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Ein Pool für alle Aufgaben

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Spätestens 2016 sollen die Abitur-Prüfungen bundesweit in etwa gleich schwer sein und nach gleichen Maßstäben bewertet werden. Ob die Klausuren in einzelnen Ländern dann einfacher oder komplizierter werden, dürfte schon bald.

Es werde "ein Kulturwandel beim Abitur" eingeleitet, sagt der Chef der Kultusministerkonferenz (KMK). Die Länder haben den Aufbau eines gemeinsamen Pools von Aufgaben beschlossen. Beim Abitur 2016/2017 solle es dann einheitlichere Prüfungen geben, nach bundesweiten Bildungsstandards. Die wichtigsten Fragen.



Ein Kulturwandel beim Abitur steht bevor.

Wird Deutschland nun ein Zentral-Abitur bekommen?
Auf Kommando aus Paris werden in ganz Frankreich jedes Jahr im Juni die Klausuren verteilt. Mehr als eine halbe Million Abituranwärter schreiben eine Woche lang Abitur, alles identisch. In Deutschland wäre dies wegen verschiedener Ferien nicht machbar - und ist im föderalen System ein Tabu. Das Zentralabitur gilt bei den Ministern als Pfui-Wort. Es gehe um die vergleichbare Qualität und Bewertung, mehr nicht, sagt Sachsen-Anhalts Minister Stephan Dorgerloh (SPD), der aktuell KMK-Vorsitzender ist. Allerdings: "Das Anforderungsniveau wird am Ende gleich sein."

Was sind Bildungsstandards?
Sie definieren, was Schüler in Kernfächern können sollten. Festgelegt wurden Standards nicht nur für die gymnasiale Oberstufe, sondern auch für Grundschüler. Spätestens 2014 beginnen die Länder damit, ihre Lehrpläne anzupassen, damit die Standards Grundlage im Abitur in vier Jahren sein können. "Bevor danach geprüft werden kann, braucht man Zeit, um die Lehrpläne anzugleichen und dann zunächst einmal die gymnasiale Oberstufe nach den neuen Standards durchlaufen zu lassen", sagt Dorgerloh. Zudem sollen Prüfungskriterien harmonisiert werden, etwa der Einsatz von Taschenrechnern in Mathe oder von Vorab-Literaturlisten in Deutsch.

Wie funktioniert der Aufgaben-Pool?
Das an der Berliner Humboldt-Universität angesiedelte, ländereigene Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) begleitet das Projekt. Die Ministerien sollen verwendete oder neu erdachte Aufgaben einreichen. Der Pool wächst so von Jahr zu Jahr, er soll den Ländern zur Verfügung stehen - zur Übernahme der Tests, zur Abwandlung oder als Vorbild. Wie der Zugriff technisch abläuft, ist offen. Am Freitag kursierte schon mal die Angst vor Hackerangriffen auf das künftige System.

Welche Pläne hat die Pionier-Gruppe aus sechs Bundesländern?
Bayern, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern wollen bereits 2014 zusammenarbeiten. Aus dem Pool werden sie sich dazu nicht bedienen können, denn dieser ist da noch kaum gefüllt. Geplant sind gemeinsame Aufgabenteile. So soll eine der fünf Aufgaben in Deutsch, von denen Schüler eine bearbeiten müssen, gemeinsam von den Ministerien erarbeitet sein.

Warum ist eine Vereinheitlichung der Prüfungen überhaupt angebracht?
Papiere der KMK nennen als Gründe Vergleichbarkeit und Mobilität, relevant etwa bei Umzügen von Familien. Wichtig ist der Beschluss für die Studienzulassung. Zuletzt galt nämlich für die Hälfte aller Bachelor-Studiengänge bundesweit ein Numerus clausus. "Bei der Studienzulassung gibt es nach wie vor eine Fixierung auf das Abitur, wissenschaftlich fundierte Aufnahmetests kommen kaum zur Anwendung. Bei verschiedenen Abituranforderungen entstehen so bedenkliche Ungerechtigkeiten für die Bewerber", sagt der Tübinger Bildungsforscher Ulrich Trautwein. Letztlich soll der KMK-Beschluss auch ein Signal sein, dass Bildungsföderalismus funktionieren kann, ohne eine ordnende Hand des Bundes. Mehr Zentralismus wird in vielen Umfragen von Eltern und Lehrern gewünscht. Den Landesministern ein Graus.

Wird das Abitur in einigen Ländern nun schwieriger, in anderen einfacher?
Diese Frage birgt Zündstoff. Über regionale Leistungsunterschiede jüngerer Schüler gibt es viele Studien, über die Anforderungen beim Abitur nicht. Die Frage, welches Land sich mit seinem Abitur "verstecken müsse", sei überhaupt nicht zu beantworten, betont KMK-Chef Dorgerloh. Wissenschaftlich sei nicht erwiesen, dass das Abitur unterschiedlich anspruchsvoll sei. Es gibt jedoch Indizien dafür, etwa eine bereits ältere Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Sie zeigte auf, dass in Mathe Hamburgs Abiturienten um bis zu zwei Schuljahre hinter denen aus Baden-Württemberg liegen. Der Tübinger Forscher Trautmann, damals an der Studie beteiligt, sagt: "Wirkliche Vergleichbarkeit ist eine Illusion." Hohe Leistungsstandards, gepaart mit gutem Unterricht, führten zwar zu höheren Leistungen; aber die Hoffnung der Minister, dass alle Schüler über Ländergrenzen hinweg gleich bewertet werden, sei nicht realistisch. "So ist auch noch nicht klar, ob man bei den gemeinsamen Aufgaben intern nachjustieren, sich Prüfungsteile gezielt heraussuchen, vielleicht laxer bewerten kann." Eine Angleichung der Erwartungen nach oben hätte vermutlich auch ungewollte Auswirkungen auf die Abiturquoten. Der Chef des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagt, er habe noch keinen Minister erlebt, der zugegeben hätte, dass durch den Pool sein Abitur schwerer werden könnte. "Das wird sich zeigen", meint IQB-Direktorin Petra Stanat dazu. "Mit den Bildungsstandards wird jedenfalls das erwartete Anspruchsniveau festgelegt, damit kann der Prozess einer sukzessiven Angleichung beginnen. Es wird keinen totalen Bruch geben, so etwas wäre eine Katastrophe."



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