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Leben statt lernen

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China will Schulkindern Hausaufgaben und Prüfungen erlassen


Glückliche Schulkinder. Anfang Juli kursierte im chinesischen Netz ein Foto von Schülern in Urumqi, die vor Freude ihre Ranzen in die Luft warfen. Die Stadt hatte ihnen ein Geschenk gemacht: Die ersten "Sommerferien ohne Hausaufgaben". Für deutsche Kinder normal - revolutionär aber für China, wo Kinder mit der Einschulung aufhören, eine Kindheit zu haben. Wo man auf den Straßen oft nur Kleinkinder sieht, weil die älteren Geschwister für Jahre hinter Schulbänken und Schreibtischen verschwinden. Von frühmorgens bis spätabends. Ein Beamter der Stadt Urumqi sagte, die Chinesen müssten ihre Einstellung ändern. Es sei nämlich so: "Man kann auch vom Leben lernen."



Strenge Ordnung - Schulkinder bei einer Aufführung in Beijing (Archivbild von 2001)

Das Erziehungsministerium hat nun zum Schulanfang Pläne vorgestellt, wonach es Hausaufgaben für die ersten Klassen ganz abschaffen möchte, auch soll es die ersten drei Jahre keine Prüfungen geben. Nun tobt die Debatte. Ein durchschnittlicher Schultag in China ist mehr als acht Stunden lang. Einem Bericht der Pädagogischen Zeitung zufolge besuchen neun von zehn Schülern jeden Tag nach Schulende noch eine Nachhilfeschule. Und dann warten zwei bis vier Stunden Hausaufgaben. Gymnasiasten, die um halb sieben aufstehen und abends um elf - nach den Hausaufgaben - ins Bett gehen, sind die Norm. Eine Untersuchung in Shanghai stellte 2011 erheblichen Schlafmangel bei Gymnasiasten fest: Im Durchschnitt kamen sie auf weniger als sieben Stunden pro Nacht.

Immer wieder liest man von Schülern, die dem Druck nicht mehr standhalten und Selbstmord begehen, zuletzt im Mai der 13-Jährige in Nanjing, der in den Ferien um vier Uhr morgens aufstand, um seine Hausaufgaben zu machen, und den die Eltern zwei Stunden später tot auffanden.

Man sollte denken, Chinas Eltern würden sich über die Abschaffung der Hausaufgaben wenigstens für die Jüngsten freuen. Das Gegenteil ist der Fall. Viele haben Angst. In Chinas Bildungssystem wird nämlich gnadenlos ausgesondert: Viele Bewerber kämpfen um Einlass in nur wenige Top-Schulen. All das Plagen mündet in die Universitäts-Aufnahmeprüfung, deren Note am Ende in den Augen vieler über das Leben ihrer Kinder entscheidet - und alle treibt die ständige Furcht um, ihre Kinder könnten im Konkurrenzkampf nicht mithalten.

Und so berichtet die Global Times von Müttern, die entsprechende Testläufe in Peking unterlaufen, indem sie dem Kind in der gewonnenen Zeit selbst neue Hausaufgaben und Kurse auferlegen: Englisch, Mathe, Kalligrafie und Go. Fatalistische Kommentatoren erinnern daran, dass dies nicht der erste solche Vorstoß ist: Die Regierung probierte es im Jahr 1988, dann 2000, schließlich 2010 - und scheiterte jedes Mal. Im vergangenen Jahr machte ein Achtklässler in der Stadt Foshan seinem Frust Luft, indem er die Webseite des lokalen Erziehungsamtes hackte und dort eine Nachricht hinterließ: "Liebe Führer, habt Ihr nicht weniger Hausaufgaben versprochen? Will die Schule uns foltern?" Der Vizechef des Amtes erklärte, die Vorwürfe seien "grundlos". Der 13-jährige Hacker sei "ein Computernerd, der in den Ferien zu viel Zeit am Rechner sitzt und zu wenig an seinen Hausaufgaben".

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