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Flucht nach vorn

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François Hollande wirkt nach seiner Pressekonferenz im Élysée-Palast erleichtert.

François Hollande mag nicht von einer „Wende“ sprechen. Der Sozialist nennt seine politische Volte nach rechts, die Frankreichs Unternehmen nun neue Entlastungen in Höhe von mindestens 15 Milliarden Euro im Tausch gegen mehr Jobs verheißt, lieber eine „Beschleunigung“ seines bisherigen Kurses. Was zumindest in einer Hinsicht stimmt: Dem Präsidenten ist, nach Monaten in der Defensive, eine Flucht nach vorn gelungen. Konservative Opposition wie linke Gegner reagieren widersprüchlich und bisweilen verwirrt auf Hollandes Idee eines „Paktes der Verantwortung“ für mehr Beschäftigung. Aus Europa und Deutschland erntet der Präsident derweil wohlwollendes Lob.

Hollande hatte sich am Dienstagabend in einer Pressekonferenz im Élysée-Palast klarer denn je zu einem sozialdemokratischen Kurs bekannt. „Ich bin Realist, Reformer – aber vor allem Patriot“, erklärte der Präsident. Er rief alle Parteien, Arbeitgeberverbände sowie Gewerkschaften auf, eigene Interessen zurückzustellen und sich auf „einen großen sozialen Kompromiss“ einzulassen.

Konkret versprach Hollande, bis zum Jahr 2017 die geplanten Staatsausgaben um 50 Milliarden senken. Auf diese Weise hofft er Spielräume für Steuersenkungen unmittelbar vor der nächsten Präsidentenwahl zu gewinnen. Zudem stellte er den Unternehmen in Aussicht, deren Pflichtbeiträge in die öffentliche Familienkasse (jährlich etwa 35 Milliarden Euro) abzuschaffen. Um weiterhin das Kindergeld zu finanzieren, muss also die Regierung anderswo sparen – und offenbar will der Sozialist diese neue Entlastung mit einem bereits 2012 gewährten Steuernachlass zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit (20 Milliarden Euro) verrechnen. Den Arbeitgebern bliebe demnach eine Netto-Entlastung von nur 15 Milliarden Euro.

Während gemäßigte Politiker wie Jean-Louis Borloo, der Chef der zentristischen Oppositionspartei UDI, Hollande ihre Unterstützung anboten, reagierten prominente Vertreter der konservativen UMP überaus unterschiedlich. Jean-Francois Copé, der Vorsitzende der größten, innerlich jedoch zerstritten Oppositionspartei, tat Hollandes „Pakt der Verantwortung“ als „heiße Luft“ ab. Hingegen lobte der frühere Premier Jean-Pierre Raffarin die „Wende“ Hollandes: „Man muss anerkennen, dass sich sein Reden verändert hat – das ist ein sehr wichtiger Lernerfolg.“ Allerdings deutete Raffarin Zweifel an, dass die regierenden Sozialisten (PS) Hollandes Politik geschlossen umsetzen werden. Angehörige des linken Parteiflügels äußerten zwar Bedenken. Hollande mache den Arbeitgebern „sehr präzise Zugeständnisse“, während deren Gegenleistung – mehr Arbeitsplätze – „nur sehr vage“ seien. Die meisten PS-Abgeordneten und auch die Grünen stellten sich jedoch hinter den Präsidenten.

Premier Jean-Marc Ayrault plant offenbar, eine spätere Abstimmung über den „Pakt der Verantwortung“ mit der Vertrauensfrage für seine Regierung zu verknüpfen. Ätzende Kritik kam am Mittwoch von der extremen Linken. „Dies ist eine brutale Kehrtwendung nach rechts“, schimpfte Jean-Luc Melanchon. Der Ko-Präsident der „Parti de Guache“ hatte schon während Hollandes Auftritt per Twitter linke PS-Abgeordnete und die Gewerkschaften zum Bruch mit dem Präsidenten und zu Demonstrationen gegen dessen „Geschenke ohne Gegenleistung an die Unternehmer“ aufgerufen. Zwei linke Gewerkschaften kündigten Proteste an, während die gemäßigte CFDT an den Verhandlungen über den Pakt teilnehmen will.

Hollande hat angekündigt, er wolle im Rahmen seines Paktes exakte Ziele über die Zahl neuer Jobs und die Neueinstellungen etwa von Jugendlichen und Senioren festschreiben. Dies stieß bei den Arbeitgebern am Mittwoch auf Skepsis. „Man kann so etwas nicht juristisch festschreiben“, bemängelte der Chef des Arbeitgeberverbandes Medef, Pierre Gattaz. Vorige Woche hatte Gattaz erklärt, Frankreichs Unternehmer könnten „eine Million zusätzliche Arbeitsplätze“ schaffen – falls Hollande Steuern und Abgaben um jährlich 20 Milliarden senke. Am Mittwoch zeigte sich der Medef-Chef hingegen enttäuscht, dass Hollande die versprochenen Nachlässe bei der Familienkasse durch die Abschaffung von Steuerrabatten gegenfinanzieren will.

Ein positives Echo erntete Hollande aus dem Ausland. Ein Sprecher der EU-Kommission lobte Hollandes Pläne ebenso wie Außenminister Franz-Walter Steinmeier (SPD). Diese Reaktionen waren wiederum Wasser auf die Mühlen von Marine Le Pen, der Vorsitzenden des rechtsextremen Front National. Hollandes Kurs komme „einer Unterwerfung gegenüber Deutschland und Europa“ gleich.


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