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Die Leute sind da

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Wissenschaftler wehren sich gegen Rassismus

In München hat am Montagabend ein Protestmarsch von Flüchtlingen die Stadt erreicht - zwei Monate nach dem Hungerstreik von Asylbewerbern auf dem Rindermarkt - und in Berlin-Hellersdorf protestieren Anwohner gegen eine neue Flüchtlingsunterkunft, während allein aus Syrien bisher zwei Millionen Menschen fliehen mussten. Es sieht so aus, als ob die Debatte um die deutsche Asylpolitik in diesem Jahr einen neuen Höhepunkt erreicht.



Polizeifahrzeuge vor einem Asylantenheim in Berlin Hellersdorf

Das "Netzwerk kritischer Migrations- und Grenzregimeforschung", ein europäischer Zusammenschluss von jungen Wissenschaftlern, stellt diesen Ereignissen in einer Petition die NSU-Morde gegenüber: Alltagsrassismus und das Systemversagen der Ermittlungsbehörden im Fall NSU will das Netzwerk nicht als getrennte Phänomene betrachtet sehen - beides liege im "institutionellen Rassismus in Deutschland" begründet, heißt es im Petitionstext.

Unter dem Titel "Solidarität statt Rassismus" protestieren die Unterzeichner deshalb gegen einen "virulenten Rassismus", der deutscher Zuwanderungspolitik zu Grunde liege: "Der NSU konnte jahrelang morden, weil die Polizei einfach nicht an einen mörderischen Rassismus geglaubt hat. Stattdessen hat man die Morde perfide den migrantischen Milieus selbst angedichtet", sagt Sabine Hess, Professorin für Kulturanthropologie und Migrationsforschung an der Universität Göttingen und Mitinitiatorin der Petition. "Wir hoffen, dass es andere Antworten auf die NSU-Versäumnisse geben wird als kosmetische Veränderungen beim Verfassungsschutz." Die Gesellschaft müsse jetzt innehalten und den "strukturellen Rassismus" beenden, der in Bildungs-, Sozial- und Zuwanderungsgesetzen Ausländer zu Menschen zweiter Klasse mache.

Die Petition übt eine sehr grundsätzliche Kritik an der deutschen, aber auch der gesamteuropäischen Flüchtlingspolitik. Auch die nur auf den ersten Blick gut gemeint wirkende Kategorie "Integration" bleibt nicht verschont, indem nach der dafür verlangten Anpassungsleistung gefragt wird: Der Begriff betrachte den einzelnen Flüchtling nicht als "den ganzen Menschen mit seiner Geschichte", sondern immer als "Mangelwesen, das sich der Chimäre einer deutschen Leitkultur anpassen muss", sagt Sabine Hess. "Das ist eine rückständige Debatte, die wir auf die Höhe der gelebten, vielfältigen Realität eines Einwanderungslandes bringen wollen", sagt sie. "Es ist so viel dazu geforscht worden, die Institutionen müssen ihre eigenen Erkenntnisse endlich ernst nehmen und die Einwanderungsrealität annehmen." Was das bedeuten würde? "Wir müssen als Gesellschaft akzeptieren, dass Migration nicht kontrollierbar ist und dass die Wirtschaft einen großen Bedarf an migrantischer Arbeitskraft hat. Die Leute sind da und kommen auch weiterhin. Es ist an der Zeit, endlich echte Teilhabe, Partizipation und gleiche Rechte in die Wege zu leiten. "

Unterschrieben haben die Petition bisher 244 Menschen, darunter viele Wissenschaftler und Gewerkschafter. Klaus Bade, einer der renommiertesten deutschen Migrationsforscher, gehört zu den Unterzeichnern und auch Wolfgang Richter, der während der rassistischen Ausschreitungen gegen das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen Ausländerbeauftragter der Stadt war.

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