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Denn was ihn nicht tötet

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Superman fliegt wieder, in "Man of Steel" - aber findet er einen Platz in der Gegenwart?


Ganz offensichtlich ist der Name ein Problem. Also nicht die Tatsache, dass es hier einen Mann gibt, der super ist. Das wäre auch für heutige Zeiten in Ordnung. Nur glauben die Macher von "Man of Steel" anscheinend, dass die Kinogänger der Gegenwart gerne selbst darüber entscheiden, was sie super finden und was nicht.

So huscht nun der verliebten Reporterin Lois Lane alias Amy Adams, als sie Superman gegenübersitzt, einmal ein Lächeln der Erkenntnis übers Gesicht. Sie denkt: Super, der Mann. Wäre auch ein cooler Name für ihn. Das sagt sie dann auch, nur versteht man es nicht, weil in diesem Moment heftige Störgeräusche losdröhnen. Später spricht ein aufgeregter Soldat das Wort "Superman" tatsächlich aus, erntet aber nur peinlich berührte Blicke.

"Mann aus Stahl" also. Identifikationstechnisch einfacher, einerseits. Andererseits: Stahl? Das ist ja im popkulturellen Bewusstsein doch eher ein Material unserer Großväter - als Kruppstahl vor allem -, das dann in Vergessenheit geriet. Bis die Chinesen wieder größere Mengen davon brauchten. Kann es sein, dass die Chinesen auch hinter diesem Superman-Neustart stecken, nachdem der letzte Versuch 2006 noch schiefging? Der chinesische Markt bestimmt ja inzwischen alles.



Henry Cavill als Superman Clark Kent in einer Szene des Kinofilms "Man of Steel".

Definitiv nicht mehr gebraucht wird heute die rote Unterhose, die Superman fünfundsiebzig Jahre lang trug. Nicht unter seinem hautengen Anzug wohlgemerkt, sondern darüber - eine Art leuchtender Keuschheitsgürtel. Die Herausforderung für alle Superman-Darsteller war, trotzdem nicht lächerlich auszusehen. Das ist nun einfacher geworden. Sexuell befreit wirkt Superman dennoch nicht - zu schwer lasten Verantwortungsgefühl und Vorbildfunktion weiterhin auf ihm.

Eine Zeitlang, in seiner Selbstfindungsphase als junger Mann, trägt Superman jetzt sogar Vollbart und Holzfällerhemden. Er arbeitet als Aushilfskellner in Truckerkneipen oder als Seemann auf Fischkuttern, und wenn die Menschen gemein zu ihm sind und es Probleme mit seinen Superkräften gibt, packt er seinen Rucksack und zieht weiter. Einmal läuft sogar ein klagender Gitarrensong dazu, frühe Neunziger, Seattle: "Seasons" von Chris Cornell. "I"m left behind as seasons roll on by..." Grunge Superman? Oh yeah.

Überhaupt die Gemeinheit der Menschen. Superman kommt ja, hier wird es ausführlich noch einmal gezeigt, vom Planeten Krypton. Als Waisenkind landet er auf der Erde und wird von Kevin Costner und Diane Lane aufgezogen. Ein Alien, ein Immigrant im großen Schmelztiegel Amerika. Als Repräsentanten des Homo sapiens tun die Eltern erziehungstechnisch ihr Bestes - der Rest der Menschheit aber zeigt sich von der fiesesten Seite: Bullys, Schulschläger, Mobbingmonster, immer feste auf den, der sich nicht wehrt.

Oder eben nicht wehren darf - wie der junge Superman. Weil es dann ja herauskommen könnte, dass er anders ist. Die Schwerkraft auf der Erde mag geringer sein - der Konformitätsdruck nicht. Noch nie hatte ein Held wohl größere Angst vor den eigenen Kräften als dieser neue "Man of Steel". Sogar den eigenen Vater lässt er zwischendrin im Tornado umkommen - weil es verräterisch gewesen wäre, ihn vor aller Augen zu retten.

Ist das der Einfluss des düsteren Christopher Nolan, der hier als Produzent und Ideengeber mitwirkt, der auch die inneren Widersprüche in "Batman" bereits auf die Spitze getrieben hat? Wahrscheinlich. Jedenfalls wundert es nicht, dass Superman nun als ruheloser Schmerzensmann durch die Welt ziehen muss, als wäre er Jesus oder zumindest Kurt Cobain.

Später, als er zu sich gefunden hat, kommt ein weiterer Schock. Plötzlich ist er sauber und glatt rasiert, wie aus den Dreißigerjahren zurückgeholt: stählern, backenknochig, heldenkantig. Nur fühlt sich das genauso fremdartig an.

Denn die Mädchen von heute, würden sie nicht eher auf den schluffigen Vollbart zusteuern, solang sich unterm Flanell ein Waschbrettbauch abzeichnet? Man sagt es nicht gern angesichts Tausender Fitnessstudiostunden, die der britische Darsteller Henry Cavill investiert haben muss - aber auch diese zuchtputenartigen Brustmuskeln sind überflüssig. Christopher Reeve brauchte die auch nicht.

Reeve konnte sogar, in Richard Donners "Superman"-Film von 1978, in Brooklyn Heights eine Katze aus einem Baum retten und sie ihrer Besitzerin übergeben, einem kleinen blonden Mädchen mit Pigtails, ohne sich für alle Zeiten zum Deppen zu machen. Aber warum? Und warum wirkt dieser neue Superman dagegen doch am Ende freudlos? Der Grund ist wahrscheinlich, dass der ganze Fokus auf die Psyche des Superhelden, seine Ängste und inneren Zerrissenheiten, am Kern der Sache vorbeigeht. Die alte Regel bewahrheitet sich immer wieder: Superheldenfilme leben am Ende gar nicht von ihren Helden. Sie leben von ihren Schurken.

Christopher Reeve hatte einen sehr gerissenen Lex Luthor alias Gene Hackman an seiner Seite - und später auch einen unfassbar coolen General Zod, gespielt von Terence Stamp. Eine Performance von diesem Kaliber, mehr braucht es für einen Superhelden-Klassiker nicht - wie zuletzt Heath Ledger mit seinem "Dark Knight"-Joker wieder bewiesen hat.

Der neue General Zod (Michael Shannon) ist dagegen leider nur Standardmaterial, ein militaristischer Rassenideologe und Weltenplattmacher von Supermans Heimatplanet. Er und seine Mitverschwörer prügeln sich ganz fürchterlich mit dem "Man of Steel", schließlich verfügen sie allesamt über Superkräfte. So geht das vierzig Minuten ohne Unterlass, bis die Stadt in Trümmern liegt und die Bilder an 9/11 erinnern. Es sind aber doch nur rohe Kräfte, die hier sinnlos walten - und als Zuschauer fühlt man sich wie der Depp in der Arena, dem niemand die Regeln erklärt hat. Dass all diese Kämpfer Schwachpunkte und Achillesfersen haben, dass sie mit der einen Strategie zu besiegen wären, mit der anderen aber nicht - das ist aber wahrscheinlich nur noch eine altmodische Phantasie. In Wahrheit wird es eher so sein, dass für ungefähr 200 Millionen Dollar Spezialeffekte bestellt werden, dann lässt man die Großrechner aufeinander los - und am Ende schaut man einfach, was rauskommt.

Man of Steel, USA 2013 - Regie: Zack Snyder. Buch: David S. Goyer. Idee und Produktion: Christopher Nolan. Kamera: Amir Mokri. Mit Henry Cavill, Amy Adams, Michael Shannon. Warner, 143 Minuten.

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