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Falsche Inspiration

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Der Grat zwischen Trend, Inspiration und Kopie ist in der Mode schmal. Und die Verortung ist schwierig. Nicht jedes Plagiat stammt aus China. Jetzt fiel H&M unangenehm auf und nimmt Hosen und Shirts für Kinder aus den Geschäften. Die "Inspiration" für die Kleidungsstücke sei den Entwürfen einer schwedischen Designerin zu ähnlich, gestand ein Unternehmenssprecher am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Kein Einzelfall.



H&M kupfert ab. Und das nicht das erste Mal. Die Beurteilung, was neu und was kopiert ist, fällt aber schwer.

"In der Modeindustrie sind Plagiatsfälle nicht selten", sagt Thomas Lange, Geschäftsführer des Modeverbandes German Fashion. Ein schildert einen klassischen Fall, der über mehrere Instanzen bis zum Bundesgerichtshof geführt wurde. Ein Trachtenhersteller hatte seine Entwürfe einem Modehändler präsentiert, der sie aber ablehnte. Dann entdeckte der Hersteller seine Modelle im Katalog des Händlers, klagte und siegte nach mehreren Jahren. "Es ist oft ein Kampf David gegen Goliath, also auch eine Frage des Durchhaltevermögens", so Lange. Zwar bieten Urheber-, Marken- und Geschmacksmusterrecht der Modeindustrie Schutz. Die Marke Burberry etwa hat sich sowohl die Bezeichnung Burberry als auch das typische Karo-Muster rechtlich schützen lassen und lässt jede Verletzung ahnden. Für Muster oder Prints verzichten viele Hersteller Lange zufolge aber auf die Eintragung ihrer Rechte. Ehe ein Modemacher alle juristischen und bürokratischen Instanzen genommen hat, ist die Saison schon vorbei und die nächste Kollektion in Arbeit. Der Schutz durch das europäische nicht eingetragene Geschmacksmuster, ein weniger formeller Weg, ist in der Branche noch kaum bekannt. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet zwar die "sklavische Nachahmung". Aber der Nachweis, ob ein Produkt eine identische Kopie ist oder der Hersteller bloß im Trend liegt, "ist gar nicht so einfach zu führen", sagt Lange. Dazu gibt es eine Fülle von Urteilen.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich H&M allzu plump von den Einfällen anderer inspirieren lässt. Das Kunstseite Artlyst erzählt die Geschichte der amerikanische Künstlerin Tori LaConsay. In der Nähe ihrer Heimatstadt Atlanta hatte sie auf eine freie Werbetafel am Straßenrand den Gruß "You look nice today" ( "Du siehst heute gut aus") geschrieben: dunkle Schrift auf weißem Grund und ein rotes Herz. Sie wollte Pendlern auf dem Weg zu ihrer Arbeit damit eine kleine Freude machen. Nach dem Hinweis von Freunden entdeckte sie ihr Design dann auf Kopfkissen und Fußabtretern von H&M. Die Künstlerin beschuldigt H&M des Diebstahls geistigen Eigentums. Die Schweden erwiderten Artlyst zufolge, es handle sich nicht um eine direkte Kopie. Man habe sich lediglich von einer Reihe von Slogans inspirieren lassen und diese für die eigene Kollektion modifiziert. Und: "Wir beschäftigen mehr als 100 selbständige Designer. Wir können Ihnen versichern, dass dieses Design nicht von Ihrer Arbeit beeinflusst wurde und das Urheberrecht nicht verletzt wurde". Auf der Facebook-Seite von H&M stand dann irgendwann: "Wir entschuldigen uns, falls irgendjemand denkt, wir hätten kopiert. Das war nicht unsere Absicht, und das ist nicht erlaubt."

Massenschneider wie H&M beschäftigen nicht nur eigene Designer, sie schicken auch ihre Späher auf die großen Schauen. Wie schwierig die Beurteilung ist, zeigen einige auf der Internetseite Thisisjanewayne veröffentlichte Beispiele, die wiederum vom russischen Online-Magazin Büro 24/7 stammen. Die Fotos legen zumindest nahe, dass auf alle Ebenen des Modegeschäfts kräftig abgeguckt wird. Der Mantel aus der diesjährigen Herbst-/Winterkollektion von Céline sieht dem von Geoffrey Beene aus dem Jahr 2004 schon ziemlich ähnlich. Gut, die Taschenklappen sind anders! Parallelen drängten sich auch beim T-Shirt von Givenchy und Gina Tricot mit dem Puma-Print auf der Vorseite auf.

Manche der Fast-Fashion-Produzenten, zu denen neben H&M, auch Firmen wie Zara oder Mango gehören, machen sich nicht einmal mehr die Mühe, zu den Schauen nach Paris, London oder New York zu reisen. Bildmaterial in Hülle und Fülle gibt es im Internet. Den Vorwurf, bloß abzukupfern, weisen die Billigschneider häufig weit von sich. Einige versuchen ihr Geschäftsmodell "als eine Demokratisierung der Mode" zu verkaufen, also quasi als Wohltat für Kunden, die sich Designerstücke nicht leisten können. Im Magazin Stern formulierte das eine Designkoordinatorin von Mango einmal so: "Wir kopieren nicht, wir kommerzialisieren die wichtigsten Laufstegtrends".

Auch die Luxusmarken sehen sich gerne um. Im vergangenen Jahr wurde Chanel zu einer Geldstrafe von 200000 Euro verdonnert. Ein Gericht in Paris erkannte in einer Damenweste des Couturehauses die "exakte Kopie" eines gehäkelten Blumenmusters des ehemaligen Chanel-Zulieferers World Tricot.

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