zu sein“ / „Moppel-Ich – Der Kampf mit den Pfunden“ / „Jeden Tag wurde ich dicker und müder – Mein Leben mit Hashimoto“
 
So sieht das Cover aus:
Ein Foto-Cover. Meistens ist die Person drauf, die das Buch geschrieben hat, und sieht irgendwie stark aus – ernst-stark, also vom Leben gezeichnet, aber nicht besiegt, oder fröhlich-stark, also selbstbewusst und mit sich im Reinen.
 
Das erwartet dich:
Ein Schicksal. Ein echter Mensch erzählt dir von seinen echten Problemen, seiner echten Krankheit, seinem echten, aber überhaupt nicht durchschnittlichen Leben. Das Buch will sehr dringend, dass du dich mit der Geschichte identifizierst, darum ist es immer ein bisschen kumpelhaft und soll den Eindruck erwecken, dass dir hier jemand etwas erzählt, der genau dich als perfekten, äußerst empathischen Zuhörer ausgewählt hat.
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du es mit Fiktion nicht so sehr hast und gerne „Das Leben schreibt immer noch die besten Geschichten“ sagst.


Der Sonntag mit... Julian Heun, Poetry-Slammer

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Name: Julian Heun
Alter: 24
Geburtsort: Berlin
Wohnort: Berlin
So erkläre ich meinen Job meiner Oma: Ich schreibe entweder Romane, wie der gelbe, den ich dir neulich gegeben habe, oder ich trage Gedichte auf Bühnen im Wettbewerb vor. Genau, Oma, dieses "Poetry Slam", mit den vielen Männern, mit denen man sich manchmal ein Doppelzimmer im Hotel teilen muss, weswegen du mich fälschlicherweise für schwul hältst.  
Mein liebster Wochentag: Mittwoch. Da hab ich keine Uni mehr, das Touren hat aber auch meist noch nicht angefangen.
Aktuelles Projekte: Rapstar werden, eine Radiosendung kapern, einen neuen Roman schreiben, mal wieder Skifahren.




02:03 Wir sind im Charles Bronson in Halle.
Das Charles Bronson ist gewöhnlicher als das, was man in Berlin darüber hört. Und etwas voll. Trotzdem gefällt es mir reichlich. Saunaoptik und eine bretternde Funktion One Anlage. Monkey Safari und Super Flu spielen auch gewöhnlicher als sonst. Und sind etwas voll. Mutmaße ich. Trotzdem gefällt es mir reichlich. Aber man sollte nie mit tollen Erwartungen in einen Abend gehen, sondern mit tollen Freunden. Und so ist es dann auch. Wir sind in Magdeburg aufgetreten, haben das Backstage Bier geräubert und sind dann nach Halle gefahren. Es kann nichts schiefgehen bis auf die Tatsache, dass man in Sachsen-Anhalt häufig mit recht hoher Frequenz gezwungen wird, Pfeffi zu trinken. Aber von bemerkenswerten Nächten sollte man nicht schreiben und Fotos machen, sondern…



13:12 Es war eine bemerkenswerte Nacht. Das Badezimmer des Freundes, bei dem ich übernachte, ist mit Schwarzlichtfarbe bemalt. Er hat ein unübersehbares Faible für psychedelische Ästhetik. Mich grüßt ein "Moin" von der Wand.



13:13 Auch das Lächeln ist schon im Spiegel integriert.



13:30 "Man muss die Krankheiten tragen, die Saison haben.", hat ein Freund von mir neulich gesagt. Wenn das stimmt, dann hat ein satter Husten auf jeden Fall Saison. Er ist kleidsam im Spätherbst. Deswegen beginnt mein Frühstück mit Inhalieren in der Küche. Ein Grund, warum ich so gerne auf Tour fahre ist, weil ich gerne in Hotelbetten schlafe und in fremden Küchen frühstücke. Ich komme voll auf meine Kosten. Sonntag ist eigentlich kein Tag der großen Entscheidungen, aber die Teeauswahl bringt mich vor ernsthafte Schwierigkeiten.



15:10 Es ist Zeit für einen Spaziergang. "Hallo, Halle!"



15:18 "Hallo Julian!", scheint Halle zu sagen, "Mir geht es heute wie dir. Ich sah schon mal besser aus." Alles ganz schön grau. Nicht trostlos, aber schon ganz schön herbstig



15:50 Wir befinden uns in der Uhrzeit 50 nach 15 Uhr, ganz Halle ist von der Gräue des Spätherbst besetzt... Ganz Halle? Nein! Ein gelber Baum hört nicht auf der Gäue Widerstand zu leisten und wirft wütend mit seinen knallgelben Blättern um sich.



16:30 Es wird kein Sonntag der leichten Entscheidungen. Wir gehen in ein Restaurant, dass sich nicht entscheiden kann, ob seine Küche China, Thailand, Vietnam oder dem Lande "Sushi" entnommen ist. Das sollte mich kritisch machen, aber der Werbespruch "all you can fat" heitert mich genug auf, um das Restaurant zu betreten. Ich habe wenige Sonntagsrituale. Aber eines ist das Thai Curry. Wenn ich einen Sonntag zu Hause verbringe, esse ich immer Thai Curry, wasche Socken und spiele FIFA. Also bestelle ich Thai Curry und werde dabei sehr glücklich.



17:00 Heute kein FIFA. Mein Freund, bei dem ich zu Gast bin, präsentiert mir die Zeichentrickserie "Ren und Stimpy", die ich bis dahin nicht kannte. Ein asthmatischer Chihuahua und ein dicker, einfältiger Kater erleben Abenteuer. Eine neue, sehr absurde Welt tut sich mir auf. Ich bin erst verschreckt, dann erfreut, dann beides gleichzeitig.



20:35 Unter den bunten Lichtern im Turm in der Moitzburg moderiere ich mit Tobias Glufke den Poetry Slam und trete als Special Guest auf. Das Thai Curry gibt mir die nötige Kraft, bilde ich mir ein. Ich versuch mich an den Hallensern zu rächen, indem ich das Publikum nach jedem Text zwinge Pfeffi zu trinken. Die Hallenser sind wie immer - nett und unerträglich umgänglich: Sie kehren meine Waffe um und nehmen sie als Geschenk, freuen sich über den Pfeffi und verlangen mehr. Man muss sie einfach mögen. Danach geht es halbwegs fix ins Bett, denn die Uni wartet am Montag. "Thomas Manns frühe Erzählungen". Gut, dass ich davon nicht berichten muss.

Zehn Jahre Bildungsanwalt

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Wenn Klaus Kinkel in Rage gerät, dann kommt sein schwäbischer Dialekt durch. Sch-Laute und Oi-Silben reihen sich aneinander, klar wird, dass der frühere Außenminister in Hechingen am Rand der Schwäbischen Alb aufgewachsen ist. Unterhält man sich mit dem 76-Jährigen in diesen Tagen und spricht den Koalitionsvertrag von Union und SPD an, dann bricht sich diese Verärgerung Bahn, mit schwäbischen Lauten garniert. "Es ist eine einzige Enttäuschung", sagt Kinkel da. "Alles, was so lange verhandelt wurde und unbestritten gerade von einer großen Koalition anzupacken wäre, wurde einfach gestrichen. Fehlanzeige von A bis Z."

Damit meint er unter anderem, dass das "Kooperationsverbot" im Vertrag ignoriert wurde. Der Passus im Grundgesetz verbietet es dem Bund, direkt die Schulen und Hochschulen der Länder zu fördern. "Keiner will an der Kulturhoheit der Länder rütteln. Aber der Bund muss helfen können, wenn es die Länder allein nicht schaffen", sagt Kinkel. Eine große Koalition habe die Chance, das Grundgesetz zu ändern. "Und diese Chance wird verspielt. Stattdessen gibt es einen Koalitionsvertrag voller Sonntagsreden und Gesäusel", empört er sich.

Dabei müsste Kinkel eigentlich momentan Grund zur Freude haben. Die Telekom-Stiftung, deren Vorsitzender er ist, wird zehn Jahre alt. Und die Abteilung Engagement des Bonner Konzerns kann mit Fug und Recht behaupten, formidable Projekte initiiert und - was bei Bildung nicht das Unwichtigste ist - finanziert zu haben. Nachdem Kinkel Ende der Neunzigerjahre aus der Politik ausgeschieden war, wurde ihm das Angebot gemacht, für den Konzern als Anwalt zu arbeiten, in seinem ursprünglichen Job. Schon bald kam aber die Idee einer Stiftung auf, in der ein Unternehmen dieser Größe seine gesellschaftlichen Aufgaben bündeln könnte. Mit dem Sozialdemokraten Peter Glotz forcierte der FDP-Politiker dann die Gründung. Im Dezember 2003 war es so weit, mit einem Grundstock von 150 Millionen Euro zählt sie nun zu den größten Firmenstiftungen im Land.

Bildung sollte der Schwerpunkt sein, das wurde schon bei den Gründungsplanungen schnell klar, genauer gesagt: "MINT-Bildung", Mathe, Informatik, Naturwissenschaft, Technik. "Es heißt gerne, wir sind das Land der Dichter und Denker, diesen Anspruch sollten wir auch verfolgen. Aber draußen in der Welt sind wir das Land der Ingenieure", sagt Kinkel, als Außenminister habe er eben das erfahren. Und er sagt: "Obwohl ich mit wachen Augen durch die Welt gegangen bin, war mir in der aktiven Zeit nie klar, wie groß die Schwachstellen im Schulsystem tatsächlich sind." Was ihm als Mitarbeiter und Chef in den Ministerien des Inneren, des Äußeren und der Justiz verborgen blieb, holte er nach. So wurde im Laufe der Jahre aus dem Anwalt ein Bildungsanwalt.


Da war er noch Politiker: Klaus Kinkel 1998 mit einem Nachfolger im Auswärtigen Amt, Joschka Fischer

Und in diesem Sinne setzt er sich - mit den Millionen des Konzerns und wissenschaftlicher Expertise im Rücken - dafür ein, dass Mathe und Technik ihr dröges Image, ihren angstverbreitenden Nimbus verlieren. In einer "Junior-Ingenieur-Akademie" erleben Jugendliche an Dutzenden Schulen Praxisunterricht, Tausende Klassen wurden zudem mit physikalischen Experimentier-Kisten versorgt, Kita-Kinder sollen durch Lernmaterialien ihren ?Forschergeist? entdecken; es gibt Wettbewerbe, Projekte, Stipendien. In Münster wurde eine Stiftungsprofessur für naturwissenschaftliche Früherziehung lanciert, ein universitäres Zentrum bildet Mathelehrer fort, damit sie ihr Fach zeitgemäßer präsentieren. "Wir geben nicht nur Geld, sondern arbeiten operativ, gehen also auch inhaltlich in die Projekte", sagt Kinkel. So könne man "Prototypen für innovative MINT-Bildung" schaffen und "unter anderem der Politik zeigen, was möglich ist".

Aber wären derlei Initiativen, die Schulen besser machen können, nicht die klare Aufgabe des Staates? "Ja, die Politik darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen", sagt Kinkel und setzt erneut zum Furor ob des Koalitionsvertrags an. "Aber Stiftungen sind auch nicht sterile Einrichtungen, die vor sich hinarbeiten. Man muss immer sehen: Wo kann man an den erkennbaren Schwachstellen sinnvoll andocken, wo etwas in Bewegung setzen?"

Als Politiker, vor allem im Justizressort, habe er überwiegend "nacheilend Gesetze gemacht"; es gab ein Problem, das man per Gesetz in den Griff bekommen wollte. Bildungspolitik aber biete die Chance zum direkten Gestalten. Im Nachhinein denke er manchmal, dass auch ein Posten in der Bildungspolitik früher was für ihn gewesen wäre, so Kinkel. Seit zehn Jahren jedenfalls betreibt er eine Art von Bildungspolitik durchaus - und zwar, ohne an einem Kabinettstisch zu sitzen.

Merkels Kabinett der Überraschungen

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Die längste Regierungsbildung in der Geschichte der Bundesrepublik ist am Wochenende mit mehreren Überraschungen zu Ende gegangen: Ursula von der Leyen soll Verteidigungsministerin werden. SPD-Chef Sigmar Gabriel holt sich einen Grünen als Staatssekretär in sein neues Ministerium für Wirtschaft und Energie. In Aydan Özoguz wird zum ersten Mal eine türkischstämmige Politikerin am Kabinettstisch sitzen. Und die CSU ist in der neuen Regierung doch nicht so stark vertreten wie zunächst erwartet. An diesem Dienstag sollen die Minister im Bundestag vereidigt werden, dann kann das dritte Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Arbeit aufnehmen.

Über das Personal der neuen Regierung war seit Monaten spekuliert worden. Dass von der Leyen Verteidigungsministerin werden könnte, stand dabei allerdings nie zur Debatte. Es galt als sicher, dass Thomas de Maizière Ressortchef bleibt. De Maizière muss jetzt das Innenministerium übernehmen, das er bereits bis 2011 führte. Von der Leyen und de Maizière gelten als mögliche Parteichefs oder Kanzlerkandidaten für die Zeit nach Merkel. Die überraschende Berufung zur Verteidigungsministerin stärkt jetzt von der Leyen, bisher wurde das wichtige Ressort immer von Männern geleitet. Von der Leyen verfügt in der CDU zwar über keine Hausmacht. Wegen ihrer vielen Alleingänge ? zuletzt bei der Frauenquote ? ist sie in Teilen der CDU sogar ausgesprochen unbeliebt. Auf dem jüngsten Parteitag erhielt sie bei der Wahl zur stellvertretenden CDU-Chefin nur 69Prozent der Delegiertenstimmen. Sie ist jedoch seit ihrer Zeit als Familienministerin für die Außenwirkung der CDU enorm wichtig. Falls sie jetzt auch im Verteidigungsministerium reüssiert, hätte sie trotz aller Vorbehalte in der Partei eine starke Stellung. De Maizière ist wegen seines unglücklichen Umgangs mit der Drohnenaffäre bereits stark in die Defensive geraten.


Sigmar Gabriel am Sonntag bei der Vorstellung der neuen SPD-Minister

Die CSU darf zwar wie erwartet drei Minister stellen. Allerdings musste Parteichef Horst Seehofer beim Ressortzuschnitt erhebliche Zugeständnisse machen. Die CSU verliert das wichtige Innenministerium und erhält dafür nur das vergleichsweise kleine Ressort für Entwicklungshilfe. Das Agrarministerium bleibt zwar unter CSU-Führung, es muss aber den Bereich Verbraucherschutz an das Justizministerium abgeben. Auch beim Verkehrsressort hat die CSU sich nicht verbessert: Das Ministerium erhält jetzt zwar die Zuständigkeit für ?digitale Infrastruktur?, verliert dafür aber den gesamten Bau-Bereich an das Umweltressort. Für die populäre Mietpreisbremse oder den sozialen Wohnungsbau wird also kein CSU-Minister mehr verantwortlich sein. Seehofer verteidigte das Verhandlungsergebnis trotzdem. "Mir war wichtig, dass wir drei Minister behalten", sagte der Parteivorsitzende. Rechnerisch wären der CSU tatsächlich nur zwei Ressortchefs zugestanden. Für die Christsozialen werden jetzt CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und der bisherige Agrar-Staatssekretär Gerd Müller Minister. Dobrindt übernimmt das Verkehrsressort, Müller das Entwicklungshilfe-Ministerium. Hans-Peter Friedrich wechselt vom Innen- in das Agrar-Ressort. Der bisherige Verkehrsminister Peter Ramsauer muss die Regierung verlassen.

Keine Veränderung gibt es in den Ministerien für Finanzen und Bildung, Wolfgang Schäuble und Johanna Wanka (beide CDU) behalten ihre Ämter. Für die Union war vor allem die Personalie Schäuble von herausragender Bedeutung. In der CDU zeigte man sich am Wochenende zufrieden, das Finanzministerium behalten zu haben. Nach dem überraschenden Ausscheiden von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla übernimmt nun Peter Altmaier das schwierige Amt. Neuer Gesundheitsminister soll CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe werden. Altmaier und Gröhe gelten als enge Vertraute Merkels. Gröhe stammt außerdem aus Nordrhein-Westfalen. Ohne seine Berufung wäre der mächtige Landesverband wegen des Ausscheidens von Pofalla nicht mehr in der Regierung vertreten gewesen.

Die Namen der sozialdemokratischen Minister waren bereits am Freitagabend bekannt geworden. Am Sonntag wurden sie von SPD-Chef Gabriel bestätigt. Demnach wird Frank-Walter Steinmeier Außenminister, Manuela Schwesig Familienministerin, Andrea Nahles Arbeitsministerin, Heiko Maas Justizminister und Barbara Hendricks Umweltministerin. Gabriel wird neben seinem Amt als Ressortchef für Wirtschaft und Energie auch Vizekanzler. Als einen seiner Staatssekretäre hat sich der SPD-Vorsitzende den Grünen Rainer Baake ausgesucht. Baake war bereits in Hessen unter Joschka Fischer und im Bund unter Jürgen Trittin Staatssekretär. Auch Andrea Nahles hat sich für einen besonders qualifizierten Staatssekretär entschieden. Sie holt EZB-Direktor Jörg Asmussen in ihr Arbeitsministerium.

Im Bundeskanzleramt und im Außenministerium wird es zu einer ungewöhnlichen Verschränkung kommen. Die Sozialdemokratin Özoguz wird im CDU-geführten Kanzleramt Staatsministerin für Migration und Flüchtlinge. Im Gegenzug wird die Christdemokratin Maria Böhmer Staatsministerin im SPD-geführten Außenamt.

Einsturzgefahr: Häuser auf der Reeperbahn geräumt

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Mitten im nächtlichen Trubel auf der Hamburger Reeperbahn hat die Polizei die "Esso-Häuser" wegen möglicher Einsturzgefahr geräumt. Nachdem besorgte Mieter wegen "wackelnder Wände" die Einsatzkräfte alarmierten hatten, mussten mehrere Dutzend Bewohner in der Nacht ihre Wohnungen verlassen. Auch angrenzende Bars, Restaurants und Diskotheken wurden geschlossen. Die Häuser bleiben vorerst gesperrt. Seit Jahren machen die maroden "Esso-Häuser" Schlagzeilen. Der Eigentümer, das Immobilienunternehmen Bayerische Hausbau, will die alten Gebäude abreißen und mehr als 200neue Wohnungen sowie Gewerbeeinheiten bauen. Gegen diese Pläne kämpft eine Initiative.

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Am 22. September 2013 sind wir zu den Wahllokalen geschlurft, haben Kreuzchen gesetzt und abends die ersten Hochrechnungen abgewartet. Damals war es noch so warm, dass man in eine Decke gehüllt gut draußen sitzen konnte. Es ist also eine gefühlte Ewigkeit her.

Nun, fast drei Monate später, gibt es endlich eine Regierung in Deutschland. Die Große Koalition wurde von der SPD-Basis bestätigt, fünf Ministerien gehen an die CDU, drei an die CSU und sechs an die SPD. Die offizielle Liste sieht so aus:



CDU: Innenminister = Thomas de Mazière, Finanzminister = Wolfgang Schäuble, Verteidigungsminsterin = Ursula von der Leyen, Gesundheitsminister = Hermann Gröhe, Bildungsministerin = Johanna Wanke, Kanzleramtsminister = Peter Altmaier

CSU: Verkehrs- und Internetminister = Alexander Dobrindt, Landwirtschaftsminister = Hans-Peter Friedrich, Entwicklungsminister = Gerd Müller

SPD: Wirtschafts- und Energieminister = Sigmar Gabriel, Ministerin für Arbeit und Soziales = Andrea Nahles, Außenminister = Frank-Walter Steinmeier, Familienministerin = Manuela Schwesig, Umwelt- und Bauministerin = Barbara Hendricks, Justizminister = Heiko Maas

Manche dieser Besetzungen waren überraschend (von der Leyen im Verteidigungsministerium, Barbara Hendricks hatte niemand auf dem Schirm), andere lang gefordert und nun eingelöst (mehr Frauen ins Kabinett, besser geregelte Zuständigkeit für Internetangelegenheiten).

Wurden wir bei der Wahl noch gefragt, welche Partei wir am liebsten regieren sehen wollen, war hingegen die genaue Postenverteilung nicht in unserer Hand. Also Zeit für die Frage: Wie findest du das neue Kabinett?
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