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Bestechen lernen

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Das 'Institut für angewandte Korruption' erklärt beim Spaziergang durch Wien, wie man sich am besten bereichert.

Wien - Für ein Startup braucht es bekanntlich Startkapital, eine gute Idee sowie einen Instinkt für Marktlücken, ein bisschen Glamour bei der Erstpräsentation kann auch nicht schaden. Insofern hat das "Institut für angewandte Korruption", das kürzlich in Wien sein erstes Produkt vorstellte, alles richtig gemacht. Bei der Premiere gab es Sekt, Treffpunkt war die prunkvolle Wiener Oper. Und auch die Präsentatorin des Startups hatte sich schick gemacht, sie trug Perlen zum dunklen Businesskostüm.



"Verwandtschaft lieben und Freundschaften pflegen - sie könnten nützlich sein."

Die Idee entspricht dem Zeitgeist und hat Potenzial für einen Verkaufsschlager: In zwei Stunden erfahren Laien bei einem Stadtspaziergang anhand erfolgreicher Beispiele aus der Praxis, wie Korruption funktioniert, wie man sich ihre Grundprinzipien aneignen und damit auch noch reich, intelligent und sogar schön werden kann. Dass das geht, hat Österreichs Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser demonstriert. Als er sich, nach zahlreichen anderen Skandalen, 2011 wegen möglicher Steuerhinterziehung rechtfertigen sollte, las er in einer Talkshow einen Fanbrief vor, um zu beweisen, dass ihn Kritik und Missgunst nicht treffen könnten, gebe es doch nach wie vor Menschen, die zu ihm hielten: Er sei "für diese abscheuliche Neidgesellschaft zu jung, zu intelligent, zu gut ausgebildet, zu schön". Voilà. Bis heute wird gegen Grasser ermittelt, bis heute ist er nicht verurteilt.

Das "Institut für angewandte Korruption" hat also offenbar eine Marktlücke entdeckt: In Österreich jagte in den vergangenen Jahren ein politischer Skandal den anderen, oft war Korruption im Spiel. Konsequenzen meist: keine. Warum also nicht lernen, wie das geht: bestechen und bestochen werden, sich und seine Freunde bereichern, das Volksvermögen in die eigene Tasche umleiten, ganz ohne moralische Skrupel? Schließlich erfreue sich "diese Kulturtechnik wachsender Beliebtheit", wie die Institutsgründer meinen.

Das Startkapital wurde durch Crowdfunding aufgebracht - und was das bringt, zeigen kleinen Gaben, die als Dankeschön retourniert werden: Wer 250 Euro spendet, darf an einem Geheimtreffen teilnehmen, und wer 4000 Euro gibt, für den wird gleich eine ganze Stiftung in der Karibik eingerichtet.

Natürlich ist das Ganze Satire. Und die Erfinder, eine Gruppe von Wiener Künstlern, Wissenschaftlern und Schriftstellern, veranstalten ihre Stadtspaziergänge auch mit einem heftigen Augenzwinkern. Andererseits sagt Julia Draxler, die am Museum für moderne Kunst als Kunstvermittlerin arbeitet, durchaus ernsthaft, sie habe mit ihrer Aktion etwas gegen die grassierende Korruption im Land tun wollen, um als Wählerin und Bürgerin nicht ganz wehrlos zu sein. Und Roland Spitzlinger, der einst als Parlamentsreferent bei den Grünen gearbeitet hat, holte sich Anschauungsmaterial zum Thema aus nächster Nähe - von den Abgeordneten selbst.

So oder so zeigt der kabarettreife Streifzug durch Österreichs Hauptstadt, der an Büros von PR- Strategen und Wirtschaftsberatern, an Ministerien, Anwaltskanzleien und dem Parlament vorbeiführt, sehr schnell: Die Realität ist nicht nur das beste Kabarett, sondern auch der beste Lehrmeister. Daher kann, wer sich die Grundsätze der Veranstalter einprägt, eines Tages eventuell wirklich ein gut gefülltes Offshore-Konto sein eigen nennen oder sich mit überhöhten Rechnungen, Kickback-Zahlungen und Insidertipps die Taschen füllen. Gewusst wie.

Los geht"s also - immer dem Schild der Stadtführerin hinterher, auf dem der wohl meistzitierte Satz der österreichischen Politik steht: "Es gilt die Unschuldsvermutung". Erster Stopp ist am Kärntner Ring, vor der Handelsgesellschaft des Grafen Alfons Mensdorff-Pouilly. Der Jäger, Großbauer und Waffenlobbyist hatte kürzlich vor Gericht gestanden. Er wurde freigesprochen - mit dem denkwürdigen Richter-Satz: "Die Sache stinkt, aber sie stinkt nicht genug." Was man vom Grafen lernen könne, fragen die Korruptions-Experten mithin und tragen Lehrsatz 1 vor: "Kommunikation geht vor Korruption". Der Menschenfänger Mensdorff-Pouilly habe Kontakte zur Wirtschaft, zur Politik, in Adelskreise und zu Jägern gepflegt - und alle regelmäßig auf seine Schlösser eingeladen. Es hat sich ausgezahlt.

Weiter geht es zur PR-Agentur des Gernot Rumpold, der aktuell wegen verdeckter Parteienfinanzierung vor Gericht steht. Das Ehepaar Rumpold, das für Jörg Haiders FPÖ tätig war, hatte einst eine legendäre Pressekonferenz zum Thema Eurofighter mit 96000 Euro verrechnet. Bei ihr habe eine solche Veranstaltung eben ihren Preis, und der sei angemessen, hatte Erika Rumpold auf kritische Nachfragen beschieden. Lehrsatz 2: "Der Wert der eigenen Leistung kann gar nicht hoch genug bemessen sein."

Wenig später stoppen die Spaziergänger am Sitz einer Gesellschaft des bereits zitierten Ex-Finanzministers Grasser. Von ihm, referiert die Tourleiterin, lasse sich vieles lernen: Als etwa die Staatsanwaltschaft nach hohen Bargeldeinzahlungen des Politikers auf eigene Bankkonten wegen des Vorwurfs der Geldwäsche ermittelte, sagte dieser, das Geld stamme von seiner Schwiegermutter. Die habe seine Fähigkeit zur Geldvermehrung testen wollen. Ein Scherz? Nein, sondern Lehrsatz 3: "Verwandtschaft lieben und Freundschaften pflegen - sie könnten nützlich sein."

Ein paar hundert Meter weiter bietet sich ein guter Blick auf das Penthouse Grassers, das er zu günstigsten Konditionen von einer befreundeten Versicherung mietete und ausbaute; die Suche nach Nachmietern gestaltet sich schwierig, weil die Ablöse elf Millionen Euro betragen soll. Tapeten mit Rochenmuster aus England, goldbesprühte Raumteiler auf 420 Quadratmetern Wohnfläche samt umlaufender Terrasse - eine insgesamt schicke Sache, die zu Lehrsatz 4 führt: Baue "kostbar, aber nicht protzig", wie Fiona Pacifico Griffini-Grasser zitiert wird, dann kämen die richtigen Leute schon von selbst ins Haus.

Der Spaziergang des "Instituts für angewandte Korruption", der jeden Freitag stattfinden soll, führt auch vorbei am Innenministerium, wo man bei Bedarf Staatsbürgerschaften gegen Geld erwerben könne, wie Stadtführerin und Schauspielerin Barbara Braun erläutert, und zum Michaelerplatz, wo sich im Loos-Haus alle paar Wochen eine exquisite Gesellschaft von Jagdfreunden treffe. Lehrsatz 5: "Ein Jagdschein ist die beste Investition."

Am Parlament, wo der Untersuchungsausschuss zu sieben Korruptionskomplexen 2012 auf Druck der Regierungsparteien verfrüht beendet wurde, endet schließlich auch die Tour. Die Abschlussprüfung für die Teilnehmer enthält eine Kernfrage und in der Antwort darauf auch Lehrsatz Nummer 6: Mit welchem Beruf bringen es Korruptions-Novize am weitesten? Nicht als Politiker, denn die müssen sich rechtfertigen oder werden im schlimmsten Falle abgewählt, sondern, natürlich, als Lobbyist oder als Berater. "Eine echte Leistung", soviel ist klar, "muss nicht erbracht werden. Hauptsache ist, der Preis stimmt."



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