Top gestylt sitzt die Wiener Journalistin Nunu Kaller vor einer großen Schüssel Salat: Freitag-Tasche, schwarze Riemen-Boots, schwarz-glänzende Leggings, ein schwarzes Kleid und darüber ein großer, schwarzer Wollpullover. Dass all diese Sachen öko sind, der Pulli sogar selbstgestrickt, sieht man ihnen nicht an. Noch vor einem Jahr hätte Nunu über Ökomode nicht einmal ernsthaft nachgedacht. Wöchentlich zog sie los und kaufte Klamotten, je günstiger desto besser, denn die Einkäufe waren längst zur Gewohntheit und Troststrategie geworden. Nunu setzte deshalb ein Blog auf und startete ein Experiment: Ein Jahr lang keine einzige Klamotte kaufen. Aus dem Blog ist nun ein Buch geworden. Im Interview erzählt die Autorin, wie sie vom Shopaholic zur kritischen Konsumentin wurde.
Du hast ein Jahr ohne Shopping hinter dir. Wieso entscheidet man sich als Modeliebhaberin freiwillig für den Fashionentzug?
Ich habe immer wieder Kleidung aus meinen riesigen Wäschebergen gezogen, die ich völlig vergessen und nach dem Kauf vielleicht ein oder zwei Mal angezogen hatte. Ich habe auch deswegen immer öfter mit meinem Freund diskutiert, der mir fehlende Disziplin vorwarf. Als ich dann anfing, die neuen Stücke nach dem Kauf vor ihm zu verstecken, merkte ich, dass es so nicht weiter gehen kann. Projekte wie „Das Kleine Blaue" oder das „Uniform Project", wo Frauen ein Jahr lang darüber bloggen, wie sie jeden Tag dasselbe Kleid tragen und es immer neu kombinieren, haben mich auf die Idee gebracht, etwas Ähnliches auszuprobieren.
Für viele junge Menschen ist es ganz normal, wöchentlich Klamotten zu kaufen. Ab wann handelt es sich um Sucht?
Allgemein lässt sich das natürlich nicht sagen. Im Gegensatz zu richtig schlimm Kaufsüchtigen ging es bei mir zum Beispiel nie so weit, dass ich Schulden gemacht habe. Trotzdem war mein Verhalten nicht gesund. 2011 habe ich einige familiäre Schicksalsschläge erlebt und war auch in meinem Job überfordert. Ich habe plötzlich nicht mehr nur eingekauft, weil ich irgendetwas gebraucht habe, sondern weil es mich getröstet und abgelenkt hat.
Wie hast du dich einige Stunden nach dem Kauf gefühlt?
Anfangs habe ich die neuen Teile noch mit Freude nach Hause gebracht. Doch irgendwann war selbst dieses Gefühl nicht mehr da oder nur noch ganz kurz. Konsum gibt einfach einen Kick, auch körperlich, es werden Glückshormone ausgeschüttet. Doch wie bei jeder Sucht: Je häufiger der Kick, desto schwächer wird er und umso höher muss die Dosis sein.
Du hast dann beschlossen, ein Jahr lang nichts mehr zu kaufen. Wie hast du durchgehalten?
Ich habe mich intensiv damit beschäftigt, woher die Kleidung, die ich trage, kommt. Da vergeht dir die Lust am Kauf eigentlich schon von ganz allein. Und das Bloggen darüber hat geholfen. Ich hatte von Anfang an viele Leser und hätte mir vor ihnen nicht die Blöße geben wollen, schwach zu werden und doch wieder etwas zu kaufen.
Bist du oft in Versuchung gekommen?
Die neue Freiheit, nicht ständig was kaufen zu müssen, hat sich sehr schnell bemerkbar gemacht. Aber manchmal hatte ich natürlich Anfälle. Am häufigsten wollte ich braune Stiefel kaufen (lacht). Einmal, als meine Katze gestorben ist und ich traurig mit dem Laptop am Sofa saß, fand ich mich plötzlich auf einem Shoppingportal mit zwei Teilen im Warenkorb wieder. Ein typischer Ablenkungsversuch. Am Anfang habe ich auch statt Kleidung Bücher und Stoffe gekauft. Mich hat auch - so doof das jetzt klingt - das Stricken sehr motiviert. Selbst Dinge zu produzieren, mit denen man sich auch auf die Straße traut, das ist ein ganz eigener Stolz. Und ein Kick, der viel größer ist als jeder Shoppingkick.
Was genau meinst du, wenn du sagst, du fühltest dich plötzlich so "frei"? Und wie hast du deinen Kleiderschrank wahrgenommen? Hast du gedacht: Wow, ich hab ja eigentlich echt viel Zeug?
Ich hatte innerhalb des Jahres überraschenderweise nie den Gedanken, dass ich zu wenig anzuziehen habe. Ich war hochzufrieden mit dem, was ich hatte, und genoß es, meinen Kleiderschrank neu zu entdecken, neu zu kombinieren. Es fühlte sich befreiend an, nicht jedem Trend nachlaufen zu müssen.
Nach dem shoppinglosen Jahr kaufst du jetzt wieder ein. Was hast du dir als Erstes gekauft? Braune Stiefel, das muss ja wohl ein tief sitzender Wunsch in mir gewesen sein. Und ich musste nach einer Weile, also etwa zwei, drei Monate später, ein paar Basics nachkaufen, die nach dem Jahr schon ganz zerrissen waren. Aber mein Konsumverhalten hat sich völlig verändert.
Und zwar wie genau?
Ich überlege fünf Mal, ob ich etwas brauche oder nicht. So gut wie alles, was ich jetzt kaufe, ist fair und ökologisch produziert. Dadurch kaufe ich weniger und teurer, aber die Sachen halten länger. Außerdem stricke ich sehr viel und manchmal nähe ich mir auch etwas. Ich gehe neuerdings gerne auf Tauschpartys und besuche Messen für nachhaltige Mode, wie etwa dem Heldenmarkt in Deutschland oder die WearFair in Österreich. Ab und zu belohne ich mich trotzdem noch. Aber ich gehe nicht mehr los und schaue, was es denn so gibt in den Läden, sondern ich definiere klar ein Ziel. Zum Beispiel: "Ich hätte gerne eine schwarze Hose, weil ich meine vor Jahren bereits zu eng gekauft habe".
Trotz des Wissens über die miesen Produktionsverhältnisse von Kleidung und Auswirkungen auf die Umwelt, kaufen die meisten weiterhin bei den großen Textilketten ein. Warum sind nur wenige bereit, das eigene Kaufverhalten zu ändern?
Man ist schnell überfordert und sieht keine Chance, etwas gegen die globalen Probleme zu unternehmen. Du stößt immer wieder an die Grenzen deiner Handlungsoptionen. Ich kann nicht von jetzt auf gleich in den Flieger nach Bangladesch steigen und den Näherinnen in den Fabriken helfen. Ich möchte dort anfangen, wo ich gerade bin. Man muss irgendwo zwischen den Extremen aus Ohnmacht und Ignoranz seinen Weg finden.
Viele denken noch immer, dass ökologische und faire Mode langweilig und weniger hip sei, als die großer Textilketten wie H&M oder Forever21.
Bei der Mode gibt es inzwischen eine große Auswahl angefangen bei eher alternativer Optik bis hin zur Avantgarde und High Fashion à la Stella McCartney. Schwer wird es nur manchmal bei den Schuhen: Man erkennt das oft blind im Nebel, wenn jemand Ökoschuhe trägt. Ich habe mich mal auf meinem Blog darüber ausgelassen, dass diese Schuhe nie einen normalen, schlichten Schnitt haben. Der Betreiber von ökoschuhe.de hat mich dann darauf hin gewiesen, dass sich da irrsinnig viel getan hat. Ich glaube lange Zeit war die Ökokultur eine Subkultur. Man wollte sich vielleicht auch optisch abgrenzen. Das ist definitiv nicht mehr so.
Du hast ein Jahr ohne Shopping hinter dir. Wieso entscheidet man sich als Modeliebhaberin freiwillig für den Fashionentzug?
Ich habe immer wieder Kleidung aus meinen riesigen Wäschebergen gezogen, die ich völlig vergessen und nach dem Kauf vielleicht ein oder zwei Mal angezogen hatte. Ich habe auch deswegen immer öfter mit meinem Freund diskutiert, der mir fehlende Disziplin vorwarf. Als ich dann anfing, die neuen Stücke nach dem Kauf vor ihm zu verstecken, merkte ich, dass es so nicht weiter gehen kann. Projekte wie „Das Kleine Blaue" oder das „Uniform Project", wo Frauen ein Jahr lang darüber bloggen, wie sie jeden Tag dasselbe Kleid tragen und es immer neu kombinieren, haben mich auf die Idee gebracht, etwas Ähnliches auszuprobieren.
Für viele junge Menschen ist es ganz normal, wöchentlich Klamotten zu kaufen. Ab wann handelt es sich um Sucht?
Allgemein lässt sich das natürlich nicht sagen. Im Gegensatz zu richtig schlimm Kaufsüchtigen ging es bei mir zum Beispiel nie so weit, dass ich Schulden gemacht habe. Trotzdem war mein Verhalten nicht gesund. 2011 habe ich einige familiäre Schicksalsschläge erlebt und war auch in meinem Job überfordert. Ich habe plötzlich nicht mehr nur eingekauft, weil ich irgendetwas gebraucht habe, sondern weil es mich getröstet und abgelenkt hat.
Wie hast du dich einige Stunden nach dem Kauf gefühlt?
Anfangs habe ich die neuen Teile noch mit Freude nach Hause gebracht. Doch irgendwann war selbst dieses Gefühl nicht mehr da oder nur noch ganz kurz. Konsum gibt einfach einen Kick, auch körperlich, es werden Glückshormone ausgeschüttet. Doch wie bei jeder Sucht: Je häufiger der Kick, desto schwächer wird er und umso höher muss die Dosis sein.
Du hast dann beschlossen, ein Jahr lang nichts mehr zu kaufen. Wie hast du durchgehalten?
Ich habe mich intensiv damit beschäftigt, woher die Kleidung, die ich trage, kommt. Da vergeht dir die Lust am Kauf eigentlich schon von ganz allein. Und das Bloggen darüber hat geholfen. Ich hatte von Anfang an viele Leser und hätte mir vor ihnen nicht die Blöße geben wollen, schwach zu werden und doch wieder etwas zu kaufen.
Bist du oft in Versuchung gekommen?
Die neue Freiheit, nicht ständig was kaufen zu müssen, hat sich sehr schnell bemerkbar gemacht. Aber manchmal hatte ich natürlich Anfälle. Am häufigsten wollte ich braune Stiefel kaufen (lacht). Einmal, als meine Katze gestorben ist und ich traurig mit dem Laptop am Sofa saß, fand ich mich plötzlich auf einem Shoppingportal mit zwei Teilen im Warenkorb wieder. Ein typischer Ablenkungsversuch. Am Anfang habe ich auch statt Kleidung Bücher und Stoffe gekauft. Mich hat auch - so doof das jetzt klingt - das Stricken sehr motiviert. Selbst Dinge zu produzieren, mit denen man sich auch auf die Straße traut, das ist ein ganz eigener Stolz. Und ein Kick, der viel größer ist als jeder Shoppingkick.
Was genau meinst du, wenn du sagst, du fühltest dich plötzlich so "frei"? Und wie hast du deinen Kleiderschrank wahrgenommen? Hast du gedacht: Wow, ich hab ja eigentlich echt viel Zeug?
Ich hatte innerhalb des Jahres überraschenderweise nie den Gedanken, dass ich zu wenig anzuziehen habe. Ich war hochzufrieden mit dem, was ich hatte, und genoß es, meinen Kleiderschrank neu zu entdecken, neu zu kombinieren. Es fühlte sich befreiend an, nicht jedem Trend nachlaufen zu müssen.
Nach dem shoppinglosen Jahr kaufst du jetzt wieder ein. Was hast du dir als Erstes gekauft? Braune Stiefel, das muss ja wohl ein tief sitzender Wunsch in mir gewesen sein. Und ich musste nach einer Weile, also etwa zwei, drei Monate später, ein paar Basics nachkaufen, die nach dem Jahr schon ganz zerrissen waren. Aber mein Konsumverhalten hat sich völlig verändert.
Und zwar wie genau?
Ich überlege fünf Mal, ob ich etwas brauche oder nicht. So gut wie alles, was ich jetzt kaufe, ist fair und ökologisch produziert. Dadurch kaufe ich weniger und teurer, aber die Sachen halten länger. Außerdem stricke ich sehr viel und manchmal nähe ich mir auch etwas. Ich gehe neuerdings gerne auf Tauschpartys und besuche Messen für nachhaltige Mode, wie etwa dem Heldenmarkt in Deutschland oder die WearFair in Österreich. Ab und zu belohne ich mich trotzdem noch. Aber ich gehe nicht mehr los und schaue, was es denn so gibt in den Läden, sondern ich definiere klar ein Ziel. Zum Beispiel: "Ich hätte gerne eine schwarze Hose, weil ich meine vor Jahren bereits zu eng gekauft habe".
Trotz des Wissens über die miesen Produktionsverhältnisse von Kleidung und Auswirkungen auf die Umwelt, kaufen die meisten weiterhin bei den großen Textilketten ein. Warum sind nur wenige bereit, das eigene Kaufverhalten zu ändern?
Man ist schnell überfordert und sieht keine Chance, etwas gegen die globalen Probleme zu unternehmen. Du stößt immer wieder an die Grenzen deiner Handlungsoptionen. Ich kann nicht von jetzt auf gleich in den Flieger nach Bangladesch steigen und den Näherinnen in den Fabriken helfen. Ich möchte dort anfangen, wo ich gerade bin. Man muss irgendwo zwischen den Extremen aus Ohnmacht und Ignoranz seinen Weg finden.
Viele denken noch immer, dass ökologische und faire Mode langweilig und weniger hip sei, als die großer Textilketten wie H&M oder Forever21.
Bei der Mode gibt es inzwischen eine große Auswahl angefangen bei eher alternativer Optik bis hin zur Avantgarde und High Fashion à la Stella McCartney. Schwer wird es nur manchmal bei den Schuhen: Man erkennt das oft blind im Nebel, wenn jemand Ökoschuhe trägt. Ich habe mich mal auf meinem Blog darüber ausgelassen, dass diese Schuhe nie einen normalen, schlichten Schnitt haben. Der Betreiber von ökoschuhe.de hat mich dann darauf hin gewiesen, dass sich da irrsinnig viel getan hat. Ich glaube lange Zeit war die Ökokultur eine Subkultur. Man wollte sich vielleicht auch optisch abgrenzen. Das ist definitiv nicht mehr so.