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Sprung in der Schüssel

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Warum sich zwei fotografierende Russen - unterstützt von einer Schuhfirma - in schwindelerregende Höhen begeben. Und warum davon nicht nur der Kölner Dompropst alles andere als begeistert ist

Es ist schwer geworden, einen echten Kick zu landen. Hunderte spazieren jährlich auf den Mount Everest - und damit ist das nichts Besonderes mehr. Als Jugendlicher allein im Segelboot um die Welt, als Erwachsener hoch hinaus in die Stratosphäre - alles ist schon da gewesen. Welches Abenteuer bleibt da noch? Gut, man könnte sich am Bahnhof eine Zigarette anzünden, im teuren Restaurant ein Brathühnchen aus Käfighaltung bestellen oder für die bayerische SPD kandidieren. Vielleicht hilft einem auch dieser Satz weiter, den der junge Russe Vitaliy Raskalov erst vor zwei Tagen in seinen Blog diktierte: "Schmeiß Deine Karriere über den Haufen - und beginn" zu leben."



Vadim Makhorov und Vitaliy Raskalov stiegen nachts aufs Dach des Kölner Doms

Doch Vorsicht: Vitaliy ist einer dieser Typen, die noch nicht mitbekommen haben, dass sie gerade womöglich dabei sind, vor lauter Kick-Lust nicht nur ihre Karriere, sondern gleich ihre gesamte Existenz über den Haufen zu schmeißen. Die in einem Anfall ikarischer Selbstüberschätzung immer höher hinaus wollen - und dabei ständig vom Absturz bedroht sind.

Gemeinsam mit seinem Freund Vadim Makhorov ist Vitaliy Raskalov gerne ungesichert auf sehr, sehr hohen Dächern unterwegs. Weil die beiden Fotografen Gefallen an der Idee fanden, der Welt selbst noch im Google-Street-View-Zeitalter ein paar neue, spektakuläre Motive abzutrotzen, erkletterten sie zuletzt zum Beispiel das Stalin-Hochhaus der staatlichen Moskauer Universität, die Schrägseilbrücke in Kiew oder die Spitze der Cheops-Pyramide in Ägypten.

Sogar kleine Bußgelder, die sie da und dort berappen mussten, konnten die kaum mehr als 20 Jahre zählenden Russen nicht davon abbringen, auch in diesem Sommer wieder ungesichert auf "Rooftopper"-Tour zu gehen, übrigens sehr zum Missfallen des Kölner Dompropstes Norbert Feldhoff. Seit Jahren achtet Feldhoff sehr verdienstvoll darauf, dass kein U-Bahn- und kein Karnevals-Zug des von ihm verwalteten, sogar der Asche des Zweiten Weltkriegs entstiegenen Gotteshauses zu nahe kommt. Wie sehr erschrak der Dompropst jetzt, als man ihm die Internet-Fotos vom "Europa-Trip" der beiden Russen zeigte: Da steigen Makhorov und Raskalov seinem Dom seelenruhig mitten in der Nacht aufs Dach und erklimmen sogar einen der beiden Doppeltürme. Feldhoff kündigt nun rechtliche Schritte an und will prüfen lassen, ob Schäden an der Fassade entstanden sind.

Da mag es kaum beruhigen, dass die Russen auf weiteren Fotos im Netz auch von Sacré Coeur in Paris grüßen, oder der Sagrada-Familia in Barcelona. Den Prager Veitsdom, erzählen Makhorov und Raskalov stolz in ihrem Blog, hätten sie sich sogar am Tag vorgenommen, worauf sie allerdings von Polizisten als mutmaßliche Terroristen abgeführt und mithilfe eines Spezialkoffers auf TNT-Reste hin untersucht worden seien. Aber damit müsse man eben leben, als Rooftopper. "Vor vier Jahren habe ich meinen ersten Kran in Nowosibirsk bestiegen", so Makhorov in einem Video. "Als ich dort runterschaute, da wusste ich: Das ist das, was ich in Zukunft machen möchte."

Da Energy-Drinks, Klamottenhersteller und Werbefilmer immer auf der Suche nach jungen Lebensmüden sind, mit deren Hilfe sie Produkten ein cooles Abenteuer-Image verleihen können, müssen sich auch Makhorov und Raskalov keine Sorgen um Sponsoren machen. Gerade erst hat sie ein Schuhproduzent für einen schwindelerregenden Sohlen-Spot in Berlin aufs verschneite Dach geschickt, freilich nicht ohne im Abspann darauf hinzuweisen, dass "die Aktionen und Situationen, die in diesem Video gezeigt wurden, unter strikter professioneller Beobachtung aufgenommen" worden seien und man darauf "besteht", dass dies "von niemandem nachgemacht" werden dürfe.

Zugleich fällt auf, dass es Makhorov und Raskalov offenbar nicht reicht, mit teurer Fotoausrüstung auf rutschigen Sohlen über Absperrgitter zu steigen. Nein, sie lieben es auch, in luftigen Höhen - zum Beispiel auf einem Wolkenkratzer in Benidorm - ihr Smartphone zu zücken, um quasi von der Dachrinne aus (mit ihren Müttern?) zu telefonieren. Das wiederum legt die Vermutung nahe, dass nicht nur ein Schuhhändler, sondern auch eine international agierende Telekommunikationsfirma zu ihren Förderern gehören könnte.

Man sollte allen Beteiligten wünschen, dass sie noch möglichst lange vom Absturz verschont bleiben. Dies dürfte auch ganz im Sinne des Kölner Dompropsts sein.

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