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Gegen die Wand gefahren

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Bei Münchens erster „Failnight“ erzählen Menschen von ihrem Scheitern – öffentlich. Warum nur? Ein Gespräch mit der Veranstalterin und einem Referenten.Ist Scheitern immer noch ein Tabu? Und wenn ja: Gilt das im erfolgsverwöhnten München besonders? Bei der „Failnight“ berichten Menschen live auf der Bühne von ihren Misserfolgen. Sabine Sikorski arbeitet in einer PR-Agentur, ist Foodbloggerin und engagiert sich im Social Media Club München. Sie organisiert die Veranstaltung. Einer der Referenten ist Florian Deising. Der promovierte VWLer gehörte zu den zehn Besten seines Uni-Jahrgangs und leitete als Unternehmensberater und Finanzmanager internationale Projekte in großen Konzernen. Dann kündigte er – und war ein Jahr lang arbeitslos. 400 Bewerbungen und drei Vorstellungsgespräche später startete er eine nachhaltige Sportgründungsinitiative, mit der er scheiterte. Heute unterstützt er Sozialunternehmer und ist Geschäftsführer der Firma bienensauna.de.
 



jetzt.de München: Florian, du bist Referent bei der Failnight, weil du sehr lange arbeitslos warst und dein erstes Start-up gegen die Wand gefahren hast. Warum erzählst du das fremden Leuten?
Florian: Ich habe ein Jahr lang acht Stunden am Tag Bewerbungen geschrieben, insgesamt waren es 400. Ich habe um die 80 Netzwerkveranstaltungen besucht. Ich weiß, was ich kann, aber nach einem Jahr ging das ans Selbstvertrauen. Ich will diese Erfahrung weitergeben, um zu zeigen, dass man nicht immer etwas für sein Scheitern kann.
Sabine: Jeder von uns war schon in Situationen, in denen er nicht mehr weiter wusste. Ich finde es wichtig, den Leuten zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Darum gibt es auch schon in mehreren Städten „Fuckup Nights“. Wir fanden „Failnight“ allerdings sympathischer.
 
Florian ist mit seinem zweiten Start-up erfolgreich. Mit einem Happy Ende spricht es sich auch leichter über Niederlagen.
Sabine: Das hängt davon ab, wie man Happy End definiert. Bei ihm sehe ich das so. Er verdient zwar weniger Geld als früher, ist aber glücklich. Eine Referentin wird über das Scheitern ihres Familienmodells sprechen. Ihr und ihren Kindern geht es heute gut, aber ihre Ehe ist gescheitert.
 
Was hat dir, Florian, geholfen, mit den Niederlagen umzugehen?
Florian: Ich habe gelernt, dass es nicht an mir lag, dass ich so lange keine Arbeit fand. Und dass der Fachkräftemangel in manchen Branchen nur in der Fantasie existiert. Es gibt viele Leute, die ganz schön viel können, aber keine Arbeit haben. Weil man ihnen nicht zutraut, ihr Wissen in einem anderen Bereich anzuwenden als dem, in dem sie mal gearbeitet haben. Und ich habe gelernt, dass das Arbeitsamt keine Unterstützung ist. Es gibt dort keine sozialen Aktivitäten für qualifizierte Arbeitslose. Die Sportgründungsinitiative, die ich vor dem Bienenprojekt gestartet habe, kam über drei Ecken zustande. Und auch nur, weil ich selbst auf Netzwerktreffen bin, um Menschen kennenzulernen.
 
Ist eure Botschaft dann: Einfach mal probieren?
Florian: Am Ende ist es natürlich auch ein Aufruf, etwas zu wagen. Nicht nur als Selbständiger. Es scheitern ja auch in Konzernen viele. Da redet man nur nicht so darüber. Aber, nein: „Einfach mal ausprobieren“, das möchte ich nicht vermitteln. Das funktioniert nicht. Den Job hinzuwerfen und die Branche zu wechseln, kann ich keinem empfehlen. Ich konnte das, weil ich keine Kinder und kein Auto hatte und kein Haus abbezahlen musste.
Sabine: Gründer lesen Statistiken, in denen steht, dass neun von zehn Gründungen scheitern, dass sie die ersten Jahre kein Geld verdienen. Wir wollen Mut machen, es zu versuchen – und wir wollen das Scheitern enttabuisieren.
 
Warum ist Scheitern so ein Tabu?
Sabine: Wir sprechen immer nur über Erfolge. Nehmen wir nur mal die sozialen Netzwerke. Da ist „Heute war ein Scheißtag“ schon das Negativste, das man findet. Niemand schreibt, dass ihm etwas nicht geglückt ist. Wir posten Bilder vom Strand, vom Feiern, dieses Interview werde ich posten. Da kriegen wir den Eindruck, bei allen anderen Leuten läuft’s, nur bei mir nicht.
 
FDP-Chef Christian Lindner hat mit seiner Wutrede vor einer guten Woche die perfekte PR für die Failnight vorgelegt.
Sabine: Schon im November war Scheitern Titelthema der brand eins, aber Lindners Wutrede hat bewirkt, dass etwas mehr übers Scheitern gesprochen und geschrieben wird. Scheitern hängt den Leuten wie ein Stigma an. Die Anderen denken oft, wenn man scheitert, heißt das, dass man es nicht drauf hat. Das stimmt einfach nicht. Manchmal passen die äußeren Umstände nicht, manchmal hat man die richtige Idee zum falschen Zeitpunkt.
Florian: Ich habe das auch privat gemerkt. Meine Freunde gingen total zurückhaltend mit meiner Arbeitslosigkeit um. Statt einfach mal zu fragen, wie es mir geht, wurde das totgeschwiegen.
Sabine: Darüber muss mehr geredet werden. Und wir merken, dass die Menschen das wollen. Wir haben jetzt schon Referenten für die nächste Failnight.
 
Ist Scheitern in München besonders schlimm?
Florian: Ich glaube nicht, dass das viel mit der Stadt zu tun hat. Ich jedenfalls habe es nicht als besonders schlimm empfunden, hier zu scheitern. Mir ging es mehr um mein Umfeld. Und darum, wie das reagiert. Zu den Leuten aus den Konzernen habe ich kaum Kontakt mehr.
 
Hier ist es aber schwieriger, mit wenig Geld auszukommen. Und es gibt weniger offensichtliches Scheitern. Bei München denkt man doch eher an Erfolg.
Sabine: Stimmt. Viele Leute haben hier Erfolg – und damit Geld. Die armen Leute werden nach draußen gedrängt, sodass man sie im Stadtbild nicht sieht. Hier ist es nicht oft so, dass der Nachbar auch keinen Job hat, nur selten klappt ein großes Projekt mal nicht. München vermittelt schon sehr den Eindruck: „Hier gelingt jedem alles.“

Failnight, 19. Feb., 19 Uhr, im Muffatcafé, Eintritt frei (bei Zusage auf Facebook); Mehr Infos.

Klaps und Kapitalismus

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Wenn man morgens mit der U-Bahn durch Berlin fährt, dann steht man sehr oft auf dem Bahnsteig und wartet, und an der Wand gegenüber hängen Plakate aus der Kuschelkampagne der Berliner Verkehrsbetriebe, auf denen steht, dass sie ihren Fahrgast lieben, wahrscheinlich auch, während er gerade gar nicht fährt. Man hat dann oft sehr viel Zeit, darüber nachzudenken, was für eine Art von Liebe das eigentlich sein soll. Dieses Gefühl muss irgendwie mit jenem verwandt sein, das der „Fifty Shades“-Held Christian Grey für seine Angebete Anastasia hegt, ohne die er nicht sein kann, und wenn er sie dann hat, übermannt ihn das dringende Bedürfnis, ihr wehzutun.



Was sich liebt, das peitscht sich: Dakota Johnson und Jamie Dornan in "Fifty Shades of Grey".

Die Berlinale hat nun also ihr Großereignis – die Deutschland-Premiere der Verfilmung von „Fifty Shades of Grey“. Die gute Nachricht vorweg: Alle, die befürchten, dass der Siegeszug von „Fifty Shades of Grey“ eine Kultur der häuslichen Gewalt wieder salonfähig macht, die einigermaßen aufgeklärte Gesellschaften eigentlich seit Jahrzehnten bekämpfen, können sich erst einmal wieder beruhigen. Zu den bekanntesten Arbeiten der Regisseurin Sam Taylor-Johnson, die dann letztlich den Zuschlag bekam, den Bestseller zu verfilmen, gehört ein zweiminütiger Clip, den sie 2011 gedreht hat . Er zeigt den aktuellen 007, Daniel Craig, in Frauenkleidern. Dazu erzählt die Stimme von Judi Dench, wie viele Frauen in Großbritannien körperlich misshandelt werden. Von Sam Taylor-Johnson hat Anastasia nicht viel zu befürchten.

Es ist aber trotzdem so: Bondage-Spiele oder Sadomaso-Praktiken zu mögen ist eine Sache – aber es geht in der Konstellation, die „Fifty Shades“ beschreibt, um mehr, um Unterwerfung und gebrochenen Willen. Das geht schon mal damit los, dass die etwas naive und komplett unerfahrene Studentin Anastasia Steele (Dakota Johnson), ihrem Gegenüber nicht gewachsen ist. Sie kommt für ein Interview in das Büro des jungen Konzernchefs Christian Grey (Jamie Dornan), den sie zwar einschüchternd findet, aber doch irgendwie verführerisch, und schon sehr bald bittet er sie, bei ihm einzuziehen. Er will sie, im Prinzip, kaufen: Sie kann alles haben, was sie will, Kleider, ein neues Auto – solange er mit ihr machen darf, was er will. Er möchte das, ganz der smarte Geschäftsmann, gern vertraglich absichern – es wird genau festgelegt, was das heißt, und darüber hinaus noch, was sie essen darf und was ihr blüht, wenn sie ihm nicht den gebührenden Respekt entgegenbringt. Für so was wurden, das sollte man bei aller Offenheit für sexuelle Spielarten nicht vergessen, Frauenhäuser gebaut. Anastasia braucht aber keins, ihr eigener Wille bleibt ihr erhalten.

So richtig masochistisch ist Anastasia nämlich nicht; das Etikett „Sadomaso-Buch“ hat schon zu E.L. James’ Vorlage nur bedingt gepasst. Es ist nicht gerade dazu geeignet, den Marquis de Sade erröten zu lassen, und es beschreibt alles Mögliche (in einem sehr wiederholungsfreudigen, begrenzten Vokabular) – in Beschreibungen von Schmerz schwelgt es nicht. Im Film sieht das dann so aus: Anastasia kriegt verschiedentlich ein paar auf den Po, und als der Geliebte dabei dann das erste Mal, auf ihren eigenen Wunsch, richtig zuhaut, packt Anastasia ihre Siebensachen; aber das ist ja auch erst Teil 1 der Trilogie.

Und sonst? Die Liebesgeschichte, die Anastasia und Christian verbindet, ist lahm. Christian Grey spielt nächtens in seiner Schlaflosigkeit Klavier, Anastasia schwebt in ein Betttuch gehüllt herbei –langweiliger kann man die Geschichte fast nicht bebildern. Psychologisch ist die Story ganz billig: Christian ist „nun mal so“, weil er selbst ein misshandeltes Kind ist, und Anastasia hat ein Daddy-Problem. Und einen Sex-Film hat Sam Taylor-Johnson nun auch nicht gerade gedreht, im Bett landen die beiden erst – zur Blümchensex-Defloration, damit die jungfräuliche Anastasia Vergleichsmöglichkeiten offenbart bekommt –, wenn der Film schon halb rum ist. Aber das macht vielleicht alles gar nichts: weil es um all das vielleicht schon beim Buch nicht gegangen ist.

Der Trailer zum Film hat schon Rekorde gebrochen, in den USA sind die Tickets zum Filmstart schon im Vorverkauf der Renner gewesen – was aber der Erfolg dieser Geschichte über Frauen aussagt, darüber kann man immer noch streiten. Vielleicht sagt er am Ende sehr wenig darüber aus, was Frauen wollen; und viel mehr darüber, was sie sich gern zusammenfantasieren. Die Schriftstellerin Petra Morsbach erzählt gern, dass in der UDSSR, als sie dort studierte, die Tschechow-Verfilmung „Die Dame mit dem Hündchen“ Kultstatus hatte – Frauen liebten diesen Film, weil er, Tschechows wegen, Dinge zu bieten hatte, die im Sowjetkino, und vor allem im Alltag, sonst nicht vorkamen. Tolle Kleider beispielsweise und das Konzept Gattin mit Dienerschaft. Die Frau im Film ist todunglücklich – es ist also eher unwahrscheinlich, dass die Zuschauerinnen mit der Filmheldin tauschen wollten.

Was nun Christian Grey betrifft: Er ist weniger ein Sadist, eher ein Patriarch der Träume. Ein liebevoller Rundumversorger. Er hält Anastasias Kopf, wenn sie kotzt, stellt Kopfschmerztabletten bereit und ist immer da, wenn er gebraucht wird – von seinen sexuellen Vorlieben mal abgesehen also ein echtes Fabelwesen. Die meisten Frauen werden wissen, dass das Patriarchat recht bequem sein könnte, wäre Verlass auf den makellosen Charakter aller Patriarchen. Insofern ist die Theorie, dass Christian Greys fürsorgliche Bevormundung die Sehnsüchte überforderter berufstätiger Frauen füttert, gar nicht so abwegig. Was nicht heißt, dass sie es in echt länger als eine halbe Stunde mit ihm aushalten würden. Es gibt mindestens noch einen guten Grund, warum „Fifty Shades“ als Geschichte reizvoll ist: Es gibt einstweilen keine Gesellschaft, nicht mal im freizügigen Europa und schon gar nicht in den USA, in denen Mädchen nicht doch das Label Schlampe fürchten müssen, wenn sie gern Sex haben – Unterwerfungsfantasien unterlaufen das, weil sie die Verantwortung fürs eigene Handeln ausblenden.

Das Patriarchat und der Kapitalismus arbeiten ja sehr gut Hand in Hand. Was dann an Sam Taylor-Johnsons Verfilmung des Buchs wirklich verstörend ist, das ist die Deutlichkeit, mit der die Bilder eine Geschichte von Arm und Reich erzählen. Anastasias schmuddelige Studenten-WG steht im Kontrast zum Glaspalast des Milliardärs Christian Grey, der eine Firma hat und einen Helikopter, und als sie ihn in der Tiefgarage fragt, welche von den Luxuskarossen ihm gehört, sagt er: „Alle!“ Wie selbstverständlich versucht er, sich mit teuren Geschenken die Macht über sie zu erkaufen – und sie liebt ihn dafür. Was für ein Albtraum.


Exodus aus Kosovo

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Die Bundesregierung will mit schnelleren Asylverfahren auf die stark gestiegene Zahl von Flüchtlingen vom Balkan reagieren. „Wir sind dabei, die Asylanträge aus Kosovo massiv zu beschleunigen“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin. Die „massive Auswanderung“ aus Kosovo lasse die Möglichkeiten zur Unterbringung in Deutschland an ihre Grenzen stoßen. Zudem könne sie „verheerende Folgen“ für die Stabilität des Landes selbst haben. Es sei allerdings nicht vorgesehen, Kosovo als „sicheres Herkunftsland“ einzustufen . Es gehe vielmehr darum, „Sofortmaßnahmen zu ergreifen und schnell Antworten zu finden“. Eine Gesetzesänderung nähme viel Zeit in Anspruch, sagte der Sprecher weiter.



Im Winter ist die Zahl der Flüchtlinge aus dem Kosovo stark gestiegen - die Behörden erkannten im vergangenen Jahr lediglich nur 1,2 Prozent der Asylanträge an.

Die Einstufung als sicheres Herkunftsland bedeutet, dass die Behörden von der Annahme ausgehen, dass ein Antragsteller aus diesem Staat nicht verfolgt ist und damit kein Recht auf Schutz in Deutschland hat. Dennoch findet ein Asylverfahren statt, dieses ist jedoch verkürzt, abgelehnte Bewerber können zudem schneller abgeschoben werden. Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien sind seit vergangenem Herbst als sicher eingestuft.

Das Bundesinnenministerium hatte zudem geplant, die Balkanländer Albanien und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, war jedoch am Widerstand der SPD, der Grünen und der Linken gescheitert. Einem solchen Schritt müsste der Bundesrat zustimmen und damit auch Länder, die von Grünen oder Linken mitregiert werden. Dies gilt auch im Fall Kosovos als sehr unwahrscheinlich. Dementsprechend zeigte sich das Ministerium zwar offen, falls eine entsprechende Vorlage aus dem Bundesrat komme, will aber nicht selbst mit einer Initiative in der Länderkammer scheitern.

Die Zahl der Migranten aus Kosovo, aber auch aus Albanien, war im Winter stark angestiegen, im Vergleich zum Oktober kamen im Januar drei mal so viele Asylbewerber aus den beiden Ländern, insgesamt etwa 4600. Im vergangenen Jahr erkannten die Asylbehörden lediglich 2,3 Prozent der Albaner als schutzbedürftig an, bei den Kosovaren waren es 38 Menschen (1,2 Prozent).

Wie bedrohlich die Lage in den Balkanländern ist, ist umstritten. Das Bundesinnenministerium verweist auf die hohe Zahl abgelehnter Asylanträge. Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl argumentieren dagegen mit Berichten über Menschenrechtsverletzungen und einer Kultur der „Nichtverfolgung von Straftaten“, wie es der Vizegeschäftsführer von Pro Asyl, Bernd Mesovic, ausdrückt. Es gebe in Einzelfällen durchaus Verfolgung sowie eine massive Diskriminierung von Roma, die lebensbedrohlich sein könne. Allerdings räumt Mesovic ein, dass es unter den albanischen Kosovaren in der Regel keine politische Verfolgung gibt; und die große Mehrheit der Roma habe bereits das Land verlassen. „Die um sich greifende Frustration ist eines der treibenden Motive.“

Sowohl Kosovo als auch Albanien verzeichnen eine hohe Arbeitslosigkeit und sehr geringe Einkommen, eine durchgreifende Besserung ist nicht absehbar. Tausende Kosovaren versuchen derzeit über Serbien nach Ungarn und damit in die EU zu gelangen, um so der Perspektivlosigkeit zu entkommen.

Auch aus den Kommunen und der SPD kamen Forderungen, auf die Entwicklung zu reagieren. Die Bundesregierung solle prüfen, ob Kosovo als sicheres Herkunftsland eingestuft werden könne, sagte Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der Passauer Neue Presse. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte, man müsse den Menschen aus Kosovo „schnell und ehrlich sagen, dass sie nicht hier in Deutschland bleiben können“. Zuvor hatte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) gesagt, die Asylbewerber vom Westbalkan behinderten die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak. „Das kann nicht funktionieren, und das hat auch mit Asyl nichts mehr zu tun, bei allem Verständnis für die Beweggründe der Menschen, die sich von dort auf den Weg machen.“

Die bayerische Staatsregierung beschloss, Asylbewerbern aus dem ehemaligen Jugoslawien und Albanien kein Bargeld mehr auszuzahlen, sondern Sachleistungen auszugeben, zum Beispiel Essenspakete. Europaministerin Beate Merk (CSU) sagte, es finde ein „konzertierter Missbrauch unseres Asylrechts“ statt. Sie will an diesem Donnerstag in die kosovarische Hauptstadt Pristina reisen.

"Massaker der Immigration"

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In Italien nennen sie es „Massaker der Immigration“. Zwischen den Küsten Libyens und Lampedusas sind in den vergangenen Tagen bei stürmischem, eiskaltem Winterwetter und hohem Wellengang wahrscheinlich viel mehr Menschen umgekommen als bisher angenommen. Zunächst war Italiens Küstenwache einem Flüchtlingsboot mit 106 Insassen zu Hilfe geeilt. Sieben Passagiere waren schon tot, erfroren, als die Helfer sie erreichten. 22 starben auf dem langen Rückweg nach Lampedusa an Unterkühlung.



Leichenwagen stehen am Hafen von Lampedusa Schlange für diejenigen, die die Überfahrt aus Afrika nicht überlebt haben.

Das war aber nur eines von drei oder gar vier Schiffen, die etwa zur selben Zeit und in denselben Gewässern in Seenot gerieten. Auf zwei großen Schlauchbooten fanden Helfer zwei, respektive sieben Überlebende. Sie erzählten, auf jedem Boot seien je 100 Flüchtlinge gesessen. Ein Boot habe sich in neun Meter hohen Wellen überschlagen, das andere verlor Luft. Die Geretteten überlebten wie durch ein Wunder, festgeklammert am Rest der Boote. Sie berichteten von einem vierten Gefährt, auch mit 100 Personen, das gekentert sei. Addiert man diese Zahlen, könnte das „Massaker der Immigration“ mehr als 300 Opfer gefordert haben.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, bestätigte Berichte der Überlebenden. „Neun haben überlebt, nach vier Tagen im Meer“, sagte Carlotta Sami, Sprecherin des UNHCR, „203 wurden verschluckt von den Wellen.“ Sie sprach von einer „schrecklichen, enormen Tragödie“. Die Zahl der Opfer der vergangenen Tage bezifferte sie zunächst auf 232.

Die neuen Dramen im Mittelmeer bestätigen, dass der Flüchtlingsstrom nicht abnimmt, wie man das in Europa nach Beginn der Mission Triton erwartet hatte, sondern zunimmt. Das Programm Triton der EU-Grenzagentur Frontex ersetzte im Herbst Italiens humanitäre Operation Mare Nostrum, mit der 130 000 Menschen geborgen worden waren. Triton soll vor allem Europas südliche Grenzen sichern. Mit 2,9Millionen Euro im Monat macht das Budget nur ein Drittel des der italienischen Mission aus. Auch der Aktionsradius der Frontex-Mission ist kleiner: Die Triton-Schiffe patrouillieren in einer 30-Meilen-Zone vor den EU-Küsten. Italiens Marine kreuzte für Mare Nostrum in internationalem Gewässern, bis hart vor der Küste Libyens.

Abschreckend wirkt Triton nicht. Im Vergleich zum Vorjahr, das ein Rekordjahr war, nimmt die Zahl der Flüchtlinge in den Wintermonaten gar zu. Grund sind die Konflikte in Nahost, am Horn von Afrika und in der Sahelzone. Schlepperbanden schrecken nicht davor zurück, Menschen bei Sturm und Kälte in Boote zu setzen. Und bei vielen ist die Verzweiflung so groß, dass sie die Gefahr auf sich nehmen.

In Italien wird die Forderung laut, Europa müsse den Umgang mit Flüchtlingen überdenken. Im Frühling und im Sommer werden noch mehr Hoffnungsreisende die Flucht über die Straße von Sizilien wagen. Außenminister Paolo Gentiloni sagte: „Es gibt keine Zweifel, dass Triton nur sehr beschränkte Mittel hat. Die Mission genügt nicht, sie ist nur ein Anfang. Unsere Operation Mare Nostrum war bemerkenswert – nun gilt es, sie zu europäisieren.“ Auch der Papst verlangte Solidarität.

Ob das schnellen Effekt auf die Politik hat, ist fraglich. Domenico Manzione, italienischer Innenstaatssekretär, sagt in München der SZ, er sei Anhänger von Mare Nostrum. Als seine Regierung die Operation 2013 nach der Schiffskatastrophe vor Lampedusa mit mehr als 360 Opfern beschloss, sei das eine „Kehrtwende der Politik“ gewesen – der humanitäre Aspekt rückte in den Vordergrund, nicht mehr die Abwehr von Flüchtlingen. Aber man könne nicht zurück zu der Operation. Das sei in der EU nicht gewollt, und auch in Italien gab es Kritik. Der Haupteinwand, den auch der deutsche Innenminister Thomas de Maizière teilt, ist, dass Mare Nostrum Schleuser und Flüchtlinge ermuntert habe, weil sie sich auf die Retter aus Italien verließen.

Manzione sagt aber: Mit Triton seien es nicht weniger geworden. Küstenwache und Seekräfte der Guardia di Finanza würden weiter alles tun, um Flüchtlinge zu retten. Nur große Marineschiffe seien nicht mehr im Einsatz, die mehr als 1000 Menschen aufnehmen konnten. Manzione sagt, er wolle sich gar nicht auf die Alternativen Mare Nostrum oder Triton beschränken, es brauche ganz andere Maßnahmen. Fast alle Migranten, die in Italien landen, kämen nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern seien vor Krieg und Verfolgung geflohen. Damit sie nicht auf lebensgefährliche Überfahrten gehen, müssten mit den Transitländern des südlichen Mittelmeers Vereinbarungen getroffen werden, um dort Aufnahmezentren einzurichten. Dort sollen sie Asyl beantragen können. Dafür hat Italien die Initiative schon ergriffen. Libyen, ein wichtiges Ausgangsland, hat allerdings praktisch keine staatliche Ordnung. So ahnt man, dass solche Pläne dort vorläufig wenig realistisch sind. Und für dieses Modell müsste das Dublin-Abkommen der EU geändert werden, um Asylanträge in Drittländern zu ermöglichen, auch darauf weist Manzione hin.

Auch die Grünen-Europa-Abgeordnete Barbara Lochbihler hält Aufnahmezentren für eine gute Idee. Nur seien derzeit allenfalls Tunesien und Marokko mögliche Partner. Doch bezweifelt Lochbihler, ob selbst in diesen Ländern akzeptable Rechtsverfahren garantiert seien.

Was also soll geschehen, bis ein Auffangsystem auf der anderen Seite des Mittelmeers funktioniert? Da blickt Lochbihler, wie sie sagt, „entmutigt auf die Politik“. Im Menschenrechtsausschuss des EU-Parlaments befasst sie sich mit Flüchtlingsfragen. Für sie sei ein Unglück wie jetzt vor Libyens Küste vorhersehbar gewesen, sagt sie der SZ. Ihr fehlt „die politische Ernsthaftigkeit“ der EU-Staaten, sich der humanitären Seite anzunehmen. Wer dem Ende von Mare Nostrum zustimmte, habe in Kauf genommen, dass es mehr Tote geben werde. Nach der Katastrophe 2013 seien die EU-Spitzen nach Lampedusa gereist, sie versprachen, solchen Tragödien entgegenzuwirken. Der Europarat setzte eine „Task Force Mediterranean“ ein, es entstand ein Plan mit fünf Punkten. Drei Punkte betrafen Grenzsicherung und Abwehr, zwei weitere Sicherheit und Rechte der Flüchtlinge. Resigniert sagt Lochbihler: „Bei der EU-Innenministerkonferenz im Oktober 2014 lagen nur noch die drei Vorschläge vor, die Abwehrmaßnahmen betrafen.“

Neues Spiel

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Traditionell werden neu ins Amt gekommene Regierungschefs oder Minister bei ihrem ersten Treffen im Kreise der Kollegen in Brüssel besonders willkommen geheißen. Ob sich der griechische Premier Alexis Tsipras auf dem informellen EU-Gipfel an diesem Donnerstag auf einen herzlichen Empfang freuen darf, darüber schwiegen sich am Mittwoch die verantwortlichen Organisatoren aber aus. Man werde „nicht darauf dringen, über Griechenland zu debattieren“, verlautete nüchtern aus dem Planungsstab von EU-Ratspräsident Donald Tusk.



Griechenlands Premier Alexis Tsipras trifft sich mit dem Generelsekretär der OECD, José Angel Gurria, um über das Reformprogramm zu sprechen.

Bei Finanzminister Yanis Varoufakis, der am Mittwochnachmittag zu einem speziell wegen der dramatischen griechischen Finanzlage anberaumten Sondertreffen des Euro-Spitzenpersonals nach Brüssel reiste, hielten sich die Ressortkollegen aus den 18 Euro-Ländern nicht lange mit Freundlichkeiten auf. Dass Varoufakis mit leeren Händen ankam, verschlug einigen zunächst schlicht die Sprache. Statt eines Planes, wie Athen sich den für alle Euro-Länder geltenden Regeln annähern könnte, trug der griechische Finanzminister erneut die Forderungen seiner Regierung vor. Danach, so verlautet aus dem Verhandlungssaal, sei der selbstbewusste Grieche in ein regelrechtes Feuer der Kollegen geraten. Forderungen hin oder her, Griechenland müsse spätestens am Montag die Verlängerung des bis Ende Februar laufenden Hilfsprogrammes beantragen – um so Zeit zu gewinnen, in Ruhe über die weitere Zukunft nachdenken zu können.

Nach drei Stunden schien es soweit: Varoufakis stimmte zu, an diesem Donnerstag „technische Gespräche“ zu beginnen, an die sich Verhandlungen über die Verlängerung des Kreditprogramms anschließen könnten. Gegen 21 Uhr am Mittwochabend ging ein Aufatmen durch den Saal. Eine Stunde später war die Stimmung wieder angespannt. Kurz vor Mitternacht brachte ein Bote die Kunde, dass der Deal an der Wortwahl der Abschlusserklärung zu scheitern drohe. Die einen bestünden auf dem Wort „Verlängerung“, die anderen auf „neuer Brückenfinanzierung“. Kurze Zeit später traf die nächste Nachricht ein: Am Donnerstagmorgen um 9 Uhr beginnen die Gespräche zwischen griechischen Unterhändlern und Euro-Institutionen. Zwanzig Minuten nach Mitternacht: Es gibt keine Gespräche. Neuer Versuch am Montag.

Bereits vor dem Finanzministertreffen hatten Diplomaten klar gemacht, dass Berlin und Paris kein separates Treffen mit Tsipras planten. Die Chefs seien nicht dazu da, Finanzpläne zu verhandeln. Es sei Aufgabe der Finanzminister der Euro-Länder, „einen strukturierten Arbeitsprozess, der den Regeln entspricht, in Gang zu setzen“, sagte ein Unterhändler der Euro-Länder.

Hinter dem kryptischen Satz verbirgt sich das eigentliche Problem. Bisher hatten sich Tsipras und die Euro-Partner in rhetorischen Angriffen und Maximalforderungen an die jeweilige andere Seite verfangen – und damit das Verhandlungsklima eingefroren. Und zwar so weit, dass sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der von Amts wegen nicht für die griechischen Finanzen zuständig ist, gezwungen sah, vermittelnd einzugreifen. Juncker habe auf Bitten Tsipras’ „einige inhaltliche und diplomatische Unterstützung“ gegeben, hieß es in Athen.

Tsipras hatte in den vergangenen Tagen eine Trumpfkarte nach der anderen verloren, die er in den Verhandlungen ziehen wollte. Die Forderung nach einem Schuldenschnitt musste er zurückstellen – Tsipras hat erkannt, dass er für die nächsten sechs Monate Geld braucht, damit seine Regierung überleben kann. Die angestrebte Zusammenarbeit mit der OECD bei Reformen ist eine Sackgasse, weil die OECD keine Hilfskredite vergibt – und Tsipras’ kurzfristiges Geldproblem bestehen bleibt.

Die Drohung einiger Minister, eben anderswo Geld aufzutreiben, etwa in Russland und China, implodierte am Mittwoch praktisch von allein. Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums sagte, in Peking sei nichts von einem entsprechenden Angebot bekannt. Die russische Regierung hatte im Jahr 2013 dem von der Pleite bedrohten Zypern Hilfskredite in Aussicht gestellt. Die Konditionen waren so hart, dass es bei einem Kredit blieb. Zyprischen Diplomaten zufolge hatte Moskau unter anderem den Austritt aus der Währungsunion gefordert. Der russische Außenminister Sergej Lawrow gab sich am Mittwoch in Moskau zurückhaltend. Sollte Athen um finanzielle Hilfe bitten, werde das geprüft.

Zum Dilemma von Tsipras gehört, dass der Ausweg, sich Geld am Finanzmarkt über kurzlaufende Staatsanleihen zu beschaffen, verschlossen zu sein scheint. Die Zinsaufschläge steigen seit Tagen an, sie pendeln für mittelfristige Papiere um zehn Prozent. Wenn Griechenland am 28. Februar aus dem laufenden Kreditprogramm aussteigt, werden sich die Konditionen weiter verschlechtern.

Varoufakis und Tsipras reisten unter den schlechtesten Voraussetzungen an, sagte ein Euro-Unterhändler: „Sie haben kein Geld und keine Zeit.“ Ihre potenziellen Geldgeber, also die Euro-Länder, die Europäische Zentralbank, der Euro-Rettungsfonds und der Internationale Währungsfonds, stünden ihnen mit einer klaren Linie gegenüber. Jedes Land der Währungsunion müsse sich an die Regeln halten. Auch die Bundesregierung dämpfte die Erwartungen an eine schnelle Einigung.

Allerdings: Auch auf Seiten der Euro-Partner gibt es Gründe, warum sie Athen entgegenkommen müssen. In der gegenwärtigen geopolitischen Lage kann es sich Europa nicht leisten, Griechenland als Partner zu verlieren. Zudem entstünde mit dem Austritt Athens aus dem Euro eine unkontrollierbare Situation an den Finanzmärkten – die verhindert werden soll.

Ein Diplomat zeichnete am Abend ein plastisches Bild der Lage. Als Tsipras kürzlich den italienischen Premier Matteo Renzi besucht habe, sei er von diesem mit einer Krawatte beschenkt worden – wohl ein Hinweis darauf, dass Tsipras sich vom Parteiführer zum Regierungschef wandeln müsse. „Und wenn Tsipras in Brüssel die Krawatte angezogen hat, ziehen die Partner den Knoten fest“, sagte der Diplomat.

Tränen im Gericht

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Ein Schuldspruch gibt zu reden. Francesco Schettino, der 54-jährige ehemalige Kapitän der Costa Concordia, ist vom Gericht im toskanischen Grosseto in erster Instanz zu 16 Jahren Haft verurteilt worden – wegen seiner Verantwortlichkeiten bei der Schiffskatastrophe vor der Insel Giglio am 13. Januar 2012. Damals starben 32 Menschen, unter ihnen zwölf Deutsche, als das Kreuzfahrtschiff bei einem küstennahen Manöver auf einen Felsen aufgefahren und gekentert war. 157 der mehr als 4200 Passagiere und Crewmitglieder wurden verletzt oder erlitten Traumata. Zusätzlich zur Haftstrafe muss Schettino, zusammen mit der Reederei Costa Crociere, Schadenersatz in Millionenhöhe an Nebenkläger, darunter auch Opferfamilien, zahlen. Das Urteil nimmt zwar alle vier Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft auf, so auch den Tatbestand der fahrlässigen Tötung und jenen des Verlassens des sinkenden Schiffes, mindert das Strafmaß für jedes Delikt aber um etliche Jahre. Die Anklage hatte 26 Jahre Haft gefordert.



Ende eines langen prozesses: Der Kapitän des havarierten Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia", Francesco Schettino wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt.

Schettino war der einzige Angeklagte in diesem Prozess, nachdem sich Mitverantwortliche zuvor unter Eingeständnis einer Mitschuld mit dem Gericht geeinigt hatten. Schettino dagegen stellte sich selber als Sündenbock und Opfer wirtschaftlicher Interessen dar und bezichtigte seine Crew der größten Schuld. Seine Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert, dürfte nun aber den Strafrabatt von zehn Jahren als Erfolg erachten. Schettino muss auch nicht sofort ins Gefängnis, wie das die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, weil eine Flucht befürchtet werden müsse. Er habe in seiner langen Karriere als Seemann weltweit viele Bekanntschaften gemacht, könne sich also leicht verstecken, hatte es geheißen. Dem Gericht erschien diese Gefahr aber als vernachlässigbar und eine sofortige Inhaftierung als unangemessen.

Schettino bleibt also frei bis zum wahrscheinlichen Rekursverfahren, der Verhandlung in zweiter Instanz. Damit endet, zumindest vorerst, einer der spektakulärsten italienischen Gerichtsfälle der letzten Jahre. Schettino erschien darin stets als schillernde, selbstgefällige Figur. Die Boulevardmedien nannten ihn mal „Pirat“, mal „dunklen Korsar“, mal „Kapitän Feigling“, weil er das sinkende Schiff verlassen hatte, eine Todsünde für einen Kommandanten. Seine Liebschaft zur jungen, blonden moldauischen Ex-Hostess Domnica Cemortan, mit der er in der Unglücksnacht diniert hatte und sich dann recht locker auf der Kommandobrücke zeigte, als die Katastrophe schon passierte, schien nur allzu gut zu passen zum Herrn mit den pomadierten, langen Haaren in Uniform.

Francesco Schettino gab zwischen den Gerichtsverhandlungen in Grosseto Interviews, er trat an der Universität von Rom als Gastredner in einem Masterkurs für Krisen- und Notfallmanagement auf, wechselte oft seine Versionen von der Unglücksnacht. Als man ihn zur Rolle des Kommandanten befragte, sagte er, auf einem Schiff komme nach Gott der Kommandant. Solche Sätze schadeten seinem ohnehin schon lädierten Image zusätzlich. Nur entschuldigen mochte er sich nie.

Am letzten Verhandlungstag im Teatro Moderno von Grosseto, das dem Prozess als Gerichtssaal diente, nur Stunden vor dem Urteil, erklärte er dann unter Tränen, er sei an jenem Tag, dem Tag der Tragödie, selber auch „ein bisschen gestorben“. Doch das öffentliche Trauern liege ihm nicht, sagte er, der Schmerz gehöre nicht zur Schau gestellt. Auch diese späte Zerknirschung sollte die Richter wohl etwas milder stimmen.

Während der letzten drei Jahre beklagte sich Schettino immer wieder, die Medien und die Justiz hätten sich allein in ihn verbissen, obschon ihn höchstens eine Mitschuld treffe. Seiner Crew warf er vor, sie sei dilettantisch gewesen, schlecht trainiert und schlecht im Kommunizieren, eine einzige Peinlichkeit. Ihm und seinem professionellen Handeln hingegen sei es zu verdanken, dass nicht alle Passagiere umgekommen seien. Doch je mehr er andere beschuldigte, desto harscher wurde die Kritik an ihm. „Es ist schwierig, das, was ich lebe, ein Leben zu nennen“, sagte Schettino. Und als er diese Worte sprach, versagte ihm die Stimme in einem langen Schluchzen. Dann verließ er die Aula. Es war sein letzter Auftritt im Gericht. Schettino hatte davor an allen 69 Sitzungen teilgenommen, zuletzt von einigen Fieberschüben geplagt. In den vergangenen Tagen kamen immer wieder Ärzte ins Teatro Moderno, um ihm Antibiotika zu spritzen – Drama bis fast ganz zuletzt. Der Urteilsverkündung mochte Francesco Schettino dann aber doch nicht mehr beiwohnen.

Tagesblog - 12. Februar 2015

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14:48 Uhr: Und ich muss alcofribas zustimmen: Das Sportfoto des Jahres hat schon auch viel Schönes ...




Und was guckst du so, Lionel Messi?

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14:41 Uhr:
Neuer Text Online. Erik Brandt-Höge hat die "Tagesthemen"-Moderatorin Pinar Atalay ausgefragt, was sie selbst gerne im Fernsehen und im Internet anschaut.




Was guckst du so, Pinar Atalay?

++++

13:53 Uhr:
So sieht übrigens das "Pressefoto des Jahres aus":





Es stammt vom vom Dänen Mads Nissen und zeigt zwei junge russische Männer beim Sex.

Begründung der Jury: Für Homosexuelle, Lesben, Bisexuelle und Transgender werde das Leben in Russland immer schwieriger. "Dieses Foto hat eine große ästhetische Kraft und zeigt Menschlichkeit", sagte die Vorsitzende der Jury, Michele McNally, Direktorin für Fotografie bei der New York Times.

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13:42 Uhr:
Mehr mit Bildern! Hat der Kollege H. eben geschickt: Die Berlinerin Diana Meyer fotografiert Orte, an denen früher die Mauer verlief. "Krass, und dann?!?!", fragt ihr euch jetzt und scharrt innerlich bereits mit den Hufen, gell?.

Dann stickt sie den Mauerverlauf ins Bild! Und das sieht dann sehr gut aus:

[plugin imagelink link="http://www.dianemeyer.net/berlin/Mauer_Park_Diane_Meyer.jpg" imagesrc="http://www.dianemeyer.net/berlin/Mauer_Park_Diane_Meyer.jpg"]

[plugin imagelink link="http://www.dianemeyer.net/berlin/Meyer_Park_am_Nordbahnhof.jpg" imagesrc="http://www.dianemeyer.net/berlin/Meyer_Park_am_Nordbahnhof.jpg"]
(Quelle)

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12:30 Uhr:
Embedden ist kaputt. Müsst ihr jetzt halt auf den Link klicken, um die Bilder zu sehen. Lohnt. Sind witzig.

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12:12 Uhr:
Anna Gensler ist Künstlerin. Und einen Tinder-Account hat sie auch. Noch nicht lange, aber lange genug, um von Männern zu hören, was die ihr gerne wie tief wo reinstecken würden. Das war für die Amerikanerin verwirrend.

Und was tun Künstler, wenn sie etwas verwirrt? Richtig, sie setzen sich künstlerisch damit auseinander. Sie malte die Männer also (mit sehr kleinen Penissen) und schickte ihnen die Bilder. "Ich wollte, dass sie merken, wie es sich anfühlt, wie ein Objekt behandelt zu werden", sagt sie dazu. Und zwar im Interview mit den Kollegen von der Neon.

Ich stecke mir jetzt mal Mittagessen ganz tief in den Bauch.


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11:32 Uhr:
Ach, JosephineKilgannon du Beste unter Guten! Vielen Dank für dieses Video.

https://www.youtube.com/watch?v=T_5sUcMpFXk#t=89

Das, ich darf das aus eigener beruflicher Vorbelastung sagen, mal wieder zeigt, was für Arschlöcher Gitarristen sind. Aber in geil!

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11:06 Uhr:
Und einen neuen Text haben wir euch auch auf die Startseite gewuchtet! Es eine, nun, wie nenne ich es, Fotoreportage Schrägstrich textlich-fotografische Detailbetrachtung der Stadt München. Aufgehängt an der Frage: »Was ist eigentlich da, wo früher Schlecker war?«





Antwort: Viele schöne andere Läden - vor allem aber geheime Erkennungszeichen ...

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11 Uhr:
Unsere Konferenz ist rum - und in der Ukraine ist Frieden. Sagt Waldimir Putin zumindest. Noch nicht ganz klar ist, wei das mit den "inakzeptable Bedingungen" zusammengeht, die er zuvor laut Petro Poroschenko gestellt hat.

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9:54 Uhr:
Bäm!





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9:37 Uhr:
Die Nachrichtenlage heute mal in bekömmlich portionierten Lebenshilfe-Häppchen:

Gib dem Nazi nicht die Hand! Denn das musst du nicht.
Sagt das Verwaltungsgericht Gera. Hintergrund: Der Greizer Bürgermeister hatte den zwei NPD-Gemeinderäten bei deren Inaugrierung den Handschlag verweigert. Und die haben geklagt - und verloren. High-Five!

Greif den IS am Boden an. Denn das will Barack Obama.
Und hat vom US-Kongress die Genehmigung für einen begrenzten Einsatz von Bodentruppen im Krieg gegen die Terrormiliz gefordert.

Und: Don't fuck with the Wladimir. Denn das versucht der ukrainische Präsident Petro Poroschenko.
14 Stunden haben die bereits verhandelt und man munkelte, dass ein Friedensplan nah sei. Am Morgen sagte Poroschenko dann allerdings, Russland stelle einige "inakzeptable Bedingungen". Er könne deshalb "noch keine guten Nachrichten" verkünden. Eine Einschätzung darüber, welche Bedingungen das sind, wird für mittags erwartet.

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9:30 Uhr:
Gute Nachrichten: Ich habe meinen Schreibtisch wiedergefunden! Ich musste nur sehr viele Zettel, Zeitungen, CDs und Bücher wegräumen respektive -werfen und schwupps: da war er!





Guten Morgen also.

Code blau

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Volkartstraße: Psychotherapie:





Was mag sich der neue Mieter dieser ehemaligen Schlecker-Filiale wohl gedacht haben? „Drücken“ muss man die Tür auch in einer Psychotherapiepraxis? Oder: „Hauptsache reinkommen“? In jedem Fall hat er das alte schleckersche Drücken-Schild an der Tür gelassen. Das legte damit einen beachtlichen Karrieresprung hin, vom Drogerieassistenten zum Pförtner des Seelenheils. Und muss dabei in Sachen Lesbarkeit nicht einmal mit dem links neben der Tür angebrachten Praxisschild konkurrieren. Aber was wissen wir schon von der Geschichte des hier waltenden Therapeuten – vielleicht steckt am Ende ja sogar eine höchstpersönliche
Nostalgie-Anekdote hinter diesem grafisch sehr interessanten Ensemble?

Tulbeckstraße: Schwanthaler Flöhe





Dieses experimentell-dadaistische Werk würde man jemandem, der seiner Kinderkrippe den Namen „Schwanthaler Flöhe“ gibt, zunächst nicht zutrauen. Aber es ist da und beweist einmal mehr: Irgendein Kultpotenzial scheint die untergegangene Drogeriekette zu bergen – ganz egal, wie unwürdig sich ihr Ende gestaltet hat. Bleibt nur zu klären, wo die zwei überzähligen Ks herkommen und was die Buchstabenabfolge „RKKKEHCC“ uns sagen soll.

Barerstraße: Koton Store





Dass ausgerechnet der Koton, ein Laden für Möbelklassiker von Designern wie Charles und Ray Eames oder Alvar Aalto, den original Schlecker-Türgriff behalten hat, freut schon sehr. Angesichts der klassischen Form kann man ja auch durchaus von einer konservatorischen Maßnahme sprechen. Die kommt allerdings im ironischen Gewand daher, das gehört ja heute zum guten Ton. Und so wurde der Griff auf der Außenseite ganz stilvoll mit goldenem Fahrradlenkerband bandagiert. Der Griff im Inneren des Ladens wurde allerdings einfach nur lackiert. Und dort bröckelt die Fassade schon ein wenig und das altbekannte Schleckerblau bahnt sich wieder seinen Weg.
[seitenumbruch]

Kolumbusstraße: La Sophia





Bei La Sophia soll es wirklich gute Pizza geben. Nudeln ebenfalls. Und sogar italienisches Frühstück, der Laden öffnet nämlich schon morgens um neun Uhr. Aber das Wichtigste: Auch hier besteht kein Zweifel daran, dass man an der richtigen Adresse ist. Der blaue Türgriff symbolisiert unmissverständlich die Zugehörigkeit zur Ex-Schlecker-Gang. Und nicht nur der. Die Betreiber haben nämlich auch das alte Namensschild aufgehoben und es vom „Sch“ befreit. Jetzt hängt es als neues, weißes „lecker“ über der Bar.

Schleißheimer Straße: Kalar Markt





Noch nicht offen, aber bald: der Kalar Markt. Sieht durch die Mischung aus Internet-Café und Obst-und-Gemüse-Markt verdächtig nach einem jener potenziellen „Spätis“ aus, die sich neuerdings (sehr begrüßenswerterweise) in der Stadt verbreiten. Das klassische, blaue Schlecker-Drücken-Türschild von früher durfte bleiben. Ist ja auch noch top in Schuss. Und passt hervorragend zur Kalar-Markt-Typo.

Blutenburgstraße: Sportgeschäft Biberger





Gehören nicht gerade jene kleinen, inhabergeführten Sportgeschäfte wie dieses zu den besonders vom Aussterben bedrohten Ladengattungen? Tja, da sehen wir mal: Schlecker hat es möglich gemacht, Schlecker hat einem mutigen Einzelkämpfer die Bahn freigeräumt. Und der Türgriff? Der hat wie zum Zeichen zarter Huldigung gleich mit dran bleiben dürfen. Blau wie Schlecker, blau wie das Meer, der Himmel – und die Hoffnung.

„Niemand nennt mich ‚Pinchen’“

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jetzt.de: Frau Atalay, es ist elf Uhr vormittags. Heute schon den Fernseher an gehabt?
Pinar Atalay: Noch nicht.

Gibt es so was für Sie: eine frühstmögliche Tageszeit zum Fernsehen?
Ich gucke häufig schon um sechs Uhr das „Morgenmagazin“, allerdings eher nebenbei. Allgemein kommt es darauf an, wie mein Tag aussieht, also ob ich zum Beispiel die „Tagesthemen“ oder „NDR aktuell“ moderiere. Je nachdem, wann die Arbeit beginnt und aufhört, verändert sich mein Fernsehverhalten.





Und wenn Sie frei haben? Gucken Sie mittags schon mal ’ne Runde „Shopping Queen“?
Nein. An freien Tagen lasse ich den Fernseher erst einmal aus. Meist bis zum Abend, weil ich dann wissen will, was aktuell passiert ist.

Welche Nachrichten schauen Sie?
Ich gucke tatsächlich unsere Nachrichten, auch wenn das jetzt vielleicht nach Eigenwerbung klingt. Die „Tagesschau“ gehört für mich einfach zum Tag dazu, schon immer, und ich gucke auch die „Tagesthemen“, wenn ich sie nicht selbst moderiere. Dazu lese ich viel Zeitung, höre Radio, um mich zu informieren.

Immer nur ARD-News?
Manchmal schaue ich auch, was das ZDF-„Heute Journal“ so macht.

Schielen Sie nie bei den Privaten rein? Ein bisschen „RTL aktuell“ dann und wann?
Ehrlich gesagt: gar nicht. Aber ich gucke ab und zu die Privaten.

Was denn so?
Ich habe immer wieder Phasen, in denen ich bestimmte Sendungen regelmäßig sehe. Angefangen hat das, glaube ich, damals mit „Grey’s Anatomy“.

Ihre Lieblingsserie?
Das nicht, aber ich habe irgendwann mal zufällig eingeschaltet und fand es ganz gut. Bald habe ich gemerkt, dass ich bewusst nachschaue, wann die Serie das nächste Mal kommt. Weil ich einfach wissen wollte, was passiert. Nach ein paar Monaten hatte sich das aber wieder erledigt.

Wieso?
Mir war es dann doch zu viel.

Was haben Sie in Ihrer Kindheit geschaut?
Ich habe immer „Es war einmal das Leben“ geguckt, dort kämpften Mini-Bakterien gegen rote Blutkörperchen. Und was mir auch sehr gefiel, war „Hallo Spencer“. Da kam vielleicht schon die Moderatorin in mir durch. Ich mochte diese Puppe, die in einem Studio sitzt und von dort aus zu anderen Puppen schaltete.

Und in Ihren Teenie-Jahren? Da waren US-Serien wie „Beverley Hills 90210“ und „Melrose Place“ sehr angesagt. Bei Ihnen auch?
Ich habe diese vielen amerikanischen Serien, die damals zu uns kamen, gar nicht gesehen. Sie haben mich irgendwie nicht gereizt, auch wenn sie in der Schule oft Thema waren.

Was haben Sie stattdessen gesehen?
Ich habe gelegentlich „Marienhof“ geguckt, die ersten Folgen, gerne zusammen mit Freunden. Auch als ich später zum Radio kam und für mich als Frühmoderatorin 18 Uhr schon sehr spät war, habe ich mal reingeschaut. Mit Mitte Zwanzig hatte ich dann allerdings den Eindruck, dass das nicht mehr meine Welt ist.

Wie nutzen Sie das Internet?
Das Internet gehört zu meinem Alltag, schon lange. Die Frage ist, wie man sich dort bewegt. Ich bin meist online und dadurch, dass ich beim Fernsehen arbeite, laufen im Büro vier große Bildschirme nebeneinander, ich sehe gleichzeitig beispielsweise die BBC, das ZDF und uns. Somit bin ich immer auf dem Laufenden. Das Internet nutze ich privat aber auch, um gezielt beispielsweise Serien einzuschalten.





Welche denn?
„Breaking Bad“ habe ich gesehen. Und „Sherlock Holmes“. Die Serie lief bei uns im Ersten, da ich aber zu der Zeit die „Tagesthemen“ moderierte, bekam ich im Studio immer nur die Schlussszenen mit. Dafür ist das Netz dann natürlich gut.

Landen Sie auch manchmal auf Youtube und klicken sich von einem Clip zum nächsten?
Nein, überhaupt nicht. Ich gucke dort höchstens mal ein Musikvideo, wenn mir ein Lied gut gefällt und ich die Künstler dazu sehen möchte.

Schicken Sie und Ihre Kollegen sich denn das ein oder andere Video zu?
Das kann mal passieren, wenn jemand etwas spannendes oder auch lustiges entdeckt.

Und in der „Tagesthemen“-Truppe? Läuft da alles so streng ab, wie man denken würde?
Wir können durchaus auch lachen und gehen dafür nicht in den Keller. Es ist nicht so, dass wir die ganze Zeit in der Redaktion schweigend vor unseren Computern sitzen oder in unsere Zeitungen vertieft sind. Wir reden viel miteinander und können natürlich lustig sein. Und was unsere Beiträge angeht, berichten wir zwar vor allem über ernste Themen, haben aber auch viel Kultur dabei, sprechen über Konzerte und Kunst, neulich auch mal über die aktuelle Youtube-Szene.

Werden Sie von Ihren Kollegen eigentlich „Pinchen“ genannt? Wie früher beim Radio?
Nein. Es war damals bei „Antenne Münster“ auch nur ein Kollege, der immer „Pinchen“ zu mir sagte. Das war seine Erfindung. Wenn er mir heute eine Mail schreibt, beginnt er auch immer noch mit „Hallo Pinchen“. Ansonsten nennt mich aber niemand so.

Aber Sie duzen einander in der „Tagesthemen“-Redaktion, oder?
Ja, es wird sich geduzt.

Was wäre aktuell die schönste Nachricht, die Sie gerne vorlesen würden?
„Alles gut auf der ganzen Welt.“

Finger weg - von der Moral!

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Ein „Ausschuss für den Umgang mit sexuellem Fehlverhalten“ hat an der amerikanischen Privatuniversität Harvard eine Richtlinie herausgegeben, die aus einem Ehrenkodex ein weitreichendes Verbot macht: Ab dem Wintersemester dürfen Donzenten keine romantischen oder sexuellen Beziehungen mehr mit Studenten haben. Bislang galt dies nur, wenn ein unmittelbares Betreuungsverhältnis vorlag. Auch die Universitäten in Yale und Kalifornien haben die Beziehungen von Dozenten und Studenten unter Strafe gestellt und ein Büro eingerichtet, das Anzeigen wegen sexuellen Fehlverhaltens prüft. Wäre so etwas auch in Deutschland denkbar? Kian Fathieh ist Sexualstrafrechtler in Heidelberg und kennt den universitären Kosmos auch aus der Dozentensicht.

jetzt.de: Man könnte ja sagen, was die Leute in ihrer Freizeit tun, geht keinen etwas an. Solange jeder volljährig ist, ist es eine Beziehung zwischen zwei erwachsenen Menschen. Was sagt denn das deutsche Strafrecht dazu?
Fathieh: Amouröse oder sexuelle Beziehungen zwischen Dozenten und Studenten sind nach dem deutschen Strafrecht straflos. Es gibt im Strafgesetzbuch Bestimmungen zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Personen in Ausbildungsverhältnissen. Das ist der Fall beim Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen. Der greift, wenn die Person unter 16 Jahren ist und sich in einer Ausbildungssituation befindet, oder wenn die Person unter 18 Jahren ist und der Täter die mit dem Ausbildungsverhältnis verbundene Abhängigkeit der Schutzbefohlenen missbraucht.

In den USA ist man ja erst mit 21 Jahren volljährig...
Genau, in vielen Bundesstaaten ist das so. Die Studenten sind noch ziemlich jung und auch stärker abhängig, was etwa die Bindung an den Campus angeht. Der Campus dort ist ein sehr abgeschlossener Kosmos. Der Lehrkörper hat deutlich mehr Einfluss darauf, wer dort bleiben kann und wer nicht.

Sie waren selbst mal Lehrbeauftragter an der Universität in Heidelberg. Würden Sie ein ähnliches Verbot auch in Deutschland begrüßen?
Ich sehe in Deutschland keinen Bedarf, an den gesetzlichen Regeln etwas zu ändern. Das, was Harvard jetzt zu regeln versucht, ist eher eine moralisch-ethische Frage, keine juristische.

Und wäre es rechtlich möglich, ein Beziehungsverbot in Arbeitsverträge oder in Satzungen von Unis schreiben?
Das würde sicher verfassungsrechtliche Probleme geben. Sex ist auch persönlichkeitsbildend und deshalb von der allgemeinen Handlungsfreiheit, Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz, geschützt. Wenn man so weit geht, Beziehungen zwischen Lehrenden und Studierenden zu verbieten, verbietet man ja den Leuten, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten.

Hier geht es ja um einvernehmliche Sexualverhältnisse. Sind die, wenn sie bekannt werden, juristisch immer genau zu bestimmen?
Ich erinnere mich an Medienberichte, in denen Fälle aufgegriffen wurden. Wenn zum Beispiel eine Studentin von den Noten nicht die Möglichkeit zur Promotion hätte, aber durch das sexuelle Verhältnis mit einem Professor doch dazu gekommen ist, dann wäre das ein Amtsdelikt, nämlich Vorteilsannahme. Der Vorteil muss also nicht materieller Art sein. Es kann jede Leistung sein, die die wirtschaftliche oder persönliche Lage objektiv besser stellt. Also auch sexuelle Hingabe.




Kian Fathieh

Die Regelung in Harvard gilt ja auch dann, wenn Dozenten keinen unmittelbaren Einfluss auf den Notenerfolg der Studenten haben.
Das halte ich für indiskutabel, weil es die allgemeine Handlungsfreiheit erheblich einschränkt – das sollte der Gesetzgeber auf keinen Fall entscheiden. Wenn man beispielsweise als Mitglied der Universität Geschichte unterrichtet und eine Beziehung mit einer Medizinstudentin haben will, es also keinen akademischen Kontakt gibt, warum sollte das verboten sein?

Die amerikanische Kette Walmart hat 2005 versucht, Liebe am Arbeitsplatz zu untersagen, ist damit aber vor Gericht gescheitert. Auch das ist also Privatsache?
Das halte ich für ebenso indiskutabel. Wenn keine Minderjährigen betroffen sind, dann muss ich da nichts regeln. Jemand, der unter 18 und im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, ist schützenswert. Aber bei erwachsenen Personen muss man meiner Ansicht nach – über die bereits geltende Rechtslage hinaus – nichts regeln.

Im Vergleich zu den USA sind wir also noch sehr liberal?
Das Strafrecht ist ja ein ethisches Minimum. Der Staat sollte sich da auf die wichtigen Dinge beschränken, die für ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen nötig sind. Also nur das unter Strafe stellen, das unverzichtbar ist für eine funktionierende Gesellschaft. Ob die Leute sich an der Uni oder am Arbeitsplatz verlieben oder sexuelle Beziehungen haben ­– da sollte sich der Staat raushalten.

Tagesblog - 13. Februar

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17:22 Uhr Und schon geht die Sonne hinter dem großen SZ-Hochhaus wieder unter und der Tagesblog verabschiedet sich ins Wochenende. Nachher an dieser Stelle: Verstandenpunkte. Wie jeden Freitagabend.

16:26 Uhr
Seit gut einer Woche kursiert im Netz das Selfie einer Frau, die mit dem Superbowl-Spieler Sam Edelman geschlafen hat. Das Bild zeigt sie, wie sie im Moment nach dem Akt mit Edelman im Bett liegt. Er schläft. Sie textet dazu: "Just fucked Edelman no lie!" Nicht nett von der Dame, den hilflosen Edelman so bloßzustellen, interessanterweise aber weniger schlimm, als wäre die ganze Sache andersrum geschehen. Oder? Fragen diese Woche die Jungs die Mädchen.





15:55 Uhr
Grad beim random-Einrichtungsblogs-lesen dieses Bild gefunden! Beim nächsten Mal, wenn ich Leute einlade, gibt es genau das: Ein großes Brot und einen riesigen Camembert!





15:34 Uhr
Für alle, die Angst vorm Scheitern und zuviel Auf-die-Fresse im Leben haben: Dieses Interview lesen hilft.

14:44 Uhr
Neulich hab ich mir gedacht: Schon interessant, dass man nach einer netten Begegnung mit einem Fremden so oft ganz erstaunt zu seiner Begleitung sagt: "Der/Die war aber nett!" Als sei das so etwas völlig Erschreckendes und Erwähnenswertes, wenn einfach mal jemand nett ist. Und dann hab ich einen Text darüber geschrieben. Und der ist jetzt online.




Auf der Straße mit Leuten zu tun gehabt: Wieder ein Anlass für den so schönen wie bekloppten Satz: "Der war aber nett!"

13:42 Uhr
Bei den Kollegen von sueddeutsche.de gibt es eine Sonderseite zu den Dresdner Luftangriffen vor 70 Jahren. Kann man sich gut mal durchlesen (und anschauen, weil eine Fotostrecke aus dem SZ-Fotoarchiv gibt es auch). Wollte ich mal schnell empfehlen.

13:19 Uhr
Ah toll, sowas mag ich: Was sich Top-Köche kochen, wenn sie allein zuhause sind. Mit Rezept und Anleitung für Senffrüchte!

13:13 Uhr
Wie schnell man sich an etwas gewöhnt, dass einem vor einigen Monaten noch so unvorstellbar zukunftsmäßig abgedreht vorkam, wie ein Sci-Fi-Kinofilm. Mir jedenfalls kommt diese Mars-Mission, für die gerade Leute gecastet werden, die dort eine Zivilisation aufbauen sollen, gar nicht mehr so spektakulär vor. Schon noch ziemlich verrückt, aber doch irgendwie denkbar. Der Guardian hat ein Video gedreht über einige der Bewerber.

13:08 Uhr
Und um die Sache mit Gott (siehe Tagesbeginn) ein für alle Mal klarzustellen:





11:45 Uhr
Heute in der Konferenz große Diskussion über diese Sache: Die britische Zeitungsgruppe "Newsquest" verlangt für Studentenpraktika neuerdings Geld von diesen. Verkehrte Welt? Naja, is' ja auch anstrengend, so'nen Praktikanten zu betreuen. Not or yes or not?

10:56 Uhr
Auch krass: BDSM ist heutzutage ja überhaupt kein Tabu mehr. Vielmehr scheint es so zu sein, dass der, der es NICHT tut, der Perverse ist. Wovon ich hier überhaupt fasele? Lest halt selbst, und zwar in der neuen Topsexliste.





10:45 Uhr
Fertig konferiert, bin wieder da. Chris erzählte mir gerade von einem Instagram-Account, der 188.000 Follower hat, bei nur 15 hochgeladenen Fotos. Mysteriös! Er heißt: Hot Dudes Reading. Und darum geht's auch: Lesende Jungs im öffentlichen Verkehr. Am besten sind eigentlich die Texte zu den Bildern.

In diesem Fall: "Spotted this scruffy prince on his morning commute. Probably to sculpture class. I'm sure he's reading a collection of post-war Russian short stories, but really thinking of how he made love to his French girlfriend this morning and the gluten free toast they shared after. #marryme #hotdudesreading"





09:31 Uhr
jetzt-User Silberfiebers wie ich finde durchaus angebrachter Kommentar zu dem von mir geposteten Musikvideo von Black Sabbath:

"Könnte auch sein, dass es so ist:"

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=PMatuGwX8tY

09:21 Uhr
Heute wichtig:

Was ist wirklich dran an der Friedensabmachung von Minsk?
Dresden, 70 Jahre nach den Luftangriffen.
Griechenland und die Euro-Partner nähern sich wieder an.


09:17 Uhr
Passend zum heutigen Tage und allgemein zu den darken Zeiten, in denen wir leben, hier ein Song, den ich sehr mag:

http://www.youtube.com/watch?v=uMa2ga8gqEw

09:12 Uhr
Guten Morgen, wie immer um diese Uhrzeit noch sehr schläfrig, weiß ich nicht, was ich hier zuerst schreiben soll. Also reiche ich das allererste Tab weiter, das ich mir an diesem Tag zum Späterlesen geöffnet habe. Joseph Roth und Reisen, zwei hervorragende Dinge in einem. 

Die TTIP-Kommissarin

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Obwohl sie erst ein paar Wochen im Amt ist, kennen viele Europäer bereits ihr Gesicht. Das hat seinen Grund. Cecilia Malmström hat einen der heikelsten Jobs übernommen, den es in der neuen EU-Kommission zu verteilen gab: Sie ist zuständig für das Handelsressort in Brüssel. In dieser Funktion muss die Schwedin das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten auf den Weg bringen. Ein Abkommen, das inzwischen so umstritten ist wie kaum ein anderes seiner Art zuvor. Viele Europäern sehen in TTIP ein gefährliches Monstrum, das ihre Bürgerrechte beschneidet und ihren Wohlstand gefährdet.

Malmström will diesen Ressentiments entschieden entgegentreten. Das hat sie seit ihrem Amtsantritt im November immer wieder deutlich gemacht. Sie will überzeugen und muss es auch, alles andere wäre eine große Blamage gegenüber dem mächtigen Partner jenseits des Atlantiks. Dass sie als Handelskommissarin noch ein paar andere Baustellen hat – unter anderem 30 andere Freihandelsabkommen (Artikel rechts) – wird dagegen kaum wahrgenommen, für viele Europäer ist sie inzwischen einfach nur die TTIP-Kommissarin.

Malmström lässt keine Gelegenheit aus, ihren Standpunkt klarzumachen. Als in Brüssel Anfang Februar die 8. Verhandlungsrunde zwischen den USA und der EU läuft, trifft sie sich mit einer Handvoll Journalisten aus Deutschland zum Hintergrundgespräch – ein Treffen, das die Grünen-Politikerin Ska Keller organisiert hat. Wie viele dieser Gespräche es in den vergangenen Wochen gab, das habe sie nicht gezählt, sagt sie. Aber es müssen wohl weit mehr als hundert gewesen sein. Sie sei gekommen, um zuzuhören und klare Antworten zu geben, verspricht sie, „alles was ich sage, können Sie auch zitieren“. Das ist nicht selbstverständlich, wenn sich Journalisten mit Politikern und Wirtschaftsbossen treffen. Vieles was da im vertraulichen Rahmen besprochen wird, ist nicht für andere Ohren bestimmt. Diese Offenheit ist Teil von Malmströms Transparenzstrategie, schließlich hat sie versprochen, die Europäer über TTIP besser zu informieren.

Wirklich Neues hat sie freilich an diesem Nachmittag nicht zu bieten, als sie im grauen Kostüm in einem schmucklosen Konferenzraum der EU-Kommission sitzt und Sätze wie diese aneinanderreiht: „Wir wollen gemeinsam mit den USA globale Standards setzen“, oder „Es geht nicht darum unsere europäischen Standards zu senken“ oder „Ich habe Verständnis für die Bedenken“. All das hat sie schon oft gesagt.

Genützt hat es bislang wenig, die Kritik nimmt eher noch zu. Mehr als 1,4 Millionen Unterschriften haben die Gegner des Vorhabens inzwischen gesammelt. An den knapp 150000 Einsprüchen gegen das besonders umstrittene Investorenschutzkapitel hat die Kommission schwer zu knabbern. Während die 46-Jährige argumentiert, protestieren draußen ein paar Straßenzüge weiter TTIP-Gegner, wie so oft in den vergangenen Monaten. Malmström scheint das völlig kaltzulassen. Sie wirkt frisch und gelassen, auch kein bisschen arrogant, wie ihr Vorgänger, der Belgier Karel De Gucht, der aus seiner Abneigung gegen die Protestbewegung keinen Hehl machte. Malmströms Auftritte, viele davon kann man im Internet verfolgen, sehen ganz anders aus. Freundlich, aber bestimmt stellt sie sich jeder Diskussion und signalisiert Kompromissbereitschaft, etwa in der heiklen Investorenschutzfrage, allerdings ohne sich festzulegen.

Davon darf man sich jedoch nicht täuschen lassen, die erfahrene Europapolitikerin hat nur auf den ersten Blick wenig mit De Gucht gemein. Ihr Ziel bleibt dasselbe: ein solides Handelsabkommen zwischen der EU und den USA, mit Investorenschutzkapitel, und nicht ohne, wie es etwa Österreichs Regierung fordert. Wie De Gucht und andere Handelskommissare davor gehört Malmström zum liberalen Flügel. Sie ist Mitglied der liberalen Volkspartei in Schweden, die in etwa mit der FDP vergleichbar ist und dort ungefähr fünf Prozent der Wähler hinter sich hat.

Damit steht die Schwedin, die Mutter von Zwillingen ist, in einer Reihe von Handelspolitikern, die jede Form von Handelshemmnissen, dazu zählen etwa strenge Umweltgesetze, lieber entschärfen als verschärfen wollen. Investoren geben sie lieber freies Geleit, anstatt ihnen Grenzen zu setzen, egal ob es dabei um harmlose Sitzgurtnormen geht oder die weniger harmlose Privatisierung kommunaler Wasserversorger oder die Technologien Fracking und Gentechnik. Malmström hat sich in ihrer Zeit als EU-Kommissarin für Innenpolitik von 2010 bis 2014 als harte Verhandlerin erwiesen, musste aber auch Kritik einstecken, etwa weil sie nach Ansicht ihrer Gegner zu lasch mit dem Recht der EU-Bürger auf Datenschutz umging.

Malmström hat bei TTIP mehr Transparenz versprochen. Doch dieses Versprechen wird sie nur einlösen können, wenn die amerikanische Seite das mitträgt, und danach sieht es derzeit nicht aus. „Wir können keine US-Texte online stellen“, bestätigt Malmström. Die US-Seite bestehe auf Geheimhaltung ihrer Positionen, erklärt sie. Zwar veröffentlicht die EU-Kommission inzwischen mehr Papiere, aber nicht die, auf die es wirklich ankommt, wie Mitglieder des EU-Parlaments beklagen. Ohne vergleichbare US-Papiere sei mit den Informationen ohnehin wenig anzufangen.

Richtig spannend wird es ab diesem Frühjahr. Dann gehen die transatlantischen Gespräch in die entscheidende Phase, bisher wurden nur Verhandlungspositionen ausgetauscht, ab der nächsten Runde geht es dann um den Vertragstext, und der gilt als streng vertraulich. Spätestens dann wird sich zeigen, was das Versprechen der Handelskommissarin wert ist – sie wird sich daran messen lassen müssen.

Anleitung zum Gefesseltsein

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Wie man sich richtig wehtut, damit es guttut


Lange drüber nachgedacht, ob es sich vermeiden lässt, dann zu dem Schluss gekommen: Nö. Eine Topsexliste in dieser Woche KANN nur mit irgendwas zu „50 Shades of Grey“ beginnen. Weil wir aber nicht wollen, dass sofort alle einschlafen, erklären wir nicht noch mal die Story, sondern die Grundlagen der BDSM-Sexualpraktiken. Beziehungsweise lassen sie uns erklären, von diesem sehr hübsch gemachten Erklärvideo des Atlantic. Danach weiß man alles, was man wissen muss, und fühlt sich auf einmal ganz kribbelig, wenn man im Büro was zusammenklammert oder die Kreditkarte aus dem Geldbeutel zieht.

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„No, no, get that out of my face!“

Kleine Erinnerung, falls jemand es vergessen haben sollte: Es gibt ja nicht nur „50 Shades of Grey“, sondern auch noch echte Pornos. Wirklich wahr! Und die kann man entweder superschnöde auf dem eigenen Laptop angucken. Oder superfancy mit einer Virtual-Reality-Brille. Hier ein Video, das Menschen zeigt, die das ausprobieren. Und das eigentlich nur beweist, wie super die superschnöde Variante ist.
http://www.youtube.com/watch?v=hLqVxC6JWIM

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Bra Art
[plugin imagelink link="http://likecool.com/Gear/Projects/Bra%20art%20by%20Louise%20Low%20Seok%20Loo/Bra-art-by-Louise-Low-Seok-Loo.jpg" imagesrc="http://likecool.com/Gear/Projects/Bra%20art%20by%20Louise%20Low%20Seok%20Loo/Bra-art-by-Louise-Low-Seok-Loo.jpg"] Geil, ein Hai! Geil, aus BHs! Von einer Künstlerin namens Louise Low Seok Loo, die damit natürlich etwas aussagen will, das mit Vorurteilen gegenüber Frauen und Stereotypen und so weiter zu tun hat, weil: Ist ja Kunst. Aber hey, geil, aus BHs!

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Produktplatzierung!
Tjaha, jetzt haben wir kurz vorgegeben, uns für KUNST zu interessieren, und schon sind wir wieder in der Ecke mit den verkäuflichen Sexutensilien gelandet. Aber wir schämen uns nicht, denn das Angebot ist diese Woche hochwertig!

1. Ein Produkt, das den Appetit anregen dürfte: ein Kondom wie eine Pizza, inklusive Pizzakarton. (Unser Tipp: bei der Verwendung nicht zu viel an Käse denken.) 
[plugin imagelink link="https://m1.behance.net/rendition/modules/143665657/disp/b9ad31e29187e85cab56530f7deb3d5f.jpg" imagesrc="https://m1.behance.net/rendition/modules/143665657/disp/b9ad31e29187e85cab56530f7deb3d5f.jpg"]
2. Klassisch, schlicht, handlich und bssssrrrr: die Vibrator-Halskette. (Unser Tipp: zwischen Verwendung unten und Verwendung oben mit einem feuchten Tuch kurz reinigen.)
[plugin imagelink link="http://media.boingboing.net/wp-content/uploads/2015/02/vesperpag.jpg" imagesrc="http://media.boingboing.net/wp-content/uploads/2015/02/vesperpag.jpg"]

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„I love you. I will always love you. Forever and ever.“
Tierwitze? Na gut. Aber nur, weil das Dating-Profil des Hundes schon ein bisschen lustig ist. Man sieht ihn doch förmlich vor sich, wie er schrecklich aufgeregt mit dem Schwanz wedelt, sich im Kreis dreht und vor lauter Freude sabbert. Beziehungsweise vor lauter Liebe.
[plugin imagelink link="http://img2.smackjeeves.com/images/uploaded/comics/4/4/44c13d3d808jt.png" imagesrc="http://img2.smackjeeves.com/images/uploaded/comics/4/4/44c13d3d808jt.png"]

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Sex mit dem Delfin
Apropos Tiere und Liebe: Hier ein Interview mit dem einzigen Menschen, der jemals Sex mit einem Delfin hatte.

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Und so wird es laufen
Ach Tinder, du Quell schnell erzählter, guter Dating-Geschichten! Diesmal bescherst du uns Nicole, die wir dringend kennenlernen möchten, weil sie noch 47 Prozent Akku und ihren Wecker schon gestellt hat. Ach ja, und weil sie sehr lustig ist. Oder sehr traurig. Man weiß es nicht genau. 
[plugin imagelink link="http://cdn29.elitedaily.com/wp-content/uploads/2015/02/nicole-tinder-profile-elite-daily-576x10241.jpg" imagesrc="http://cdn29.elitedaily.com/wp-content/uploads/2015/02/nicole-tinder-profile-elite-daily-576x10241.jpg"]

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Mach halt dein eigenes Ding auf!
Brandon Scott Wolf, ein 25-jähriger Barkeeper aus New York, hat beinahe alle Datingportale ausprobiert, die es gibt (inklusive „Senior People Meet“ und „Farmers Only“), und wurde nirgends fündig. Er findet: Es gibt da einfach zu viele Profile. Also hat er eine eigene Dating-Seite gegründet. Mit nur einem Profil. Seinem. Und einem sehr überzeugenden Video. Überzeugend vor allem, weil er darin eine sehr kleine Tasse in der Hand hält.
http://www.youtube.com/watch?v=Hx2bWmbJ0O0

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Für später
Zum Schluss üben wir noch ein bisschen für später. Wenn wir mit dem Kindermachen durch sind und die Kinder groß genug sind, um Fragen zu stellen, die wir dann beantworten müssen. Denn früh übt sich.
http://www.youtube.com/watch?v=FZeb2z_ad1M#t=182

„Der war aber nett!“

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Wenn jemand nett zu einem ist, ist das etwas Schönes. Eigentlich ist es aber auch normal. Sollte es zumindest sein. Schon als Kind wird man zur Höflichkeit erzogen. Jede Begegnung funktioniert besser, wenn Freundlichkeit im Spiel ist. Steckt ja auch eine rational-strategische Überlegung dahinter. Nehmen wir zum Beispiel mal an, ich betreibe ein Restaurant: Sind meine Kellner besonders zuvorkommend im Umgang mit der Kundschaft, kommt diese wieder und ich sichere meinen Verdienst. Dieses Prinzip lässt sich auf fast jeden Beruf und fast jede zwischenmenschliche Begegnung übertragen: Nettigkeit zahlt sich aus.

Umso erstaunlicher, dass man fast täglich mindestens einmal entweder selbst den Satz „Der/Die war aber nett!“ zu jemandem sagt oder ihn von jemandem gesagt bekommt. Und er wird immer auf die gleiche Weise betont, nämlich sehr erstaunt und gleichzeitig niedlich angerührt. Eine Mischung aus: „Mensch, war der nett!“ und einem „Oooch, meine Güte, so was Nettes aber auch!“ So, als sei es ganz und gar nicht üblich, unter Menschen nett zueinander zu sein. Erst recht nicht im öffentlichen Raum, oder wenn es um praktische Belange geht. Beim Anruf im Finanzamt zum Beispiel. Bei der Krankenkasse. In den Gängen eines Drogeriemarkts. An der Bushaltestelle. Selbst im Hotel, wo es ja nun wirklich viel erwähnenswerter wäre, wenn jemand nicht nett wäre. Aber auch da sagt man es gern und erstaunt: „Das ist aber wirklich ein sehr, sehr netter Empfangsmensch!“




Auf der Straße unterwegs, jemanden nach dem Weg gefragt und zack: Wieder ein willkommener Anlass für den Satz "Der war aber nett!"

Ist die Welt wirklich so kalt und so gemein und sind alle Fremden so selbstverständlich unhöflich zu einem, dass man sich über jeden, der diese Regel bricht und einem entgegen aller Gesetze einfach mit Herzlichkeit begegnet, so dermaßen freuen muss?

Es muss auf jeden Fall eine Erwachsenenerfindung sein. Ein Kind sagt nie von selbst: „Der war aber nett!“. Ein Kind sagt eher „Der war aber doof!“ Und dann kriegt es von den Eltern einen auf den Dez, weil man nämlich nicht so hart sein soll in der Beurteilung anderer Menschen. Bemerkenswert, speichert man als Kind deshalb ab, ist also nicht, dass jemand doof ist, sondern dass jemand nett ist. Und die Eltern machen es einem ja auch vor, zum Beispiel in der Drogerie. Man ist mit Mama im Rossmann. Dort kriegt sie eine sehr herzliche Shampooempfehlung von einer Verkäuferin, die gerade einen unteren Regalboden auswischt.

Später sagt die Mama zum Kind: „Mensch, Toni, die war aber nett, ne?“ Und das Kind freut sich, weil es nicht nur schön ist, dass jemand nett ist, sondern weil dieser Satz vor allem auch eine Art Verbrüderung bewirkt und ein „Schau mal, da gehen wir beide durch die Welt und uns geschieht nur Gutes, ist das nicht schön?“ bedeutet. Das Kind antwortet dann: „Jaaa, die war nett!“ Und merkt: An dieser Übereinstimmung fühlt sich irgendetwas auf eine sehr harmlose, einfache Weise gut an. Es verkündet also fortan immer, wenn mal wieder jemand freundlich ist, mit schwer altklugem Tonfall: „Die war aber nett, ne, Mama?“ Und dann nickt die Mama und sagt: „Ja, die war nett!“ und das Kind wähnt sich auf der richtigen Seite im Leben.

Man muss das gar nicht schlecht reden, es ist ja tatsächlich eine sehr schöne Überraschung, wenn man, zum Beispiel, in irgendeinem Gefühl zwischen wutentbrannt und verzweifelt im Finanzamt anruft, auf fiese Bürokratenkommunikation vorbereitet ist, da dann aber einen Menschen an den Apparat kriegt, der sympathisch ist. Eine entspannte Frau mit fröhlicher Stimme, die auf einen eingeht und sogar noch ein kleines Witzchen macht – Mensch, ist man da gewillt zu rufen, da sitzt ja ein echter Mensch! Gar kein Roboter, der auf meine Zerstörung und Erniedrigung aus ist. Da sitzt jemand, der auch lieber lacht, als nervt. Jemand, der auch gerne liebt und genießt. Ach, wie nett! Wahrscheinlich wohnt der sogar irgendwo. Und ist manchmal traurig. Und hat ein Lieblingsessen!

Miteinander abzustimmen, dass jemand nett war, ist aber auch noch mehr. Es ist auch so eine schöne Selbstbestätigung: Wie schön, der war gut zu mir. Das heißt ja, dass ich es wert bin, gut behandelt zu werden. Vielleicht werde ich sogar ausnehmend gut behandelt, weil ich anders bin als die anderen, irgendwie besonders. Vielleicht werden wir beide Netten uns nun ein paar Tage lang nicht vergessen, weil wir heute herzlich zueinander waren in einer Welt, die an sich eher unherzlich ist.

Man kann sich dann zusammen ein bisschen fühlen wie die Guten in einer Geschichte, in der es viele Böse gibt. Da könnte theoretisch jetzt der dritte Weltkrieg über einen hereinbrechen, und es könnte einem doch nicht viel passieren, weil man eben nett ist und einander hilft. Weil es in der Not dann um nichts Großes mehr geht, sondern nur noch um die kleinen Gesten der Freundlichkeit im Alltag. Das haben die, die den dritten Weltkrieg provoziert haben, überhaupt noch gar nicht verstanden, das mit dem Nettsein. Der hätte dadurch nämlich verhindert werden können.

Und umso wichtiger ist es, dass wir, die Guten, das kleine Nettsein to go als Tugend loben. Als die einzig wahre Tugend überhaupt. Der einzige gemeinsame Nenner, den es geben kann unter zwei, drei, vier und sogar mehreren Millionen Menschen ist ja der der Zwischenmenschlichkeit. Ist das nicht nett? Total nett!

Vom Schatten ins Licht

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In alten Zeiten nannte man sie Vigilanten, später hießen sie Lockspitzel. Heute spricht man von V-Personen oder V-Leuten. „V-Personen und undercover agents sind“, so sagt der Frankfurter Strafrechtsprofessor Klaus Lüderssen, „weniger definiert durch das, was sie tun, als durch die Probleme, die sie aufwerfen“. Die zeigten sich zuletzt bei der Aufklärung der Verbrechen des rechtsextremen NSU. Es stellte sich heraus, dass der Verfassungsschutz Vertrauensleute im Umfeld des NSU eingesetzt und finanziert hatte.

Zu den berühmt-berüchtigten V-Leuten in der Geschichte der Bundesrepublik gehört Ulrich Schmücker, der infolge seiner Tätigkeit ermordet wurde; die Ermittlungen wegen des Mordes an diesem Terroristen und V-Mann sowie der nachfolgende Strafprozess gerieten zum Justizskandal. Die Richter in diesem Fall wussten sich nicht mehr anders zu helfen als das Verfahren einzustellen; das Einstellungsurteil formulierte eine Anklage gegen einen außer Rand und Band geratenen Geheimdienst.

Solche Entgleisungen sollen nun per Gesetz verhindert werden. Das Bundesinnenministerium hat den Bundesländern den „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes“ vorgelegt. Zum ersten Mal in der bundesdeutschen Geschichte soll der Einsatz von Vertrauensleuten und verdeckten Ermittlern durch den Geheimdienst bundesgesetzlich geregelt werden. Ins Verfassungsschutzgesetz wird ein neuer Paragraf 9 aeingefügt, der mit einer Definition beginnt: Vertrauensleute sind danach „Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit“ mit dem Verfassungsschutz „Dritten nicht bekannt ist“; es handelt sich also um Informanten, die zwar zur kriminellen oder extremistischen Szene gehören, aber dem Staat für Geld Informationen liefern. Verdeckte Ermittler sind die eigenen Leute des Verfassungsschutzes, die „unter einer ihnen verliehenen und auf Dauer angelegten Legende“ arbeiten –und in die kriminelle oder extremistische Szene eingeschleust werden.

Das „V“ im Wort „V-Person“ steht eigentlich für „Vertrauensperson“. In der Vergangenheit waren Vertrauenspersonen aber sehr oft Leute, denen man gar nicht trauen konnte, auch Wichtigtuer, die für viel Geld nicht das lieferten, was man von ihnen erwartete. Deswegen sollen verurteilte Straftäter nicht als V-Leute eingesetzt werden dürfen: Wer wegen eines Verbrechens oder wegen eines Vergehens zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde, der darf als V-Person nicht angeworben oder eingesetzt werden. Allerdings steht im Gesetz eine Einschränkung: Nur „grundsätzlich“ soll das so sein; das heißt, es darf Ausnahmen geben. Wer über solche Ausnahmen entscheidet, steht nicht im Gesetz.

Sowohl die V-Leute als auch die verdeckten Ermittler sollen bestimmte Straftaten begehen dürfen – sie dürfen sich also einer strafbaren Vereinigung als Mitglieder oder Unterstützer anschließen, aber nicht „zur steuernden Einflussnahme“ auf diese Gruppen. Welche Straften die Spitzel ansonsten begehen dürfen, wird im Gesetz nicht aufgezählt, sondern nur allgemein umschrieben. Es soll sich um Straftaten handeln, deren Begehung „zur Gewinnung und Sicherung der Informationszugänge unumgänglich“ sind und die „nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts“ stehen. In der Gesetzesbegründung wird dann ausgeführt, was gemeint ist: Das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen oder Verstöße gegen das Vermummungsverbot, alles, was zu „zugehörigkeitsstiftenden Verhaltensmustern“ zählt. Der Eingriff „in Individualrechte“ ist nicht erlaubt – Spitzel dürfen also keine Körperverletzungen begehen. Wenn sie aber doch „einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung verwirklicht haben, soll der Einsatz unverzüglich beendet werden“, heißt es im geplanten Gesetz. Soll – muss aber nicht. Auch wenn die Spitzel „aus dem Ruder laufen“, darf ihr Einsatz weiterlaufen, wenn das der Behördenleiter für richtig hält. Überhaupt: Die Staatsanwaltschaft soll Großzügigkeit walten lassen gegenüber V-Leuten und verdeckten Ermittlern, wenn die „im Einsatz“ Straftaten begehen: Wenn keine höhere Strafe als ein Jahr Haft mit Bewährung zu erwarten ist, „kann“ der Staatsanwalt von der Verfolgung absehen.

Im geltenden Verfassungsschutzgesetz sind die heimlichen Ermittlungsmethoden, die der Geheimdienst anwenden darf, nur beispielhaft aufgezählt. Daran soll sich nichts ändern. Es wird also etwa die langfristige Observation (wie lange darf sie dauern?) nicht ausdrücklich geregelt. Auch über die verdeckte Internetrecherche findet man im geplanten Gesetz nichts. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) klagt deshalb über „mangelnde Transparenz“. Ein Reformgesetz, so sagte er der SZ, „sieht anders aus“.


Tödliche Traumata

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Eddie Ray Routh war plötzlich ein Sorgenkind. Es fiel seiner Mutter im Sommer 2010 auf, als die Familie beim Zelten war. Eddie versuchte damals, in den Alltag zurückzufinden. Nach dem Schulabschluss hatte er vier Jahre lang als US-Marineinfanterist im Irak gedient und nach dem Erdbeben in Haiti geholfen. Doch er schien auch im Kreis seiner Familie keinen Halt zu finden. Er trank zu viel Alkohol, manchmal schon zum Frühstück.

Einmal stellte sich die Familie für Erinnerungsfotos auf eine Brücke über einem reißenden Fluss, und Eddies zwölfjähriger Cousin nahm seine Nichte auf den Arm, sie war noch ein Baby. Unvermittelt schrie Eddie seinen jungen Cousin an, hielt ihm vor, er lasse das Baby ins Wasser fallen. Er war so besessen von der Idee, dass seine Ausbrüche den ganzen Abend andauerten, bis er weinend in sich zusammenbrach. Seine Mutter Jodi hat die Anekdote der Autorin Laura Beil erzählt, sie steht in Beils Buch „The enemy within“ – der innere Feind.

Seit Mittwoch steht der Veteran Eddie Routh, 27, nun vor einem Strafgericht in Texas. Er ist angeklagt wegen Mordes: Am 2.Februar 2013 soll er den Veteranen Chris Kyle und dessen Freund Chad Littlefield erschossen haben. Der Fall erregt Aufsehen, weil Kyle, eines der Opfer, ein Nationalheld war: Als langjähriger Scharfschütze der Elite-Einheit Navy Seals soll er im Irak-Krieg 160 Menschen erschossen haben, er gilt deswegen als tödlichster Schütze der US-Militärgeschichte. Ein Film über sein Leben, „American Sniper“, läuft mit großem Erfolg in den Kinos. Der Film zeigt Kyle, wie er im Irak auf Hausdächern liegt und seinen Kameraden unten auf der Straße Rückendeckung gibt. Nähert sich ihnen ein Feind, drückt der Scharfschütze ab.

In seiner Autobiografie beschreibt Kyle die damaligen Aufständischen als das „schiere, unbeschreibliche Böse“. Deswegen „nannten viele Militärangehörige, ich eingeschlossen, unsere Feinde Wilde. Ich bedaure nur, nicht noch mehr Feinde erschossen zu haben. Nicht, um damit prahlen zu können, sondern weil ich glaube, dass die Welt ein besserer Ort ist ohne diese Wilden, die einzig darauf aus sind, Amerikanern das Leben zu nehmen.“

Doch am Ende ist es keiner dieser „Wilden“, der Kyle das Leben nimmt, sondern ein Kamerad, und nicht im Irak, sondern im Landkreis Erath in Texas, wo Kyle aufgewachsen ist und wo er zuletzt mit seiner Frau und Kindern lebte. Der Film endet damit, dass Kyle das Haus verlässt, er sagt, dass er einem Veteranen helfen wolle, der Probleme habe. Der Strafprozess wirkt nun wie die Fortsetzung des Films: Im wahren Leben tritt jetzt der Mann auf, der Kyle erschossen hat – Eddie Ray Routh.

Er trägt einen Nadelstreifenanzug und sieht ganz anders aus als auf den Polizeifotos von vor zwei Jahren; sein Haar ist jetzt kurz rasiert, er trägt keinen Bart mehr, dafür aber eine Brille, und er hat deutlich zugenommen. Sein Verteidiger Tim Moore plädiert auf nicht schuldig. Er räumt ein, dass Routh der Täter ist, beteuert aber, dass Routh unter einer solch schweren Psychose litt, dass er schlicht nicht zurechnungsfähig war. „Er stellte sich damals vor: entweder ich oder die. Er musste sie töten, denn in seiner Psychose dachte er, dass sie sonst ihn töten würden“, sagt der Anwalt zu den Geschworenen. „Sie werden feststellen, dass Eddie Routh während der Tat wahnsinnig war.“

Die USA haben Ende 2011 ihre letzten Kampftruppen aus dem Irak abgezogen, aber viele Veteranen kämpfen bis heute mit den Gespenstern der Kriegsjahre. Tausende leiden unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Im Jahr 2012 starben 350 US-Soldaten durch Suizid, mehr als beim Kampf in Afghanistan. Immer wieder verüben Soldaten auch Gewalt gegen andere. Im April vor einem Jahr lief der Irak-Veteran Ivan Lopez im texanischen Fort Hood Amok, er tötete drei Menschen, bevor er sich das Leben nahm.

Auch der Kriegsheld Chris Kyle hat beschrieben, dass ihn der Krieg an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Wenn er zwischen zwei Einsätzen zu seiner Familie zurückkehrte, wirkte er mal abwesend, mal geriet er aus nichtigem Anlass außer sich. Er und seine Frau Taya haben oft davon erzählt, wie der Krieg sie entfremdete, und wie er beinahe ihre Ehe zerstört hätte. Kyle hat sich dann gefangen, und weil er die Seelenqualen kannte, die der Krieg hinterlässt, wollte er Veteranen dabei helfen, in die Normalität zurückzufinden.

Als er eines Tages seine Kinder an der Grundschule von Midlothian im Norden von Texas absetzte, sprach ihn eine Mitarbeiterin der Schule an und fragte, ob er helfen könne. Es war Jodi Routh, die Mutter von Eddie. Chris Kyle soll gesagt haben, er werde alles tun, um ihrem Sohn zu helfen. Die Mutter soll geweint haben, weil sie seit einem Jahr auf solche Worte gewartet hatte, ohne sie je zu hören. Ihr Sohn soll vor allem unter dem Einsatz in Haiti gelitten haben, inzwischen hatte man bei ihm nicht nur PTBS festgestellt, sondern auch Schizophrenie. Sein Zustand hatte sich seit 2010 stetig verschlechtert. Ein halbes Jahr vor der Tat hatte ihn die Polizei bereits einmal festgenommen, er lief halbnackt auf der Straße, weinte, roch nach Alkohol. Seine Mutter erklärte später, sein Vater habe gedroht, ihm die Waffe wegzunehmen. Eddie habe das Haus mit den Worten verlassen, er werde sich „das Gehirn wegpusten“.

In einem psychiatrischen Krankenhaus in Dallas warnten die Ärzte, er sei gefährlich für sich und andere, und sie überwiesen ihn an eine Einrichtung für Veteranen. Dort allerdings wurde er Tage später entlassen, offenbar gegen den Widerstand seiner Mutter. Das Pentagon hat das Problem psychischer Spätfolgen zwar erkannt und gibt jedes Jahr Hunderte Millionen Dollar aus, um Veteranen zu behandeln. Aber das System ist nach zehn Jahren Krieg völlig überlastet. Routh war offensichtlich schizophren, einmal bedrohte er seine Freundin mit einem Messer und forderte sie auf, leise zu sprechen, weil jemand zuhöre. Trotzdem bekam er keine Hilfe.

Schließlich erbarmte sich der frühere Scharfschütze Chris Kyle. Nirgendwo in den USA wird Kyle so verehrt wie im nördlichen Texas. Der Trauerzug nach seinem Tod endete im Football-Stadion der Dallas Cowboys. Kyle galt hier nicht nur als Kriegsheld, sondern auch als Lokalpatriot, er verkörperte die Liebe zu Rodeo und Schusswaffen. Im Städtchen Stephenville, wo nun der Prozess stattfindet, werden Baseball-Mützen zu Ehren Kyles verkauft, der Film „American Sniper“ läuft im Kino. Manche Anwohner klagen darüber, dass die Staatsanwaltschaft nicht die Todesstrafe verlangt habe gegen Routh. Dessen Verteidiger wiederum haben beantragt, den Prozess zu verschieben: Der Kinofilm, die allgemeine Bewunderung für Kyle ließen es nicht zu, dass die Geschworenen unbefangen entscheiden könnten. Das Gericht hat den Antrag abgelehnt.

Am letzten Tag seines Lebens ist Chris Kyle mit seinem Freund Chad Littlefield zu einem Schießstand gefahren. Der hilfsbedürftige Eddie Routh saß auf der Rückbank. Kyle stellte sich vor, dass er bei einer gemeinsamen Schießübung ein Verhältnis zu Routh aufbauen könne. Er setzte diesen Plan fort, obwohl er schon während der Autofahrt begriff, wie krank Routh wirklich war. „Dieser Kerl ist echt völlig durchgeknallt“, schrieb er per SMS seinem Freund Chad, der neben ihm saß. Chad hielt den Fahrgast sogar für gefährlich, und womöglich war es nicht bloß ein Spaß, dass er Kyle zurückschrieb: „Er sitzt direkt hinter mir. Gib mir Rückendeckung.“

Eine Stunde später feuerte Eddie Routh insgesamt 13 Schüsse auf Chris Kyle und Chad Littlefield ab.

Mehr Miteinander

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Zur Altstadt?“ Die freundliche Verkäuferin im gut sortierten Bahnhofsbuchladen erklärt den Weg. „Geradeaus den Berg rauf, an der Kreuzung rechts.“ Dort weist ein Schild zum historischen Zentrum, gegenüber geht es zur Baustelle „Wohnen am Traubenkeller“, wo barrierefreie Energieeffizienzhäuser entstehen. Günzburg ist eine von 16 Modellkommunen in Bayern, die im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung erproben, was man tun kann in Sachen Barrierefreiheit.

Herausforderungen gibt es genug, im Grunde zählt dazu die gesamte Altstadt mit ihrem Schmuckstück, dem 250 Meter langen Straßenplatz, der zum unteren Tor, dem sogenannten Stadtturm, sanft abfällt. Farbige Fassaden, grobes Kopfsteinpflaster für die Autos, feineres für die Fußgänger. Die Stadt hat sich herausgeputzt. Günzburg steht für viele Kommunen: Es gibt eine bildhübsch renovierte Altstadt, historische Häuser ohne Lift, viele Läden mit Stufen und noch mehr Kopfsteinpflaster, dafür zu wenig barrierefreien Wohnraum.

Günzburg hat jedoch den demografischen Wandel angenommen und begonnen, die Stadt umzubauen. Seit 2013 verbindet der Aufgang Turniergarten Ober- und Unterstadt. In Serpentinen schlängelt er sich über den Schlossberg und überwindet gut zehn Meter Höhenunterschied. Wer will, kann natürlich die zentrale Treppe mit Fahrradrampe nehmen, die schnurgerade nach oben führt. Der neue Weg von den Günzauen hinauf zum Schloss mit seinen Bänken und Sitzblöcken ist Teil des städtebaulichen Entwicklungskonzepts für die Günzburger Vorstadtbereiche. Er wurde innerhalb des seit 2008 laufenden Städtebauförderungsprogramms „Leben findet Innenstadt – Aktive Zentren“ mit Mitteln des Bundes und des Freistaates Bayern in Höhe von 300000 Euro gefördert. Ziel der Initiative ist es, „lebendige Dörfer, Märkte und Städte“ zu schaffen, mit „zukunftsfähigen Standorten für Wirtschaft, Einzelhandel, Dienstleistung und lebenswerten Wohnquartieren“, wie es in der Präambel des Programms heißt. Stadtbaumeister Georg Dietze ist überzeugt: „Mit dem Aufgang konnten wir zeigen, dass eine Maßnahme zur Barrierefreiheit gleichzeitig ein schönes und einladendes Bauwerk sein kann.“ Tatsächlich fällt gar nicht groß auf, dass der Weg barrierefrei angelegt wurde. „Angebote müssen so selbstverständlich integriert sein, dass der zusätzliche Komfort gerne angenommen wird“, sagt Dietze.

Barrierefreiheit geht weit über Gehwegabsenkungen und einige Rampen hinaus. „Entscheidend sind Barrieren im Kopf“, sagt der Stadtbaumeister. Es gebe zwar neue DIN-Vorschriften und Vorgaben, viel wichtiger aber sei „die Sensibilisierung der Planer und Verantwortlichen für die Probleme und Bedürfnisse der Betroffenen.“ Dietze geht mit gutem Beispiel voran. Ohne Dialog geht nichts mehr in Günzburg. Bei Begehungen sucht er den Kontakt zu Betroffenen, will wissen, was sie wollen und wie er helfen kann. In der Regel sei es kostengünstiger, „die Belange zu Beginn der Planungen zu berücksichtigen. Da haben wir noch viel zu lernen. Wir wollen zukünftig Planungen frühzeitig mit den Betroffenen abstimmen.“

In den vergangenen Jahren wurde in Bayern bereits einiges getan, um Barrieren abzubauen. Gehwegsabsenkungen, Lifte und Rampen für öffentliche Gebäude, Leitsysteme und Maßnahmen waren aber stets eingebunden in andere, größere Projekte der Stadtsanierung. Mellrichstadt in Unterfranken, Regen in Niederbayern und Landsberg am Lech in Oberbayern etwa sind inzwischen anerkannte Vorreiter in Sachen Barrierefreiheit.

Städtebauförderung bildete hier den finanziellen Anschub, die Initiative gelang, weil sie von Bürgern ausging und von der Politik am Ort. Das könnte ermutigen, die Herausforderungen einer Gesellschaft anzupacken, die „älter, bunter und weniger“ wird, wie es der Berliner Stadtsoziologe Hartmut Häußermann einmal ausdrückte. Hier braucht es Fingerspitzengefühl und Dialogbereitschaft, denn nicht alle Anforderungen passen zusammen. Eine Tastkante etwa hilft Blinden und Sehbehinderten, kann aber für Rollatorbenutzer und Rollstuhlfahrer eine Hürde sein. Im Sommer stehen womöglich Tische und Stühle auf einem Platz – und verdecken eine Leitlinie, die der Orientierung dient. Da ist Pragmatismus gefragt, echtes Miteinander.

Antworten aus dem Standardbaukasten, etwa die vom Busbahnhof und vom Bahnsteig bekannten Noppen- und Rillenplatten, sind wenig hilfreich. Zum Glück schreibt die neue DIN 1803, Teil drei, nicht mehr eine einzige Lösung vor, sondern lässt gleichwertige Alternativen zu. Die Verantwortung wächst, aber auch die Herausforderung, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Das neue Leitbild der Stadt hat sich weit entfernt von dem, was heute noch vielerorts üblich ist. Im Zentrum steht die fußläufige und barrierefreie Nahversorgung – vom Quartiersladen bis hin zur ärztlichen Versorgung. Siedlungen der Sechziger- bis Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts haben es zunehmend schwerer: kaum Nahversorgung oder Ärzte, wenige Freizeitangebote in der Nähe, schlechte Verkehrsanbindung.

Sind diese Quartiere etwa reif für den Abbruch? Die Münchner Stadtplanerin Manuela Skorka beruhigt: „Nein, das sind sie nicht.“ Trotzdem findet sie es problematisch, dass in der Peripherie in alten Siedlungsgebieten oft Menschen, deren Kinder ausgezogen sind, und alleinstehende ältere Menschen verbleiben, während gleichzeitig immer neue Baugebiete ausgewiesen werden. Skorka regt augenzwinkernd einen Tausch an – und neue Gemeinschaften: Junge Familien könnten in die alten Häuser ziehen und deren Bewohner in die Stadt. Oder sie bleiben und erhalten so wieder Familienanschluss. Skorka möchte „Alternativen aufzeigen“. Familien würden kleiner, Netzwerke brächen auseinander. Umso wichtiger sei es, frühzeitig über gute Nachbarschaften nachzudenken.

Städte haben so manchen Wandel mitgemacht. Treppen, Gassen und Bordsteine passen nun nicht mehr zu einer barrierefreien Umwelt, zu Inklusion und zur Teilhabe aller. Geld alleine wird den Wandel nicht stemmen. Alle müssen mitmachen, und das geht nur, wenn die richtigen Anreize gesetzt werden.

Mädchen, wärt ihr manchmal gerne prolliger?

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Die Jungsfrage





Schon die Bildkomposition macht etwas Spaß. Mir jedenfalls. Da liegt also Julian Edelman, Wide Receiver der New England Patriots, laut Wikipedia etwa 90 Kilo schwer (nur Muskeln, kein Fett), hipsterbärtig. Er hat am Abend zuvor mit einem Touchdown die Superbowl für sein Team entschieden. Man könnte ihm also nachsehen, wenn er sich in ein Kleinkoma gesoffen hat.

Und da ist Sabrina. Sabrina wirkt zierlich. Aber weil sie im Bildvordergrund ist, sieht sie größer aus als der Footballspieler – der allerdings wie zur Verdeutlichung der Proportionen eine große Pranke nach vorne reckt. Das Ganze hat also etwas von Trophäen-Präsentation. Vom Kosmos Wladimir Putin: der erlegte Bär und ich. „Just fucked Edelman no lie“ hat Sabrina auf das Bild geschrieben – und es dann getwittert. Stilvoll geht anders.





Aber gelacht haben wir trotzdem, als das Foto vergangene Woche durch unsere Timelines gerauscht ist. Eben gerade, weil es so daneben ist. So prollig. Bei uns ist es mit der Prolligkeit nämlich grob gerastert so: Wir meiden sie privat. Wir versuchen irgendwann, so etwas wie Stil zu bekommen – und den dann auch zu wahren, so weit das eben geht. Aber wir schauen sie gerne an. Wir können uns an ihr erfreuen. Nicht generell. Und eher aus der Ferne. Aber dann eben manchmal auch sehr. Haftbefehl, der "mit seinem Besten rollt", Fußballer-Interviews (Steigerung: Kanye West), Deine-Mudda-Witze: Alles nicht superschön. Aber hie und da schon toll.

Und: bislang fast immer mit Männern. Prollige Frauen hatten eher ein Imageproblem. Wir konnten uns Lady Bitch Ray schon auch mal anschauen. Aber so richtig gezündet hat das noch nicht. Wenigstens gefühlt scheint sich das aber gerade zu ändern. Nicht gesamtgesellschaftlich (Sabrina wurde zumindest in den USA tatsächlich noch massiv als „Schlampe“ verunglimpft), aber zumindest im Kleinen. Ich habe mich zum Beispiel sehr gefreut, als die Kollegin unter dem Betreff „So geht guter Journalismus“ einen Tumblr mit Jax Tellers Arsch herumgeschickt hat. Glaube, dass ich sogar Schwesta Ewa ganz unterhaltsam finden kann.

Was ich mich aber seither frage: Was macht das mit euch? Freut ihr euch, dass ihr vielleicht in absehbarer Zeit auch ein bisschen Rumproleten könnt? Wolltet ihr schon lange gerne mehr auf die Kacke hauen und habt euch das nicht getraut? Weil ihr (wahrscheinlich sogar zu recht) dachtet, dass wir das „billig“ finden könntet? Oder sagt ihr: „Nutte, halt’s Maul, wir machen schon immer was wir wollen! Aber wir wollen halt nicht prollig, weil das dumm ist“?

>>> Die Mädchenantwort von Nadja Schlüter.
[seitenumbruch]
Oh nein, ein schlafender Mensch! Da hast du mich aber auf dem falschen Fuß erwischt. Oder auf dem richtigen. Je nachdem. Zumindest denke ich gleich „Oooch!“, wenn ich Edelman da so liegen sehe, mit einer Schlaffalte auf der Stirn und seiner entspannten Pranke. Und dann „Wie gemein!“, wenn ich bedenke, dass er einfach so fotografiert wurde. Konnte sich doch gar nicht wehren, der Arme.





Und darum lautet meine erste Antwort: Nein, wir wollen nicht prollig sein. Wenn prollig sein bedeutet, wehrlose Schlafende abzulichten und herumzuzeigen.

Aber wenn es eine erste Antwort gibt, muss es auch eine zweite geben, und die ist ein bisschen komplexer. Weil: Insgesamt finden die meisten von uns (und von euch ja sicher auch) Prolligkeit generell nicht so richtig gut. Nicht sexy, nicht tough, sondern halt eins drüber, unsubtil, ein bisschen dumm auch. Aber: Wenn uns jetzt jemand einen prolligen Typen und eine prollige Frau vor die Tür stellen und sagen würde: „Mit wem von den beiden möchtest du einen Eiweißshake trinken?“ – dann würden wir schon die Frau wählen. Weil die noch eins interessanter ist als der Typ. Weil die  noch eher Ausnahme ist. Weil die ein lange als total männlich geltendes Gebaren an den Tag legt und mit als weiblich geltenden Features (viel nackte Haut und Haarspray zum Beispiel) vereint.

Das ist irgendwie ganz spannend, das wollen wir beobachten. Und wir haben auch das leise Gefühl, dass Proll-Frauen das auch für uns tun. Und für alle Frauen, die es gegeben hat. Dass sie stellvertretend für alle Frauen, die brav und schmückendes Beiwerk sein mussten, der Welt ordentlich eins aufs Maul geben. Laut sagen: „Vorhang auf, geht zur Seite / Ich stapfe mit Gummistiefeln durch eure Scheiße !“ Oder meinetwegen auch: „Just fucked Edelman, no lie!“

Und aus noch einem Grund würden wir mit der Frau lieber mit einer Portion Special-Fitness Inko Pro Aktive 80 anstoßen als mit dem Mann: Weil wir glauben, dass sich die Proll-Frauen ihrer Prolligkeit viel eher bewusst sind. Eben weil es für sie noch ein einigermaßen neues Charakterfeld ist. So eine Lady Bitch Ray, davon kann man ausgehen, spielt die Karte sehr bewusst. Reflektiert und dadurch auch irgendwie distanziert und ironisch. Als Frau wächst du halt nicht so natürlich in die Prolligkeit rein, da will man dich ja eher von der Prolligkeit wegerziehen. Weibliche Prolls entscheiden sich, Prolls zu sein. Sogar die twitternde Sabrina wird gewusst haben, dass das gerade ein echter Proll-Move ist, sie wird wahrscheinlich sogar gewusst haben, dass Amerika „Schlampe!“ rufen wird – und trotzdem hat sie das Foto in die Welt geworfen. Hat einfach mal gemacht, was Männer schon unzählige Male getan haben: ihre (niedliche Schlaffalten-)Trophäe hergezeigt.

Darum lautet die zweite Antwort: Ja, wir freuen uns, dass wir prollig sein dürfen. Auch wenn wir es gar nicht sein wollen. Weil es immer schön ist, noch eine Rollenmöglichkeit mehr zu haben. Wenn noch eine Tür geöffnet wird, durch die man früher nicht hätte gehen können, ohne dafür verachtet zu werden. Und wir freuen uns, dass wir kleine Anleihen an das Prolldasein machen können und das lustig gefunden wird. Dass die Kollegin Jax Tellers Arsch rumschicken kann, ohne, dass sie ein Imageproblem kriegt. Ohne, dass sie überhaupt darüber nachdenken muss, ein Imageproblem kriegen zu können. Dass wir einander „Bitch!“ nennen können. Dass wir euch „Bitch!“ nennen können. Dass wir nicht brav sein müssen. Das ist vielleicht nicht ganz neu. Aber noch neu genug, um sich drüber zu freuen. No lie.

Wir haben verstanden: KW 7

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Das Schlimmste an einer Erkältung ist der Bronchialtee.

Krapfen hingegen sind ein gutes Mittel zur Bekämpfung krankheitsbedingten Frusts.

Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie sich die Kundenzusammensetzung in Filialen des gleichen Supermarkts in verschiedenen Vierteln unterscheidet.

Es gibt ein Tinder für Kiffer.

Möbelstücke, die man eigentlich gar nicht braucht: Bett, Schrank.

Wenn man Reporter zu einem Interviewtermin mit Karoline Herfurth schickt, muss man sich darauf einstellen, dass sie in den nächsten Tagen ziemlich verliebt sind.

Wenn man mit Deichkind »Mensch ärgere dich nicht« spielt: Hinterher unbedingt checken, ob das Spiel noch vollständig ist!

Zum Glück gibt es aber auch eine Würfel-App. Natürlich.

Es ist nie ein IT-Servicemitarbeiter da, wenn man wirklich dringend einen braucht.

Wenn man nicht schlafen kann, aber gerne will, ist das zum Wahnsinnigwerden. Wenn man dann aber einfach tapfer aufsteht, sich anzieht und einen großen, einsamen Nachtspaziergang macht, ist das ganz im Gegenteil zum sehr Glücklichwerden!

Probates Mittel gegen Jungs, die Mädchen auf Tinder widerlichst abgraben: Eine Karikatur von ihnen mit kleinen Pimpeln veröffentlichen.

Ab Februar schleicht sich immer das Gefühl ein, dass es sich jetzt auch nicht mehr lohnt, noch neue Winterschuhe zu kaufen. Auch, wenn man Löcher in den Sohlen und dauernd nasse Zehen hat. Man will dann einfach keine Winter-Anschaffungen mehr machen. Aus Prinzip!

Die Schleckerläden von früher sind längst mit neuem Leben erfüllt. Aber ein bisschen Schlecker sieht man meistens immer noch.

Falls es einen Lexikoneintrag zum Stichwort “Charaktergesicht” gibt, könnte daneben ja schon auch ein Bild von J.K. Simmons gedruckt werden.

WhatsApp-Gruppe mit vier weiteren Paaren und dann bekommt eines davon ein Baby: Wenn du da trotzdem noch arbeiten willst, musst du das Handy ausmachen.

Wir leben im Zeitalter der Bällebad-Renaissance.

Macht froh und ist gar nicht schwer: Im Eisfach immer Eiswürfel mit Kräutern drin haben.

Wochenlang ohne Gardinen zu leben (einfach nur, weil man es nicht gebacken kriegt, eine neue Gardinenschiene anzubringen) macht auf eine seltsam-gute Art frei und hemmungslos.

Haltestellenansagen von Prominenten in der U-Bahn sind an sich schon eine schwierige Sache. Wenn Frank Zander mit Drogendealer-Stimme allerdings "Klosterstraße" raunt, ist das fast schon angsteinflößend:

Pfandsammler sind eigentlich immer freundlich.

Julie Gayet macht neben Affären auch Filme.

Wenn man ein Fragezeichen malen möchte, das auf dem Kopf steht, denkt man ganz ganz fest nach. Dann noch mal, diesmal ums Eck. Und irgendwann merkt man: Man muss nur ein ganz normales Fragezeichen malen – und den Punkt auf die andere Seite setzen.

Von einem Red-Eye-Flight am Montag hat man die ganze Woche was.

Geht überraschend gut: Von 7.30 Uhr bis 19.30 Uhr arbeiten und dann trotzdem noch zwei Stunden Theater anschauen.

Für Sex ist man hinterher aber dann doch zu müde.

Platz da!

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„Wenn es so weitergeht wie bisher, dann werden unsere Töchter auch wieder hier sitzen und keine Filme machen! Das kann es doch nicht sein! Deshalb müssen wir viel fordern! 50 Prozent!“ ruft Tatjana Turanskyj in den Saal. Ihre langen dunkelblonden Haare fallen ihr ins Gesicht, die Hände hauen auf einen virtuellen Tisch. Das Publikum fängt an klatschen. „Genau!“ ruft eine der vielen jungen Frauen in dem völlig überfüllten Raum im vierten Stock der Kinemathek am Potsdamer Platz, eine andere bugsiert ihr Baby von einem Bein auf das andere, damit sie die Hände frei zum Applaudieren hat. Willkommen bei einer der politischsten Diskussionen der aktuellen Berlinale.

„Starke Frauen in Extremsituationen“ hatte Festivalleiter Dieter Kosslick als Motto der diesjährigen Filmfestspiele gewählt, und das ist politisch motiviert. Denn in der Filmszene rumort es: Laut einer Studie des Bundesverbandes Regie sind nur elf Prozent der Spielfilme in der Primetime (18 bis 24 Uhr) auf ARD und ZDF von Frauen gemacht, im Kino sind es 22 Prozent. Dabei waren in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich 42 Prozent der Filmhochschulabsolventinnen Frauen. An einem Mangel an Nachwuchs kann diese Ungleichheit also nicht liegen. Aber woran dann?

Der 2014 gegründete Verein "ProQuote-Regie", für Mitbegründerin Tatjana Turanskyj an diesem Donnerstagnachmittag in der Kinemathek so energisch spricht, sagt, es liege daran, dass Frauen bei der Filmförderung diskriminiert werden. Und wer kein Budget bekomme, könne eben keine Filme machen. Der Verein fordert deshalb eine Frauenquote von 50 Prozent bei der Vergabe von Geldern aus öffentlichen Filmförderungen. Nur so könnten sich Frauen und insbesondere junge Regisseurinnen überhaupt erst in der Filmbranche etablieren und später auch größere Budgets erhalten, um beispielsweise Kinofilme zu drehen. Denn meistens scheitere es genau daran, sagt Tatjana Turanskyj: am Sprung vom Nachwuchstalent zur anerkannten Regisseurin: „Die meisten Frauen machen einen Film, nämlich ihren Abschlussfilm. Manchmal noch einen zweiten, aber dann hört es auf.“ Aus ihrer Sicht gibt es dafür zwei Gründe: „Den Kinder-Gap, da viele sagen, Regisseurin sein und Kinder haben sei schwierig. Ich kann dann nur erwidern, dass Männer auch Kinder haben und Filme machen, was soll das also für eine Aussage sein? Der zweite Gap ist, dass Frauen nach dem zweiten Film oft nicht genügend Support bekommen und dann im Filmbusiness nicht richtig Fuß fassen.“

Harald Martenstein schrieb im Tagesspiegel über die Quotendebatten satirisch, dass man dann ja auch bald eine Quote fürs Publikum einführen könne, dass dann gezwungen werde, die Quotenfilme zu sehen. Er benennt damit die Hauptangst vieler Gegner: Das Ende der Qualität. Dass zukünftig schlechtere Filme von Frauen anstatt gute von Männern gezeigt werden. Tatjana Turanskyj argumentiert dagegen: „Es wird oft gesagt, Qualität und Kunst, das passt nicht zu sammen. Ich finde das merkwürdig. Im deutschen Fernsehen läuft ja keine Kunst, da laufen Formate wie der 'Tatort' oder 'Sonntagsfilm', die nach strikten Vorgaben zusammengebaut werden, um beim Massenpublikum erfolgreich zu sein. Die meisten Filme sind also Teil einer Kulturindustrie, bei der es gut bezahlte Jobs gibt und Geld gemacht wird. Dafür braucht man ein Handwerk, das die 42 Prozent Hochschulabsolventinnen nachweislich haben.“ Die Regisseurin und Produzentin Annekatrin Hendel, die ebenfalls auf dem Podium sitzt und sagt, sie habe keine Lust, zukünftig vorgeschrieben zu bekommen von welchem Geschlecht sie wie viele Filme produzieren muss, erntet vom Publikum wütende Wortmeldungen.


Katharina Woll
Katharina Woll ist eine jener potenziellen Hochschulabsolventinnen, denen die Quote helfen soll. Sie studiert Spielfilm nur wenige Stockwerke über dem Saal: an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). Und obwohl sie ihrer Zukunft eigentlich positiv entgegensieht, hat sie wie 260 weitere Regisseurinnen, den Aufruf für die Quote unterschrieben. Warum, erklärt sie in einem Beispiel aus der Filmhochschule: „Bei uns gibt es freitags in der DFFB  immer eine Abnahme, bei der man den eigenen Film vorstellt und zur Diskussion stellt. Einige Frauen sitzen da oft ganz unsicher – was ja auch klar ist: Der eigene Film ist eine sehr persönliche Arbeit, die leicht angreifbar ist. Die Männer sind da viel selbstbewusster und von ihrem Werk überzeugt. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich dieses Verhalten bei der Bewerbung um Gelder fortsetzt“, sagt Katharina.


[seitenumbruch]"Wenn man Erfolg hat, ist es wurscht, ob man ein Mann oder eine Frau ist"

Marlene Denningmann
Eine Argumentation, die Marlene Denningmann sich nicht zu eigen machen will. Die Videokünstlerin hat vergangenes Jahr ihren Abschluss an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg gemacht, jetzt muss sie sich auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen. Für sie ist die Benachteiligung von Frauen keine Frage von fehlender Durchsetzungsfähigkeit, sondern ein strukturelles Problem. Die elf Prozent Filme von Frauen zur Primetime haben das für sie bestätigt. „Als Filmemacherin ist man in einer komischen Situation: Auf der einen Seite leitet man große Teams und trifft selbstständig Entscheidungen, auf der anderen Seite bleibt man stets Bewerberin – für Förderungsgelder, Preise, Anerkennung. Für mich ist Selbstermächtigung deshalb ein wichtiges Thema. Und dazu gehört auch die Solidarität unter Frauen“, erzählt Marlene in einem Kreuzberger Café. Das Motto der diesjährigen Berlinale „Starke Frauen in Extremsituationen“ findet sie trotzdem schrecklich: „Das impliziert ja immer noch das Stereotyp, dass Frauen das schwache Geschlecht sind und man extra betonen muss, wenn es mal anders ist“, sagt Marlene. Sie arbeitet mittlerweile selbstständig, hat 2014 den Verein VETO gegründet, eine Plattform für künstlerische und Experimentalfilme.


IsabellŠuba
Eine, die den Durchbruch im Filmgeschäft bereits geschafft hat, ist Isabell Šuba – interessanterweise mit einem Film, über genau jenen Sexismus. Ihre Mockumentary „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“, bei der sie guerillamäßig eine Schauspielerin anstatt ihrer selbst zu den Filmfestspielen nach Cannes schickte, um die sexistische Glamourwelt zu entlarven, lief vergangenes Jahr in deutschen Kinos und ist nun in der Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis. Viel besser könnte es eigentlich nicht laufen. Aber auch Isabell sagt: „Wenn man erst mal Erfolg hat, ist es wurscht, ob man ein Mann oder eine Frau ist. Dann wird man akzeptiert und die Leute hören einem zu. Das Problem ist eher der Weg dorthin." Bisher gab es aus ihrer Sicht in der Filmbrache kein Verständnis dafür, dass man auch Frauen in die  Netzwerke aufnehmen und mit Budgets ausstatten muss. Auf Filmpartys sei sie oft nur eine der wenigen Frauen. Durch eine Quote, so ihre Hoffnung, könnten die wichtigen Gremien gezwungen werden, die ganze Vielfalt im Filmbereich abzubilden und nicht nur den männlichen Teil.

Die Diskussion in der Kinemathek geht zuende. Auch wenn im Publikum mehr Frauen sitzen, ergreift schließlich ein junger Mann das Wort. Er sagt, er sei selber Regisseur und wolle jetzt auch mal was dazu sagen. Alle schauen ihn gespannt an: "Manche sagen, wenn man eine Frauenquote einführt, dann bräuchte man auch eine Quote für Homosexuelle und so weiter." Im Raum wird es still. Er sagt weiter: "Ich kann dann nur erwidern: Wer denkt, dass Frauen in Deutschland eine Minderheit sind, der hat auch ganz andere Sachen nicht verstanden."
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