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Die neuen Gastarbeiter

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Die Lage in ihrem Land erscheint ihnen aussichtslos. Deshalb zieht es spanische Pflegekräfte nach Deutschland. Die höchste Hürde ist das Erlernen der Sprache, der größte Schmerz: der Abschied von der Familie.

Seit zwei Monaten besucht Consuelo Ruiz das Fortbildungszentrum des spanischen Arbeitsamts im Madrider Vorort Getane und lernt Deutsch. "Ich gehe zur Arbeit - Akkusativ." Geduldig liest die 47-Jährige ihre Hausaufgaben vor. Gemeinsam mit 20 anderen Krankenpflegern lernt sie die fremde Sprache. Niemand von ihnen hat in Spanien Aussichten auf einen Job. Daher hoffen sie wie viele ihrer Landsleute auf Arbeit in Deutschland. 30000 Spanier sind im vergangenen Jahr nach Deutschland ausgewandert - 45 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Die größte Hürde ist für viele die Sprache. "Deutsch ist schwierig", sagt Consuelo Ruiz. "Manche Laute hören sich an, als würde ein Schäferhund bellen." Aber mit etwas Ausdauer und Leidensfähigkeit könne man das sicher lernen, sagt sie. Ähnlich geht es ihren Klassenkameraden. Aus Liebe zur deutschen Kultur zieht es niemanden von ihnen in die Ferne, aber die Not in der Heimat ist groß. Die Arbeitslosenquote liegt in Spanien bei 27 Prozent.



Auch einst krisenfeste Branchen wie der medizinische Bereich sind längst von der tiefen Wirtschaftskrise betroffen.

Auch einst krisenfeste Branchen wie der medizinische Bereich sind längst von der tiefen Wirtschaftskrise betroffen. Das öffentliche Gesundheitssystem spart, wo es nur kann. Auslaufende Arbeitsverträge werden nicht mehr verlängert. So ging es auch Consuelo Ruiz. Dabei gelten spanische Krankenpfleger als hervorragend ausgebildet. Sie haben eine Hochschulausbildung und stehen in der Praxis den Ärzten zur Seite - wenn sie denn einen Job finden.

David Lozano freut sich auf das deutsche Abenteuer. "Für mich ist das der beste Zeitpunkt. Ich habe keine Familie, derzeit nicht mal eine Freundin", sagt der 36-Jährige. Consuelo Ruiz fällt der Abschied schwerer, sie hat einen Sohn, den sei bei ihrer Mutter zurücklässt. Aber auch sie will zuversichtlich in die Zukunft blicken: "Wegen meiner beruflichen Qualifikation mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Da weiß ich, dass ich den Anforderungen gewachsen bin. Eher befürchte ich Sprachprobleme", sagt sie.

Trotz allem wollen sich die beiden nicht mit den spanischen Auswanderern vergleichen, die vor fünfzig Jahren als sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Madrid sei nur drei Flugstunden entfernt, man müsse nicht wie früher den langen Sommerurlaub abwarten und dann eine tagelange Zugfahrt antreten, bis man zu Hause sei, meint Consuelo Ruiz. Außerdem hätten damals kaum ausgebildete Arbeitskräfte das Land verlassen, heute hingegen seien es hochqualifizierte Menschen, ergänzt David Lozano. "Das ist traurig, aber so ist es."

"Deutschland bekommt die hoch qualifizierten Krankenpfleger recht günstig", sagt María José García vom Verband der spanischen Altenpfleger. Denn viele Krankenpfleger würden in der Altenpflege eingesetzt, also unterhalb ihrer eigentlichen Qualifikation, und auch entsprechend schlechter bezahlt. Der Verband der Krankenpfleger in Madrid leitet Jobangebote inzwischen nur noch weiter, wenn die Bezahlung zumindest den spanischen Standards entspricht.

Ein deutscher Klinikkonzern hat Lozano und Ruiz bereits Jobs in Krankenhäusern in mehreren deutschen Großstädten angeboten - für ein Monatsgehalt von 1500 Euro. In Spanien verdienten sie etwa 1800 Euro. "Wenn du nichts zu tun hast und nicht weißt, wovon du leben sollst, beißt du eben in den sauren Apfel", sagt Lozano. "Jetzt lernen wir erst mal Deutsch."

Juan Ignacio Marión kennt das Problem. Er ist beim Arbeitsamt in Madrid für Bildungsmaßnahmen zuständig, auch für die Deutschkurse. Bisher bestand seine Aufgabe darin, die Leute mit Weiterbildungsprogrammen vermittelbar zu machen für den heimischen Arbeitsmarkt. Heute bereitet er sie auf Tätigkeiten im Ausland vor. "Bitter" sei das, sagt er nachdenklich. "Unsere Gesellschaft hat in die Leute ja investiert - und jetzt verlässt dieses Humankapital das Land." Er hofft, dass Spaniens tiefe Krise irgendwann vorüber sein wird und Krankenpfleger wie David Lozano und Consuelo Ruiz dann wieder heimkehren werden. Doch besonders zuversichtlich klingt er dabei nicht.


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