Amazon-Gründer Jeff Bezos liebt das Lesen, ebenso das Schreiben. In einer seiner Mitteilungen an seine Führungskräfte mit dem Titel 'amazon.love' erläutert der Milliardär, warum Menschen Firmen lieben: Sie fühlten, dass von dort immer eine neue Erfindung komme. Eine neue Erfindung bei Amazon ist seit Freitag die erste eigene Fernsehserie: die Polit-Comedy Alpha House mit John Goodman als einem von vier US-Senatoren, die in einer Wohngemeinschaft in Washington, D.C. leben. Amazon.com-Kunden mit einer 'Premium'-Mitgliedschaft, die eine entsprechende Gebühr zahlen, haben Zugriff auf die Serie. Auch von Deutschland aus kann man diese Mitgliedschaft erwerben.
Jeff Bezos's neuste Idee: eigene Amazon-Serien
In den Augen von Buchverleger Dennis Johnson treibt Bezos, der unlängst die amerikanische Tageszeitung Washington Post gekauft hat, allerdings etwas anderes an als der Hang, sich ständig neu zu erfinden: 'Amazon ist wie ein Hai, der immer weiter fressen muss', sagte Johnson vergangene Woche in einem Interview auf der Website buchreport.de. Johnson gilt als Wortführer der amerikanischen Buchhändler, er sieht Bezos in einem Dilemma: 'Sobald Amazons Umsatzwachstum gestoppt wird, werden die Aktionäre aufbegehren.' Der Konzern macht keine Gewinne, zum Ausgleich generiert auf immer weiteren Feldern Umsatz. Schon lange ist er nicht bloß Buchhändler, sondern bietet als Web-Warenhaus so ziemlich jedes Produkt an, auch Lebensmittel. Jetzt also auch Filme, das heißt: nicht nur eine Ware, sondern eigene Inhalte. Bezos würde das 'neu erfinden' nennen, Johnson 'weiter fressen'.
Amazon kopiert damit Netflix. Der Video-Streaming-Dienst im Internet bietet Filme und Fernsehserien zuerst und auf Abruf, man kann sie sehen, wann man will. Etwa House of Cards, das für geschätzt 100 Millionen Dollar produziert wurde und 14 Emmy-Nominierungen erhielt. Bereits 40 Millionen Abonnenten schauen Netflix, was die Fernsehbranche mit ihren festen Programmschemata nicht erfreut und die klassischen Pay-TV-Sender HBO und AMC unter Druck setzt.
Gleichzeitig verfilmt Amazon seine eigenen Bestseller aus der Buchabteilung. 'Sie müssen sich genau überlegen, mit was sie am Anfang rausgehen. Damit wird die Messlatte gelegt', sagt Jens Richter von der Red Arrow Entertainment Group, der internationalen Holding und Produktionsgesellschaft von Pro Sieben Sat 1. Seit Anfang November dreht Red Arrow in Los Angeles die einstündige Pilotfolge zu Harry Bosch - nicht für den deutschen Privatsender, sondern, zunächst exklusiv, für Amazon. Autor Michael Connelly, der Buchautor von Harry Bosch, verkaufte 55 Millionen Bücher über den LA-Cop mit Hierarchieproblem. Von den letzten zehn Millionen Exemplaren gingen 80 Prozent als E-Book über die virtuelle Ladentheke - davon drei Viertel bei Amazon. Richter spricht von einer 'extrem interessanten Marke für Amazon' mit 'Synergieeffekt'. Wer die Serie auf Amazon sieht, wird an gleicher Stelle verlockt, Bosch-Bücher kaufen, falls er wissen will, wie es weitergeht. Davon schrieb Connelly bereits 18 Stück, und jedes Jahr kommt ein neues hinzu. Und wenn der Zuschauer eh schon auf Amazon nach Büchern stöbert, findet er vielleicht noch andere Produkte, die ihn zum Kauf reizen - so die Strategie.
Grundsätzlich denkt Amazon dabei wie Netflix, sagt Richter: 'Mit welcher Serie erreiche ich welche Zielgruppe, die ich bisher noch nicht auf die Seite locken konnte?' Dafür investiert es bei Harry Bosch in bekannte Namen wie Eric Overmyer (The Wire, Law & Order) als ausführenden Produzenten und Titus Welliver (Argo, Lost), der den Harry Bosch spielt. Das Budget liegt auf dem hohem Niveau der US-Kabelsender, also bei bis zu vier Millionen Dollar für eine einstündige Episode. Amazon starte mit einem geringen Risiko, sagt Richter, die Serie habe durch die Buchfans bereits eine feste Zielgruppe, die ohnehin regelmäßig auf Amazon sei.
Die Zusammenarbeit mit Amazon ist laut Richter anders als mit der Fernsehbranche: 'Sie lassen uns beim Dreh große Freiheiten, fokussieren sich vorher aber sehr stark auf die Vermarktung und die Technologie.' Technologie steht bei Amazon für Algorithmen und sehr nützliche Daten, die es durch und über seine Kunden sammelt, das ist Teil der Firmenstrategie. 'Wir haben uns immer von den Daten leiten lassen, was wir unseren Kunden anbieten', sagt Bill Carr, Amazons Vizepräsident für Digital-Video und Musik, im Wall Street Journal. Fernsehsender messen in der Regel nur die Quote, also das, was die Zuschauer an Angebotenem gesehen haben. Carr nennt das 'Tastemaking', also vorgeben, was der Zuschauer sehen soll. Amazon geht den umgekehrten Weg und analysiert vorab, was die Käufer wollen, und will so auch diejenigen erreichen, die sich längst vom Fernsehprogramm verabschiedet haben. Es will erfolgreiche Serien schneller finden als die Fernsehstudios.
Vergangenen Mai entschied Jeff Bezos mit seinem Vorstand, welche exklusiven Serien Amazon zuerst produziert. Ein Berg gesammelter Daten war ausschlaggebend. Mehr als eine Million Testzuschauer sahen auf der Website 14 Pilotfolgen möglicher Serien, die sie bewerteten, kommentierten und eventuell mit ihren Freunden teilten. Das Urteil dieser riesigen Masse überstanden nur zwei Serien: Alpha House und eine namens Betas. Harry Bosch wird den Massentest noch durchlaufen müssen.
Aber Amazon verändert nicht nur die Auswahl potenziell erfolgreicher Fernsehserien. Zusammen mit Netflix modifiziert das Unternehmen auch, wie sie gesehen und erzählt werden. 'Ich will den Zuschauer direkt von einer Episode in die nächste ziehen', sagt Jens Richter von Red Arrow, er nennt das 'hochserialisiert'. Eine Geschichte wird in einer Staffel von 13 Episoden erzählt. Diese verführen zum 'Binge Watching', zum Komaglotzen der ganzen Staffel, mit Gleichgesinnten an einem Wochenende. Cliffhanger, die in konventionell strukturierten Serien eingebaut sind, damit die Zuschauer in den Werbepausen nicht wegschalten, sind im Grunde nicht mehr notwendig. Allerdings: Wer alles sofort und auf einmal schaut, vergisst die Serie wieder, bevor eine neue Staffel startet. Offenbar gefällt auch Amazon dieser Gedanke nicht, daher setzt Jeff Bezos auf diese Lösung: Die ersten drei Folgen von Alpha House sollen am Stück verfügbar sein, dann folgt jede Woche eine neue Episode.
Jeff Bezos's neuste Idee: eigene Amazon-Serien
In den Augen von Buchverleger Dennis Johnson treibt Bezos, der unlängst die amerikanische Tageszeitung Washington Post gekauft hat, allerdings etwas anderes an als der Hang, sich ständig neu zu erfinden: 'Amazon ist wie ein Hai, der immer weiter fressen muss', sagte Johnson vergangene Woche in einem Interview auf der Website buchreport.de. Johnson gilt als Wortführer der amerikanischen Buchhändler, er sieht Bezos in einem Dilemma: 'Sobald Amazons Umsatzwachstum gestoppt wird, werden die Aktionäre aufbegehren.' Der Konzern macht keine Gewinne, zum Ausgleich generiert auf immer weiteren Feldern Umsatz. Schon lange ist er nicht bloß Buchhändler, sondern bietet als Web-Warenhaus so ziemlich jedes Produkt an, auch Lebensmittel. Jetzt also auch Filme, das heißt: nicht nur eine Ware, sondern eigene Inhalte. Bezos würde das 'neu erfinden' nennen, Johnson 'weiter fressen'.
Amazon kopiert damit Netflix. Der Video-Streaming-Dienst im Internet bietet Filme und Fernsehserien zuerst und auf Abruf, man kann sie sehen, wann man will. Etwa House of Cards, das für geschätzt 100 Millionen Dollar produziert wurde und 14 Emmy-Nominierungen erhielt. Bereits 40 Millionen Abonnenten schauen Netflix, was die Fernsehbranche mit ihren festen Programmschemata nicht erfreut und die klassischen Pay-TV-Sender HBO und AMC unter Druck setzt.
Gleichzeitig verfilmt Amazon seine eigenen Bestseller aus der Buchabteilung. 'Sie müssen sich genau überlegen, mit was sie am Anfang rausgehen. Damit wird die Messlatte gelegt', sagt Jens Richter von der Red Arrow Entertainment Group, der internationalen Holding und Produktionsgesellschaft von Pro Sieben Sat 1. Seit Anfang November dreht Red Arrow in Los Angeles die einstündige Pilotfolge zu Harry Bosch - nicht für den deutschen Privatsender, sondern, zunächst exklusiv, für Amazon. Autor Michael Connelly, der Buchautor von Harry Bosch, verkaufte 55 Millionen Bücher über den LA-Cop mit Hierarchieproblem. Von den letzten zehn Millionen Exemplaren gingen 80 Prozent als E-Book über die virtuelle Ladentheke - davon drei Viertel bei Amazon. Richter spricht von einer 'extrem interessanten Marke für Amazon' mit 'Synergieeffekt'. Wer die Serie auf Amazon sieht, wird an gleicher Stelle verlockt, Bosch-Bücher kaufen, falls er wissen will, wie es weitergeht. Davon schrieb Connelly bereits 18 Stück, und jedes Jahr kommt ein neues hinzu. Und wenn der Zuschauer eh schon auf Amazon nach Büchern stöbert, findet er vielleicht noch andere Produkte, die ihn zum Kauf reizen - so die Strategie.
Grundsätzlich denkt Amazon dabei wie Netflix, sagt Richter: 'Mit welcher Serie erreiche ich welche Zielgruppe, die ich bisher noch nicht auf die Seite locken konnte?' Dafür investiert es bei Harry Bosch in bekannte Namen wie Eric Overmyer (The Wire, Law & Order) als ausführenden Produzenten und Titus Welliver (Argo, Lost), der den Harry Bosch spielt. Das Budget liegt auf dem hohem Niveau der US-Kabelsender, also bei bis zu vier Millionen Dollar für eine einstündige Episode. Amazon starte mit einem geringen Risiko, sagt Richter, die Serie habe durch die Buchfans bereits eine feste Zielgruppe, die ohnehin regelmäßig auf Amazon sei.
Die Zusammenarbeit mit Amazon ist laut Richter anders als mit der Fernsehbranche: 'Sie lassen uns beim Dreh große Freiheiten, fokussieren sich vorher aber sehr stark auf die Vermarktung und die Technologie.' Technologie steht bei Amazon für Algorithmen und sehr nützliche Daten, die es durch und über seine Kunden sammelt, das ist Teil der Firmenstrategie. 'Wir haben uns immer von den Daten leiten lassen, was wir unseren Kunden anbieten', sagt Bill Carr, Amazons Vizepräsident für Digital-Video und Musik, im Wall Street Journal. Fernsehsender messen in der Regel nur die Quote, also das, was die Zuschauer an Angebotenem gesehen haben. Carr nennt das 'Tastemaking', also vorgeben, was der Zuschauer sehen soll. Amazon geht den umgekehrten Weg und analysiert vorab, was die Käufer wollen, und will so auch diejenigen erreichen, die sich längst vom Fernsehprogramm verabschiedet haben. Es will erfolgreiche Serien schneller finden als die Fernsehstudios.
Vergangenen Mai entschied Jeff Bezos mit seinem Vorstand, welche exklusiven Serien Amazon zuerst produziert. Ein Berg gesammelter Daten war ausschlaggebend. Mehr als eine Million Testzuschauer sahen auf der Website 14 Pilotfolgen möglicher Serien, die sie bewerteten, kommentierten und eventuell mit ihren Freunden teilten. Das Urteil dieser riesigen Masse überstanden nur zwei Serien: Alpha House und eine namens Betas. Harry Bosch wird den Massentest noch durchlaufen müssen.
Aber Amazon verändert nicht nur die Auswahl potenziell erfolgreicher Fernsehserien. Zusammen mit Netflix modifiziert das Unternehmen auch, wie sie gesehen und erzählt werden. 'Ich will den Zuschauer direkt von einer Episode in die nächste ziehen', sagt Jens Richter von Red Arrow, er nennt das 'hochserialisiert'. Eine Geschichte wird in einer Staffel von 13 Episoden erzählt. Diese verführen zum 'Binge Watching', zum Komaglotzen der ganzen Staffel, mit Gleichgesinnten an einem Wochenende. Cliffhanger, die in konventionell strukturierten Serien eingebaut sind, damit die Zuschauer in den Werbepausen nicht wegschalten, sind im Grunde nicht mehr notwendig. Allerdings: Wer alles sofort und auf einmal schaut, vergisst die Serie wieder, bevor eine neue Staffel startet. Offenbar gefällt auch Amazon dieser Gedanke nicht, daher setzt Jeff Bezos auf diese Lösung: Die ersten drei Folgen von Alpha House sollen am Stück verfügbar sein, dann folgt jede Woche eine neue Episode.